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Marienkirche, Würzburg

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Die Marienkirche Anfang des 17. Jahrhunderts. Ausschnitt aus dem Titelkupfer einer Huldigungsschrift für Bischof Julius Echter von Mespelbrunn (reg. 1573-1617). (Abb. aus: Christoph Marianus, Encaenia et tricennalia Iuliana, Würzburg 1604)
Ansicht der Festung Marienberg mit der Marienkirche. Die Kirche befindet sich im rechten vorderen Eck des Festungshofes; zu erkennen ist eine heute verschwundene Aufstockung des Chores. (Abb. aus: Marianus, Encaenia et tricennalia Iuliana)
Grundriss und Querschnitt der Marienkirche. (Abb. aus: Felix Mader, Die Kunstdenkmäler von Unterfranken und Aschaffenburg. 12. Band: Stadt Würzburg, München 1915, 404-405)
Heutige Ansicht der Marienkirche im Hof der Festung Marienberg. (© Bayerische Schlösserverwaltung)
Innenansicht der Kapelle. Blick aus dem Rundbau in den Altarraum. (© Bayerische Schlösserverwaltung)

von Bernhard Rösch

Die Marienkirche auf der Festung Marienberg in Würzburg ist wegen ihrer seltenen baulichen Gestalt in Form einer Rotunde und ihrer besonderen Verbindung zu den Anfängen des Bistums Würzburg von besonderer kunsthistorischer und geschichtlicher Bedeutung. Die frühen Zeugnisse für die Kirche im 8. Jahrhundert werden bis heute kontrovers diskutiert, während der heutige Bau auf das frühe 11. Jahrhundert zurückgeht. Er wurde in die im 13. Jahrhundert errichtete Festung Marienberg einbezogen und 1600 bis 1610 erweitert und neu ausgestattet, unter anderem durch den Anbau eines 1813 abgebrochenen Kapitelsaals. Die Kirche diente bis zur Säkularisation als Hauskapelle der Bischöfe.

Frühestes Zeugnis eines Sakralbaues auf dem Marienberg

Die Entstehung der Marienkirche wird in den erhaltenen Schriftquellen mit der Christianisierung Frankens im 7./8. Jahrhundert verknüpft, die in zwei Wellen erfolgte: Eine erste, nicht zweifelsfrei belegbare, irische Missionierung um 689 und eine zweite angelsächsische nach 719. Die irische Mission ist mit dem Namen des Wanderbischofs Kilian und seiner Gefährten Kolonat und Totnan verbunden, die der Überlieferung nach 689 den Märtyrertod starben. Dauerhafte Kirchenstrukturen und Gemeinden institutionalisierte die zweite Missionierungswelle, die von Winfried-Bonifatius (gest. 754/755) organisiert wurde. Sie führte zur Gründung des Bistums Würzburg 742 und des Klosters Fulda 744.

Die im 12. Jahrhundert entstandene jüngere "vita sancti burkardi", die Ekkehard von Aura (gest. 1125) zugeschrieben wird, berichtet mit einigen chronologischen Unsicherheiten von der Gründung eines Marienheiligtums durch den fränkischen Amtsherzog Hetan II. (auch Hedan, erw. bis ca. 716/717) auf dem Marienberg. Dort soll auch Immina, die Tochter Hetans II., ein Frauenkloster gegründet haben, das sie dem ersten Würzburger Bischof Burkard (gest. 753 oder 754) im Tausch gegen das Frauenkloster Karlburg (Stadt Karlstadt, Lkr. Main-Spessart) überlassen haben soll. Bischof Burkard habe in diese Kirche die Reliquien von Kilian, Kolonat und Totnan überführt und dort ein Kloster eingerichtet. Drei Jahre später seien dann die Reliquien der Heiligen in den neu erbauten Dom rechts des Mains überführt worden; Burkard habe darauf am Fuß des Marienbergs unter Verwendung der Dotation des Marienbergklosters ein Kloster zu Ehren der Heiligen Maria, Andreas und Magnus gegründet, das spätere Kloster St. Burkard. Um 1340 wird dieser Überlieferung eine genaue Jahresdatierung für den Bau der Marienkirche (706) hinzugefügt.

