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Königsplatz, München

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Panorama des Königsplatzes um 1864. Abb. aus: "Illustrirter Spaziergang durch München. Ein Panorama der bedeutensten Strassen, Plätze und Gebäude", München 1864. (bavarikon) (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-025402)

von Klaus Anton Altenbuchner

Der zentrale Platz der Münchner Maxvorstadt wird geprägt vom Zusammenklang dreier klassizistischer Bauten: Leo von Klenze (1784-1864) baute Glyptothek und Propyläen, Georg Friedrich Ziebland (1800-1873) die Antikensammlung. Zuständig für die Planungen des Platzes war Ludwig I. (1786-1868). Der Platz sollte ganz der Kultur vorbehalten bleiben und die Bildungsmächte Kunst, Geschichte und Religion architektonisch durch ein Museum, eine Kirche sowie ein Denkmal verkörpern. Die Ideen Ludwigs und Klenzes zum Königsplatz wurden aber nie vollständig umgesetzt. Gestaltungsvorschläge des 20. Jahrhunderts verfolgten eher gesellschaftspolitische und ideologische Ziele. Adolf Hitler (1889-1945) ließ den Platz nach der "Machtergreifung" 1933 durch seinen Architekten Paul Ludwig Troost (1878-1934) zum Zentrum der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zur Weihestätte des Nationalsozialismus umgestalten. Der Platz wurde mit Granit gepflastert. Der ursprünglich den Künsten gewidmete Königsplatz diente fortan als Bühne für den pseudoreligiösen Kult und seine Inszenierung. 1988 wurde schließlich der Ursprungszustand des Platzes rekonstruiert.

Beschreibung

Geprägt wird der rechteckige Platz vom Zusammenklang dreier klassizistischer Bauten:

  • Die Glyptothek im Norden (erbaut 1806-1830), errichtet von Leo von Klenze (1784-1864) als erstes Gebäude des Platzes, beherbergt die von Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848) gesammelten griechischen und römischen Skulpturen.
  • Im Süden befindet sich die Antikensammlung von Georg Friedrich Ziebland (1800-1873, erbaut 1838-1848). Nach dem Scheitern der Pläne, an diesem Standort eine Kirche bzw. Bibliothek zu errichten, wurde das Gebäude ursprünglich für Kunst- und Industrieausstellungen genutzt und dient heute als Museum für griechische, römische und etruskische Kleinkunst.
  • Die Propyläen, ein monumentales Denkmaltor, bilden den Platzabschluss im Westen (Leo von Klenze, erbaut 1848-1862).

Das gemeinsame Charakteristikum aller drei Bauten sind Tempelfronten, deren dorische, korinthische und ionische Säulenordnung "ein Bild des reinen Hellenismus in unsere Welt verpflanzen" sollten (Leo von Klenze). Der Platz ist durch Rasenfelder gegliedert und wird von der durchführenden Brienner Straße in zwei Hälften geteilt. Seine Grenzen verlieren sich im Grün der Platzrandbepflanzung.


Der Königsplatz im Ursprungskonzept der Maxvorstadt

Nach der 1795 erfolgten Entfestigung entstand die Maxvorstadt ab 1808 als erste nachmittelalterliche Stadterweiterung Münchens. Der nach einem Wettbewerb von Friedrich Ludwig von Sckell (1750-1823) und Karl von Fischer (1782-1820) erstellte Generalbebauungsplan sah eine gerasterte Gartenstadt mit aufgelockerter Bebauung vor, in der die heutige Brienner Straße eine große Achse bildet. Sie verbindet als so genannter Königsweg die Residenz mit Schloss Nymphenburg, was durch eine Platzabfolge betont werden sollte.

