Focus
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Der Focus (Eigenschreibweise: FOCUS) ist ein Nachrichtenmagazin, das erstmals am 13. Januar 1993 erschien. Vorbild und Konkurrent war das Magazin Der Spiegel (Eigenschreibweise: DER SPIEGEL), das bis dahin einzige Magazin in dieser Sparte. Gründer des Focus waren Hubert Burda (geb. 1940), Leiter des Burda-Konzerns, und der Journalist Helmut Markwort (geb. 1936). Der Focus konnte sich seither auf dem Markt behaupten. Die Redaktion hatte bis zu ihrem Umzug 2017 nach Berlin ihren Sitz in München. Typisch für Focus sind Kurztexte, die durch Grafiken veranschaulicht werden. Politisch ist das Magazin dem konservativen bzw. liberal-konservativen Lager zuzuordnen. Von der ab 2002 angesichts der Konkurrenz des Internets einsetzenden Krise der gedruckten Presse blieb auch der Focus nicht verschont.
Gründung
Bis 1993 waren alle Versuche gescheitert, neben dem seit 1947 in Hamburg erscheinenden Nachrichtenmagazin Der Spiegel (Eigenschreibweise: DER SPIEGEL), das nach amerikanischem Vorbild konzipiert war, ein weiteres Presseerzeugnis dieser Art dauerhaft auf dem deutschen Markt zu etablieren. Zu nennen wären z. B. Gert von Paczenskys (1925-2014) Deutsches Panorama (erschien von Januar 1966 bis Juni 1967 in Hamburg), Axel Springers (1912–1985) Dialog: Magazin für Politik, Wirtschaft und Kultur (erschien von 1970 bis 1973 in Bonn) und Ergo aus dem Heinrich Bauer Verlag (es erschien nur in Probenummern 1994 bis 1996 in Hamburg). Anfang der 1990er Jahre gab es im Burda-Verlag hingegen konkretere Pläne für ein solches Produkt. Hubert Burda (geb. 1940), der seit 1987 alleiniger Inhaber und Leiter des Burda-Verlags war, konzipierte das neue Magazin gemeinsam mit Helmut Markwort (geb. 1936). Mit diesem Vorhaben ging Burda ein außerordentlich hohes verlegerisches Risiko ein. Die Situation wurde noch dadurch verschärft, dass er am 24. Juli 1992 die für das Gebiet der einstigen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) konzipierte und zusammen mit Rupert Murdoch (geb. 1931) gestartete Boulevardzeitung Super! nach nur rund einem Jahr hatte einstellen müssen - nur sechs Monate vor Erscheinen der Erstausgabe des Focus. Die dem Burda-Konzern daraus entstandenen Verluste waren existenzbedrohend. Dennoch war Burda bereit, für den Focus einen Anfangsverlust von bis zu 100 Mio. DM in Kauf zu nehmen. Da dem Konzern inzwischen Bankkredite gekündigt worden waren, musste er zur Sicherung der Liquidität das Verlagshaus in der Münchener Arabellastraße 23 verkaufen (später wurde es zurückgekauft).
Burda warb Markwort eigens für das Projekt an, das intern unter dem Arbeitstitel "Zugmieze" lief. Nach umfangreichen Analysen entschied man sich für den Namen "Focus". Am 18. Januar 1993 erschien die Erstausgabe des Focus in einer Auflage von 600.000 Stück. Allgemein wurde das neue Magazin als Herausforderung des Monopols des Spiegels empfunden, dessen Auflage damals rund doppelt so hoch wie die des Focus war. Beide Magazine erschienen montags. Erst 2015 verlegten beide Magazine ihr Erscheinen auf Samstag. Anfänglich kostete der Focus mit vier DM eine Mark weniger als der Spiegel.
