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Bodenreform

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Ein typischer Siedlerbauernhof: Das im Rahmen der Bodenreform neu angelegte Anwesen der aus Falkendorf in Böhmen vertriebenen Bauernfamilie Parsche im niederbayerischen Oberellenbach (Gde. Mallersdorf-Pfaffenberg, Lkr. Straubing-Bogen). Dort war es Teil einer Siedlung von sieben heimatvertriebenen Bauern, die auf einem Thurn und Taxis'schen Gut angesiedelt und mit jeweils 11 bis 13 Hektar ausgestattet wurden. (Foto: Wilfried Benedikt, Oberellenbach)

von Johann Kirchinger

Konzepte, die Eigentum und Nutzung an landwirtschaftlich genutztem Grund und Boden umverteilen wollten, haben ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert. Sie wurden von verschiedenen politischen Richtungen für unterschiedliche Zwecke instrumentalisiert. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs planten die Alliierten eine Bodenreform auf deutschem Gebiet, um durch eine Aufteilung von großem Landbesitz Großgrundbesitzer, die für den Erfolg des Nationalsozialismus verantwortlich gemacht wurden, den politischen Einfluss zu nehmen. In Bayern verzögerten sich diese Pläne, wodurch die Ausführung stark abgeschwächt und die Bodenreform nur teilweise umgesetzt wurde.

Definition

Der Begriff der Bodenreform bezeichnet eine Änderung der Eigentums- bzw. Nutzungsverteilung an landwirtschaftlichem Grund und Boden. Der Eingriff in die Bodenstruktur ohne quantitative Änderung der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse etwa im Rahmen einer Flurbereinigung fällt nicht darunter.

Änderungen der Besitzstruktur an landwirtschaftlicher Fläche können politisch motiviert sein und Bestrafungscharakter besitzen bzw. dem Machtentzug sozialer Schichten dienen; sie können sozial motiviert sein und eine gleichmäßigere Verteilung des Eigentums an Grund und Boden beabsichtigen; sie können aber auch wirtschaftlich motiviert sein und auf eine effizientere Bearbeitung des Grund und Bodens abzielen. Dabei wurden Effizienzgründe sowohl von den Befürwortern als auch den Gegnern der Aufteilung von Großgrundbesitzungen angeführt.

Bodenreformerische Ideen und Maßnahmen bis 1945

Bodenreformpläne wurden erstmals am Ende des 19. Jahrhunderts artikuliert. Die Bauerntumsideologie, die im Bürgertum als Reaktion auf die sozialen Herausforderungen der Industrialisierung entstanden war, postulierte den schollenverwurzelten Bauern als Moment gesellschaftlicher Stabilität. Dieses sollte durch gezielte Neuansiedlung und Erweiterungen von Zwergbetrieben gefördert und dadurch der gefürchteten Proletarisierung entgegengewirkt werden.

Während des Ersten Weltkriegs entstand der Plan, durch die Schaffung von Kleinbauernstellen die zu erwartenden sozialen und wirtschaftlichen Kriegsfolgen zu bewältigen. In der Weimarer Republik schufen der Artikel 155 der Reichsverfassung und das deutsche Bodenreformgesetz von 1920 die rechtlichen Grundlagen für die Aufteilung von Großgrundbesitzungen auf Neusiedlerstellen und die Vergrößerung von Zwergbetrieben. Die Hoffnung auf eine höhere Produktivität war neben sozialen Gründen ausschlaggebend dafür. Einrichtungen wie die Bayerische Landessiedlung GmbH dienten der Umsetzung.

Im konservativen politischen Spektrum wurde die Bodenreform befürwortet, sobald sie auf eine Stärkung des bäuerlichen Elements als gesellschaftspolitisch stabilisierendes Moment abzielte bzw. in bevölkerungspolitischer Hinsicht eine Stärkung des ethnisch deutschen Moments z. B. an der Grenze zu Polen bewirken sollte. Die Unantastbarkeit des Privateigentums an den Produktionsmitteln begrenzte die Akzeptanz von Bodenreformplänen in diesem politischen Spektrum jedoch ebenso deutlich wie bei den liberalen Parteien.

