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Museum der Arbeit (München)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Wilhelm Füßl

Logos des Arbeitermuseums (v. links: 1912, 1919, 1938). Abb. aus: Jahresberichte 1912, 1919, 1938. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 1318 ahg, Bavar. 1318 ahg/16, Bavar. 1318 ahg/24)

Das Museum wurde 1899 unter dem Namen "Museum für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen" von Karl Poellath (1857-1904) in München begründet und bestand unter wechselnden Namen bis 1945. Es war als Lernort konzipiert, wo anhand von Maschinenvorführungen, Schautafeln und Modellen Besuchern die Themen Arbeitsschutz und Hygiene nahegebracht werden sollten. Das Museum konnte trotz Wanderausstellungen, Vorträgen und Lehrfilmen nur eine regionale Bedeutung im Raum München erlangen. Seine Besucherzahl blieb insgesamt gering. Nach dem vollständigen Verlust der Museumsbestände im Zweiten Weltkrieg wurde die Einrichtung in ein Landesinstitut für Arbeitsschutz umgewandelt, das eine Fachausstellung für Vorführungszwecke betreibt. Obwohl die Münchner Einrichtung von 1899 bis 1925 das Wort „Arbeiter“ im Namen führte, war es nie ein „Museum der Arbeit“ in dem Sinne, dass es die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung zeigte. Vielmehr lag der Fokus auf dem Arbeitsschutz und der Arbeitshygiene. Trotzdem soll in diesem Beitrag generell vom „Arbeitermuseum“ in München gesprochen werden.“

Rahmenbedingungen der Gründung

In der Zeitspanne zwischen der Reichsgründung 1871 und 1900 erfolgte in Handwerk und Industrie – in Deutschland wie in Bayern - ein markanter Umbau. Das Handwerk verlor gegenüber der Industrie an Bedeutung. Einerseits begann der Aufstieg der wirtschaftlich konkurrenzfähigeren Großbetriebe und Konzerne, andererseits hatte der Strukturwandel der deutschen Wirtschaft einen extremen Preisverfall und hohe Arbeitslosigkeit zur Folge. Gleichzeitig kam es infolge der verbesserten gesundheitlichen Verhältnisse (Ernährung, Schutzimpfungen, Bekämpfung des Kindbettfiebers) zu einem Bevölkerungsanstieg. Zusätzliche Arbeitskräfte drängten auf einen gesättigten Markt. In Deutschland stiegen die Arbeitslosenzahlen, die allgemeine Armut wuchs, die soziale Frage verschärfte sich. Die schwierigen Bedingungen für die Arbeiterschaft konnten durch eine gezielte staatliche Sozialgesetzgebung (1883: Einführung der Krankenversicherung für Arbeiter, 1884: Unfallversicherung, 1889: Alters- und Invaliditätsversicherung) teilweise, aber eben nur unvollständig, abgefedert werden.

Anfänge des Arbeitermuseums

In dieses Umfeld gehört eine Reihe von Unternehmungen im deutschsprachigen Raum, die sich dem Thema Arbeitsschutz widmeten. Im Jahr 1883 wurde an der Eidgenössischen polytechnischen Schule in Zürich eine gewerbehygienische Sammlung angelegt, 1889 in Berlin das preußische Hygienemuseum und 1890 das Gewerbehygienische Museum in Wien ins Leben gerufen; 1889 fand in Berlin die vielbeachtete „Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung“ mit einer Million Besuchern statt. Wie aus den verschiedenen Namensbezeichnungen hervorgeht, wurden an der Wende zum 20. Jahrhundert die Begriffe „Hygiene“, „Unfallverhütung“, „Arbeiterwohlfahrt“ und „Arbeitsschutz“ in Teilen als deckungsgleich angesehen.

In Bayern begründete der aus der bayerischen Pfalz stammende Staatsbeamte und Inspekteur für Fabriken und Gewerbe in Oberbayern, Karl Poellath (1857–1904), in einer anfangs privaten Initiative das „Museum für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen“ auf dem ehemaligen Fabrikgelände der München-Dachauer Aktiengesellschaft für Maschinenpapierfabrikation im Münchner Stadtteil Au (Am Kegelhof 3). Das Gelände stellte deren Direktor, Kommerzienrat Hermann Grotjan (1842–1921), zur Verfügung. Die Eröffnung fand am 21. Oktober 1900 statt, nachdem am 16. März des Jahres das Bayerische Staatsministerium des Innern einen entsprechenden Antrag Poellaths genehmigt hatte. Der Anstoß zu einer derartigen Einrichtung kam in Bayern also – wie im Übrigen auch in Wien – von der Gewerbeaufsicht.