Marktforscher bezifferten die von Burda und Markwort angepeilte Zielgruppe, die sog. Info-Elite (gebildete und informationshungrige, vornehmlich jüngere Personen), auf rund 3 Mio. Leser. Bei dieser Leserschaft wurde ein Bedarf an einem politisch neutralen Magazin mit schnell konsumierbaren und durch Grafiken anschaulich gemachten Beiträgen vermutet. Angepeilt waren vorwiegend männliche und jüngere Leser als die des Spiegel. Anders als dieser, dem das Image destruktiver und pessimistischer Kritik anhaftete, ließen die Macher des Focus verlauten, ihr Blatt solle kritisch und konstruktiv zugleich sein.
Der Focus bildete von Anfang an eine eigene Verlagseinheit innerhalb des Burda-Konzerns (Focus Magazin-Verlag GmbH). Markwort war sowohl deren Geschäftsführer als auch Chefredakteur des Magazins. Einzige Inhaberin der GmbH-Anteile war die Burda Holding GmbH & Co KG in Offenburg (Baden-Württemberg), dem Stammsitz des Burda-Konzerns, wo sich auch die Druckerei befand.
Verhältnis zur Konkurrenz
Am 26. September 1994 sah die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) das "Ende der 'Spiegel-Ära'" gekommen. Dem Spiegel gelang es nicht, ein redaktionelles Gegenkonzept zum Focus zu finden. Als einziges Abwehrmittel verlegte man sich auf gerichtliche Klagen, etwa gegen Markworts Behauptung, der Focus richte sich an eine "Info-Elite". Tatsächlich scheint sich die Leserschaft bei beiden Magazinen weniger durch ihre soziale Verortung als durch Mentalität und Gesinnung zu unterscheiden. Beide Magazine sind stark bei jungen Männern, bei Gebildeten und bei Personen mit hohem Einkommen vertreten. Entscheidungsträger bevorzugen den Spiegel.
1995 waren bereits drei Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anhängig, in denen der Spiegel-Verlag gegen die nach seiner Auffassung unzulässige vergleichende Werbung von Focus mit dem Spiegel klagte. Andererseits hatte auch der Verlag des Focus beim Landgericht München I Klage (Az. 7 0 1099/95) wegen einer Darstellung in Spiegel Special erhoben, in dem zu lesen stand "Focus als Blatt ist kein Problem, Focus als System ist die Pest." (Cordt Schnibben, Der McJournalismus, in: Spiegel Special 1/1995, 49-50, 49). Die Klage wurde abgewiesen.
2003 gab der Bundesgerichtshof einer Klage des Spiegel-Verlags Recht. Focus hatte sich 1999 in einer Werbeanzeige als "Marktführer" im Bereich der Nachrichtenblätter bezeichnet. Dies wurde durch die Gerichtsentscheidung untersagt (BGH, 2.10.2003 - I ZR 150/01).
Herausgeber Markwort warf dem Spiegel vor, nur von Neid auf den von ihm geleiteten Focus angetrieben zu sein.
Nebenprodukte von FOCUS
Von März 1990 bis Juni 1995 brachte Burda die monatlich erscheinende deutsche Ausgabe des US-Wirtschaftsmagazins Forbes heraus. Ab 1. April 1994 war die Focus-Magazin-Verlag GmbH dafür zuständig.
Am 30. März 2000 erschien erstmals das Wirtschaftsmagazin FOCUS Money. Damit tauchte eine neue Konkurrenz für die seit 1962 erscheinende Zeitschrift Capital (Verlag Gruner + Jahr) und das seit 1971 erscheinende Manager Magazin (SPIEGEL-Verlag) auf. Anders als der Focus machte das wöchentlich erscheinende Magazin Focus Money laufend Verluste. Die verkaufte Auflage sank ständig. Das Blatt geriet auch in den Verdacht, Lobbyismus zu begünstigen und durch Vergabe von Gütesiegeln Verbraucher zu täuschen. Es konnte sich aber trotz allem halten.
