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Würzburger General-Anzeiger

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Richter'sche Verlags- und Druckereigebäude an der Franziskanergasse in Würzburg. Datum unbekannt. (Main-Post GmbH)

von Peter Krones

Der Würzburger General-Anzeiger (auch: „Generaler“ genannt; kurz: W.G.A.) war eine seit 1883 in Würzburg erscheinende, unabhängige lokale Tageszeitung, gegründet von der Würzburger Verlegerfamilie Richter. Das Blatt war bis zu seiner Einstellung am 14. Juni 1941 Marktführer im Großraum Würzburg. Der Würzburger General-Anzeiger erschien nach 1945 nicht erneut; jedoch gilt die seit November 1945 erscheinende "Main-Post" als sein Nachfolger.

Entstehung

Ab 1852 führte Johann Michael Richter (1822–1886) die Druckerei seines Vaters Stephan Richter (1780-1857) in Würzburg. Nachdem Johann Michael schwer erkrankt war, leitete ab den 1860er Jahren seine Frau Anna Henriette Richter de facto die Geschäfte. Nach und nach stiegen ihre Söhne, Carl (1853–1915) und August Richter (1856–1920), in den Betrieb ein. Bis 1883 wurde in der Druckerei die liberale Zeitung „Würzburger Journal“ gedruckt. Als deren Herausgeber am 20. Mai 1883 unerwartet die Druckerei wechselte, beschlossen die Brüder Richter aus der drohenden wirtschaftlichen Not heraus, selbst eine Zeitung herauszugeben. Die Voraussetzungen waren gut: Ende des 19. Jahrhunderts wandten sich immer mehr Leser von den politisch eindeutig gefärbten Zeitungen ab; in Würzburg waren das das katholische „Fränkische Volksblatt“ oder der sozialdemokratische „Volksfreund“. Die Richters orientierten sich dabei offenbar an Vorbildern, wie es sie seit 1871 in Aachen (Nordrhein-Westfalen) mit dem „Aachener Anzeiger“ oder seit 1876 in Frankfurt a.M. (Hessen) mit dem „Frankfurter General-Anzeiger“ gab. Ob sie sich konkret auf eines dieser Blätter bezogen, ist nicht bekannt. Die neue Zeitung sollte die Menschen umfassend und unabhängig informieren, vor allem über Nachrichten aus Politik, Handel und Wirtschaft aus dem lokalen Umfeld.

Der „General-Anzeiger für Würzburg und Umgebung“ (auch: „Generaler“ genannt; seit Juli 1884: „Würzburger General-Anzeiger“, kurz: W.G.A.) erschien erstmals am 26. Mai 1883 in einer Auflage von 10.000 Exemplaren zunächst dreimal pro Woche und besaß einen Umfang von acht Seiten (ab September 1884 täglich, ab 1885 zeitweise bis zu 36 Seiten). Der geringe Preis, der neben der lokalen und unpolitischen Ausrichtung zum Erfolg beitrug, konnte über die zahlreichen, teils ganzseitigen Anzeigen, die den Großteil der Zeitung ausmachten, gesichert werden. Der Generaler etablierte sich rasch als wichtiges Informationsblatt der Region. Die hohe Verbreitung spiegelt sich 1887 in der Eigenreklame wider: „In fast jeder Familie Würzburgs gelesen. Verbreitetste Zeitung Frankens. Amtliches Organ von 500 Behörden.“

Ab 1884 wurde die Zeitung auf einer Rotationspresse des Druckmaschinenherstellers Koenig & Bauer gedruckt. Die enorm hohe Druckgeschwindigkeit von 12.000 Exemplaren pro Stunde ermöglichte es, dass der General-Anzeiger als echte Vormittagszeitung in aller Früh gesetzt, gedruckt und ausgeliefert werden konnte. Ab 4. September 1888 erschien der General-Anzeiger in einem neuen, größeren Format (ca. 28 x 41 Zentimeter). Am 22. Dezember 1900 wurde das Format 34,5 x 50 Zentimeter eingeführt, das ungefähr der Größe des sog. Rheinischen Formats entsprach. Das neue Format ermöglichte mehr Inhalt, v. a. für zusätzliche Anzeigen, und damit auch höhere Einnahmen.

Expansion und Besitzerwechsel

Neben der Tageszeitung erschienen Beilagen und Sonderveröffentlichungen für eine sehr heterogene Leserschaft: „Für unsere Frauen“ (ab 1888), „Der praktische Wegweiser für Wein-, Obst- und Gartenbau, Feld-, Land- und Hauswirthschaft“ (ab 1891), „Die Frankenwarte“ (ab 1902), „Illustrierte Jugend-Zeitung des Würzburger General-Anzeiger“ (ab 1912), „Literarische Beilage“ (ab 1929), „Akademische Beilage“ (ab 1932). Neben dem Generaler und seinen Beilagen verlegten die Richters auch die „Süddeutsche Eisenbahn-Zeitung: Organ für den süddeutschen Reise- und Badeverkehr“ (ab 1886), die kostenlos in ganz Deutschland vertrieben wurde, vornehmlich in Zügen, Hotels und Ausflugsdampfern auf dem Bodensee, fand aber auch im deutschsprachigen Ausland Leser.

