Liebfrauenmünster, Ingolstadt
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Das Ingolstädter Liebfrauenmünster entstand 1407 kurz vor der Gründung einer zweiten Pfarrei in Ingolstadt als Holzkirche. Herzog Ludwig der Gebartete von Ingolstadt (reg. 1413-1447) baute die Kirche zum geistlichen Zentrum seines Herzogtums aus. Ab 1429 ließ er den noch heute bestehenden Bau errichten (fertiggestellt 1525) und begründete an der Kirche zahlreiche Stiftungen. Auf ein von ihm geschenktes Marienbild geht der eigentliche Name der Kirche "Zur Schönen Unserer Lieben Frau" zurück. Seit 1472 diente das Liebfrauenmünster auch als Universitätskirche. Besonders im 16. Jahrhundert wurde die Kirche nochmals reich ausgestattet. Barock, Aufklärung und Neugotik veränderten den Bau nicht mehr grundlegend.
Entstehung, Bedeutung und Name
Das Münster "Zur Schönen Unserer Lieben Frau" in Ingolstadt entstand im Zuge der Gründung einer zweiten Pfarrei in Ingolstadt. Gemäß einer Stiftung Herzog Stephans III. "des Kneißl" (reg. 1375-1413) von 1407 wurde zunächst eine Kirche aus Holz errichtet. Am 18. Februar 1425 fand die Grundsteinlegung für den noch heute bestehenden Steinbau statt. Zunächst nur eine städtische Pfarrkirche, wurde sie ab 1429 als "Herrschaftskirche" zum geistlichen Zentrum des von 1392 bis 1447 bestehenden Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt mit dynastischer Grablege, das für den Herrscher, sein Haus und sein Land Heil wirken sollte. 1472 wurde sie auch Kirche der neu gegründeten Landesuniversität, die 1800 nach Landshut und 1826 nach München verlegt wurde.
Nach dem Willen des Ingolstädter Herzogs Ludwig VII. des Gebarteten (reg. 1413-1447) erhielt die Kirche unter Bezugnahme auf ein von ihm gestiftetes kostbares Marienbildwerk den Namen "Zur Schönen Unserer Frauen", der aber nicht durchwegs in Gebrauch geblieben war. Am 13. Januar 1947 wurde ihr durch Bischof Michael Rackl (1883-1948, Bischof von Eichstätt 1935-1948) der Titel "Liebfrauenmünster" verliehen.
1524 war die Kirche mit Pfarrei der Universität Ingolstadt inkorporiert worden; 1975 verzichteten die Universität München und die Stadt Ingolstadt auf ihr durch Vertrag zwischen der Universität und der Stadt von 1547 geregeltes alternierendes Präsentationsrecht. Von 1472 bis 1800 war die Besetzung der Pfarrei im Regelfall mit einer theologischen Professur verbunden.
Baugeschichte
Der Bau wurde wohl noch 1425 begonnen. 1439 war der Chor weithin fertig. 1441 wurde die Kirche um den "hinteren" Chor, das westliche Drittel, erweitert. 1503/04 wurde die Hallenkirche mit dem 5 m überhöhten Mittelschiff (Staffelhalle) gewölbt. Zu den erstmals 1429 genannten Chorkapellen traten 1509-ca.1520 die Seitenkapellen des Schiffs. Die Türme blieben unvollendet.
Der Name des ersten Baumeisters (vielleicht Hanns von Yngelstat) ist nicht bekannt. Er steht in der Linie der Bauten des Hanns von Burghausen (gest. 1432) und der Familie Parler, von denen er sich aber unterscheidet. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts leitete Friedrich Spies/Sphys den Bau. Die Einwölbung von 1503/04 war das Werk des in Ingolstadt ansässig gewordenen Hans Rottaler (um 1450-um 1504). Dessen Nachfolger als Leiter des Baus war ab 1509 Erhard Heidenreich (gest. 1524), den von 1525 bis 1536 Ulrich Heidenreich (gest. 1538) ablöste. 1522 wurden die Arbeiten am Südturm als letzte große Baumaßnahme eingestellt. Ein Ausbauplan von ca. 1510 ist erhalten. 1847-52 wurde eine neugotische "Restauration" durchgeführt, 1960-70 fand eine durchgreifende Restaurierung statt.
