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München-Augsburger Abendzeitung

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Das Verlagshaus der München-Augsburger Abendzeitung in der Münchner Paul-Heyse-Straße 9 (Heute Sitz des Münchner Merkurs). (Fotografie aus einer Werbeanzeige des Bauunternehmens Liebergesell & Lehmann in: Das Land Bayern. Seine kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung für das Reich, München 1927, S. 390)
Fred (Ferdinand) Ottow, letzter Hauptschriftleiter der Abendzeitung. (aus: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. 2. Band, Berlin 1931, S. 1374)
Titelblatt der "Augspurgische Ordinari-Post-Zeitung" vom 27. März 1762. Gegenstand der Berichterstattung sind die Trauerfeierlichkeiten für Zarin Elisabeth von Rußland (1709-1762, reg. 1741-1762)
Titelseite der München-Augsburger-Abendzeitung vom 1. August 1914. Gegenstand der Berichterstattung ist der Ausbruch des Ersten Weltkriegs

von Josef Mančal

Von 1676 bis 1934 bestehende Zeitung, die zunächst in Augsburg, seit 1912/14 in München erschien. Nach mehreren Namenswechseln hieß die Zeitung seit 1826 "Augsburger Abendzeitung", ab 1912 "München-Augsburger Abendzeitung". Die Abendzeitung war im 17. und 18. Jahrhundert ein protestantisch ausgerichtetes Blatt und konkurrierte mit der katholischen Augsburger Postzeitung. Ab den 1830er Jahren entwickelte sich die Augsburger Abendzeitung zum gemäßigt liberalen Blatt, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Bayern als allseitig informierte und offiziöse Zeitung galt. 1904 erwarb zunächst der Münchner Bruckmann-Verlag die Abendzeitung, 1920 dann der Hugenberg-Konzern. Während der Weimarer Republik war die Abendzeitung daher klar deutschnational orientiert. Aus wirtschaftlichen Gründen stellte sie Ende 1934 ihr Erscheinen ein.

Gründung unter konfessionell paritätischem Vorzeichen 1676

Der ab 1667 tätige protestantische Augsburger Drucker Jakob Koppmayer (1640-1701) gründete 1676 eine Wochenzeitung, deren Auflagenhöhe bisher unbekannt ist, und baute ein namentlich nicht belegbares, bislang nur archivalisch gesichertes Korrespondentennetz auf. Das früheste erhaltene Belegexemplar eines "Aviso" (Wochenblatts) stammt vom 11. Februar 1679, das eines "Extra-Blättlein" von 1696.

Koppmayers katholischer Geselle August (I) Sturm (gest. 1695) machte sich 1685 selbständig und begann 1686 mit dem Druck einer im Titel täuschend ähnlichen Zeitung. Wegen der seit 1648 verfassungsrechtlich gesicherten konfessionellen Parität der Reichsstadt Augsburg genehmigten Rat und Kaiser diese katholische Konkurrenzzeitung, die spätere Augsburger Postzeitung.

Entwicklung bis 1827/28

Koppmayers Schwiegersohn, der protestantische Drucker Andreas Maschenbauer (1660-1727), übernahm 1701 die "Augspurgische Ordinari Post-Zeitung". 1706 [?] erfolgte der Übergang zur viermaligen, 1713 zur fünfmaligen, 1718 zur - zeitweilig (1771-1784) vermindert - sechsmaligen und dann ab 1. Juli 1826 zur siebenmaligen, auch sonntäglichen Erscheinungsweise. Während unter Maschenbauers Sohn Andreas Jakob die Marktstellung der "Abendzeitung" als gering einzuschätzen ist, verbesserte sich diese unter seinem 1744 aus Karlsruhe zugewanderten Enkel Johann Andreas Erdmann Maschenbauer (1719-1773). 1754 verkaufte dieser bei einer Auflage von 950 Exemplaren die Zeitungsdruckerei an seinen Vetter Johann Michael Wagner (1706-1758), behielt aber bis zu seinem Tod 1773 das Druckprivileg.

Nach Maschenbauers Tod 1773 erlebte das Blatt bei häufigem Wechsel der Drucker und Verleger - darunter auch Katholiken - einen Niedergang und konnte sich nur schwer gegen die ungleich erfolgreichere Konkurrenz der Postzeitung unter Joseph Anton Moy (I, 1727-1813) behaupten, eines der auflagenstärksten Blätter ganz Deutschlands.