Einer älteren urkundlichen Überlieferung zufolge dotierte der fränkische Hausmeier Karlmann (gest. 754) das neu gegründete Bistum Würzburg 742 mit 25 Kirchen; dabei ist auch von einer "basilica" die Rede, die (nach Patrozinium und Ortsbeschreibung) mit einem Vorgängerbau der Marienkirche identisch sein könnte ("basilicam infra praedictum castrum in honore sanctae Mariae constructam cum adiacentiis suis"). Die Urkunde von 742 ist jedoch nicht im Original, sondern lediglich über die Bestätigung durch Kaiser Ludwig den Frommen (reg. 814-840) vom 19. Dezember 822 (Württembergisches Urkundenbuch, Bd. 1, Nr. 87) und durch eine weitere Urkunde König Arnulfs (reg. 887-899) vom 21. November 889 (MGH DD Arn Nr. 67) überliefert. Diese Urkunden widersprechen der "vita sancti burkardi" insofern, als die Kirche nicht durch Schenkung der Immina, sondern durch eine Dotierung Karlmanns in bischöflichen Besitz gelangt sein soll. Beide Überlieferungsstränge stimmen jedoch darin überein, die Existenz einer Marienkirche bereits im 8. Jahrhundert vorauszusetzen.

Die Widersprüche zwischen den urkundlichen Zeugnissen und den Angaben der Burkardsvita sowie die chronologischen Probleme in der Vita waren Anlass für heftige Forschungskontroversen, die bis heute nicht abgeschlossen sind.

Auf jeden Fall ist zu bedenken, dass der Marienberg bereits vor der Bistumsgründung als strategisch günstiger Ort Zentrum von Lokalherrschaften war; für das Jahr 704 ist das "castellum Virteburch" urkundlich bezeugt (Überlieferung des 12. Jahrhunderts). Es liegt ferner nahe, dass der jeweilige fränkische Amtsherzog bereits vor 742 christlich getauft war, denn seit der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig (um 497/507) in Reims war es in der fränkischen Elite zu einer mindestens formalen Christianisierung gekommen. Es ist also weder belegbar noch auszuschließen, dass im 8. Jahrhundert auf dem Festungsberg ein Sakralbau mit Marienpatrozinium bestand. Ein Nachweis, dass sich Teile dieses Baues in dem heute bestehenden erhalten haben, konnte jedoch bisher nicht erbracht werden, geschweige denn die Bauform dieses ersten Baues geklärt werden. Somit konnten die schriftliche Überlieferung und der Baubefund bis heute nicht schlüssig korreliert werden.

Datierung des bestehenden Baues

Erst für das frühe 11. Jahrhundert ist den Quellen eine Bautätigkeit auf dem Marienberg zu entnehmen. Bischof Heinrich I. (reg. 995/996–1018) erneuerte damals außer dem Dom rechts des Mains auch die Marienkirche.

Auffällig sind in diesem Zusammenhang formale Parallelen zur Abtei Deutz (heute Stadt Köln, Köln-Deutz). Die Klosterkirche war ebenfalls ein Zentralbau mit Marienpatrozinium und vollausgebildetem Rechteckchor. Bauherr war Heinrichs Bruder, Erzbischof Heribert von Köln (reg. 999-1021). Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die Marienkirche in ihrer Substanz aus dem 11. Jahrhundert stammt und auf eine besondere Beziehung der Bistümer Würzburg und Köln – die beide für die ottonisch-salische Reichskirche von hoher Bedeutung waren – zurückgeht (Kummer 2001). Das Erzbistum Köln erreichte durch Heribert I., der Kanzler für Italien und Deutschland war, eine herausragende Stellung im ottonischen Reichsgefüge und überflügelte zeitweilig das Erzbistum Mainz. Andererseits wurde die Zugehörigkeit des Bistums Würzburg zum Metropolitanverband Mainz wohl nicht mehr in Frage gestellt.

Kurz vor Baubeginn des erhaltenen Baues der Marienkirche entstand auch die Mauritiusrotunde in Konstanz (um 970; Wölbung 14. Jahrhundert). Als Rundbau ohne Konchen und vier Annexen rekurriert sie eher auf die Grabeskirche in Jerusalem (vgl. St. Michael in Fulda, um 820, ohne Wölbung), könnte aber ebenso wie S. Maria in Deutz in Bezug auf die Verbindung von Rundbau und Rechteckchor vorbildlich gewirkt haben.

