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Bayerischer Heimatschutz, 1928-1933

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Emblementwürfe für den Bayerischen Heimatschutz. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, NL-Escherich-Georg 66)
Georg Escherich, hier beim Landesschießen d.Bayerischen Einwohnerwehren 26. September 1920 am Königsplatz in München (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv).

von Wolfgang Stäbler

Wehrverband unter der Leitung von Georg Escherich (1870-1941), gegründet am 2. Dezember 1928 in München. Er wollte die politische Rechte hinter sich versammeln und vertrat bayerisch-föderalistische, antikommunistische und antizentralistische Ziele. Die bis zu 50.000 Mitglieder kamen überwiegend aus den ländlichen Gebieten Altbayerns. Der Bund löste sich am 28. März 1933 auf, indem die Mehrheit seiner Mitglieder der SA, der SS sowie dem Stahlhelm beitrat.

Gründung 1928

Beim Gautag des ehemaligen Einwohnerwehrverbandes Isengau am 2. Dezember 1928 in München wurde der "Bayerische Heimatschutz" (BHS) gegründet (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Vorläufer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege!). Sein Leiter war der Forstmann und frühere Kolonialpolitiker Georg Escherich (1870-1941), bis 1921 Führer der bayerischen Einwohnerwehren und der über Bayern hinausgreifenden Organisation Escherich ("Orgesch"). Der Gründung waren Kontakte Escherichs nach Ungarn vorausgegangen, auch unterhielt er enge Beziehungen zum österreichischen Heimwehrführer Richard Steidle (1881-1940). Im Bund selbst bezeichnete man die Gründung als spontane Ausrufung durch den Leiter des Bundes Chiemgau, Hugo Jäger, einem Forstmann des Freiherrn Cramer-Klett in Aschau. Jäger hatte kurz zuvor verlauten lassen, man müsse in Bayern eine Heimatwehr im Stile der österreichischen Heimwehr aufleben lassen. Diese war wesentlich aus der Einwohnerwehr-Szene um Rosenheim aufgebaut und bewaffnet worden.

Zielsetzung

Der Bayerische Heimatschutz knüpfte mit seiner Parole "Treu dem Reich, treu dem Lande gegen den Bolschewismus" bewusst an die Vorstellungen der 1921 verbotenen Einwohnerwehren an. Sein diffuses Programm richtete sich in erster Linie an die landwirtschaftliche Bevölkerung mit dem Ziel, eine überparteiliche, stark bayerisch-föderalistische und antizentralistische Front der Rechten zur Erhaltung des Staates gegen die "rote Gefahr" zu bilden. Die neue Vereinigung sollte einen Ersatz des stark geschwächten Bundes Bayern und Reich und ein Gegengewicht zum ursprünglich norddeutschen Stahlhelm darstellen, der vor allem im protestantischen Franken vertreten war.

Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934) erkundigte sich am 11. Dezember 1928 bei Escherich besorgt nach den Zielsetzungen des Bayerischen Heimatschutzes. Dieser beruhigte ihn mit der Aussage, in seinen Reihen sei kein Platz für Separatisten. Gleichzeitig pflegte er Kontakte zu norddeutschen Landwirtschaftsführern, die er noch aus Orgesch-Zeiten kannte. Es kam aber zu keinem Ausgreifen über Bayern hinaus, und auch die Verbindungen nach Ungarn und Österreich brachten wenig zusätzlichen Rückhalt.


Organisatorischer Aufbau

Da sich keine Finanziers für eine aufwändige Werbekampagne fanden, setzte der Bayerische Heimatschutz im Wesentlichen auf die Bekanntheit Escherichs und die Netzwerke der alten Einwohnerwehren. Der Zusammenschluss bereits bestehender Organisationen erhielt Vorrang vor der Basisarbeit für einen völligen Neuaufbau. Eine der erfolgreichsten Werbeveranstaltungen war der "Bayerntag" des Chiemgau-Bundes am 20. Januar 1929 in Rosenheim, an dem auch der Isengau teilnahm. Neben Escherich und Chiemgauführer Jäger sprach auch der Bayerische Volkspartei (BVP)-Vorsitzende Fritz Schäffer (1888-1967) vor Tausenden von Teilnehmern.

