Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Unterschied zwischen den Versionen
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Gleichwohl war die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Kontroversen gekennzeichnet, besonders bei der Abkehr von einem primär ehrenden Gedenken an die Soldaten und der Zuwendung zu einem kritischeren, mahnenden Gedenken an ausdrücklich alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, die der Volksbund vollzog. Dieser umfassende Opferbegriff spiegelt sich auch im 1965 novellierten Gräbergesetz wider, das die Basis für die Arbeit des Volksbundes darstellte und allen Kriegstoten bis heute ein dauerndes Ruherecht zusichert. Ab den 1980er Jahren musste sich der Volksbund vermehrt mit dem Umstand auseinandersetzen, dass auf seinen Kriegsgräberstätten auch Menschen ruhen, die sich schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte in diesem Zusammenhang die Kriegsgräberstätte [[45.58606, 10.739|Costermano]] am Gardasee, die ein Betreuungsfriedhof des LVB ist. Dort ruhen unter 22.000 Kriegstoten auch führende Akteure des Holocaust (u.a. die SS-Offiziere [[Person:12885359X|Christian Wirth]]{{#set:PND=12885359X}} und Franz Reichleitner). Dieser Umstand führte nach seiner Bekanntwerdung ab 1987 zu massiven Protesten von italienischer Seite und wurde auch in Deutschland kontrovers diskutiert. Seit 2005 klärt eine Tafel im Eingangsbereich der Kriegsgräberstätte über die Umstände auf. Als Folge solcher Kontroversen, die in den 1990er Jahre durch die „Wehrmachtsausstellung“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung einen neuen Höhepunkt erreichten, ging der Volksbund die Problematik der Täter auf seinen Kriegsgräberstätten durch eine aktive Auseinandersetzung an. Neben die Erinnerung traten nun Mahnung und Bildung in das Zentrum der gedenkkulturellen Arbeit des Volksbunds. 2016 manifestierte der Verband diese Ausrichtung durch die Implementierung eines neuen Leitbildes. | Gleichwohl war die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Kontroversen gekennzeichnet, besonders bei der Abkehr von einem primär ehrenden Gedenken an die Soldaten und der Zuwendung zu einem kritischeren, mahnenden Gedenken an ausdrücklich alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, die der Volksbund vollzog. Dieser umfassende Opferbegriff spiegelt sich auch im 1965 novellierten Gräbergesetz wider, das die Basis für die Arbeit des Volksbundes darstellte und allen Kriegstoten bis heute ein dauerndes Ruherecht zusichert. Ab den 1980er Jahren musste sich der Volksbund vermehrt mit dem Umstand auseinandersetzen, dass auf seinen Kriegsgräberstätten auch Menschen ruhen, die sich schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte in diesem Zusammenhang die Kriegsgräberstätte [[45.58606, 10.739|Costermano]] am Gardasee, die ein Betreuungsfriedhof des LVB ist. Dort ruhen unter 22.000 Kriegstoten auch führende Akteure des Holocaust (u.a. die SS-Offiziere [[Person:12885359X|Christian Wirth]]{{#set:PND=12885359X}} und Franz Reichleitner). Dieser Umstand führte nach seiner Bekanntwerdung ab 1987 zu massiven Protesten von italienischer Seite und wurde auch in Deutschland kontrovers diskutiert. Seit 2005 klärt eine Tafel im Eingangsbereich der Kriegsgräberstätte über die Umstände auf. Als Folge solcher Kontroversen, die in den 1990er Jahre durch die „Wehrmachtsausstellung“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung einen neuen Höhepunkt erreichten, ging der Volksbund die Problematik der Täter auf seinen Kriegsgräberstätten durch eine aktive Auseinandersetzung an. Neben die Erinnerung traten nun Mahnung und Bildung in das Zentrum der gedenkkulturellen Arbeit des Volksbunds. 2016 manifestierte der Verband diese Ausrichtung durch die Implementierung eines neuen Leitbildes. | ||