Im Jahre 1905 präsentierte sich nicht nur das Zeitungs- und Druckhaus der Brüder Richter – seit 1886 war auch der jüngste der drei Brüder, Otto Richter (1858–1932), beteiligt – dank seiner zahlreichen Sonderprodukte in voller wirtschaftlicher Blüte, sondern auch das Hauptblatt: Der W.G.A. zählte 36.000 Abonnenten bei einem Abo-Preis von 50 Pfennigen. Sein Umfang maß 28 Seiten, von denen bis zu 24 Seiten mit Anzeigen belegt waren. Das zeigt, wie bedeutend der Anzeigenmarkt war. Trotz des wirtschaftlichen Erfolges verkauften die Brüder Richter offenbar vor allem aus gesundheitlichen Gründen das Blatt an den preußischen Verleger und Investor Albert Broschek (1858–1925), der unter anderem das „Hamburger Fremdenblatt“ (seit 1863) herausgab. Broschek modernisierte Zeitung und Technik und ließ den Leser den Unterschied zwischen Redaktion („zuständig für den Textteil“) und Expedition („Anzeigen und Zeitungsbestellung“) wissen, indem die redaktionellen Seiten und die Seiten mit den Anzeigen im Gegensatz zu früher jeweils einen eigenen Zeitungsteil bildeten.

Das Intermezzo Broschek dauerte dennoch nur 14 Monate. Unter der von ihm eingesetzten Führung verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage, dem Blatt drohte der Ruin. 1906 übernahmen die Brüder Richter erneut. Die Gründe sind aus den Quellen nicht ersichtlich. Es gelang ihnen, den General-Anzeiger zurück in die Erfolgsspur zu führen. Im Oktober 1910 kam mit Theo Kaufmann ein neuer, gerade einmal 30 Jahre alter Chefredakteur, der bis 1941 auf diesem Posten bleiben sollte.

Trotz des Erfolges blieb der lokale Konkurrenzkampf hart. Nach wie vor publizierten auch in Würzburg Zeitungstitel mit den verschiedensten politischen und weltanschaulichen Prägungen, u. a. das katholisch ausgerichtete Volksblatt, das liberale „Würzburger Journal“, der „Stadt-und Landbote“ und der „Würzburger Telegraph“. Ein erheblicher Teil dieser Publikationen überlebte jedoch wirtschaftlich den Ersten Weltkrieg und die Folgejahre nicht; auch der General-Anzeiger geriet durch die Inflation Anfang der 1920er Jahre in Bedrängnis, konnte sich allerdings über seine hohe Auflage von 54.000 Exemplare (1927) behaupten. Als Hauptkonkurrent in Würzburg blieb lediglich das Volksblatt bestehen.

Zensur, Gewalt, Gleichschaltung

Seit dem Tod seiner beiden Brüder war Otto Richter ab 1920 alleiniger Herausgeber und Verleger. Nach seinem Tod 1932 übernahm dessen Sohn Karl Richter (1901-1969) die Leitung. 1933 feierte der W.G.A. seinen 50. Geburtstag mit einer reich illustrierten Festausgabe (112 Seiten, 26. Mai 1933). Mit der Veränderung der politischen Lage durch das NS-Regime fuhr der Generaler nun eine betont nationale Linie, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Zeitweise erschien in den folgenden Jahren die Beilage „Hitler-Jugend“. Im März 1934 positionierte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) die Gauzeitung „Mainfränkische Zeitung“, die sich zum Konkurrenzblatt entwickelte. Mit 27.000 Exemplaren schob sie sich sofort zwischen W.G.A. und Volksblatt.

Karl Richter (1901-1969) im Oktober 1965. (Main-Post GmbH)

Die Pressegeschichte dieser Jahre ist durch Zensur, Einschüchterung und Gewalt gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund übernahm die NSDAP über die Holding "Vera Verlagsgesellschaft GmbH" in Berlin zum 1. Januar 1937 51 % der Anteile von Karl Richter. Welche genauen Gründe für diesen Verkauf vorlagen, ist nicht bekannt. Inhaltlich änderte sich kaum etwas: Weiterhin lag der Fokus auf Nachrichten, Sport, Themen für Frauen und einem Fortsetzungsroman sowie den Anzeigen. Als Richter gedrängt wurde, auch den Rest abzugeben, widersetzte er sich, was jedoch dazu führte, dass für den Druck des Generalers kein Papier mehr zugewiesen wurde. Am 14. Juni 1941 erschien der Würzburger General-Anzeiger schließlich zum letzten Mal. Nach außen hin wurde es von den Machthabern so dargestellt, als ob das Blatt mit der Mainfränkischen Zeitung vereinigt worden sei, die nun in den ehemaligen Produktionsstätten des W.G.A. gedruckt wurde.