Die "Abendzeitung" im Besitz der Familie Wirth 1827-1904

Ab 1827 führte Johann Christian Wirth (1788-1851) die Abendzeitung zu neuem Erfolg. Wirth pachtete die Zeitung erstmals zum 1. April 1827 (Verlängerung: 30. September 1837) mit einer Auflagenhöhe von unter 800 Exemplaren. Im Juni 1828 erwarb er eine Druckerei im Haus B 205 (Zeuggasse 3) als neuen, bis zum 1. September 1904 im Familieneigentum verbliebenen Stammsitz.

Wirth war maßgeblich für die liberale Ausrichtung und den nun eintretenden Aufstieg der Abendzeitung. Zeitlich parallel zum ersten Auftreten des Liberalismus süddeutscher Prägung 1830 (protestantischer Kampf gegen den politischen Katholizismus, promonarchische Haltung, Reichseinheit und -treue), der in Augsburg ab den 1850er Jahren bis 1908 lokalpolitisch führend war, gab er ab 1831 vorsichtig seine liberale Haltung zu erkennen. Die Abendzeitung vervierfachte bereits binnen der ersten drei Jahre die Auflage und lieferte 1830 an 90 Orte (1820: 55) aus. In den 1830er Jahren gelang eine weitere Auflagensteigerung (Gesamtauflage um 1840: 2.500; 1844: rund 3.000; 1848, nur Postauflage: 3.102 Stück). 1836 beschaffte Wirth eine einfache Schnellpresse (Fa. König und Bauer).

1848 blieb Wirth trotz einschneidender Ereignisse, u. a. der vorübergehenden Aufhebung der Pressezensur, bei seinem gemäßigt liberalen Kurs. Dies konnte er durch Auswahl seiner Redakteure und Herausgabe einer eigenen, ab 27. März 1848 erscheinenden "Landtags-Zeitung" während des Reformlandtags dokumentieren. Dadurch und dank guter Kontakte nach München legte er die Basis für informationelle Zuverlässigkeit und steigende bayernweite Anerkennung des bald als offiziös geltenden Blattes, das sich als "Beamten-Evangelium" nicht nur beim städtischen Bürger- und Beamtentum, sondern auch bei der ländlichen Bevölkerung steigender Beliebtheit erfreute.

Nach seinem Tod gingen zum 3. April 1851 Verlag und Druckerei an seinen Sohn Carl (1826-1892) über. Dieser setzte den liberalen Kurs erfolgreich fort und machte das Blatt trotz bester Beziehungen zur Führung der 1863 gegründeten bayerischen Fortschrittspartei zwar zu deren Sprachrohr, nicht aber zum Parteiblatt. Ebenso erfolgreich behauptete er sich gegen die zunehmende Konkurrenz durch das "Augsburger Anzeigblatt" ab 1842 und ab 1862 durch die "Augsburger Neuesten Nachrichten", die am 31. Mai 1932 nach mehreren Fusionen in den 1880er Jahren (u. a. Anzeigblatt) in der "München-Augsburger Abendzeitung" aufgingen.

Wegen der stetigen Auflagensteigerung (1866: 9.500; 1871: 18.000; 1877: über 20.000; 1885: über 30.000) setzte Carl Wirth ab 1866 eine vierfache Schnellpresse und am 16. März 1875 als Erster in Bayern die von der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) neu entwickelte Rotationsdruckmaschine ein. Nach 1875 baute Wirth die Zeitung zu einem modernen politischen Blatt aus.

Verkauf und Verlegung nach München, Entwicklung zum deutschnationalen Blatt 1904-1934

Die Wirthschen Erben verkauften das Blatt zum 30. Mai 1904 an die Münchner Verlagsanstalt F. Bruckmann AG. 1912 verlegte die Bruckmann AG den Firmensitz der Abendzeitung nach München; der Titel wurde daher zum 2. September 1912 in "München-Augsburger Abendzeitung" geändert. 1914 wurde die Augsburger Hauptredaktion aufgegeben und die dortige Druckerei verkauft. Die u. a. für den "Stadt-Anzeiger für Augsburg" verantwortliche Teilredaktion beließ man bis zum 30. Juni 1932 in Augsburg und brachte hier auch eine Teilausgabe heraus. Die Auflage betrug 1905 über 35.000 Stück und 1911 rund 45.000 Stück. Herausgeber wurde zeitweise Hugo Bruckmann (1863-1941). Bereits vor dem Ersten Weltkrieg verfocht die Abendzeitung eine klar nationale Linie, die sich während des Krieges noch verschärfte.