Im Gegensatz zu den genannten Hygienemuseen betrat München insofern einen Sonderweg, als sich das Museum für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen auf die Förderung des Arbeitsschutzes, die Unfallverhütung, die Gewerbehygiene und das Wohnungs- und Ernährungswesen konzentrierte. Schon aus diesem Aufgabenpotpourri wird deutlich, dass die Bezeichnung „Museum“, die es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Namen führte, im engeren Sinne nicht zutrifft, da es nicht um die Ausstellung von Artefakten an sich ging, sondern um einen Lernort, der sich in betriebsfähigen Maschinen und deren ausführlicher Dokumentation, in Modellen, Bildern und Texttafeln niederschlug.

Namensbezeichnungen
Jahr Name
1900 Museum für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen
1906 Königlich Bayerisches Arbeiter-Museum in München
1918 Bayerisches Arbeitermuseum
1925 Soziales Landesmuseum in München
1951 Bayerisches Landesinstitut für Arbeitsschutz
1994 Bayerisches Landesamt für Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik
2005 Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Landesinstitut für Arbeitsschutz und Produktsicherheit

Ausstellungen

Das erste Ausstellungsgebäude gruppierte sich um fünf Komplexe: Unfallverhütung, Gewerbehygiene, Arbeitsstoffe mit Arbeitsverfahren, Ausrüstung der Arbeitenden sowie Wohnungswesen. Neben der ständigen Ausstellung organisierte die Einrichtung auch wechselnde Sonderausstellungen, so bereits im ersten Jahr ihres Bestehens die Ausstellung zum „Bauarbeiterschutz“; gleichzeitig beteiligte man sich an großen externen Ausstellungen, wie der Ausstellung für Unfall-Schutz und -Verhütung, Sanitäts- und Rettungswesen in Frankfurt am Main (1901), der Internationalen Hygiene-Ausstellung und der Weltausstellung in Turin (beide 1911).

Mit der Umwandlung in ein staatliches Institut 1906 und dem Umzug in einen Neubau in der Pfarrstraße 3 im gleichen Jahr verbesserte sich die räumliche und finanzielle Ausstattung entscheidend. 1911 konnte ein Erweiterungsbau fertiggestellt werden. Die neuen Räume dominierte eine Maschinenhalle mit einer Länge von 33 Metern und einer Breite von 13 Metern, in der das Personal die unterschiedlichen Maschinen im Betrieb zeigte. Die Exponate wurden ergänzt durch ausführliche Texttafeln, Modelle, Zeichnungen, Fotografien und Bücher. Beherrscht wurde der Saal von dem Gemälde „Frau Hygiene“ des Münchner Malers Hans Röhm (1877–1956). Aufgrund des volkserzieherischen Charakters sollten die modernsten Entwicklungen des Arbeiterschutzes, der Gewerbehygiene und später auch der Säuglingsfürsorge und des Ernährungswesens gezeigt werden. Nahezu alle Objekte kamen durch Schenkung oder aufgrund eines Leihvertrags ins Haus. Aussteller waren Firmen, aber auch staatliche Stellen, die Staatseisenbahnen, Einzelingenieure, Professoren, Berufsgenossenschaften sowie Straßen- und Flussbauämter aus ganz Deutschland.

Nach der Umbenennung in „Soziales Landesmuseum“ (1926) kamen als neue Abteilungen „Physiologie“ und „Hygiene der Arbeit“ hinzu. Aus Platzgründen wurden sie zuerst im Wittelsbacher Palais und – nachdem dieses von der Gestapo beansprucht wurde – von 1933 bis 1937 im alten Marstallgebäude gezeigt. Bis 1939 erhöhte sich die Zahl der Abteilungen auf neun:

  1. Wirtschaftsaufbau in Bayern,
  2. Gefahren der Arbeit,
  3. Gesetzlicher Arbeitsschutz,
  4. Angestelltenschutz,
  5. Technischer Betriebsschutz,
  6. Heimarbeit,
  7. Wohnungswesen,
  8. Mutter und Kind,
  9. Physiologie und Hygiene der Arbeit.


