Eiserner Vorhang
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Als Eiserner Vorhang wurden während des Kalten Krieges die Grenzanlagen und Sicherungsstrukturen der "Ostblockstaaten" bezeichnet. Er erstreckte sich fast 7.000 Kilometer von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer und verlief in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und in der Tschechoslowakei (ČSR, ab 1960 ČSSR) rund 800 Kilometer entlang der Landesgrenze mit dem Freistaat Bayern. Der aus der Theatersprache stammende und vor allem durch Winston Churchill (1874-1965, britischer Premierminister 1940-1945 und 1951-1955) geprägte Begriff des "Eisernen Vorhangs" war zugleich eng mit dem übergeordneten Systemkonflikt des Kalten Krieges verbunden. Entsprechend bildete der Eiserne Vorhang auch die Konfrontationslinie zwischen den beiden Militärbündnissen NATO und Warschauer Pakt. In Bayern hatte dies eine hohe Präsenz von Grenzschutzorganen, Bundeswehr und US-amerikanischen Streitkräften sowie entsprechende Verteidigungsplanungen zur Folge. Während in der DDR und der Tschechoslowakei die Verhinderung von Westfluchten im Mittelpunkt der Grenzüberwachung stand, diente die Überwachung des Eisernen Vorhangs auf der bayerischen Seite vor allem der Verhinderung von Grenzzwischenfällen, der Erfassung von Flüchtlingen und der Grenzaufklärung.
Der Eiserne Vorhang zwischen Bayern und der DDR

Als Ergebnis der alliierten Konferenzen von Teheran (1943), Jalta (1945) und Potsdam (1945) und der Arbeit der European Advisory Commission (EAC) entwickelte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland die Zonengrenze zwischen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und den Westzonen. Während Bayern Teil der amerikanischen Besatzungszone wurde, kamen Sachsen und Thüringen zur SBZ. Die Überwachung der 419 Kilometer langen Zonengrenze zwischen Bayern und der SBZ oblag zunächst amerikanischen und sowjetischen Truppen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit die regen Personen- und Warenbewegungen insbesondere von Flüchtlingen, Vertriebenen, Kriegsheimkehrern und Schmugglern zu kontrollieren versuchten. Schon 1945/46 gründeten die Länder jedoch auf Weisung der Besatzungsmächte eigene Grenzverbände, die in zunehmendem Maße Kontroll- und Überwachungstätigkeiten wahrnahmen. In Bayern bildete sich zum 1. März 1946 die Bayerische Landesgrenzpolizei (zunächst mit Zolluntereinheiten), die ab 1949/50 durch den Zollgrenzdienst und den 1951 aufgestellten Bundesgrenzschutz (BGS) verstärkt wurde. In Sachsen und Thüringen entstand bis zum 1. Dezember 1946 die Deutsche Grenzpolizei, deren bewaffnete Patrouillen die Grenze zwischen Bayern und der SBZ sicherten.
Während die Grenze von bayerischer Seite aus offen zugänglich war, entstanden auf dem Gebiet der SBZ bereits 1945/46 erste Hindernisse. Bis Anfang der 1950er Jahre bestanden diese aus einfachen Beobachtungsständen, Zäunen, Schranken und Sperrgräben. Am 26. Mai 1952 erließ der Ministerrat der DDR eine 'Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie'. Fortan unterlag der Aufenthalt im östlichen Grenzgebiet strengen Reglementierungen. Zudem erfolgte die Einrichtung einer fünf Kilometer breiten Sperrzone, die sich im unmittelbaren Grenzbereich nochmals in einen 500 Meter breiten Schutzstreifen und einen zehn Meter breiten gepflügten Kontroll- und Spurenstreifen entlang der Grenzlinie untergliederte. Die Anlage des Grenzbereichs entsprach dabei grundlegend der sowjetischen Grenzsicherung. Vertreter der Sowjetischen Kontrollkommission (SKK) in Ost-Berlin hatten der DDR-Regierung bereits im April 1952 Hinweise zur Gestaltung der Grenzzone erteilt. Hauptziel war die Eindämmung der zunehmenden Fluchtbewegung nach Westdeutschland. Insbesondere die schlechte Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs, die stark eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit sowie das rigide Vorgehen der Staatsführung gegen Oppositionelle und vermeintliche politische Gegner führten zu einem massenhaften Verlassen der DDR.