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Datei:Gedenkveranstaltung Bundestag.jpg|Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag, 2010. (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) | Datei:Gedenkveranstaltung Bundestag.jpg|Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag, 2010. (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) | ||
Datei:Karte Kriegsgraeberstaetten Deutschland.jpg|Karte mit Kriegsgräberstätten in Deutschland. (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) | Datei:Karte Kriegsgraeberstaetten Deutschland.jpg|Karte mit Kriegsgräberstätten in Deutschland. (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) | ||
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*Jakob Böttcher, Zwischen staatlichem Auftrag und gesellschaftlicher Trägerschaft. Eine Geschichte der Kriegsgräberfürsorge in Deutschland im 20. Jahrhundert, Göttingen 2018. | *Jakob Böttcher, Zwischen staatlichem Auftrag und gesellschaftlicher Trägerschaft. Eine Geschichte der Kriegsgräberfürsorge in Deutschland im 20. Jahrhundert, Göttingen 2018. | ||
*Christian Fuhrmeister/Manfred Hettling/Wolfgang Kruse/u. a., Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme, Berlin/Brandenburg 2019. | *Christian Fuhrmeister/Manfred Hettling/Wolfgang Kruse/u. a., Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme, Berlin/Brandenburg 2019. | ||
*Wiebke Kolbe, Trauer und Tourismus. Reisen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1950–2010, in: Zeithistorische Forschungen 14 (2017), 68–92. | *[https://doi.org/10.14765/zzf.dok.4.762 Wiebke Kolbe, Trauer und Tourismus. Reisen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1950–2010, in: Zeithistorische Forschungen 14 (2017), 68–92.] | ||
*Rolf Wernstedt, Ehren? Gedenken? Trauern? Erinnern? Gedanken zur Kultur der Erinnerung in Deutschland und der Rolle des Volksbundes, Kassel. 2019. | *Rolf Wernstedt, Ehren? Gedenken? Trauern? Erinnern? Gedanken zur Kultur der Erinnerung in Deutschland und der Rolle des Volksbundes, Kassel. 2019. | ||
*Johann Zilien, Der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.“ in der Weimarer Republik. in: Archiv für Kulturgeschichte 75 (1993), 445–478. | *Johann Zilien, Der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.“ in der Weimarer Republik. in: Archiv für Kulturgeschichte 75 (1993), 445–478. |
Version vom 14. März 2023, 10:50 Uhr
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. gründete sich 1919 mit dem Ziel, Grabstätten für die deutschen Kriegstoten des Ersten Weltkrieges zu errichten, zu pflegen und zu erhalten. Zudem wollte sich der Verein an der Ausgestaltung der Gedenkkultur für die Gefallenen aktiv beteiligen. In Bayern gründete sich 1919 zunächst der sog. Deutsche Kriegsgräber-Schutzbund, der 1920 in den Volksbund eingegliedert wurde. Bis 1927 konnte der Volksbund 100.000 Mitglieder rekrutieren. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ließ er sich bereitwillig gleichschalten und etablierte das Führerprinzip im Verband. Ein nationalsozialistisch überhöhendes Heldengedenken trat nun in den Vordergrund. Nach 1945 war die Ablösung des ehrenden, soldatischen Gedenkens durch ein mahnendes Gedenken an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft eine entscheidende, aber auch von internen Kontroversen und öffentlicher Kritik begleitete Entwicklung. Seit 1954 ist der Volksbund im Auftrag der Bundesregierung für die Pflege der deutschen Kriegsgräber (Stand 2023: 832 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten mit über 2,8 Millionen Kriegstoten) im Ausland verantwortlich.