Im Verlag von Focus erscheinen auch mit geringerer Frequenz Spezialhefte zu den verschiedensten Lebensbereichen (Wirtschaft, Recht, Gesundheit, Reisen, Schule, Reisen und Autos).
Seit 18. Januar 1996 gibt es die Website FOCUS Online der Focus Online Group GmbH, nachdem der Spiegel schon seit 25. Oktober 1994 mit Spiegel Online auf dem Markt präsent war.
Im Programm des Senders ProSieben (Pro7) startete am 4. März 1996 das Magazin FOCUS TV, das jeweils montags ab 21:00 Uhr zu sehen war. Insgesamt waren für die FOCUS TV GmbH 25 Mitarbeiter, darunter 15 Redakteure, beschäftigt. Ende Dezember 2009 nahm der Sender das Magazin aus dem Programm.
Schon 1994 war Markwort auch an einer Beteiligung am Fernsehsender VOX interessiert, in dem der Spiegel mit einigen Sendungen vertreten war. Die von Alexander Kluge (geb. 1932) geleitete Fernseh-Produktionsfirma DCTP (Development Company for Television Program mbH), an der auch Markwort einen Anteil hielt, hatte Lizenzen, mit denen sie beim Privatfernsehen für nicht an Quoten orientierte Kultursendungen Sendezeiten beanspruchen konnte. Ab Mitte Juli 2005 räumte Kluge FOCUS TV die Möglichkeit einer regelmäßigen Reportage-Sendung im Sender SAT.1 ein. Auch mit VOX wurden durch Kluge Sendezeiten für FOCUS TV vereinbart. Dies ging zu Lasten der Sendezeit von SPIEGEL TV.
2005 startete FOCUS TV beim Pay-TV-Sender Premiere einen eigenen Kanal zum Thema Gesundheit (FOCUS-Gesundheit). Er wurde fünf Jahre später wieder eingestellt.
1996 wurde die FOCUS Online GmbH gegründet, die redaktionelle Seiten und Informationen im Internet anbot. Sie ist eine Tochterfirma der FOCUS Digital AG. Diese fusionierte im Juli 2001 mit der Tomorrow Internet AG (TIAG) in Hamburg. Das neue Unternehmen Tomorrow Focus AG (seit 2016: HolidayCheck Group AG) wurde damit Deutschlands größter Online-Vermarkter und einer der bedeutendsten deutschen Internet-Medienanbieter.
Auflagenentwicklung und Anzeigen
Von den ersten 15 Ausgaben des Focus wurden Auflagen zwischen 500.000 und 575.000 verkauft. Das Blatt erreichte schätzungsweise 3,1 Mio. Leser, d. h. etwa 5,2 % der Bevölkerung in Deutschland. Demgegenüber verkaufte der Spiegel durchschnittlich 1,1 Mio. Exemplare bei etwa 6 Mio. Lesern, das Magazin Stern (Eigenschreibweise: stern; erscheint seit 1948 in Hamburg) sogar 1,3 Mio. mit 7,5 Mio. Lesern. Etwa 80 % der Auflage des Focus gingen an Käufer am Kiosk, nur rund 5 % wurden über ein Abonnement bezogen, der Rest wurde im Ausland abgesetzt. Auf das ganze Jahr gerechnet belief sich die verkaufte Auflage auf etwa 470.000. Beim Start des Magazins hatte der Verlag angegeben, dass das Nachrichtenmagazin eine Verkaufsauflage von 250.000 brauche, um sich am Markt etablieren und überleben zu können.
Im dritten Quartal 2018 betrug die verkaufte Auflage 412.166, der Anteil der Abonnements 42 %, der des Einzelverkaufs nur noch 15 %. Das Verhältnis hatte sich stetig zugunsten des Abonnements verschoben.
Die Focus Ausgaben 2/1999 mit Tipps für günstiges Telefonieren und 38/2001 über die Terroranschläge vom 11. September erreichten jeweils Auflagenhöhen von über einer Million.