Durch eine erste Zwangsumsiedlung mit dem Decknamen 'Aktion Ungeziefer' wurden zugleich als politisch unzuverlässig eingestufte Grenzbewohner teils unter Gewaltanwendung in das Landesinnere der DDR umgesiedelt, was Ende Mai und Anfang Juni 1952 zur spontanen Flucht zahlreicher Einwohner aus grenznahen Ortschaften wie Liebau oder Heinersdorf (beide Thüringen) nach Bayern führte. Auch der Abriss von Gebäuden und der Aufbau von Sperrzäunen, Beobachtungstürmen, Erdbunkern, Signaleinrichtungen und Kommunikationsanlagen wurden intensiviert. In der geteilten bayerisch-thüringischen Ortschaft Mödlareuth entstand im Sommer 1952 eine mehr als zwei Meter hohe Bretterwand.
Der Eiserne Vorhang an der Grenze zu Bayern blieb im weiteren Verlauf der 1950er Jahre jedoch noch lückenhaft. Erst nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August begann ab Herbst 1961 der von der Sowjetunion geforderte systematische Ausbau der Sperren an der innerdeutschen Grenze, mit dem innerhalb weniger Monate bis Ende 1961/Anfang 1962 bestehende Lücken geschlossen wurden. Auf Weisung des Oberkommandierenden der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, Marschall Iwan S. Konjew (1897-1973), erfolgte zudem die Anlage von Erdminenfeldern. Der im Detail von der DDR-Staatsführung geplante und getragene Ausbau der Grenzanlagen ging eng mit einer Neuregelung des Aufenthalts im Grenzgebiet, einer zweiten Aussiedlungsaktion mit dem Decknamen 'Festigung' sowie der Eingliederung der Grenzpolizei in die Nationale Volksarmee (NVA) und deren Umbenennung in Grenztruppen der DDR einher. Im Oktober und November 1961 erfolgte in der Nähe der oberfränkischen Ortschaft Prex zudem der Anschluss der DDR-Grenzanlagen an das tschechoslowakische Sperrsystem.
Die teilweise nur schwach ausgebaute Zonengrenze zwischen Bayern und der DDR in den 1950er Jahren. (Bundespolizeidirektion München)
Um eine effizientere Fluchtverhinderung zu ermöglichen, läutete die DDR auf eigene Entscheidung ab 1965/66 den Umbau der bestehenden Sperren zur 'Modernen Grenze' ein. Die bisherigen Stacheldrahtzäune wurden durch schwerer zu überwindende Metallgitterzäune ersetzt und durch modifizierte Minenfelder, Hundelaufanlagen, Lichttrassen, befestigte Kolonnenwege, Fahrzeugsperrgräben sowie Beobachtungstürme aus Beton statt den bisherigen Holzkonstruktionen ergänzt. In grenznahen thüringischen Ortschaften wie Hirschberg, Blankenstein oder Mödlareuth entstanden Betonsperrmauern nach Berliner Vorbild.
Obgleich die Maßnahmen der DDR zum Ausbau des Eisernen Vorhangs bis Ende der 1960er Jahre zu einer deutlichen Abnahme erfolgreicher Fluchten führten, perfektionierten die DDR-Grenztruppen ihr System fortlaufend. Ab Oktober 1970 setzten sie zunächst in Norddeutschland Selbstschussautomaten vom Typ SM-70 am vordersten Sperrzaun ein, die bei Auslösung scharfkantige Stahlsplitter verschossen. An der Grenze zu Bayern wurden diese Anlagen erstmals im Sommer 1975 im Raum Hof festgestellt. Bis 1979 waren 65 Kilometer der ab 1976 nach Grenzkorrekturen nun 421,9 Kilometer langen bayerisch-innerdeutschen Grenze mit SM-70-Sperren versehen.
Internationaler Protest gegen das DDR-Grenzregime, benötigte Kredite aus dem Westen und das Bestreben nach einer weiteren Reduzierung der Fluchtzahlen führten in den 1980er Jahren zu einer Umgestaltung des Grenzsystems, das künftig vor allem auf Signalzäunen und -anlagen basierte. Im Sommer 1983 fiel die Entscheidung, vollständig auf den Einsatz von Minen zu verzichten. Bis dahin hatten die Selbstschussanlagen an der bayerisch-innerdeutschen Grenze einen Ausbaustand von 92,6 Kilometern (1982) erreicht. Am 29. September 1983 begann ihr Abbau bei Mödlareuth, der bis zum 9. November 1984 an der bayerischen Landesgrenze abgeschlossen werden konnte. Die Räumung der Erdminenfelder folgte von Frühjahr 1984 bis zum 29. Oktober 1985.