Um den Nukleus der alten Einwohnerwehrverbände Chiemgau, Isengau und Isarwinkel-Mangfallgau gruppiert, fanden sich bis 1930 der Deutsche Frontkämpferbund, der Oberbayerische Christliche Bauernverein und der Bayerische Heimat- und Königsbund unter dem Dach des Bayerischen Heimatschutzes zusammen. Auch der gemäßigte Flügel des Bayerischen Bauern- und Mittelstandsbundes (BBMB) unterstützte den Bund. Die Bayernwacht, der Saalschutz der BVP, sollte nach Willen der Partei mit dem Heimatschutz zusammenarbeiten, doch entstanden durch die Konkurrenzsituation lokale Reibereien. Dr. Georg Heim (1865-1938), einer der führenden Politiker der BVP, betrieb die Ausweitung des Bundes auf die Oberpfalz. Eine starke Organisation entwickelte sich auch im niederbayerischen Unterwaldgau. Der Einfluss des Bayerischen Heimatschutzes blieb damit aber im Wesentlichen auf Altbayern beschränkt. Verhandlungen mit dem in Franken starken Stahlhelm scheiterten 1931 an Rivalitäten der Führungsriegen. Ende 1932 umfasste der Bayerische Heimatschutz 35 Gaue mit rund 50.000 Mitgliedern.

Notpolizei und Verfassungstreue

Im Zeichen der zunehmenden politischen Spannungen riefen einige südbayerische Städte und Gemeinden den Bayerischen Heimatschutz als "Notpolizei" bei kommunistischen Veranstaltungen ähnlich den Bürgerwehren der Revolutionszeit 1918/19 auf. Ein weitergehender Einsatz als eine die Verfassung sichernde Ordnungstruppe unterblieb jedoch, denn manchmal arbeiteten - so in Ingolstadt - Heimatschutz und Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) offen zusammen. Bei BVP und BBMB fürchtete man Putschgelüste des Bundes, was Escherich durch die Annäherung an die BVP zu entkräften suchte. Dennoch sprachen starke Affinitäten etwa des Chiemgau-Bundes zur NSDAP gegen die Verfassungstreue einzelner Glieder des Bayerischen Heimatschutzes. Escherich selbst wurde der mächtige Chiemgau zu unsicher, so dass er wohl nicht zu Unrecht als Drahtzieher einer Waffenaushebung und Verhaftungsaktion im Inntal im März 1932 galt. Etwa zeitgleich brach Heim die Unterstützung des Heimatschutzes ab, dem er eine zu indifferente Haltung bei der Reichspräsidentenwahl im selben Monat vorwarf. Der Bund verlor damit seinen politisch wertvollsten Verbündeten.

Auflösung 1933

Schon vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten schwächten mangelnde Geschlossenheit und die NS-Konkurrenz den Bayerischen Heimatschutz. Am 23. März 1933 teilte SA-Sonderkommissar Ernst Röhm (1887-1934) Escherich mit, neben SA, SS und Stahlhelm könnten keine weiteren Wehrverbände bestehen. Der Bayerische Heimatschutz sei deshalb aufzulösen. Bereits vorher hatte sich etwa der Rupertigau der neuen Regierung zur Verfügung gestellt. Bei der letzten Bundesversammlung des Chiemgau, dessen Führer kurzzeitig in "Schutzhaft" genommen worden waren, trat am 28. März 1933 die Mehrzahl der anwesenden Mitglieder SA und SS, der Rest dem Stahlhelm bei.

Dokumente

Literatur

  • Otto Kögl, Revolutionskämpfe im südostbayerischen Raum, Rosenheim 1969.
  • Horst G. W. Nußer, Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933. Mit einer Biographie von Forstrat Georg Escherich 1870-1941 (Reihe moderne Geschichte 1). 2 Bände, München 1973.
  • Jörg Zedler, Bad Tölz: Heimatschutz im ausgehenden 19. Jahrhundert, in: Historischer Verein für das bayerische Oberland (Hg.): Zurück in die Zukunft. Gabriel von Seidl in Tölz; Bad Tölz 2013, 48–61.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Wolfgang Stäbler, Bayerischer Heimatschutz, 1928-1933, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerischer_Heimatschutz,_1928-1933> (29.03.2024)