Verkaufsauflage der Druckexemplare des Focus im jeweils vierten Quartal (ab 2014 mit E-Paper). (Quelle: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.)
Der immer stärkere Einfluss des Internets und konjunkturelle Veränderungen, die eine anhaltende Werbeflaute im Printgeschäft nach sich zogen, schlug sich auch bei den Abonnenten und Verkaufszahlen der gedruckten Magazine nieder. Die Krise zeichnete sich erstmals 2006 ab. Zwischen 2008 und 2013 sank die Zahl der Abonnenten und der Kioskverkäufe bei Magazinen wie Focus, Spiegel und Stern um fast die Hälfte. Der Trend bewegte sich mehr in die Richtung zugunsten von Spezialzeitschriften und weg von denen mit generellem Inhalt.
Nach einer Äußerung des Burda-Chefmanagers Philipp Welte (geb. 1962) war der Focus noch im Jahr 2000 der größte Print-Werbeträger der Welt (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 6.9.2020). Doch schon 2001 brach das Anzeigengeschäft ein. Der Gewinn des Focus ging stark zurück. 1993 hatte Focus bereits im ersten Quartal seines Bestehens die Anzeigenseiten um 14,4 % steigern können. Statt der kalkulierten 2.000 Anzeigenseiten hatte man 1993 sogar bereits 3.635 Anzeigenseiten verkauft. Teilweise übertraf man sogar den Spiegel. 2002 verlor Focus gegenüber dem Vorjahr 19 % seiner Anzeigen. Im ersten Halbjahr 2003 büßte das Magazin 21,55 % ein; die Verluste an Anzeigen setzten sich auch weiterhin fort.
In einem relativ kurzen Zeitraum mussten deshalb drei Chefredakteure des Focus gehen, ohne dass dies aber den Problemen abgeholfen hätte. Auch wurden 2010 von 230 Mitarbeitern 80 entlassen. Im selben Jahr behauptete Markwort, der Focus habe noch nie Verluste gemacht und 2009 sogar wieder einen kleinen Gewinn erwirtschaftet.
Jahr | FOCUS | SPIEGEL |
---|---|---|
1993 | 3.620 | k.A. |
1994 | 5.344 | 5.372 |
1995 | 6.855 | 5.588 |
2000 | 7.556,6 | 6.499,3 |
2002 | 5.161 | k.A. |
Jahr | FOCUS | SPIEGEL |
---|---|---|
1993 | 35.000 | 90.000 |
1996 | 57.000 | 84.000 |
2000 | 75.884 | 88.500 |
Chefredaktion
Markwort war 1964 Düsseldorfer Korrespondent des Stern. 1966 bis 1970 leitete er die im Burda-Verlag erscheinende Zeitschrift Bild und Funk. 1970 wechselte Markwort zum Sebaldus-Verlag in Nürnberg, er wurde dort Chefredakteur der Fernsehzeitschrift Gong und entwickelte Konzepte für mehrere neue populäre Zeitschriften. Daneben war er u. a. 1985 Mitbegründer des privaten Radiosenders Radio Gong 2000 (seit 1991: "Radio Gong") und wurde nach und nach an mehreren Sendern Anteilseigner. Seit 1989 konzipierten Markwort und Burda den Focus. Im Juni 1991 wurde er Geschäftsführer der Burda Holding GmbH & Co KG und 1993 Chefredakteur von Focus.
Politisch hatte Markwort persönlich stets seine Nähe zur Freien Demokratischen Partei (FDP) betont, die er 2018 bis 2023 im Bayerischen Landtag vertrat. Er nannte sich selbst einen "Rechtsliberalen". Im Focus meldete er sich in der Rubrik "Tagebuch" wöchentlich zu Wort. Ende 2009 hatte Burda den Vorstandsvorsitz seines Konzerns an Paul-Bernhard Kallen (geb. 1957) abgegeben. Bereits im November 2008 war Dr. Jürgen Todenhöfer (geb. 1940), der im Burda-Konzern oft Markworts Gegenspieler gewesen war, in den Ruhestand gegangen. Neben der schwächelnden Auflage des Focus steigerte dieser Generationswechsel den Druck auf Markwort, es ihm in der Führung des Focus gleich zu tun. Er gab am 1. September 2010 den Posten des Chefredakteurs ab, blieb aber bis Anfang 2017 Herausgeber. Seine wöchentliche Kolumne behielt er bei.