Der verstärkte Ausbau des neuen Grenzsignalzauns, Umstrukturierungen bei den Grenztruppen und eine modifizierte Hundefreilaufanlage sollten den Minenverzicht kompensieren. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurde zudem die Erprobung moderner Grenzsicherungstechnik für die 1990er Jahre intensiviert. Die Entwicklungen im Herbst 1989 und die Grenzöffnungen ab dem 9. November machten sämtliche Hindernisse und Planungen der Grenztruppen jedoch obsolet. Die Grenzkontrollen an der innerdeutschen Grenze hatten noch bis zum 30. Juni 1990 Bestand, die Grenze selbst verlor mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ihre Funktion. Dennoch konnte der Abbau des Eisernen Vorhangs an der bayerisch-innerdeutschen Grenze erst am 8. Dezember 1993 abgeschlossen werden, eine Minennachsuche verzögerte den Prozess noch bis zum 12. Dezember 1995.
Der Eiserne Vorhang zwischen Bayern und der Tschechoslowakei
Anders als in der DDR begann in der ČSR schon früh der Aufbau eines umfassenden Sperrsystems, das sich sowohl entlang der Grenzen zur DDR und zu Österreich als auch entlang der 356 Kilometer langen Grenze zu Bayern erstreckte. Nachdem bereits unmittelbar nach Kriegsende die tschechoslowakische Finanzwache und die militärähnlich strukturierten Verbände des Nationalen Sicherheitskorps (SNB) als Grenzsicherungseinheiten entstanden, bildete sich aus ihnen ab 1950/51 die militärisch organisierte Grenzwache Pohraniční stráž (PS), die mit dem am 11. Juli 1951 verabschiedeten 'Gesetz zum Schutz der Staatsgrenzen' ihre offizielle Legitimation erhielt. Drei Tage später wurde der Waffeneinsatz an der Grenze gesetzlich geregelt, um die seit 1948 wachsende Fluchtbewegung nach Bayern wirksam einzudämmen. Zu diesem Zweck arbeitete die tschechoslowakische Staatssicherheit im Rahmen der Aktion 'Kámen' (tschech. Stein) zwischen 1948 und 1951 auch mit fingierten Grenzen, mit denen Flüchtlingen eine vermeintlich erfolgreiche Flucht vorgetäuscht werden sollte.
Trotzdem gelang Ende der 1940er Jahre noch Tausenden der Wechsel zwischen Bayern und Böhmen. Unter ihnen befanden sich neben politisch Verfolgten, Schmugglern und Vertriebenen auch ukrainische Partisanenverbände (Bandera-Partisanen), die sich von der Sowjetunion über die ČSR ins Exil nach Bayern durchzuschlagen versuchten. Um dem Fluchtdruck entgegenzuwirken, begann mit Unterstützung sowjetischer Militärberater der gezielte Ausbau des Grenzbereichs, der in seinem Grundprinzip gleichsam dem sowjetischen Vorbild entsprach. Anders als in der DDR legte die tschechoslowakische Regierung jedoch eigenständig den Einsatz der Sperrmittel fest, die sich teils deutlich von anderen Ostblockgrenzen unterschieden. Mit der offiziellen Einrichtung einer mehrere Kilometer breiten und streng überwachten Grenz- und Sperrzone nahm die Zahl der Grenzübertritte spürbar ab. Ab 1951 erfolgte der durchgehende Aufbau des Eisernen Vorhangs mit pioniertechnischen Sperren in Form eines zumeist dreireihigen Stacheldrahtzaunes, in dessen Vorfeld hölzerne Wachtürme, Signalmittel und ein gepflügter Kontrollstreifen von sechs bis zehn Metern Breite angelegt wurden. Ab Anfang 1952 wurde das mittlere Element des Zaunes mit bis zu 5.000 Volt unter Hochspannung gesetzt und zusätzlich von 1952 bis 1957 mit Erdminen abgesichert, bevor diese aufgrund zahlreicher Fehlauslösungen und Unfälle wieder entfernt wurden. Der Hochspannungszaun mit der Bezeichnung EZOH (Elektrische Vorrichtung zum Schutz der Grenze) blieb hingegen mit fortlaufenden Modifikationen bis zum 1. Januar 1966 im Einsatz.