Für eine Entstehung um 1000 lässt sich darüber hinaus die Baugestalt der ergrabenen Krypta (Hallenform mit Rechteckpfeilern und Durchdringungsgewölbe) anführen; Oswald 1966 brachte die Entstehung des Baues mit der Übergabe der Marienkirche an das Kloster St. Burkard unter Bischof Hugo I. (reg. 984-990) in Verbindung. Damit sind sowohl historische als auch stilkritische Argumente dafür gegeben, dass spätestens seit dem frühen 11. Jahrhundert der Bau in Kubatur, Wölbung (stützenlose Kuppelwölbung ohne Grate und Trompen) und Maßen dem heute erhaltenen Bestand entsprochen haben wird.

Spätere Veränderungen und Restaurierungen

Nachdem die Außengliederung der rechtsmainischen Würzburger Kathedrale plausibel in das 11. Jahrhundert datiert werden kann, ist für die Rundbogengliederung der Marienkirche ebenfalls das 11. Jahrhundert (Röttger 1949/50; Hohmann 1999), wenn nicht die Bauzeit unter Heinrich I. anzunehmen.

Unter dem Bischof Konrad von Querfurt (reg. 1198-1202) sind ebenfalls Baumaßnahmen auf der Feste überliefert. Die Spitzbogenfenster im Untergeschoss wurden im Spätmittelalter, vielleicht Ende des 15. Jahrhunderts, parallel zu den Bauarbeiten am Nordschiff des Doms eingebrochen, ferner ältere kleine Rundbogenfenster vermauert (Maßwerke zu unbekannter Zeit entfernt). Nach einer Brandkatastrophe auf der Feste Marienberg 1572 erfolgte 1600 bis 1604 unter Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn (reg. 1573-1617) eine aufwändige Wiederherstellung und Erweiterung der Marienkirche. Durch diese Baumaßnahmen konnte die Marienkirche im Falle einer Belagerung und des Verlustes der rechtsmainischen Stadt wenigstens kurzfristig von Bischof und Kapitel als Kathedralkirche genutzt werden. Aus dieser Zeit stammen die Gestalt des Rechteckchores mit Maßwerkfenstern, die Balustrade (ursprünglich mit grotesken Wasserspeiern verziert), das Westportal (traditionell Michael Kern zugeschrieben; anders Schock-Werner 2005), die Büstenkonsolen aus gebranntem Ton unter dem Rundbogenfries und die Dachlösung mit Welscher Haube und Laterne. Über dem Rechteckchor befand sich ursprünglich ein weiterer Raum als Kapitelsaal, der aber 1813 abgebrochen wurde (Fragmente mit Cäsarenhäuptern im Fürstenbau-Museum der Stadt Würzburg erhalten). Die Stuckplastik im Innern stammt von etwa 1610 und wurde in Kalkschneidetechnik ausgeführt.

Das Gewölbe des Rechteckchores wurde um 1800 beseitigt. Das Westportal wurde 1893 vollständig erneuert. 1936 bis 1938 wurde die Marienkirche im Rahmen der Sanierung der Feste Marienberg durch die bayerische Schlösserverwaltung mit dem Ziel restauriert, den Zustand der Echter-Zeit möglichst authentisch wiederherzustellen. Dabei wurde auch das Chorgewölbe nachgeschaffen, das allerdings 1945 erneut zerstört wurde, ebenso wie das Dach. Das bestehende Gewölbe, eine Flachtonne mit aufstuckierten Rippen, stammt aus dem Jahr 1952 und dürfte dem Echterschen Gewölbe nur ungefähr entsprechen. Dach und Laterne wurden vor 1966 erneuert. Das Westportal wurde 2004 restauriert.

Beschreibung

Die Marienkirche ist ein außen gestufter, kreisförmiger Rundbau mit einem leicht längsrechteckigen Anbau im Osten, der heute als Altarraum genutzt wird. An der Nordseite grenzt sie an den Nordflügel des vierflügeligen Innenhofes der Feste, so dass die Kirche heute nicht ganz freistehend ist; doch wird man annehmen dürfen, dass die Rotunde ursprünglich frei stand. Auf den unteren massiven Mauermantel, in den innen sechs Rundbogennischen eingeschnitten sind, sitzt ein zurückspringender hoher Kuppeltambour mit einem stützenlosen Kuppelgewölbe. Der Anbau ist heute eingeschossig und mit einem flachgeneigten Walmdach gedeckt, so dass der Kuppeltambour bis auf die Nordseite freistehend ist.

Nachträglich eingebrochene Spitzbogenfenster beleuchten die Rundbogennischen und den Tambour; dabei sind die oberen und unteren Fenster nicht axial aufeinander abgestimmt. Während die untere Zone außen bis auf die Fenster ungegliedert ist, zeigt der Tambour eine flache, reliefhafte Gliederung mittels Lisenen und Rundbogenfries (heute vollständig unter Putz).