Stellung der Kriegsgräberfürsorge nach dem Ende des Ersten Weltkrieges
Als der Erste Weltkrieg am 11. November 1918 endete, hatten über zwei Millionen deutsche Soldaten ihr Leben verloren, davon ca. 200.000 aus Bayern. Fast jede Familie hatte den Verlust eines Angehörigen zu beklagen. Von staatlicher Seite war die Kriegsgräberfürsorge während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst militärisch organisiert. Die Verantwortung lag für Bayern in den Händen des Zentral-Nachweise-Bureaus, das dem Bayerischen Kriegsministerium angehörte. Ab Herbst 1919 wurden die Aufgaben der vier föderalen Zentral-Nachweise-Bureaus auf Reichsebene zusammengefasst und an das Zentralnachweisamt für Kriegsverluste und Kriegsgräber übertragen, welches dem Reichsinnenministerium unterstand. Die Bestimmungen des Versailler Vertrags (Art. 225, 226) verpflichteten die Staaten zur Pflege derjenigen Kriegsgräber, die sich auf ihrem Hoheitsgebiet befanden. Das Zentralnachweisamt legte daher sein Hauptaugenmerk anfangs auf die Kriegstoten in Deutschland (vornehmlich Lazaretttote und ausländische Kriegsgefangene). Die meisten deutschen Gefallenen ruhten jedoch in den ehemaligen Frontgebieten im Ausland: knapp eine Million in Frankreich, über 320.000 auf dem Gebiet der Zweiten Polnischen Republik und 140.000 in Belgien. In dem Bestreben sich dieser Kriegstoten anzunehmen – eine Aufgabe, die man der jungen und krisengebeutelten Weimarer Republik vielfach nicht zutraute – gründeten sich 1919 verschiedene Initiativen.
Die Gründung des Deutschen Kriegsgräberschutzbundes und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
In Bayern war dies der am 14. September 1919 in München gegründete Deutsche Kriegsgräber-Schutzbund (DK-SB). Unter den 14 Gründungsmitgliedern war unter anderem der Verleger Paul Fröhlich (1884-1962), der erster Bundesvorsitzender wurde. Aber auch prominente Persönlichkeiten wie der Münchner Architekt Friedrich von Thiersch (1852-1921) gehörten zu den Begründern des DK-SB. Der vor allem aus Angehörigen Gefallener bestehende Bund wuchs innerhalb weniger Monate auf 3.000 Mitglieder an, von denen die Hälfte aus München stammte. Unterdessen kam es in Berlin am 16. Dezember 1919 durch ehemalige Gräberverwaltungsoffiziere zur Gründung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Mit ähnlichen Zielen standen diese beiden und weitere Organisationen (z.B. die Deutsche Kriegsgräber-Interessenten-Vereinigung in Salzwedel) zunächst in Konkurrenz zueinander. Zwar hatte der DK-SB anfangs den neugegründeten Volksbund aufgefordert, sich eingliedern zu lassen; letztlich schloss sich der DK-SB jedoch im März 1920 als Landesverband Bayern (LVB) dem Volksbund an, der bereits gut mit staatlichen Stellen in der Reichshauptstadt vernetzt war und über prominente und breite gesellschaftliche Unterstützung verfügte. Im März 1921 fand die erste öffentliche Sammlung für den spendenbasierten Volksbund statt, der in Bayern bis Ende des Jahres in allen acht Regierungskreisen Bezirksverbände hatte, die ca. 8.000 Mitglieder zählten. Reichsweit wuchs der Verein bis 1927 auf über 100.000 Mitglieder an.