Die Kirche beeindruckt durch ihre Mächtigkeit, nicht zuletzt ihrer Säulen im Kontrast zu der leicht wirkenden geometrischen Rippenfiguration des Mittelschiffs und den geradezu phantastischen mehrschichtigen Einwölbungen der Längsseitenkapellen von 1509 bis ca. 1520.
Das Liebfrauenmünster. Stahlstich um 1840 von Carl Schleich (1788-1840). (Bayerische Staatsbibliothek, Porträt- und Ansichtensammlung)
Liturgische Stiftungen
Eine reiche Liturgie war für die Kirche vorgesehen. Zu den Pfarrgottesdiensten mit Pfarrer und zwei Kaplänen traten ab 1429 die Stiftungen Herzog Ludwigs des Gebarteten, der nahezu zeitlebens im Kirchenbann lebte, gegen den er immer wieder Einspruch erhob. An Stelle eines Kanonikerstifts dotierte er Kapläne und zu Gottesdiensten verpflichtete Gruppen von 16 Psalteristen (1429), 15 Pfründnern (1434) und 18 (1438) und 17 Armen (1441). Ab 1441 wurden die Stiftungen auf 1.000 Arme ausgeweitet. Die herzoglichen Stiftungen von 1429 mit ihren Konsequenzen für Bau und Ausstattung der Kirche folgten weithin dem Vorbild von St. Stephan in Wien (mit Herzogsgrab, Chorkapellen, Altären etc.).
Obwohl Herzog Ludwig der Gebartete 1438 vor seinem Sohn Ludwig dem Höckrigen (1403-1445) in das benachbarte Neuburg a. d. Donau ausgewichen war, baute er bis zu seiner Gefangennahme 1443 seine Stiftungen in einer eschatologisch motivierten Konzeption ins Ungemessene aus. 1447 starb er in Gefangenschaft und wurde im Zisterzienserkloster Raitenhaslach (Stadt Burghausen, Lkr. Altötting) begraben. Die Finanzierungspläne und der Versuch, die Stiftung 1441 durch König Friedrich III. (reg. 1440-1493, als Kaiser ab 1452) und den Erzbischof von Mainz absichern zu lassen, bezeugen die Ernsthaftigkeit des Stifters. Beim Tode des Herzogs waren die Stiftungen nur zum Teil realisiert. 1449 bestätigte sie Herzog Heinrich XVI. der Reiche von Bayern-Landshut (reg. 1393-1450), an den das Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt gefallen war, in reduzierter Gestalt. 1472 wurden die Stiftungen großteils in die Dotierung der neu gegründeten Universität Ingolstadt eingebracht.
Die Architektur der Kirche wird von ihrer Bestimmung begreifbar: der Chor als Ort des Hoch- und Mittelaltars sowie der herzoglichen Grablege mit Hochgrab, der Chorumgang mit den Kapellen für Kapläne, das Mittelschiff für das Volk, das rückwärtige Drittel für 1.000 bzw. 920 Arme, im Westen das Westwerk mit den beiden diagonal gesetzten Türmen.
Ausstattung
Zu den Altären im Ostchor traten weitere Altäre, zunächst im Chorumgang, dann im Kirchenschiff und in den Längsseitenkapellen sowie drei Altäre im Westchor mit dem Bild des Herzogs. Zum herzoglichen Hochgrab, für das Hans Multscher (gest. 1467) das Modell (heute im Bayerischen Nationalmuseum München) lieferte, kamen ein Reliquienschatz und kostbare Werke der Pariser Hofkunst von ca. 1400, u. a. das namengebende Marienbild, das "Goldene Rößl" und kostbare liturgische Bücher, wie die wohl für die Herrschaftskirche bestimmte "Ottheinrich-Bibel" und der "Ingolstädter Psalter" mit einer Armenbibel.