Ökonomische Schwierigkeiten und die Notwendigkeit einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Westen, internationale Kritik sowie der hohe Aufwand für Unterhalt und Wartung des Elektrozaunes führten um die Mitte der 1960er Jahre zu einem Wandel. Die Grenzanlagen basierten fortan auf einem nur noch mit Schwachstrom gespeisten ein- oder mehrreihigen Signalzaunsystem. Die Errichtung der neuen Zäune erfolgte zudem weiter im Hinterland, so dass sich der Fluchtweg verlängerte und die Anlagen von Bayern her oftmals nicht mehr einsehbar waren.
Eine Besonderheit im tschechoslowakischen Grenzsystem waren Betonplattenwege, die 1977 erstmals angelegt wurden und bis unmittelbar an die Grenzlinie führten. Bis 1988 existierten entlang der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze siebzehn dieser Wege, von denen Militär- und Grenzschutzexperten vermuteten, dass sie angesichts ihrer Überbreite auch als Aufmarschwege für Panzer oder mobile Waffensysteme dienen könnten. Hauptsächlich dürften sie aber zur Fluchtverhinderung und zu forstwirtschaftlichen Arbeiten angelegt worden sein.
Planungen für ein modernes Grenzsystem der 1990er Jahre mit Wärmebildgeräten, Lichtschranken, Sensoren und Induktionsschleifen, die ab 1987 verfolgt wurden, ließen sich auf tschechoslowakischer Seite nicht mehr realisieren. Nach der 'Samtenen Revolution' im November 1989 und dem historischen Durchschnitt des Eisernen Vorhangs am 23. Dezember 1989 bei Nové Domky in der Nähe von Waidhaus durch die Außenminister Hans-Dietrich Genscher (1927-2016) und Jiří Dienstbier (1937-2011) begann ab dem Frühjahr 1990 der schnelle und umfassende Abbau sämtlicher Sperranlagen an der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze, die bis Juni 1990 weitestgehend beseitigt waren. Ab dem 1. Juli 1990 wurde der visafreie Reiseverkehr zwischen beiden Staaten aufgenommen, die Eröffnung zusätzlicher Grenzübergänge schloss sich an.
Fluchten über den Eisernen Vorhang nach Bayern
Ausschlaggebend für eine Flucht waren in beiden Ländern vor allem politische und wirtschaftliche Gründe. Auch persönliche Motive wie beispielsweise der Wunsch nach besseren Lebensverhältnissen oder im Westen lebende Verwandte konnten eine Flucht bedingen. Der verstärkte Ausbau der Grenzsicherung in der DDR und in der ČSR/ČSSR schränkte die Möglichkeiten zum Grenzübertritt jedoch immer weiter ein. Flohen in den 1950er und frühen 1960er Jahren noch bis zu mehrere hundert Personen jährlich aus der DDR nach Bayern, so führten der Ausbau der Sperren ab Herbst 1961 und die Umgestaltung zur 'Modernen Grenze' ab 1965/66 dazu, dass die Zahl bis 1969 auf 84 erfolgreiche Fluchten absank. Mit der Weiterentwicklung der Anlagen und der Installation der Selbstschussautomaten gingen die Fluchten nach Bayern im Laufe der 1970er Jahre weiter bis auf 21 Personen im Jahr 1979 zurück. Technische Schwierigkeiten bei der Grenzsicherung führten in Kombination mit wachsenden innenpolitischen Spannungen in der DDR ab Mitte der 1980er Jahre zu einem neuerlichen Anstieg. Überquerten 1986 noch 23 Personen die Grenze in Richtung Bayern, so waren es 1988 bereits 44 und bis zum Oktober des Folgejahres 47 Flüchtlinge. Die meisten Fluchtversuche wurden jedoch bereits vor Erreichen der Sperranlagen entdeckt. Ungesetzlicher Grenzübertritt war nach Paragraf 213 des DDR-Strafgesetzbuches eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren und in schweren Fällen bis zu acht Jahren geahndet wurde.