Seit Gründung des Focus war Uli Baur (1956–2018) stellvertretender Chefredakteur. Im November 2004 wurde er neben Markwort zweiter Chefredakteur. Baur war schon ein Vertrauter Markworts während seiner Zeit im Sebaldus-Verlag und bei Radio Gong. 2011 wurde er als Nachfolger Markworts alleiniger Chefredakteur. Ende 2012 zog er sich aus dieser Position zurück und wurde 2013 neben Markwort zweiter Herausgeber des Focus. Im Vorstand des Burda-Konzerns übernahm Philipp Welte von Markwort die Zuständigkeit für den Focus. Welte war ein Vertrauter Todenhöfers, der wiederum ein Jugendfreund von Hubert Burda war. Todenhöfer war von 1987 bis 2010 u. a. für die Bereiche Unternehmenspolitik Recht, Personalwesen, Organisation zuständig und fungierte als stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung.
Schon im März 2010 kam Wolfram Weimer (geb. 1964) zum Focus. Weimer war von 2000 bis 2002 Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt und hatte 2004 das Magazin Cicero gegründet und geleitet. Burda traute Baur allein eine Reanimierung von Focus nicht zu. Daher wurde Weimer am 1. September 2010 zweiter Chefredakteur. Sie sollten gemeinsam das Heft weiterentwickeln und attraktiver machen. Man erhoffte sich, dies durch eine stärkere Betonung von Analyse, Debatte und Hintergrund-Erhellung anstelle von reinen Nachrichten und von Nutzwert-Journalismus wie z. B. Ratschlägen zur Geldanlage und Medizin-Themen erreichen zu können. "Relevanz, Relevanz, Relevanz" sollte statt Markworts Gründungsslogan "Fakten, Fakten, Fakten" das neue Motto werden. Auch Markwort war grundsätzlich damit einverstanden. Nach internen Differenzen verließ Weimer den Focus bereits nach einem guten Jahr wieder (Weimer gründete 2012 einen eigenen Medienkonzern). Der Konflikt in der Chefredaktion drang auch an die Öffentlichkeit. Weimer war es vor allem nicht gelungen, den Fall der Auflage zu stoppen. Er scheiterte mit seiner Vorstellung, den Focus zu einem konservativen Intelligenzblatt umzubauen.
Nach Weimers Weggang wurde Uli Baur 2002 alleiniger Chefredakteur. Zum 1. Januar 2013 übernahm Jörg Quoos (geb. 1963), der seit 1992 bei der Bild-Zeitung tätig und zuletzt stellvertretender Chefredakteur gewesen war, dieses Amt. Auch er wollte den politischen Charakter des Focus stärker betonen. Er verlegte den Redaktionsschwerpunkt nach Berlin, wo seit 2014 Juni schon die Ressorts Politik und Feuilleton angesiedelt waren. Dies sorgte auch in Teilen der Redaktion für Unruhe: 70 Mitarbeiter unterzeichneten einen Protestbrief an Hubert Burda. Quoos hatte überdies angekündigt, mehr Enthüllungen bringen zu wollen. Zwar enthüllte Focus z. B. den sog. Fall Gurlitt, in dem es um vermeintliche NS-Raubkunst ging, doch gab das dem Blatt nicht wirklich nachhaltigen Auftrieb. Als der Spiegel sein Erscheinungsdatum von Montag auf Samstag verlegte, wurde Quoos zudem vorgehalten, kein schlüssiges Konzept für eine entsprechende Reaktion zu haben. All das führte dazu, dass Quoos schon im August 2014 seinen Posten zugunsten von Ulrich Reitz (geb. 1960) räumen musste.