Eduard David (1863–1930). Erster Präsident der Weimarer Nationalversammlung. Aufnahme von 1907. (Foto vom Bundesarchiv via Wikimedia Commons, lizenziert durch CC-BY-SA 3.0)

Die sozialistische Programmatik akzeptierte die Bodenreform als Enteignung und Sozialisierung, aber unter Beibehaltung der großbetrieblichen Strukturen entsprechend der marxistischen Doktrin von der Überlegenheit des Großbetriebes über den Kleinbetrieb. Das Kieler Programm der SPD von 1927 brachte dann die Revision der marxistischen Doktrin, bewirkt von Eduard David (1863–1930). Seiner Meinung nach waren Klein- und Mittelbetriebe aufgrund ihrer höheren Arbeitsintensität Großbetrieben überlegen.

Vorher bereits hatte der wirtschaftsegoistische Bayerische Bauernbund die politisch motivierten Bodenreformpläne der Münchner Räterepublik im April 1919 insofern befürwortet, als dadurch der Landhunger seiner Mitglieder durch die Enteignung von Großgrundbesitzungen gestillt werden sollte, während die Enteignungsgrenze von 1.000 Tagwerk (ca. 334 Hektar) als Sicherheit für die Unantastbarkeit des Grundeigentums seiner Mitglieder diente.

Amerikanische Bodenreformpläne nach Kriegsende 1945

In den Vereinigten Staaten von Amerika formulierte das State Department in Verbindung mit dem War Department im Frühjahr 1944 erstmals Pläne für eine Bodenreform im besiegten Deutschen Reich. Die Motive waren politischer Natur. Die Macht des als Unterstützer von Militarismus und Nationalsozialismus identifizierten Großgrundbesitzes sollte durch eine Aufteilung gebrochen werden und im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich sollten demokratische Verhältnisse verankert werden. Damit war die Bodenreform Teil der auf Demilitarisierung, Denazifizierung, Dekartellisierung und Demokratisierung gründenden amerikanischen Nachkriegsplanungen zur dauerhaften Pazifizierung Mitteleuropas. Prominentester Befürworter dieser Politik war der Agrarexperte und Finanzminister Henry Morgenthau (1891-1967), der im "Morgenthau-Plan" vom August 1944 ebenfalls eine Bodenreform vorsah. Der von agrarromantischen Ideen beeinflusste Morgenthau zielte dabei tatsächlich auf gesellschaftliche und politische Einstellungsveränderungen in der deutschen Bevölkerung ab, während die nationalsozialistische Propaganda die bestrafende Dimension seiner Vorschläge in verzerrter Weise herausstrich.

Nach der bedingungslosen Kapitulation wurden die Bodenreformpläne von der US-Militärregierung dann allerdings ohne Enthusiasmus verfolgt, denn die drängenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme erforderten die ganze Arbeitskraft einer auf pragmatische Lösungen konzentrierten Administration. Weitere Gründe für die nachlässige Verfolgung der Bodenreformpläne lagen darin, dass der Anteil des Großgrundbesitzes in der US-Besatzungszone marginal war und Eingriffe in das Privateigentum an den Produktionsmitteln der in den USA vorherrschenden liberalen Wirtschaftsdoktrin widersprachen. Erst der Beginn der als antifaschistische und demokratische Reformmaßnahme angepriesenen Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone am 2. September 1945 brachte die US-Militärregierung angesichts ihrer Rivalität zur Sowjetunion in Zugzwang.

Dabei änderte sich die amerikanische Bodenreformpolitik unter dem Eindruck der zunehmenden Entfremdung zur Sowjetunion. Der politische Charakter der Bodenreform trat zugunsten der Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Hintergrund. Dementsprechend sollte das am 19. September 1946 auf Wunsch der Militärregierung vom Länderrat der US-Zone verabschiedete Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform in erster Linie dem sozialen Ziel der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie dem wirtschaftspolitischen Ziel der Vergrößerung der landwirtschaftlichen Produktionsfläche und auf lange Sicht einer intensiveren Landbewirtschaftung durch die Aufteilung des Großgrundbesitzes dienen. Betriebe unter 100 Hektar sollten dabei verschont bleiben.