In der ČSR sorgte die Installation des Hochspannungszaunes schon in den 1950er Jahren dafür, dass kaum noch Fluchten nach Bayern gelangen. Erst die Abschaltung des Hindernisses Anfang 1966 und die kurze Phase des 'Prager Frühlings' sorgten für ein neuerliches Anwachsen der Fluchtzahlen auf 183 Personen im Jahr 1968. Durch eine Verschärfung des Grenzregimes ging der Wert bis 1973 auf 39 Personen zurück, um 1974 mit neun Personen einen Tiefstand zu erreichen. Bis Mitte der 1980er Jahre waren im Durchschnitt nur noch zehn bis zwanzig Fluchten pro Jahr nach Bayern erfolgreich. Erst ab 1988 stiegen die Werte analog zur DDR-Grenze wieder an. Wie in der DDR regelte auch in der ČSR/ČSSR das Strafgesetzbuch in Paragraf 109 das unbefugte Verlassen des Staatsgebietes, für das ein Strafmaß von einem (ab 1961 einem halben) bis zu fünf Jahren vorgesehen war. Organisatoren oder Fluchthelfer konnten mit Freiheitsentzug bis zu zehn Jahren bestraft werden. Auffällig ist, dass seit Mitte der 1960er Jahre viele Fluchtentschlossene aus der DDR über die ČSSR nach Bayern zu entkommen versuchten. Ihr Anteil lag teils bei über 50 % und stieg 1988 auf 80 % an. Ursächlich hierfür war die Annahme, dass die Grenze der ČSSR schwächer gesichert sei. 1989 wurde das Fluchtgeschehen bis zur Grenzöffnung fast nur noch von DDR-Flüchtlingen bestimmt.
Die umfangreichen Grenzsicherungsmaßnahmen in beiden Ländern bedingten auch zahlreiche außergewöhnliche Fluchtfälle, unter anderem mit Fahrzeugen, Hubschraubern oder Flugzeugen. Besondere Berühmtheit erlangten zwei Familien, die am 16. September 1979 mit einem selbstgebauten Heißluftballon aus der DDR flohen und bei Naila in Oberfranken landeten. Nicht minder spektakulär durchbrachen im Juli 1953 acht Personen mit einem umgebauten Kriegsfahrzeug den Hochspannungszaun bei Waldmünchen im Oberpfälzer Wald.
Viele Fluchten nahmen jedoch ein tragisches Ende. An der Grenze zwischen Bayern und der ČSR/ČSSR kamen zwischen 1948 und 1989 mindestens 133 Zivilpersonen sowie mindestens 235 Grenzsoldaten (davon 75 Selbsttötungen) ums Leben, an der Grenze zwischen Bayern und der DDR waren es zwischen 1949 und 1989 mindestens 74 Todesopfer, darunter 25 Polizisten und Grenzsoldaten, die im Grenzdienst durch Deserteure und Flüchtlinge erschossen wurden, verunglückten oder Suizid begingen. Internationale Aufmerksamkeit erregten die Tötung des italienischen Lastwagenfahrers Benito Corghi (geb. 1938) am Grenzübergang Hirschberg am 5. August 1976 und des Wanderers Johann Dick (geb. 1927) aus Amberg am 18. September 1986 bei Treppenstein.
Grenzüberschreitender Personen- und Güterverkehr
Die Entstehung des Eisernen Vorhangs ging in der SBZ bzw. DDR und in der ČSR/ČSSR mit der Schließung sämtlicher Verkehrsverbindungen von und nach Bayern einher. An der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze bestanden nach 1948/49 zunächst nur noch der Straßenübergang in Waidhaus sowie die Bahnübergänge in Selb (nur Güterverkehr), Schirnding, Furth im Wald und bis 1953 Bayerisch Eisenstein. Vergleichbar reduzierte die DDR ihre Verbindungen nach Bayern ab 1951/52 auf den Straßenübergang Töpen und die Bahnlinien nach Gutenfürst (Sachsen) und Probstzella (Thüringen). Eine Ausnahme bildete bis zum 15. September 1961 der Übergang Ziegelhütte (Lauenhain) bei Ludwigsstadt, der bis zu 120 bayerischen Arbeitern den Zugang zu ihrer Arbeitsstätte in den Staatsschieferbrüchen bei Lehesten (Thüringen) ermöglichte.