Reitz war Gründungsmitglied des Focus' und hatte bis 1997 die Parlamentsredaktion in Bonn (Nordrhein-Westfalen) geleitet. Später war er u. a. bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) und dort von 2004 bis Juni 2014 Chefredakteur. Während dieser Zeit hatte er die Redaktion umfassend reformiert. Als Chefredakteur des Focus musste er sein Amt allerdings schon am 1. März 2016 an Robert Schneider (geb. 1976) übergeben, der vorher die konzerneigene Super Illu geleitet hatte. Reitz blieb in der Chefredaktion noch bis Ende 2016 für Politik und Debatte zuständig.
Redaktion
Zu Beginn zählte die Redaktion 80 Mitglieder. Diese Zahl verdoppelt sich bald und stieg bis 2010 auf 230. Danach setzte ein Stellenabbau ein. Schon 2014 wurden die Landesbüros in Hamburg und Frankfurt am Main (Hessen) geschlossen, 2017 folgte Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen). Die elf Redaktionsressorts wurden auf drei reduziert. Seit 2017 ist die Redaktion vollständig in Berlin angesiedelt.
Unter Wolfram Weimer wurde eine eigene Investigativ-Redaktion und eine Debatten-Redaktion eingerichtet, die Michael Klonovsky (geb. 1962) leitete. Klonovsky war von Anfang an Redakteur beim Focus, schied im Mai 2016 aus, um als Berater der damaligen Bundessprecherin der Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry (AfD, geb. 1975, Bundessprecherin der AfD 2013-2017), zu arbeiten. Von Februar 2018 bis Dezember 2021 war er persönlicher Referent des Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag, Alexander Gauland (AfD, geb. 1941). Jörg Quoos löste die von Weimer eingerichtete Debatten-Redaktion wieder auf.
Form und Inhalt
Claus Heinrich Meyer (1931–2008) beschrieb spöttisch die an der ersten Nummer bereits sichtbaren Charakteristika des Focus (Süddeutsche Zeitung, 18.1.1993): "Buntheit vor allem, Buntheit als drucktechnisches und inhaltliches Prinzip, eine unglaubliche Menge von Tabellen und Schaubildern, eine Hauptsatz-Sprache, deren Syntax deckungsgleich ist mit derjenigen des Spiegel… Und eine thematische Schnitzelmasse, in der man hoffnungslos erstickt." Jede Seite sei ein "Fangnetz für Farb-Anzeigen". Meyer sprach von "Konfetti-Journalismus". Der Inhalt zerfalle in Puzzleteile, die nicht ineinandergriffen. Ein Standpunkt sei nicht zu erkennen. Adolf Theobald urteilte, bei Focus sei die Aufmachung und Mischung der Themen wichtiger als Aktualität und Inhalt. Der Focus sei mehr eine Illustrierte als ein Nachrichtenmagazin (Die Zeit, 23.3.1993).
Der Sprachstil des Focus ist schlichter als der des Spiegel, die Artikel sind mit Zwischenüberschriften gegliedert. Anfänglich galt, dass kein Beitrag mehr als 100 Zeilen haben solle. Den Titelgeschichten wird weniger Bedeutung beigemessen als im Spiegel, der einen Titel im Heft am stärksten gewichtet. Der Anteil von Bildern und informativen Graphiken ist wesentlich höher als im Spiegel. Focus bringt wesentlich weniger journalistische Meinungsbeiträge als der Spiegel. Der Anteil der Artikel ohne Autorennennung liegt bei diesem wesentlich höher. Investigative Beiträge sind im Focus weniger häufig zu finden als im Spiegel.