Der Rechteckraum wird auf der freistehenden Ost- und Südseite durch breite Maßwerkfenster mit tiefen Laibungen belichtet. Der Innenraum einschließlich Kuppelschale ist mit Stuckaturen verziert. Die untere Zone mit den Konchen wird durch eine Pilastergliederung gestaltet; darüber befindet sich ein Bildfries mit Szenen aus dem Marienleben ohne architektonische Gliederung. Die Kuppel ist mittels Stuckrippen in acht Bildfelder mit Reliefs (Christus als Erlöser und Engel mit den Leidenswerkzeugen) gegliedert. Die heutige weiß-blaue Farbigkeit geht auf die Restaurierung 1936 zurück. Die Nordseite des Rechteckraumes hat innen einen Oratoriumserker.

Baugestalt und Patrozinium

Die Rundbaugestalt ist mit der Bauaufgabe des Grabmonumentes (Mausoleums) seit römischer Zeit verknüpft (Moles Hadriani, später Engelsburg; Mausoleum der Constantia und Helena, später S. Costanza, beide in Rom) und wurde vom frühen Christentum für Bauten in Gedenken an Märtyrer übernommen (S. Stefano Rotondo, Rom). Bedeutend in diesem Zusammenhang ist die Weihe des Pantheons in Rom zur Kirche Sancta Maria ad Martyros im Jahr 600. Der antike Mausoleumsgedanke wurde seitdem von dem Verweis auf Marien- und Märtyrergedenken überlagert. Zugleich bedeutet außerhalb Roms der Rundbau einen Verweis auf den Sitz des römischen Bischofs in seinem Anspruch als Oberhaupt der Kirche.

Neben der Tradition der Marien- und Märtyrerkirche steht diejenige der Taufkirche, wobei durch das Patrozinium S. Johannes Baptist, der auch als Märtyrer angesehen werden kann, beide Stränge verknüpft sind.

Im Falle der Marienkirche liegt durch die Verknüpfung von Patrozinium und Bauform (Rundbau, Exedren innen im unteren Geschoss, Kuppel) nahe, dass das römische Pantheon als direktes Vorbild diente. Damit wäre zugleich ein besonderer Rom-Bezug inkludiert.

Kunsthistorische Stellung

Die Verbindung von Zylinder und Kalottenwölbung ist bestimmendes Form- und Wesensmerkmal der Marienkirche. Eine nähere publizierte bauarchäologische Analyse der Kuppelwölbung liegt bisher nicht vor (Mader 1915: Kuppel aus Bruchstein, gemauert). Rechnet man die ebenfalls außergewöhnliche Gestaltung der in den massiven Mauermantel eingeschnittenen Konchen hinzu, musste sich dem Betrachter – sofern er aufgrund seiner Vorbildung hierzu in der Lage war - die Parallele zum Pantheon, ungeachtet der unterschiedlichen Größenverhältnisse und Detailformen, geradezu aufdrängen.

Legt man die Entstehung um oder kurz nach 1000 zugrunde, lassen sich vorhergehende und gleichzeitige nachantike Ausprägungen des Typus an einer Hand abzählen. Dazu zählt sicherlich S. Maria in Pertica in Pavia (gestiftet 677; wohl um 700; im 18. Jahrhundert abgebrochen), die ebenfalls eine halbrunde Kalottenwölbung auf einem Zylinder besaß, allerdings mit säulengestützten Rundbogenarkaden und Umgang. Die Form war so selten, dass Paulus Diaconus (gest. ca. 797/799) die "wunderbare Bauweise" explizit erwähnt. In den neu christianisierten mährischen Gebieten stellten die Rundkirchen eine wichtige Bauform dar. Dennoch ist der Typus mit in einen Mauermantel eingeschnitten Konchen auch hier selten. Ein Beispiel findet sich in Mikulčice (Slowakei) und datiert von ca. 850.