Dringend benötigte Devisen und die Bereitschaft, das Land für westliche Touristen zu öffnen, führten in der ČSR jedoch bereits ab Mitte der 1950er Jahre zu einer verstärkten Ausgabe von Visa und zur Wiedereröffnung von Grenzübergängen. Nach der Freigabe des Straßenübergangs Schirnding am 15. September 1956 und einer ersten großen Reisewelle in die ČSSR zu Ostern 1964 folgten am 18. Juli 1964 der Straßenübergang Furth im Wald, am 1. Juli 1969 der Straßenübergang Bayerisch Eisenstein und am 9. September 1971 der Straßenübergang Philippsreut.
Auch die DDR sah sich angesichts des steigenden Transitverkehrs von Bayern nach West-Berlin ab 1964 veranlasst, die 1945 gesprengte Autobahnbrücke über die Saale wiederaufzubauen und den seit 1951 geöffneten Straßenübergang bei Töpen am 19. Dezember 1966 durch den Autobahnübergang bei Rudolphstein bzw. Hirschberg (Thüringen) zu ersetzen. Im Zuge der deutsch-deutschen Verträge kamen am 21. Juni 1973 die Übergänge Rottenbach und Eußenhausen für den kleinen Grenzverkehr hinzu, womit sich die Zahl der Grenzübergänge zwischen Bayern und der DDR auf fünf erhöhte.
Die Eröffnung zusätzlicher Übergänge und erweiterte Reisemöglichkeiten führten an beiden Grenzen zu einem deutlichen Anstieg der legalen Übertritte. Überquerten 1957 noch rund 3,6 Millionen Menschen die Grenze zwischen der DDR und Bayern, so wuchs ihre Zahl bis 1977 auf acht Millionen an. 1988 konnten bereits rund zehn Millionen Reisende in beide Richtungen gezählt werden. An der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze erhöhten sich die Werte von 162.000 Personen (1957) auf 2,3 Millionen Personen (1988). In gleichem Maße wuchs der Güterverkehr an, wodurch es vor allem an der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze seit dem Ende der 1970er Jahre zu kilometerlangen LKW-Staus und erheblichen Abfertigungszeiten kam.
Entwicklung des grenzüberschreitenden Gesamtverkehrs an der bayerisch-innerdeutschen und bayerisch-tschechoslowakischen Grenze im Zeitraum zwischen 1950 und 1989. (Markus Meinke)
1960 | 1964 | 1966 | 1970 | 1974 | 1976 | 1980 | 1985 | |
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Versand | 54.475 | 103.600 | 96.870 | 518.000 | 203.000 | 143.000 | 145.000 | 121.000 |
Empfang | 1.569.312 | 1.614.900 | 1.568.859 | 1.702.000 | 2.309.000 | 2.380.000 | 3.505.000 | 4.085.000 |
1950 | 1954 | 1957 | 1960 | 1964 | 1968 | 1970 | 1975 | 1980 | 1985 |
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5.795 | 4.466 | 20.956 | 29.937 | 49.300 | 107.747 | 217.402 | 229.325 | 272.241 | 336.830 |
Angaben nach Statistisches Jahrbuch für Bayern
Neben den offiziellen Grenzübergangsstellen öffnete die ČSR/ČSSR seit Ende der 1950er Jahre temporär Übergänge für die Holzeinfuhr nach Bayern und zwischen 1976 und 1983 wurde der seit Ende der 1940er Jahre geschlossene Übergang Waldmünchen zeitweilig für Schwertransporte genutzt. Dies stellte eine Besonderheit am Eisernen Vorhang dar, die in der DDR seit 1961 keine Entsprechung mehr fand.
