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Rheinlandkommission

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Oberste Behörde des besetzten Rheinlandes, bestehend aus Vertretern der vier Besatzungsmächte Frankreich, Belgien, USA und Großbritannien. Die Kommission wurde 1920 mit Sitz in Koblenz eingerichtet und kontrollierte das öffentliche Leben in den linksrheinischen besetzten Gebieten.

Entstehung, Zusammensetzung und Aufgaben

Paul Tirard (links; 1879-1945) und Marschall Guillaumat (1863-1940). (Bundesarchiv, Bild 102-01626A/CC-BY-SA 3.0)

Mit dem Ende des Waffenstillstands und dem Eintritt der Friedensregelung am 10. Januar 1920 nahm der Interalliierte Hohe Ausschuss für die Rheinlande mit Sitz in Koblenz offiziell seine Tätigkeit auf. Gemäß dem Rheinlandabkommen, das als Nebenabkommen des Versailler Vertrags die Besetzung des Rheinlandes regelte, gehörte der so genannten Rheinlandkommission je ein Vertreter der vier Besatzungsmächte Frankreich, Belgien, Großbritannien und USA an. Den Vorsitz führte als ihr Präsident der Vertreter Frankreichs, Paul Tirard (1879-1945).

Als nunmehr oberste Besatzungsbehörde konnte die Kommission Verordnungen - so genannte Ordonnanzen - erlassen. Sie sollten die Sicherheit und den Unterhalt der Besatzungstruppen garantieren und besaßen Gesetzeskraft. Außerdem konnte die Rheinlandkommission den deutschen Behörden der besetzten Gebiete Anweisungen erteilen.

Tirard hatte schon während des Waffenstillstands die alliierte Behörde geleitet, die von Luxemburg aus die deutschen Verwaltungen kontrollierte. Entsprechend den Vorgaben der französischen Regierung und ihrer extensiven Auslegung der Bestimmungen des Rheinlandabkommens führte er das strenge Besatzungsregime dieser Zeit fort und suchte die Ziele der französischen Rheinlandpolitik zu verwirklichen. Die bei den Regierungspräsidenten und bei den Bezirksämtern bzw. Landkreisen zur Kontrolle der Verwaltung eingesetzten Besatzungsoffiziere blieben als so genannte Delegierte auf ihren Posten. Deutsche Gesetze und Verordnungen mussten nach wie vor zur Genehmigung vorgelegt werden. Verstöße gegen die Anordnungen der Rheinlandkommission konnten streng bestraft, missliebige Personen ausgewiesen werden.

Das Reichskommissariat für die besetzten rheinischen Gebiete

Hermann von Hatzfeld-Wildenburg (1867-1941) (Politisches Archiv des Auswärtigen Amts BS 9640)

von Helmut Gembries

Zur Vertretung der deutschen Interessen gegenüber der Rheinlandkommission war auf Initiative Preußens schon im Herbst 1919 das Reichskommissariat für die besetzten rheinischen Gebiete eingerichtet worden. Es war im Rheinlandabkommen nicht vorgesehen, hatte aber ein Vorbild in dem französischen Regierungskommissar, der sein Land nach 1871 gegenüber der deutschen Besatzungsmacht vertreten hatte. Beim Inkrafttreten des Friedensvertrags von der Rheinlandkommission offiziell akkreditiert, war in ihm jedes von der Besetzung betroffene Land durch einen Staatskommissar repräsentiert. An der Spitze stand als Reichs- und preußischer Staatskommissar und zugleich Vertreter Oldenburgs der ehemalige Kölner Regierungspräsident Karl von Starck (1867-1937). Ihm folgte 1921 Hermann Fürst von Hatzfeldt-Wildenburg (1867-1941). Bayerischer Staatskommissar war bis zur Aufhebung des Reichskommissariats durch die Rheinlandkommission im April 1923 und nach seiner Wiederzulassung im November 1925 ab Januar 1926 der politische Referent der Speyerer Kreisregierung Sigmund Knoch (1881-1945).