1920 ging die Abendzeitung, finanziert durch alldeutsche und deutschnationale Kreise, an das Münchner Druck- und Verlagshaus über und geriet damit unter den Einfluss des Hugenberg-Konzerns. Die "München-Augsburger Abendzeitung" galt daher als Sprachrohr der Deutschnationalen Volkspartei. Die Leitung übernahm im Auftrag Alfred Hugenbergs (DNVP, 1865-1951) 1921 der evangelische Pastor Gottfried Traub (1869-1956), Mitbegründer der Deutschen Vaterlandspartei (DVLP) und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP).

Die München-Augsburger Abendzeitung war das einzige bedeutende Organ, das der Hugenberg-Konzern erwerben konnte. Versuche, sich durch die Eingliederung von Provinzzeitungen ein größeres Verbreitungsgebiet in Franken und Schwaben zu erschließen, scheiterten. Gleichzeitig konnte das Blatt nicht an seine frühere Bedeutung anknüpfen und schrieb laufend Verluste. Die Auflage sank von rund 60.000 im Jahr 1918 auf 18.500 im Jahr 1934.

Einstellung 1934

Der mit der nationalsozialistischen "Machtergreifung" eingeläutete Niedergang des Hugenberg-Konzerns wirkte sich auch auf die im Niedergang befindliche Abendzeitung aus. Nach dramatischem Auflageneinbruch 1934 (1. Juni 1934: München 15.387, Augsburg 5.168; 31. Dezember 1934: München: 8.537, Augsburg: 3.372) stellte sie mit allen Beilagen zum 31. Dezember 1934 ihr Erscheinen ein.

Gleichnamiges Nachfolgeblatt 1941-1945

Von 1. April 1941 bis 18. April 1945 erschien unter dem Titel "München-Augsburger Abendzeitung" erneut eine Zeitung. Sie war vom Präsidenten der Reichspressekammer, Max Amann (NSDAP, 1891-1957), initiiert; die Hauptschriftleitung hatte Franz Miller, sein Stellvertreter war Karl Köbelin. Die bei Knorr & Hirth verlegte Zeitung hatte trotz Berufung auf das Augsburger Traditionsblatt inhaltlich und personell nichts mit diesem zu tun, sondern war eine Fortsetzung des Münchner Abendblatts.

Chefredakteure

Von der Gründung bis zum 15. Juli 1876 war der jeweilige Verleger in der Regel der als einziger namentlich erwähnte verantwortliche Redakteur, zuletzt also Carl Wirth. Von ihm übernahm am 16. Juli 1876 Karl Pfisterer die Chefredaktion, ab 7. Juli 1880 dann der drei Jahre zuvor eingetretene Journalist Karl Stolz (geb. 1847), der nach Carl Wirths Tod 1892 bis zum 31. März 1914 auch die Geschäftsleitung des Verlages innehatte. Die nachher in politischen und nichtpolitischen Teil aufgeteilte Chefredaktion erhielten Cajetan Freund (1873-1962) und der seit 1911 als dessen Stellvertreter fungierende Journalist Dr. Franz Stirius. Beide wurden 1917 auf Druck der Zensurbehörden, die sich an Freunds alldeutschem Kurs störten, durch Dr. Friedrich Möhl (geb. 1875) als Hauptschriftleiter abgelöst.

Ab 19. Mai 1920 unterblieb monatelang die Nennung des Hauptschriftleiters. Zeitweilig wurde Ende 1920 und Anfang 1921 wieder Dr. Stirius als Chefredakteur genannt, bis Traub ihn ab 31. März 1921 durch Dr. Eugen Mündler (geb. 1889) ersetzte. Auf ihn folgte am 1. Oktober 1928 Fred Ottow (1886-1969) als letzter Hauptschriftleiter bis zur Einstellung des Blattes am 31. Dezember 1934.