Walter Schlesinger (1908-1984) deutete zudem 1968 auf dem Domplatz in Fulda entdeckte, vor Gründung des Klosters datierte Fundamente als Reste eines Pfalzbaues Herzog Hetans im frühen 8. Jahrhundert. Er sah hier italienische Bauleute am Werk, die Schlesinger zufolge möglicherweise auch für die Rundform der Marienkirche auf dem Marienberg verantwortlich gewesen sein könnten. Dass der bestehende Bau der Marienkirche die Rotundenform eines karolingischen Vorgänger-Baues bewahrt hat (vgl. Gerstenberg 1952, Röttger 1949-50), ist also stilkritisch nicht unmöglich. Andererseits muss bedacht werden, dass die Wahl der Rotundenform ein hohes Alter und eine besondere Stellung des Baues erst begründen sollte, nicht umgekehrt. Die Frühdatierungen (Mader 1915, Frankls 1926) in die merowingische Zeit und die Thesen Schlesingers sind jedenfalls bisher nicht zu erhärten.

Kirchenrechtliche Stellung

Die Frühgeschichte der Kirche gehört zu den schwierigsten Probleme der Geschichte von Stadt und Bistum Würzburg. Sie wird angesichts der heterogenen Quellenüberlieferung und den spärlichen bauarchäologischen Befunden bis heute kontrovers diskutiert. Ein Teil der Forschung hält es für gesichert, dass die Marienkirche erste Kathedralkirche des Bistums Würzburg war; der Marienberg gilt dementsprechend als Sitz der Würzburger Herzöge und früher Bischofssitz ("sedis episcopatus"). Archäologische Funde deuten auf eine merowinger- und karolingerzeitliche Befestigung und Siedlung im Talbereich um das Kloster St. Burkard. Die Fundarmut auf dem Marienberg scheint eine Residenzfunktion auf dem Berg auszuschließen. Die Talsiedlung setzt aber eine Befestigung am Marienberg voraus, in der die in den Urkunden von 822 und 889 bezeugte Kirche lokalisiert werden könnte. Die frühe Kathedralfunktion wird aber auch im Vorgängerbau der im Tal gelegenen Klosterkirche St. Burkard gesucht.

Die enge Verbindung zwischen dem Burkard-Kloster und der Marienkirche spiegelt sich in der Zugehörigkeit der Marienkirche zum Benediktinerkloster bzw. Stift St. Burkard als Propsteikirche mit eigenen Pfarrrechten. Bischof Hugo I. schenkte dem Kloster die "parochialem ecclesiam in montem" (Pfarrkirche auf dem Berg). Obwohl die Pfarrrechte im 13. Jahrhundert auf St. Burkard selbst übertragen wurden, galt nach der Diözesanmatrikel des 14. Jahrhunderts die Marienkirche als "capella ibidem parochialis per se habens baptisterium et coemeterium" (Pfarrkapelle mit Taufstein und Friedhof). Bis 1468, kurz nach der Umwandlung von St. Burkard in ein Kanonikerstift, war die Marienkirche auch Sitz einer 1192 erstmals bezeugten Propstei des Klosters (Wendehorst, Benediktinerabtei, 76, 189-190; Liste der Pröpste 204-205).

Im 13. Jahrhundert zogen sich die Bischöfe aus der Stadt Würzburg zurück und bauten den Marienberg zu ihrem Sitz aus. Die Marienkirche wurde fortan die Kapelle der neu errichteten bischöflichen Burg. In dieser Funktion ist sie 1227 und 1229 unter Bischof Hermann von Lobdeburg (reg. 1224-1254) erstmals bezeugt.

Die besondere Stellung der Marienkirche für den Bischof belegt der bis zur Säkularisierung gepflegte Brauch, den Körper des Bischofs im Dom, die Eingeweide jedoch in der Marienkirche beizusetzen (früheste Grabplatte auf Bischof Albrecht I. von Hohenlohe [gest. 1371] bezogen, die Platte selbst wohl erst aus dem 16. Jahrhundert). Damit setzten die Würzburger Fürstbischöfe bis in die Neuzeit ein sichtbares Zeichen ihrer Herrschaft und Präsenz in der Feste Marienberg als dem vermuteten Ursprungszentrum des Bistums.

Bedeutung

Als historische Stätte aus der Frühzeit des rechtsrheinischen Christentums und vielleicht als erstes Zentrum des Bistums Würzburg besitzt die Marienkirche große Bedeutung für die Geschichte der Christianisierung Deutschlands und des Bistums Würzburg im Besonderen. Kunsthistorisch ist sie als Nachfolgebau der römischen Kirche S. Maria ad Martyros (Pantheon) aufgrund ihrer antikisierenden Gestalt (Konchen, zweistufiger Rundbau mit Rundkuppel) ein vorromanischer Kirchenbau ersten Ranges. Die bautechnisch nicht näher untersuchte Kuppelwölbung stellt in jedem Falle eine bemerkenswerte künstlerische und technische Leistung dar.