Chefredakteur Theo Kaufmann ging in den Ruhestand, während Karl Richter trotz (kleinerer) Differenzen mit dem Regime weiter im Verlag des General-Anzeigers blieb und bleiben konnte. Ab Herbst 1941 fungierte er sogar als Verlagsleiter des Gauverlags bis zur Einstellung der Mainfränkischen Zeitung. Diese erschien mit Durchhalteparolen als einzig verbliebenes Blatt in der Region Würzburg sogar noch über den 16. März 1945, dem Tag der Zerstörung Würzburgs, hinaus. Die letzte Ausgabe vom 31. März 1945 wurde jedoch in Schweinfurt gedruckt.

Karl Richter, nach wie vor Besitzer der Zeitungsdruckerei, bekam 1945 von der US-Militärregierung aufgrund seiner Position als Verlagsleiter des ehemaligen Gauverlags keine Lizenz als Verleger und konnte dadurch den Würzburger General-Anzeiger nicht neu auflegen. Als Nachfolger gilt die seit November 1945 erscheinende Zeitung Main-Post, an der Richter spätestens ab Oktober 1949 als Mitherausgeber beteiligt war.

Auflagenentwicklung
Jahr Auflage
1883 10.000
1884 11.000
1889 21.000
1894 27.000
1902 35.000
1905 37.000
1912 45.000
1917 63.000
1920 50.000
1927 54.000
1937 41.000

Quelle: Franz Dülk, 1883–1983. 100 Jahre Zeitungen im Hause Richter. Jubiläums-Beilage der Main-Post, Würzburg 1983, 5-14.

Literatur

  • 50 Jahre Würzburger General-Anzeiger. 1883–1933, Jubiläumsausgabe vom 26. Mai 1933.
  • Franz Dülk, 1883–1983. 100 Jahre Zeitungen im Hause Richter. Jubiläums-Beilage der Main-Post, Würzburg 1983.
  • Franz Dülk, Würzburgs Tagespresse 1900-1945. Presse zwischen Freiheit und Diktatur. 2 Bände, Würzburg 1955.
  • Franz Dülk, Zeitenwandel – Seitenwandel: 50 Jahre Main-Post. Akzente der unterfränkischen Presselandschaft. Zeitungsgruppe Mainpresse Würzburg - Main-Post, Schweinfurter Tagblatt, Volksblatt, Volkszeitung, Bote vom Haßgau, Der Markt, Würzburg 1995.
  • Sybille Grübel, Zeittafel zur Geschichte der Stadt von 1814–2006, in: Ulrich Wagner (Hg.), Geschichte der Stadt Würzburg. Band 2, Stuttgart 2007, 1225–1247.
  • Norbert Haimerl/Patricia Schmidt-Fischbach, Main-Post, in: Hans Wagner/Ursula E. Koch/Patricia Schmidt-Fischbach (Hg.), Enzyklopädie der bayerischen Tagespresse, München 1990, 605-616.
  • Kurt Koszyk, Publizistik und Medien, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Band 4,2, München 2. Auflage 2007, 495-535.
  • Thomas Reuß, Öffentlichkeit und Propaganda. Nationalsozialistische Presse in Unterfranken 1922–1945, Bad Neustadt 1988.
  • Dieter W. Rockenmaier, Das Dritte Reich und Würzburg. Versuch einer Bestandsaufnahme, Würzburg 4. Auflage 1993.

Quellen

  • Jubiläumsbeilagen, bezogen auf das Gründungsjahr des Würzburger General-Anzeiger 1883:
    • 1933: 50 Jahre Würzburger General-Anzeiger
    • 1958: 75 Jahre Zeitungen im Hause Richter
    • 1983: 100 Jahre Zeitungen im Hause Richter
    • 2008: 125 Jahre Main-Post
    • 2013: 130 Jahre Main-Post
    • 2018: 135 Jahre Main-Post
  • Jubiläumsbeilagen, bezogen auf das Gründungsdatum der Main-Post im November 1945
    • 1995: 50 Jahre Main-Post
    • 2005: 60 Jahre Main-Post
    • 2015: 70 Jahre Main-Post
    • 2020: 75 Jahre Main-Post

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Empfohlene Zitierweise

Peter Krones, Würzburger General-Anzeiger, publiziert am 03.08.2021; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Würzburger_General-Anzeiger> (05.12.2024)