Aus- und Nachwirkungen des Eisernen Vorhangs auf Bayern
Die Randlage am Eisernen Vorhang und das Risiko eines Angriffs durch den Warschauer Pakt bedingten eine hohe Dichte von Militär und Grenzsicherungskräften in Bayern. Bundeswehr, US Armee und NATO-Streitkräfte unterhielten zahlreiche Stützpunkte im Freistaat, um auf mögliche Bedrohungsszenarien reagieren zu können. Straßenverbindungen im Grenzgebiet waren mit Sprengschächten versehen, um einen Vorstoß auf das Gebiet der Bundesrepublik zu verzögern, mit dem beispielsweise bei Hof ('Hof Gap') oder Furth im Wald (Further Senke) gerechnet wurde. Ab den 1950er Jahren entstanden analog zu den Anlagen in der DDR und ČSR/ČSSR in Nord- und Ostbayern zudem mehrere Radar- und Fernmeldeeinrichtungen, unter anderem auf dem Schneeberg im Fichtelgebirge, dem Großen Kornberg bei Rehau und dem Hohenbogen bei Furth im Wald. Hohe Belastungen durch Manöverlärm, Flurschäden und Kriminalität in Garnisonsstädten waren die Kehrseite der Stationierungen. Die Kasernen trugen aber auch zur lokalen Wirtschaftskraft bei und schufen in strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze.
Zugleich veränderten sich auf beiden Seiten der geschlossenen Grenze die teils seit Jahrhunderten gewachsenen sozioökonomischen Strukturen. Der Eiserne Vorhang trennte Familien, Freunde und Gemeinschaften, die sich zwischen Dörfern oder Städten herausgebildet hatten. Die traditionell ohnehin überwiegend agrarisch geprägten und wirtschaftsschwachen Grenzregionen verloren ihre einstigen Absatzmärkte und konnten dringend benötige Rohstoffe nicht mehr zu marktwirtschaftlich sinnvollen Preisen aus den benachbarten Gebieten beziehen. Beispielhaft hierfür ist die holzverarbeitende Industrie im bayerisch-tschechischen Grenzraum, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den günstigen Holzlieferungen aus den böhmischen Wäldern abgeschnitten wurde. Etliche Sägewerke mussten in den 1950er Jahren ihren Betrieb einstellen, da eine rentable Produktion nicht mehr möglich war. Eine gewisse Linderung der Problematik brachten die seit Ende der 1950er Jahre temporär geöffneten Holzeinfuhrstellen.
Die Unterbrechung von wichtigen Straßen- und Schienenverbindungen und die dadurch bedingten höheren Transportkosten schränkten die Wettbewerbsfähigkeit von grenznahen Unternehmen zusätzlich ein. Hierzu trug auch der Verlust von Fachkräften bei, die nun jenseits der Grenze lebten. In Konsequenz entstand eine ökonomisch schwach ausgeprägte Randzone, aus der vor allem die jüngere Bevölkerung in die städtischen Zentren abwanderte und die in den Wintermonaten hohe Arbeitslosenzahlen verzeichnete. Mitte der 1980er Jahre waren Arbeitslosenquoten bis zu 50 % in Landkreisen wie Cham oder Freyung-Grafenau üblich. Staatliche Maßnahmen wie das Bayerische Grenzlandprogramm von 1954 oder das Zonenrandförderungsgesetz von 1971 versuchten die schlimmsten Folgen der Teilung zu kompensieren. Der durch den Eisernen Vorhang erzwungene Abbruch von Wirtschaftsbeziehungen und die erforderliche Ausrichtung nach Süden und Westen trugen im Zusammenspiel mit einem Wissenszufluss durch Flüchtlinge und Vertriebene aber auch zur ökonomischen Modernisierung des Freistaats bei.
Die nur schwach ausgeprägte Infrastruktur im Grenzgebiet des Eisernen Vorhangs sorgte zudem für die Entstehung einer Natur- und Ruhezone, die ideale Bedingungen für Flora und Fauna schuf.
Dieses Erbe des Eisernen Vorhangs wirkt seit der Grenzöffnung fort. Das Projekt 'Grünes Band Europa' und andere Organisationen engagieren sich für den Schutz und die Bewahrung dieser besonderen Naturlandschaft. Projekte wie der Radwanderweg 'Iron Curtain Trail' ermöglichen eine sanfte touristische Erschließung des einstigen Grenzbereichs.
An die Teilung selbst erinnern vereinzelte Relikte und Gedenkstätten wie das Deutsch-Deutsche Museum in Mödlareuth oder das Mahnmal für die Opfer des 'Eisernen Vorhangs' bei Cheb (Region Karlsbad, Tschechische Republik).
Literatur
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- Bezirkspersonalrat beim Präsidium der Bayerischen Grenzpolizei (Hg.), 30 Jahre Bayerische Grenzpolizei 1946-1976, Koblenz-Neuendorf 1976.