Aktivitäten

Adalbert Francois Alexandre de Metz (1867-1946) (Abb. aus: Dokumente aus dem Befreiungskampf der Pfalz, Ludwigshafen 1930, S. 7)

Während der Ruhrbesetzung 1923 verfügte die Rheinlandkommission Spezial- oder Sanktionsordonnanzen, um die "Pfänderpolitik" durchzusetzen und den Widerstand der deutschen Seite zu brechen. Sie wurden auf Weisung aus Paris mit den Stimmen Tirards und seines belgischen Kollegen verabschiedet. Der Vertreter Großbritanniens enthielt sich der Stimme. Die USA nahmen, wie an der gesamten Besetzung des rechtsrheinischen Ruhrgebiets, aus Protest nicht mehr teil.

Mit der Verständigung über den Dawesplan nach dem Ende der "Autonomen Pfalz" änderte sich auch die bisherige repressive Politik der Rheinlandkommission. An ihren früheren Ausweisungsverfügungen gegen mehrere Beamte gerade aus der Pfalz hielt sie jedoch bis in die Zeit nach der Konferenz von Locarno fest. Sichtbares Zeichen des Wandels war die Ablösung eines so exponierten Verfechters einer Separation der Pfalz wie des Generals Adalbert Francois Alexandre de Metz (1867-1946) als Oberdelegierter der Pfalz im Dezember 1924. Die Kontrolle der Verwaltungen wurde weitgehend eingestellt. Für die Zulassung deutscher Gesetze und Verordnungen genügte nun die Übersendung der amtlichen Publikationen an die Rheinlandkommission. Damit wurden die Delegationen überflüssig. Im Verlauf des Dezembers 1925 stellten sämtliche Delegierten ihre Tätigkeit ein.

Auflösung 1930

Die Rheinlandkommission selbst bestand bis zur vorzeitigen Räumung des besetzten Gebiets unter ihrem Präsidenten Tirard fort. Am 28. Juni 1930 leitete Tirard die letzte Sitzung der Rheinlandkommission in Anwesenheit des Reichskommissars Ernst Freiherr Langwerth von Simmern (1865-1942), der dem Reichskommissariat seit seiner Wiederzulassung im November 1925 vorstand. Langwerth von Simmern sprach dabei die Hoffnung aus, dass die Räumung des Rheinlands am 30. Juni 1930 den Beginn einer Zeit der dauerhaften Aussöhnung der Völker markieren möge.

Dokumente

Literatur

  • Helmut Gembries, Verwaltung und Politik in der besetzten Pfalz zur Zeit der Weimarer Republik (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 4), Kaiserslautern 1992.
  • Pierre Jardin, Tirard, de Metz und die Pfalz, in: Wilhelm Kreutz/Karl Scherer (Hg.), Die Pfalz unter französischer Besetzung (1918/19-1930) (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 15), Kaiserslautern 1999, 145-168.
  • Karl Leiling, Speyer in den Jahren 1919-1939. Ein Tagebuch. 2. Band: Aus der Besatzungszeit in Speyer von Ende 1918 bis Mitte 1939, Speyer 1940.

Quellen

  • Werner Vogels (Bearb.), Die Verträge über Besetzung und Räumung des Rheinlandes und die Ordonnanzen der Interalliierten Rheinlandoberkommission in Coblenz. Textausgabe der Verträge und Ordonnanzen 1 bis 302 und der Anweisungen 1 bis 26 in Französisch und Deutsch nebst einer Karte des besetzten Gebiets, Berlin 1925.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Rheinkommission, Interalliierter Hoher Ausschuß für die Rheinlande

Empfohlene Zitierweise

Helmut Gembries, Rheinlandkommission, publiziert am 16.04.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Rheinlandkommission> (3.12.2024)