Etablierung und Wandel in der Weimarer Republik
Nachdem 1926 von Deutschland mit Belgien und Frankreich bilaterale Vereinbarungen zur Kriegsgräberpflege getroffen worden waren, konnte der Volksbund die angestrebte Tätigkeit der Grab- und Friedhofspflege aktiv angehen. Neben dieser Gestaltungs- und Pflegetätigkeit auf den Kriegsgräberstätten im Ausland und der Betreuung der Angehörigen (u.a. durch Grabsuche, Angehörigenreisen, Grabschmuck) war es von Anfang an das erklärte Ziel des Volksbundes, die Gedenk- und Erinnerungskultur für die Gefallenen zu gestalten. Hierzu gehörte auch die Einführung eines offiziellen Gedenktages für die Kriegstoten. Eine entsprechende Initiative kam bereits 1920 aus dem LVB. Dieser „Volkstrauertag“ konnte ab 1922 bzw. 1925 mehrfach im Rahmen zentraler Gedenkfeiern im Reichstag begangen werden. Die angestrebte Anerkennung als staatlicher Feiertag blieb jedoch aus. Zudem dauerte es lange, bis man sich für den Volkstrauertag auf einen feststehenden Termin einigen konnte. Bis 1934 waren es uneinheitliche Termine im Februar und März, im Anschluss wurde während der NS-Zeit der zweite Fastensonntag als „Heldengedenktag“ festgelegt. Anfang der 1950er Jahre wurde der Volkstrauertag dann bewusst in die Nähe der kirchlichen Trauertage und zeitlich weg von dem nationalsozialistischen „Heldengedenktag“ gerückt und findet seitdem am vorletzten Sonntag vor dem Ersten Advent statt.
Volkstrauertag und Volksbund wandelten sich inhaltlich im Laufe der 1920er Jahre. Die anfangs angestrebte gemeinsame Totenehrung jenseits allen Völkerhasses entwickelte sich mehr und mehr zu einem soldatischen Opferkult, der die Grundlage für ein nationales Gemeinschaftsgefühl bilden sollte.
Bereitwillige Gleichschaltung im Nationalsozialismus
Dieses zunehmend nationalistisch ausgerichtete Gedenken setze sich bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 weiter fort. Die Volksbundführung ließ sich bereitwillig gleichschalten und etablierte das Führerprinzip im Verband. Unter der nationalsozialistischen Reichsregierung wurde 1934 die vom Volksbund angestrebte Verankerung des Volkstrauertages als staatlicher Feiertag erreicht. Seine Gestaltung lag künftig in den Händen von Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei (NSDAP) und Wehrmacht. Inhaltlich trat die Trauer der Angehörigen in den Hintergrund und ein nationalsozialistisch überhöhendes Heldengedenken in den Vordergrund. Während der NS-Diktatur tat sich der Volksbund vor allem durch eine rege Bautätigkeit hervor, in deren Rahmen zahlreiche monumentale „Totenburgen“ im Ausland errichtet wurden. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war der Volksbund nicht mehr für die Beisetzung der Toten des aktuellen Krieges verantwortlich, da dies der Gräberdienst der Wehrmacht übernahm. Bis 1944 stiegen die Mitgliederzahlen des Volksbundes weiter an und erreichen einen Höchststand von zwei Millionen.
Der Volksbund nach 1945
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Aufgaben des Volksbundes größer denn je. Die Suche, Bergung, Identifizierung und Umbettung von Millionen von Kriegstoten des Zweiten Weltkriegs sowie die Information und Betreuung der Angehörigen stellten enorme Herausforderungen für den Verband dar. Nachdem bereits 1945 lokale Genehmigungen zur Wiederaufnahme der Volksbund-Arbeit durch die Westalliierten erfolgt waren, wurde im April 1946 der Volksbund durch die britische Militärverwaltung innerhalb deren Besatzungszone zur offiziellen Organisation für die Pflege der Kriegsgräber berufen. In Bayern erfolgte die Lizenzierung des Volksbundes am 4. September 1947 durch das Staatsministerium des Innern auf der Grundlage der Ermächtigung der US-Militärregierung. So begann man auch in Bayern mit der Registrierung, Zusammenbettung und Pflege der provisorischen Feldgräber, die im ganzen Land verstreut lagen. Die erste Kriegsgräberstätte des Zweiten Weltkrieges in Bayern wurde am 8. Oktober 1950 in Gmund am Tegernsee (Lkr. Miesbach) eingeweiht. Nachdem entsprechende Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Volksbund bereits 1951 begonnen hatten, wurde der Volksbund schließlich 1954 offiziell von der Bundesregierung mit der Errichtung und Pflege der deutschen Kriegsgräberstätten im Ausland beauftragt.