Eine zweite Ausstattungsphase schloss die Baumaßnahmen um 1525 weitgehend ab. Sie umfasste die nur zum Teil erhaltenen Glasfenster von 1497 bis 1527 nach Hans von Kulmbach (gest. 1522), Albrecht Dürer (1471-1528) und Hans Wertinger (ca. 1465-1533), Altäre von Melchior Feselen (gest. 1538) von 1522 bis 1531 und eine Orgel von Hanns Kindler von 1510.
In einem dritten Anlauf entstanden auf Betreiben des bayerischen Herzogs der grandiose Flügelaltar von Hans Mielich (1515-1572) und dessen Werkstatt (Entwurf und Malerei), Hans Wörner (Bildhauer) und Hanns Wiesreuter (Schreiner) von 1560 bis 1572, Chorgestühl und Kanzel.
Weitere Akzente setzten 1675 bis 1677 die Empore, eine neue Orgel von Johann König (gest. 1691) und die großen Apostelbilder von Franz Joseph Geiger (1644-1691) sowie die große Kreuzigungsgruppe von 1674 bis 1677. Die heutige Orgel (1977) stammt von Johannes Klais (1852-1925).
In den Epitaphien spiegelt sich nicht zuletzt die Geschichte von Stadt und Universität mit Pfarrer Gabriel Glesein (gest. 1478), Johannes Permetter (gest. 1505), Dr. Johannes Eck (gest. 1543) und dem Memoriale für Kurfürst Maximilian I. (gest. 1651, ursprünglich im Chor, heute im Chorumgang). Die Absicht Ludwigs VII. das Liebfrauenmünster zur Hauptgrablege seiner Linie zu machen – wozu er 1430 den Leichnams seines Vaters wie auch das Herz seiner ersten Gattin, Anna von Bourbon, nach Ingolstadt überführen ließ – kamen infolge des Endes des Teilherzogtums 1447 nicht über erste Ansätze hinaus.
Modell für das Hochgrab Ludwigs des Bärtigen von Hans Multscher 1430. Das Modell zeigt den Herzog als hl. Oswald von Northumbria kniend vor der dem Gnadenstuhl der hl. Dreifaltigkeit. Bei Grabmälern war es ansonsten üblich, den Verstorbenen in liegender Position darzustellen. (Bayerisches Nationalmuseum)
Forschungsstand
Trotz relativ guter Quellenlage bleiben Fragen wie nach dem ersten Baumeister offen. Auch stehen noch detaillierte Forschungen über die Rolle der Kirche und ihrer Pfarrer in der Geschichte der Universität Ingolstadt an.
Literatur
- Frank Becker/Christina Grimminger/Karlheinz Hemmeter, Stadt Ingolstadt (Denkmäler in Bayern I/1), München 2002.
- Ludwig Brandl/Christina Grimminger/Isidor Vollnhals (Hg.), Liebfrauenmünster Ingolstadt, Regensburg 2007.
- Helga Czerny, Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit 1347-1579. Vorbereitungen - Sterben - Trauerfeierlichkeiten - Grablegen - Memoria (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 146), München 2005, 562-601.
- Siegfried Hofmann, Der Ingolstädter Psalter, Regensburg 2010.
- Siegfried Hofmann, Geschichte der Stadt Ingolstadt von den Anfängen bis 1505, Ingolstadt 2000.
- Siegfried Hofmann, Geschichte der Stadt Ingolstadt 1506-1600, Ingolstadt 2006.
Quellen
- Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München
- Bayerische Staatsbibliothek, München
- Pfarrarchiv Unserer Lieben Frau, Ingolstadt
- Universitätsbibliothek Heidelberg
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Siegfried Hofmann, Liebfrauenmünster, Ingolstadt, publiziert am 28.07.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Liebfrauenmünster,_Ingolstadt> (31.10.2024)