Eine ab 1939 geplante Erweiterung des Instituts musste infolge des Kriegsausbruchs zurückgestellt werden. Die Veränderungen der Ausstellungen spiegeln die politische, gesellschaftliche und soziale Wirklichkeit deutlich wider, indem drängende aktuelle Gesundheitsthemen aufgegriffen wurden. So wurde 1910 ein Tuberkulose-Museum angegliedert und eine Wanderausstellung zu diesem Thema konzipiert. Im selben Jahr baute man eine Ausstellungsgruppe zur Säuglingsfürsorge auf. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der massenhaften Rückkehr der Soldaten veranstaltete das Museum Aufklärungsvorträge für Erwerbslose und über die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten.

Museumsbesuch

Wandervorführung des Arbeitermuseums in der Möbelfabrik Nikolaus Eckel in Kaiserslautern, 1910. Abb. aus: Königlich-Bayerisches Arbeiter-Museum in München, Fünfter Jahresbericht 1910, München 1911, 12. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 1318 ahg)

Trotz des sich ständig wandelnden Angebots blieben die Besucherzahlen eher bescheiden, was anfangs den sehr eingeschränkten Öffnungszeiten und der geringen Personalausstattung geschuldet war. Auch die teilweise mangelnde Aktualität der Ausstellungen spielte eine Rolle, nachdem viele Unternehmen zögerten, dem Arbeitermuseum neue Maschinen zu Vorführungszwecken zu überlassen. Zudem scheint sich der Besuch vorwiegend aus München und dem näheren Umland rekrutiert zu haben. So kamen im Jahr 1940 von 70 Führungen lediglich acht Gruppen nicht aus München. Um auch die breite Bevölkerung in Bayern zu erreichen, ging man dazu über, Vorträge im ganzen Land anzubieten, wobei deren Zahl relativ gering blieb (1911: 12, 1925: 8; 1940: 12). Zusätzlich konzipierte das Museum regelmäßige Wanderausstellungen zu unterschiedlichen Themen.

Entwicklung der jährlichen Besucherzahlen
Jahr Besucherzahlen
1901 1238
1908 9215
1913 24355
1919 6500
1930 15737
1938 11705
1942 4101

Während die Besucherzahlen insgesamt eher niedrig waren, kann man konstatieren, dass die Museumsbesucherinnen und -besucher intensiv betreut wurden. Sie konnten in den Ausstellungen beim Betrieb der aufgestellten Maschinen Unfallquellen und neueste Sicherheitsstandards sowie Probleme bzw. Verbesserungen im Wohnungs- und Ernährungswesen und in der Säuglingsfürsorge kennenlernen. Schon früh wurde im Arbeitermuseum ein Hörsaal eingerichtet, wo Mitarbeiter mit populären Vorträgen weitere Aufklärungsarbeit betrieben. Die Räumlichkeiten stellte man zudem anderen Institutionen für vergleichbare Vorträge zur Verfügung. Eine Fachbibliothek bot der Öffentlichkeit zusätzliche Informationen.

Für ihre Arbeit setzte die Institution auch Dias und Filme ein. 1925 produzierte das Haus den Lehrfilm „Die Holzfräsmaschine“, der gemeinhin als erster Arbeitsschutzfilm gilt. Weitere vom Sozialen Landesmuseum erarbeitete Filme waren ein Jahr später der Dreiteiler „Achtung Gefahr“, dann der gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel produzierte Film „Ein Kapitel Leitern“ sowie der Streifen „Großbohrlochsprengung in einem Kalkmergelbruch“.

Mit der sogenannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten näherte sich das Museum unter seinem Leiter Adolf Baumann (1889–1945) der NS-Politik stark an, was sich in einer engen Zusammenarbeit mit der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation bzw. später mit der Deutschen Arbeitsfront, hier mit dem Amt „Schönheit der Arbeit“, niederschlug. Auch mit militärischen Stellen arbeitete das Soziale Landesmuseum zusammen. So stellte es 1943 dem Luftgau-Kommando VII Räumlichkeiten für deren Sonderausstellung zu prämierten Flugzeugmodellen zur Verfügung.