Im Inland erhielten ab 1952 die Länder bzw. die Kommunen die Verantwortung für die Pflege der Gräber, die bis dahin ebenfalls vom Volksbund wahrgenommen worden war. Im Auftrag des bayerischen Innenministeriums nahm in zehnjähriger Arbeit eine Umbettergruppe des LVB 15.000 Umbettungen aus Feldgräbern und provisorischen Anlagen in 1.598 bayerischen Gemeinden vor. Die Kriegstoten erhielten so auf Kommunalfriedhöfen und 26 zentralen Kriegsgräberstätten würdige letzte Ruhestätten. Zudem konnte zahlreichen Angehörigen letzte Gewissheit und ein Ort zum Trauern gegeben werden. Jedoch war trotz aller Bemühungen des Umbettungsdienstes bei weitem nicht bei allen Kriegstoten eine Identifizierung möglich. Als Folge davon lautete auf vielen Einzelgräbern die Aufschrift „ein unbekannter deutscher Soldat“ und die Zahl der Toten in den angelegten Sammelgräbern überstieg die der auf den Tafeln aufgeführten Namen deutlich. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Volksbundes wurde durch die Übernahme der Schirmherrschaft seitens des jeweils amtierenden Bundespräsidenten hervorgehoben. Sie zeigt sich auch daran, dass der Verein 1951 bereits wieder 480.000 Mitglieder hatte. 1970 wurde der Höchststand nach 1945 mit knapp 700.000 erreicht. Seitdem sind die Mitgliederzahlen jedoch kontinuierlich rückläufig (2020: 78.030), was insbesondere dem fortschreitenden Ableben der Kriegs- und Kriegskindergeneration zuzuschreiben ist .
Neuausrichtung und Wandel des Vereins
Seit 1950 zeichnet der Volksbund für die jährliche Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag verantwortlich. In Bayern findet die Landesfeier zum Volkstrauertag immer im zweijährlichen Turnus in der Residenz in München bzw. im Wechsel in einem der sieben Regierungsbezirke statt. Der Geist des Volkstrauertages wurde fortan durch das erklärte Ziel des Volksbundes der internationalen „Versöhnung über den Gräbern“ geprägt. Dieser völkerverständigende Gedanke fand seinen Ausdruck vor allem in der seit 1953 im Volksbund initiierten Jugendarbeit. In internationalen Sommercamps kamen Jugendliche der ehemaligen Kriegsgegner zusammen, um gemeinsam die Gräber der Kriegstoten zu pflegen.
Gleichwohl war die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Kontroversen gekennzeichnet, besonders bei der Abkehr von einem primär ehrenden Gedenken an die Soldaten und der Zuwendung zu einem kritischeren, mahnenden Gedenken an ausdrücklich alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, die der Volksbund vollzog. Dieser umfassende Opferbegriff spiegelt sich auch im 1965 novellierten Gräbergesetz wider, das die Basis für die Arbeit des Volksbundes darstellte und allen Kriegstoten bis heute ein dauerndes Ruherecht zusichert. Ab den 1980er Jahren musste sich der Volksbund vermehrt mit dem Umstand auseinandersetzen, dass auf seinen Kriegsgräberstätten auch Menschen ruhen, die sich schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte in diesem Zusammenhang die Kriegsgräberstätte Costermano am Gardasee, die ein Betreuungsfriedhof des LVB ist. Dort ruhen unter 22.000 Kriegstoten auch führende Akteure des Holocaust (u.a. die SS-Offiziere Christian Wirth und Franz Reichleitner). Dieser Umstand führte nach seiner Bekanntwerdung ab 1987 zu massiven Protesten von italienischer Seite und wurde auch in Deutschland kontrovers diskutiert. Seit 2005 klärt eine Tafel im Eingangsbereich der Kriegsgräberstätte über die Umstände auf. Als Folge solcher Kontroversen, die in den 1990er Jahre durch die „Wehrmachtsausstellung“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung einen neuen Höhepunkt erreichten, ging der Volksbund die Problematik der Täter auf seinen Kriegsgräberstätten durch eine aktive Auseinandersetzung an. Neben die Erinnerung traten nun Mahnung und Bildung in das Zentrum der gedenkkulturellen Arbeit des Volksbunds. 2016 manifestierte der Verband diese Ausrichtung durch die Implementierung eines neuen Leitbildes.