- Die Bayerische Grenzpolizei in Unterfranken. Rückblick 1946-1990, Mellrichstadt 1990.
- Axel Doßmann, An der innerdeutschen Grenze. Die Saalebrücke auf der Autobahn Berlin-München 1936-2006, Erfurt 2012.
- Astrid M. Eckert, Zonenrandgebiet. Westdeutschland und der Eiserne Vorhang, Berlin 2022.
- Roman Grafe, Die Grenze durch Deutschland. Eine Chronik von 1945 bis 1990. 3. Auflage, Pößneck 2018.
- Ingolf Hermann, Die Deutsch-Deutsche Grenze. 4. Auflage, Plauen 1997.
- Václava Jandečková, Kámen. Svědectví hlavního aktéra akce "falešné hranice" u Všerub na Domažlicku, Domažlice 2013.
- Tomáš Jílek (Hg.), Der Eiserne Vorhang. Die tschechoslowakische Grenzsicherung an der Landesgrenze zu Bayern 1948 bis 1989. Pilsen 2009.
- Robert Lebegern, Mauer, Zaun und Stacheldraht. Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze 1945-1990. Weiden 2002.
- Markus Alexander Meinke, Bayern und der Eiserne Vorhang 1945-1990. Die Grenzregime der DDR und der Tschechoslowakei im Vergleich, Regensburg 2023.
- Jasmin Nithammer, Grenzen des Sozialismus zu Land und zu Wasser. Die tschechoslowakische Landgrenze und die polnische Seegrenze im Vergleich (1948-1968) (Studien zur Ostmitteleuropaforschung 44), Marburg 2019.
- Martin Pulec, Organizace a činnost ozbrojených pohraničních složek: Seznamy osob usmrcených na státních hranicích 1945-1989, Praha 2006.
- Jürgen Ritter/ Peter Joachim Lapp, Die Grenze. Ein deutsches Bauwerk. 9. Auflage, Berlin 2015.
- Gerhard Schätzlein/Bärbel Rösch/ Reinhold Albert, Grenzerfahrungen Bayern - Thüringen 1945 bis 1971, Hildburghausen 1999.
- Gerhard Schätzlein/Reinhold Albert, Grenzerfahrungen Bezirk Suhl - Bayern / Hessen 1972 bis 1988, Hildburghausen 2004.
- Klaus Schroeder/Jochen Staadt (Hg.), Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze 1949-1989. Ein biografisches Handbuch (Studien des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin 24), Berlin 2017.
- Dietmar Schultke, "Keiner kommt durch". Die Geschichte der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer, Berlin 2008.
- Pavel Vaněk, Pohraniční stráž a pokusy o přechod státní hranice v letech 1951-1955, Praha 2008.
Quellen
- Amberger Zeitung vom 24. September 1986: Wieder Schüsse am "Eisernen Vorhang".
- Bayerns Landesgrenze zur DDR. Faltblatt, München 1988.
- Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen (Hg.), Mitten in Deutschland – Mitten im 20. Jahrhundert. 9. überarbeitete und ergänzte Auflage, Bonn 1965.
- Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.), Die innerdeutsche Grenze, Bonn 1987.
- Chamer Zeitung vom 26. Oktober 1988: 17 Betonstraßen führen zur Grenze.
- Chamer Zeitung vom 17. November 1999: Das war der Eiserne Vorhang.
- Der Neue Tag vom 5. April 1968: Schnelle Patrouillen anstelle von elektrischem Draht.
- Der Neue Tag vom 7. August 1976: Tödliche Schüsse (Kommentar).
- Der Spiegel, Heft 16/1976 vom 12. April 1976, 116-125.
- Der Spiegel, Heft 40/1983, 17 f.
- Der Spiegel, Heft 13/1984 vom 26. März 1984, 34f.
- Hofer Anzeiger vom 24./25. Dezember 1976: Der Alltag der Grenzer.
- Jahresberichte der Bayerischen Grenzpolizei für die Jahre 1966 bis 1986.
- Kötztinger Rundschau vom 8. Juni 1956: Grenzsicherung am Eisernen Vorhang wird noch verstärkt.
Weiterführende Recherche
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Mauer, innerdeutsche Grenze
Empfohlene Zitierweise
Markus Meinke, Eiserner Vorhang, publiziert am 13.06.2025; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Eiserner_Vorhang> (13.07.2025)