Wichtige Redakteure und Mitarbeiter

In der Redaktion befand sich 1848 zunächst Heinrich Friedrich Oswald, der am 1. Juli für wenige Monate durch den späteren Landtagsabgeordneten Karl Brater (1819-1869) und dieser dann ebenfalls für kurze Zeit durch Dr. Gustav Widenmann (1812-1876) abgelöst wurde. Beide waren Anhänger der ebenfalls in der "Augsburger Abendzeitung" vertretenen Gebrüder Theodor (1816-1856) und Friedrich Rohmer (1814-1856) und wurden auf einer "Schwarzen Liste" der Regierungsgegner geführt. Unter Carl Wirth gehörte neben Karl Pfisterer ab 1878 der "Meister der Landtagsberichterstattung" Joseph Ritter zu den engsten Redaktionsmitgliedern.

Mit dem am 1./2. Mai 1920 erstmals abgedruckten Impressum sind einzelne Ressorts und deren Leiter greifbar und häufige Um- und Neubildungen sowie personelle Veränderungen in den folgenden Jahren nachzuvollziehen. Mitarbeiter waren u. a. der spätere Reichspressechef Otto Dietrich (1897-1952) und der spätere Münchner NS-Kommunalpolitiker und SS-Mann Paul Wolfrum (geb. 1901).

Beilagen

Als wichtigste Beilage der Abendzeitung erschien seit 1831/32 bis zur Einstellung der Zeitung "Der Sammler", das den breiten Leserkreis der Zeitung umfassend über neueste literarisch, kulturelle und wissenschaftliche Entwicklungen informierte. Seit 1916 war der "Stadt-Anzeiger für Augsburg" eine weitere Beilage; 1920 trat dazu die "Frauen-Zeitung".

Namen der Zeitung
Zeit Name
vor 1723 Wochentlich=Ordinari-Post=Zeitung
1723-1775 Augspurgische Ordinari-Zeitung
1775-1783 Augsburgische Staats- und gelehrte Zeitung
1784-1785 Augspurger ordinäre Zeitung
1790-1798 Augsburgische ordinäre Zeitung
1799-1801 Augsburgische Ordinari-Zeitung
1802-1803 Augsburgische ordinäre deutsche Zeitung
1804-1807 Ordinäre Augsburgische Zeitung
1808-1817 Augsburgische politische Zeitung
1818-1826 Augsburger politische Abendzeitung
1826-1912 Augsburger Abendzeitung
1912-1934 München-Augsburger Abendzeitung

Literatur

  • Adolf Dresler, Augsburg und die Frühgeschichte der Presse, München 1952.
  • Helmut Fischer, Die ältesten Zeitungen und ihre Verleger, Augsburg 1936.
  • Ernst Heuser/Cajetan Freund, Die München-Augsburger Abendzeitung. Ein kurzer Abriß ihrer mehr als 300jährigen Geschichte 1609-1914, München 1914.
  • Paul Hoser, Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Münchner Tagespresse zwischen 1914 und 1934. Methoden der Pressebeeinflussung (Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 447), Frankfurt am Main u. a. 1990.
  • Josef Mancal, Zu Augsburger Zeitungen vom Ende des 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts: Abendzeitung, Postzeitung und Intelligenzzettel, in: Helmut Gier/Johannes Janota (Hg.), Augsburger Buchdruck und Verlagswesen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997, 683-733.
  • Horst Rieber, Liberaler Gedanke und Französische Revolution im Spiegel der Publizistik der Reichsstädte Augsburg und Ulm, Diss. masch. Tübingen 1969.
  • Hans Traub, Die Augsburger Abendzeitung und die Revolution im Jahre 1848. Ein Beitrag zur bayerischen Revolutionsgeschichte, Diss. masch. München 1925.

Weiterführende Recherche

Augsburgische ordinäre deutsche Zeitung, Ordinäre Augsburgische Zeitung, Wochentlich=Ordinari-Post=Zeitung, Augsburgische Staats- und gelehrte Zeitung, Augspurger ordinäre Zeitung, Augsburgische ordinäre Zeitung, Augsburgische Ordinari-Zeitung, Augsburgische politische Zeitung, Augsburger politische Abendzeitung, Augsburger Abendzeitung

Empfohlene Zitierweise

Josef Mančal, München-Augsburger Abendzeitung, publiziert am 30.01.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/München-Augsburger_Abendzeitung> (29.03.2024)