Die Rolle der Kriegsgräberstätten hat sich entsprechend gewandelt. Sie wurden vom Volksbund nicht mehr nur als Orte der Trauer für die stetig zurückgehende Zahl von Angehörigen, sondern auch als Mahnmale für den Frieden und Lernorte der Geschichte verstanden. Die Jugend-, Schul- und Bildungsarbeit und die kritische historische Auseinandersetzung mit dem „Lernort Kriegsgräberstätte“ gewannen eine immer stärkere Bedeutung innerhalb des Verbandes und sind inzwischen eine gleichberechtigte Säule neben den klassischen Aufgaben der Kriegsgräberfürsorge geworden. Zu dieser Säule gehören Friedenspädagogische Schul- und Bildungsprojekte auf Kriegsgräberstätten im In- und Ausland, weltweite internationale Jugendbegegnungen und die Betreibung von Jugendbegegnungsstätten.
Nach dem Ende des „Kalten Krieges“ stand der Volksbund mit der Bergung der Kriegstoten in den Staaten des ehemaligen Ostblocks vor einer gewaltigen Aufgabe. Bis 2021 konnten dort fast eine Million Kriegstote geborgen und auf größtenteils neuangelegte Sammelkriegsgräberstätten in der jeweiligen Region umgebettet werden. Neben den Umbettungen und der Grabpflege ist die Angehörigenbetreuung nach wie vor eine der Hauptaufgaben des Verbands. Im Jahr 2020 erreichten den Volksbund 36.800 Anfragen von Angehörigen und historisch Interessierten zu Kriegstoten.
Der Landesverband Bayern
Im Freistaat Bayern ruhen heute mehr als 166.000 Opfer der beiden Weltkriege und der NS-Gewaltherrschaft. 64.000 von ihnen fielen als Soldaten oder wurden Opfer des Bombenkrieges. Nahezu 97.000 starben in Konzentrationslagern. 5.000 kamen auf der Flucht oder bei der Vertreibung ums Leben. Wenngleich im Inland grundsätzlich die Kommunen für die Pflege der Kriegsgräberstätten zuständig sind, werden diese bereits seit den 1950er Jahren sowohl finanziell als auch beratend durch den Volksbund unterstützt. Zudem hat der LVB sechs zentrale Kriegsgräberstätten in Bayern mit über 13.000 Kriegstoten in seine Trägerschaft übernommen. Auf ihnen ruhen deutsche Soldaten beider Weltkriege, ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, zivile Bombenkriegstote und Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Neben der Gewährleistung der Pflege dieser Kriegsgräberstätten besteht die Aufgabe des LVB seit seiner Wiedergründung 1947 bis heute in der Organisation von Gedenkveranstaltungen, der Angehörigenbetreuung (Grabauskunft, Reisen), der Öffentlichkeitsarbeit, der Organisation von Arbeitseinsätzen von Bundeswehr und Reservisten zur Kriegsgräberpflege, der Jugend-, Schul- und Bildungsarbeit auf Kriegsgräberstätten im In- und Ausland und der Organisation der alljährlichen Haus-, Straßen- und Friedhofssammlung. Die maßgeblichen Gremien des LVB, wie Landesvorstandschaft und Bezirksvorstände, werden vom Ehrenamt getragen. Deren Beschlüsse sowie das operative Geschäft werden durch das Hauptamt umgesetzt. Das Hauptamt ist untergliedert in den Landesverband und acht Bezirksgeschäftsstellen, die im Schwerpunkt für die Organisation der Herbstsammlung verantwortlich sind. Denn obwohl der Volksbund im hoheitlichen Auftrag tätig ist, erhält er lediglich etwa ein Drittel seiner Ausgaben durch Bund und Länder erstattet. Etwa zwei Drittel muss der Verein aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Erbschaften und im Rahmen der Sammlung generieren.