Zwischen den Rundplätzen Karolinen- und Stiglmaierplatz (ursprünglich Kronprinzenplatz) nimmt der rechteckige Königsplatz eine besondere Bedeutung ein. Sein Name erinnert an die Erhebung Bayerns zum Königreich am 1. Januar 1806. Diesem memorialen Charakter entsprechend sollte der Platz mit öffentlichen Gebäuden bebaut werden, während sich auf den großzügigen Grundstücken der restlichen Maxvorstadt private Villenbauten befanden. Auf Anregung des Kronprinzen Ludwig war bereits in dieser frühen Phase für die Nordseite des Königsplatzes ein Museum für die von ihm seit 1805 gesammelten Antiken geplant, für die Südseite ein Armeedenkmal für den bayerischen Beitrag zu Napoleons I. (1769-1821) Siegen.

Kronprinz Ludwigs Traum: Der Königsplatz als Stadtentreé

Stadtplan von München, 1850; links Karolinen- und Königsplatz. (Bayerische Staatsbibliothek)

Im selben Jahr übertrug Maximilian I. Joseph (1756-1825, reg. als König 1806-1825) seinem Sohn offiziell die Planungen für den Königsplatz. Bedingt durch Ludwigs antifranzösische Haltung sowie das Umschwenken Bayerns zur siegreichen Allianz Preußen, Russland, Österreich 1813 wurde das Armeedenkmal auf dem Königsplatz hinfällig. Er sollte nun ganz der Kultur vorbehalten bleiben und die Bildungsmächte Kunst, Geschichte und Religion architektonisch durch ein Museum, eine Kirche sowie ein Denkmal verkörpern. Leo von Klenze, seit 1816 für die Planungen des Königsplatzes federführend, sah auf dem Platz eine monumentalere Bebauung vor als Sckell und Fischer. Nicht mehr freistehende, von Grün umgebene Solitärbauten, sondern eine festgefügte architektonische Begrenzung sollte den Platzcharakter bestimmen. Zudem war geplant, den Platz mit einem Stadttor abzuschließen, damit die Stadterweiterung "nicht bis Schleißheim dahindorfen" würde (Klenze) und der Platz als prächtiges Stadtentreé fungieren könne.

Das Scheitern von Klenzes Königsplatz-Konzept und seine Gründe

Dass sich Glyptothek, Antikensammlung und Propyläen heute dennoch als Solitärbauten auf dem ansonsten durch Grün bestimmten Platz präsentieren, zeigt das Scheitern von Klenzes Versuch, den städtebaulichen Charakter der Stadterweiterung zu verändern. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Obwohl schon im Rohbau fertiggestellt, mussten die Gebäude beiderseits der Glyptothek 1824 aus optischen und ökonomischen Gründen wieder abgerissen werden.

Die Vollendung der Propyläen zog sich bis 1862 hin, weshalb diese auch nicht mehr die ihnen von Klenze zugedachte Funktion eines Stadttores übernehmen konnten, da die Stadt längst über den Königsplatz hinausgewachsen war. Dennoch hielt Klenze für die Propyläen an der Form eines Stadttores fest. Zum einen kaschieren die massiven Pylone des Tores den Größenunterschied zwischen kleinerer Glyptothek und größerer Antikensammlung. Zum anderen bildet das dem Gedenken an die wittelsbachische Herrschaft in Griechenland gewidmete Tor zusammen mit dem Isar- und Siegestor eine Gruppe von Denkmaltoren des Hauses Wittelsbach.

"Natürlicher" gegen "versteinerter" Platz - ein vorprogrammierter Konflikt

Carl August von Sckell (1793-1840), der Neffe des Planers der Maxvorstadt, begrünte die Platzanlage bereits 1825, wobei die seitlichen Rasenflächen an der Glyptothek gegen den Willen Klenzes in die Platzfläche mit einbezogen wurden. Dadurch begrenzen die Gebäude nicht mit ihren Fassaden den Platz, sondern stehen körperhaft auf ihm und machen innerhalb der lockeren Naturbegrenzung des Platzes die Platzstruktur sichtbar. Eine wahrnehmbare Platzräumlichkeit können sie jedoch nicht erzeugen. Sckells Grundkonzeption einer Bebauung mit Solitären im Grünen hatte sich zwar gegen Klenzes Auffassung eines monumentalen Stadtplatzes durchsetzen können, jedoch sollte sich dieser Konflikt bis zur Veränderung des Platzes während des Nationalsozialismus hinziehen und in zahlreichen, nicht ausgeführten Umgestaltungsvorschlägen niederschlagen:

Josef Bühlmann (1844-1921) 1869 Konkretisierung des Kulturforums durch Zitate antiker Vorbilder Entwurf für einen Umbau des Königsplatzes von Josef Bühlmann (1844-1921). Zeichnung von 1869. (Architekturmuseum TU München, bueh_j-12-2, lizensiert durch CC BY-NC-ND 4.0)
Max von Heckel (1851-1889) 1883 Erweiterung mit monumentalen Bauten zu einem großen Museumsforum in Konkurrenz zur Berliner Museumsinsel Entwurf von Max von Heckel (1851-1889) zur Umgestaltung des Königsplatzes in einen "vaterländischen Heldenplatz" (1883). Heckel schlug vor, rings um den Königsplatz große Kolonnaden zu errichten, um ein geschlossenes Forum zu schaffen. (Stadtmuseum München)
Karl Jäger 1916/1921 Neoklassizistischer Platz mit allseitigen Kolonnaden
Otto (Otho) Orlando Kurz (1881-1933) 1924 "Vaterländischer Heldenplatz" mit Aufstellung von Sarkophagen zur Ehrung der im Kampf gegen die französische Besatzung hingerichteten Kämpfer Entwurf von Otho Orlando Kurz zur Umgestaltung des Königsplatzes in einen "vaterländischen Heldenplatz" (1924). Kurz wollte die Sarkophage von 16 gefallenen "Helden" wie wie dem hingerichteten Aktivisten gegen die französische Ruhrbesetzung Albert Leo Schlageter (1894-1923) auf dem Platz aufstellen. (Bayerische Staatsbibliothek)
Hermann Sörgel (1885-1952) 1925 Abgeschlossener Platz mit verdoppelten Propyläen zur "Steigerung der Raumpotenzen" als Demonstration der architektonischen Thesen des Architekturtheoretikers Sörgel Entwurf von Hermann Soergel (1925). Soergel schlug vor, den Platz im Osten durch eine Kopie der Propyläen abzuschließen, umlaufende Kolonnaden zu errichten und den Platz zu pflastern. (Bayerische Staatsbibliothek)

Während den Vorschlägen des 19. Jahrhunderts noch eine Konkretisierung und Ausweitung des Kunstforums zu Grunde lag, verfolgten die Vorschläge des 20. Jahrhunderts gesellschaftspolitische und ideologische Ziele. Sie wollten dem Platz eine neue, außerhalb der Kunst liegende Bestimmung zuweisen, wofür die Bauten nur noch Kulissen abgegeben hätten. Die tatsächliche Umgestaltung des Königsplatzes und sein Missbrauch durch den Nationalsozialismus waren architektonisch wie ideologisch daher lange vorbereitet.

Der Königsplatz im Nationalsozialismus - "Bürokratie und Kult"

Adolf Hitler (1889-1945), der seit 1930 im so genannten Braunen Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zum Königsplatz residierte, ließ den Platz nach der "Machtergreifung" 1933 durch seinen Architekten Paul Ludwig Troost (1878-1934) zum Zentrum der Nationalsozialischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zur Weihestätte des Nationalsozialismus umgestalten. Der Platz wurde mit Granit gepflastert, blieb jedoch ansonsten unangetastet, was die nationalsozialistische Umgestaltung vermeintlich als rücksichtsvoller erscheinen lässt als die vorangegangenen Umgestaltungsvorschläge. Da die Pflasterung nur bis zu den Fassaden der Museumsgebäude reichte, wurden diese an den Rand gedrängt. Die Fassaden allein waren jedoch nicht fähig, der großen planen Fläche ausreichend Halt zu geben und das Raumgefühl eines Stadtplatzes zu erzeugen. Der "grüne" Kunst-Platz wurde zum "steinernen" Aufmarsch-Feld.