Literatur

  • Tilmann Breuer u. a., Franken. Die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken (Dehio Kunstführer), München/Berlin 2. Auflage 1999, 1194-1195.
  • Helmut Flachenecker, Die mittelalterliche Burg als Landesfestung und Archivsitz, in: Helmut Flachenecker u. a. (Hg.), Burg - Schloss - Festung. Der Marienberg im Wandel (Mainfränkische Studien 78), Würzburg 2009, 11-34.
  • Paul Frankl, Die frühmittelalterliche und romanische Baukunst (Handbuch der Kunstwissenschaft 4), Wildpark-Potsdam 1926, 1-3.
  • Max H. von Freeden, Festung Marienberg (Mainfränkische Heimatkunde 5), Würzburg 1982, 15-23.
  • Kurt Gerstenberg, Die Kirche auf dem Marienberg zu Würzburg, in: Würzburger Diözesangeschichtblätter 14 (1952), 91-95.
  • Susanne Hohmann, Blendarkaden und Rundbogenfriese der Frühromanik. Studien zur Außenwandgliederung frühromanischer Sakralbauten (Europäische Hochschulschriften 28), Frankfurt am Main u. a. 1999, 229-230.
  • Rudolf Edwin Kuhn, Die Rundkirche St. Maria auf der Festung Marienberg in Würzburg. Eine Studie zu ihrer Form und Herkunft, in: Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 47 (1985), 5-30.
  • Stefan Kummer, Architektur und bildende Kunst von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters, in: Ulrich Wagner (Hg.), Geschichte der Stadt Würzburg. 1. Band: Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Bauernkriegs, Stuttgart 2001, 410-449.
  • Stefan Kummer, Von der Romanik zur Gotik, in: Peter Kolb/Ernst-Günter Krenig (Hg.), Unterfränkische Geschichte. 2. Band, Würzburg 1992, 583-653, hier 604-605.
  • Christian Leo, Neuigkeiten von der Festung Marienberg, in: Helmut Flachenecker u. a. (Hg.), Burg - Schloss - Festung. Der Marienberg im Wandel (Mainfränkische Studien 78), Würzburg 2009, 35-48.
  • Friedrich Oswald/Ludwig Sennhäuser (Hrsgg.), Vorromanische Kirchenbauten. Katalog, München 1991, 383-384; ebd., Nachtragsband, 1991, 465-466.
  • Friedrich Oswald, Würzburger Kirchenbauten des XI. und XII. Jahrhunderts, Würzburg 1966 (Mainfränkische Hefte 45), 11-32.
  • Bernhard Hermann Röttger, Felix Ordo. Würzburger Beiträge zur Architekturgeschichte des Mittelalters, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 11-12 (1949-50), 5-82.
  • Bernhard Hermann Röttger, Neues von der mittelalterlichen Baukunst Frankens, in: Mainfränkisches Jahrbuch 4 (1952), 312.
  • Dirk Rosenstock, Siedlungsgeschichte im Frühmittelalter, in: Ulrich Wagner (Hg.), Geschichte der Stadt Würzburg. 1. Band: Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Bauernkriegs, Stuttgart 2001, 51-61.
  • Walter Schlesinger, Das Frühmittelalter, in: Hans Patz/Walter Schlesinger (Hg.), Geschichte Thüringens. 1. Band, Köln/Graz 1968, 316-380, hier 340.
  • Barbara Schock-Werner, Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter Julius Echter von Mespelbrunn 1573-1617. Struktur, Organisation, Finanzierung und künstlerische Bewertung, Regensburg u. a. 2005.
  • Ludwig Wamser, Castellum, quod nominatur Wirciburc, in: Johannes Erichsen (Hg.), Kilian, Mönch aus Irland, aller Franken Patron. Aufsätze (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 19), München 1989, 173-226.
  • Alfred Wendehorst, Das Bistum Würzburg. 1. Teil: Die Bischofsreihe bis 1254 (Germania Sacra. Neue Folge 1/1), Berlin 1962.
  • Alfred Wendehorst, Die Benediktinerabtei und das adelige Säkularkanonikerstift St. Burkard in Würzburg (Germania Sacra. Neue Folge 40/6), Berlin/New York 2001.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Bernhard Rösch, Marienkirche, Würzburg, publiziert am 10.09.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Marienkirche,_Würzburg></nowiki> (19.03.2024)