Name | Amtszeit | Beruf/Funktion |
---|---|---|
Dr. Johannes Dingfelder | 1920-1925 | Arzt |
Otto Ritter von Jäger | 1925-1929 | Generalleutnant a. D. |
Karl Ritter von Kleinhenz | 1929-1939 | Generalleutnant a. D. |
Franz Ritter von Hörauf | 1939-1945 | Generalmajor a. D. |
Gottfried Graf von Tattenbach | 1945-1947 | Oberstleutnant i. G. a. D. |
Alois Braun | 1947-1963 | Regierungsdirektor |
Leopold Ankerbrand | 1963-1973 | Direktor a. D. der Landesversicherungsanstalt Oberbayern |
Ludwig Hopfner | 1973-1984 | Ministerialdirektor a. D. |
Frank Sieder | 1984-1993 | Regierungspräsident a. D. |
Dr. Herbert Zeitler | 1993-2001 | Regierungspräsident a. D. |
Dr. h. c. Heinrich von Mosch | 2001-2005 | Regierungspräsident a. D. |
Dr. Wilhelm Weidinger | 2005-2017 | Regierungspräsident a. D. |
Wilhelm Wenning | seit 2017 | Regierungspräsident a. D. |
Kriegsgräberstätte | Land | Kriegstote |
---|---|---|
Böhönye | Ungarn | 2.080 |
Brünn | Tschechische Republik | 7.889 |
Cheb/Eger | Tschechische Republik | 6.004 |
Costermano | Italien | 21.990 |
Futa Pass | Italien | 30.653 |
Neuville St. Vaast | Frankreich | 44.888 |
St. Laurent-Blangy | Frankreich | 31.939 |
Kriegsgräberstätte | Regierungsbezirk | Kriegstote |
---|---|---|
Bayreuth-St. Georgen | Oberfranken | 992 |
München, Waldfriedhof | Oberbayern | 3.542 |
Neumarkt i.d.Opf. | Oberpfalz | 5.045 |
Puchheim (Lkr. Fürstenfeldbruck) | Oberbayern | 320 |
Regensburg, Oberer Katholischer Friedhof II | Oberpfalz | 1.141 |
Schwabstadl (Gde. Obermeitingen, Lkr. Landsberg a.Lech) | Oberbayern | 2.025 |
Literatur
- Jakob Böttcher, Zwischen staatlichem Auftrag und gesellschaftlicher Trägerschaft. Eine Geschichte der Kriegsgräberfürsorge in Deutschland im 20. Jahrhundert, Göttingen 2018.
- Christian Fuhrmeister/Manfred Hettling/Wolfgang Kruse/u. a., Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme, Berlin/Brandenburg 2019.
- Wiebke Kolbe, Trauer und Tourismus. Reisen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1950–2010, in: Zeithistorische Forschungen 14 (2017), 68–92.
- Rolf Wernstedt, Ehren? Gedenken? Trauern? Erinnern? Gedanken zur Kultur der Erinnerung in Deutschland und der Rolle des Volksbundes, Kassel. 2019.
- Johann Zilien, Der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.“ in der Weimarer Republik. in: Archiv für Kulturgeschichte 75 (1993), 445–478.
- Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. [Hrsg.], Zukunft braucht Erinnerung. Berlin 2014.
Weiterführende Recherche
Empfohlene Zitierweise
Maximilian Fügen, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, publiziert am 01.03.2023, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Volksbund_Deutsche_Kriegsgräberfürsorge> (31.10.2024)