Schon vor der Bestellung Wolfram Weimers zum Chefredakteur hatte Markwort eine vorsichtige Generalüberholung des Focus vorgenommen. Die Kurznachrichtenrubrik "Periskop" wurde zu "Focussiert", die Rubrik "Forschung und Technik" nach vorn gerückt, für Medizin wurde eine eigene eingeführt. Weimer führte nach dem Vorbild des ZEITMagazin das Doppelcover im Umschlag ein.
Eine typische Eigenheit von Focus waren von Anfang an Bestenlisten nach amerikanischem Vorbild. In Tabellenform stuften eine Reihe prominenter deutscher Philosophen lebende Deutsche nach ihrer Bedeutung ein. Schon 1993 brachte Focus eine Ranking der angeblich 500 besten Ärzte in Deutschland (Focus, 8.2.1993). Dies führte zu einer Klage der Bayerischen Ärztekammer vor dem Landgericht München, die bis vor den Bundesgerichtshof ging. Dieser bescheinigte Focus, keine objektiven und sachlich nachprüfbaren Kategorien angelegt zu haben (BGH, 30.4.1997 - I ZR 30/95). Eine Serie im selben Jahr über "Die 500 besten Anwälte" musste nach einer Klage der Anwaltskammer München auf Grund eines Urteils des Landgerichts München I eingestellt werden. Auch der Bundesgerichtshof beurteilte die Listen als wettbewerbswidrig. Doch verboten die Gerichte die Erstellung solcher Beurteilungslisten nicht grundsätzlich. 1997 brachte das Magazin eine neue Ärzteliste, die diesmal juristisch Bestand hatte. Andere Rankings befassten sich u. a. mit Kliniken, Universitäten, Technischen Universitäten, Ausbildungsplätzen sowie der Wirtschaftskraft von Stadt- und Landkreisen.
Markwort verwahrte sich dagegen, den Focus in die Nähe des Boulevardjournalismus zu rücken. Er behauptete 2001 in einem Interview in Die Zeit, für die Ranglisten würde monatelang recherchiert. Man habe sogar von der EU offiziell herausgegebene Zahlen über eine Abstimmung korrigieren können.
Literatur
- Ulf-Dieter Filipp, Focus im Spiegel der Marktforschung – Die Erfolgsgeschichte einer Zeitschrift, in: Karin Böhme-Dürr/Gerhard Graf (Hg.) Auf der Suche nach dem Publikum. Medienforschung für die Praxis (Medien und Märkte 6), Konstanz 1995, 21–43.
- Gisela Freisinger, Hubert Burda. Der Medienfürst, Frankfurt/New York 2005.
- FOCUS 12/2003 (Jubiläumsnummer).
- Michael Haller, Vertextete oder visualisierte Information? Zur Informationsleitung unterschiedlicher Präsentationsformen am Beispiel "Focus" und "Spiegel", in: Günter Bentele/Michael Haller (Hg.), Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure – Strukturen – Veränderungen (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft, 24), Konstanz 1997, 561–576.
- Christoph Andreas Herbort, Im Focus des Spiegel – im Spiegel des Focus. Selbst- und Fremddarstellung in der Medienberichterstattung von Nachrichtenmagazinen (Deutsche Hochschuledition 133), Neuried 2002.
- Marcus S. Kleiner, Medien-Heterotopien: Diskursräume einer gesellschaftskritischen Medientheorie, Bielefeld 2006.
- Rolf Stockmann (Hg.), Spiegel und Focus. Eine vergleichende Inhaltsanalyse 1993–1996 (Göttinger Beiträge zur Publizistik 1), Göttingen 1999.
Quellen
- Der Spiegel.
- Die Welt.
- Die Zeit.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).
- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
- Cordt Schnibben, Der McJournalismus, in: Spiegel Special 1 (1995), 49-50.
- Süddeutsche Zeitung (SZ).
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Empfohlene Zitierweise
Paul Hoser, Focus, publiziert am 15.09.2020; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Focus> (09.10.2024)