Schon im Oktober 1943 gab es die ersten Schäden durch Luftangriffe, die zur zeitweisen Schließung des Museums führten. Sofern Objekte nicht für den Ausstellungsbetrieb notwendig waren, hatte man sie bereits früher ausgelagert, so die gesamte medizinische Abteilung. Über den Verbleib des gesamten Objektbestands und der in einem Inventarverzeichnis genannten Schrift- und Bildtafeln – insgesamt über 10 000 Einzelstücke –, der Bibliothek, der Dia- und der Filmsammlung liegen heute keine Informationen vor. Selbst wenn man einbezieht, dass veraltete Maschinen ausgesondert, an die Firmen zurückgegeben und durch moderne ersetzt wurden, ist der nahezu vollständige Verlust aller Objekte aus den erhaltenen Quellen nicht nachvollziehbar.

1951 entstand aus dem Sozialen Landesmuseum das „Bayerische Landesinstitut für Arbeitsschutz“, in dem der früheren Ausstellung nur ein geringer Platz für Lehr- und Vorführungszwecke eingeräumt wurde. 1994 ging dieses Institut im „Bayerischen Landesamt für Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik“ auf, später „Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“ (Stand: 9/2021). Eine in den 1960er-Jahren geschaffene Fachausstellung zur Arbeitssicherheit bestand bis 2020.

Forschung und Quellenbestände

Titelblatt des Jahresberichts von 1919 des Bayerischen Arbeiter-Museums München. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 1318 ahg/16)

Die Quellenlage zum Arbeitermuseum ist disparat. Wertvolle Informationen bieten die Jahresberichte, die unter wechselndem Titel von 1901 bis 1943 erschienen sind, sowie die Museumsführer aus verschiedenen Jahrzehnten (1911, 1922, 1934). Letztere beschreiben die einzelnen Ausstellungseinheiten, aber auch die Vortragssäle und den Filmraum. Einen Überblick über die ersten Jahre bietet die Broschüre „25 Jahre Bayer. Soziales Museum“ (1926). Weder im Bayerischen Hauptstaatsarchiv noch im Staatsarchiv München oder im Stadtarchiv München ist ein geschlossener Quellenbestand zum Arbeitermuseum überliefert; auch der Bestand des Polytechnischen Vereins in Bayern im Archiv des Deutschen Museums beinhaltet nur Dokumente zur Frühzeit. Für die Jahre ab etwa 1935 fehlen praktisch alle Quellen. Auch im heutigen Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sind außer den Jahresberichten, einigen Fotografien und einem undatierten Inventar keine Unterlagen vorhanden. Dementsprechend konzentrierte sich die bisherige Forschung primär auf die Gründung und ersten Jahre des Arbeitermuseums (Albrecht, Poser), während die NS-Zeit und das Schicksal des Museums während des Zweiten Weltkriegs und der Jahre danach noch ohne Darstellung sind.

Literatur

  • Dieter Albrecht, Die Anfänge des Münchner Arbeitermuseums, in: ders. / Dirk Götschmann (Hg.), Forschungen zur bayerischen Geschichte (Festschrift Wilhelm Volkert). Frankfurt am Main 1993, 255–272.
  • Adolf Baumann, Arbeitsschutzpropaganda, in: 60 Jahre bayerische Gewerbeaufsicht 1879–1939, München 1939, 75–82.
  • Bayerisches Soziales Landesmuseum München: Führer durch die Sammlungen an der Pfarrstraße 3, München 1934.
  • Führer durch das Bayer. Arbeiter-Museum in München, München 1922.
  • Wilhelm Füßl, Technik und Arbeit. Die Gründung des Deutschen Museums und des Arbeitermuseums, in: Ulrike Leutheusser / Hermann Rumschöttel (Hg.), Prinzregent Luitpold von Bayern. Ein Wittelsbacher zwischen Tradition und Moderne, München 2012,107-122.
  • 25 Jahre Bayer. Soziales Museum. München 1926.
  • Stefan Poser, Museum der Gefahren. Die gesellschaftliche Bedeutung der Sicherheitstechnik. Das Beispiel der Hygiene-Ausstellungen und Museen für Arbeitsschutz in Wien, Berlin und Dresden um die Jahrhundertwende (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 3), Münster u. a. 1998.

Weiterführende Literaturrecherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Wilhelm Füßl, Museum der Arbeit (München), publiziert am 05.04.2022; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Museum_der_Arbeit_(München)> (04.10.2024)