Die Weihestätte der NSDAP, die "Ehrentempel" mit den Särgen der "Märtyrer der Bewegung", befanden sich nicht wie bei O.O. Kurz' Entwurf für einen "Vaterländischen Heldenplatz" von 1924 auf dem Königsplatz selbst, sondern zusammen mit den Gebäuden für Führer und Administration der Partei am östlichen Rand des Platzes. Die symmetrische Gestaltung des Ostabschlusses, die keine Rückschlüsse auf die unterschiedlichen Funktionen der beiden Gebäude erlaubt, sowie die Aufteilung der Weihestätte in zwei Ehrentempel belegen die städtebauliche Grundintension der Planungen. Die massiven Bauten sind in ihrer Breite vom Platz her nicht zur Gänze erfassbar und wirken vielmehr wie Kulissen, die von außen herangeschoben werden, während die Ehrentempel als Überleitung vom Platz zur Straße fungieren. Der wahre Missbrauch durch die Nationalsozialisten ist somit nicht an den Bauten selbst abzulesen, sondern erklärt sich erst aus ihrer Funktion: Der ursprünglich den Künsten gewidmete Platz wurde zum "Teatrum sacrum" der "Bewegung" umfunktioniert und diente als Bühne für den pseudoreligiösen Kult und seine Inszenierung.

Der Königsplatz nach 1945

Während die Museumsbauten durch den Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, blieben "Führer-" wie "Verwaltungsbau" unbeschädigt und beherbergen bis heute kulturelle Einrichtungen (Hochschule für Musik und Theater München, Zentralinstitut für Kunstgeschichte). Den ausufernden Vorschlägen zur Umnutzung der Ehrentempel (u. a. Teehäuser, Kunstausstellungsgebäude, evangelische und katholische Kirche) machten die Amerikaner im Januar 1947 ein Ende, indem sie die Sprengung anordneten. Ein im gleichen Jahr ausgelobter Wettbewerb führte zu keinem Ergebnis, so dass über die Tempelfundamente im Laufe der Jahre im wahrsten Sinne des Wortes "Gras" wuchs. Die Platten auf dem Platz blieben dagegen erhalten; der "königliche Platz" der Nationalsozialisten wurde zum "königlichen Parkplatz" des Wirtschaftswunders, im Volksmund auch "Plattensee" genannt. Nach ersten Vorschlägen, bis zu den Olympischen Spielen 1972 die ramponierten, zerbrochenen und geflickten Platten zu beseitigen, wurde der Ursprungszustand erst 1988 rekonstruiert. Der Platz steht somit stellvertretend für den Wiederaufbau Münchens, bei dem durch weitgehende Rekonstruktionen die meisten Spuren an Nationalsozialismus und Krieg getilgt wurden. Seine Aufgabe als Künder des alten und Mahner vor neuem Missbrauch hat der Königsplatz durch die Wiederherstellung verloren.

Literatur

  • Klaus Altenbuchner, Der Königsplatz in München. Entwürfe von Leo von Klenze bis Paul Ludwig Troost, in: Oberbayerisches Archiv 125 (2001), 7-126.
  • Klaus Altenbuchner, "Als wären die Bauten wie mit dem Schubkarren herangefahren". Klenze Königsplatz und Konzeptionen, in: Felix Billeter/Antje Günther/Steffen Krämer (Hg.), Münchner Moderne. Kunst und Architektur der zwanziger Jahre, München/Berlin 2002, 36-49.
  • Ulrike Grammbitter/Iris Lauterbach, Das Parteizentrum der NSDAP in München, herausgegben vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte mit einem Beitrag von Klaus Bäumler, München/Berlin 2009.
  • Peter Köpf, Der Königsplatz in München. Ein deutscher Ort, Berlin 2005.
  • Iris Lauterbach (Hg.), Bürokratie und Kult: das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 10), München 1995.
  • Klaus Vierneisel (Hg.), Der Königsplatz: 1812-1988, München 1988.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Klaus Anton Altenbuchner, Königsplatz, München, publiziert am 02.08.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Königsplatz,_München> (19.03.2024)