Widerstand auf deutscher Seite

Joseph Baumgartner (1904-1964) bei der Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) am 20./21. Januar 1955. Fotografie von Felicitas Timpe. (Bayerische Staatsbibliothek, timp-014245)

Bei der Umsetzung des Gesetzes traf der ohnehin mangelnde Enthusiasmus der US-Militärregierung auf offene Gegnerschaft auf deutscher Seite. In Bayern wurde der Widerstand vom Bayerischen Bauernverband und den ihm nahestehenden Landwirtschaftsministern Joseph Baumgartner (CSU/Bayernpartei, 1904–1964, im Amt 1945 bis 1947 und 1954 bis 1957) und Alois Schlögl (CSU, 1893–1957, im Amt 1948 bis 1954) organisiert. Um gegen die Notwendigkeit der Bodenreform zu argumentieren, wiesen beide auf die geringe Bedeutung des Großgrundbesitzes in Bayern und die technischen Schwierigkeiten der Umsetzung hin. Sie prognostizierten landwirtschaftliche Produktionsstörungen als Folge der Eigentumsumverteilung.

Insofern kamen das im Gesetz vorgesehene komplizierte Verfahren und die darin gründende langfristige Abwicklung der Bodenreform – prognostiziert bis Mitte der 1950er Jahre – sowohl den Amerikanern als auch den deutschen Vertretern der Grundbesitzerinteressen entgegen. Da die alliierten Außenminister am 23. April 1947 in Moskau im Interesse einer gemeinsamen Besatzungspolitik den sowjetischen Wünschen entgegenkamen und eine beschleunigte Durchführung der Bodenreform bis Jahresende 1947 beschlossen, musste die Bodenreformgesetzgebung aber revidiert werden. Ergebnis war ein auf Druck der US-Militärregierung am 18. November 1947 im Länderrat angenommenes Gesetz zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform. Es sah ein vereinfachtes Enteignungsverfahren und die Möglichkeit der Beschlagnahmung des abzugebenden Bodens bereits vor der Rechtsgültigkeit des Enteignungsbescheides vor. Demnach sollte der zu enteignende Grundbesitz bis zum 31. Dezember 1947 zumindest unter der Kontrolle der staatlichen Siedlungsbehörden stehen. Ein Sperrvermerk im Grundbuch wurde dafür als ausreichend erachtet.

Ende der Bodenreform nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland

Trotzdem konnte die Bodenreform verzögert werden, da die privaten Landabgabepflichtigen die ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpften und die mit der Umsetzung betrauten bayerischen Behörden einschließlich des hinzugezogenen Bayerischen Bauernverbandes ohnehin zur Ablehnung des Bodenreformgesetzes neigten. Zusätzlich überforderten die Entschädigungssummen sowie die Kosten der Neuansiedlungen die bayerischen Siedlungsträger (darunter hauptsächlich die am 2. Mai 1947 errichtete Bayerische Landessiedlungsgesellschaft) finanziell. Das Ende der Besatzungszeit mit dem Inkrafttreten des Besatzungsstatus vom 10. April 1949 brachte das Ende der amerikanischen Kontrolle über die Bodenreform und damit ihren Stillstand.

Bereits das als Ersatz für das Bodenreformgesetz gedachte Flüchtlingssiedlungsgesetz des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 24. Juni 1949 beschränkte sich auf die Verbilligung von Siedlungsland, das ohne Zwangsmaßnahmen auf dem freien Grundstücksmarkt zu beschaffen war. Schließlich wurde das Bodenreformgesetz von Landwirtschaftsminister Schlögl durch eine das Gesetz zugunsten der Großgrundbesitzer interpretierende Verwaltungsvorschrift vom 24. November 1954 faktisch außer Kraft gesetzt.

Bilanz

Bis zum 31. Dezember 1951 waren

  • von den 36.910 Hektar der unter das Bodenreformgesetz fallenden privaten Großgrundbesitzer 12.525 Hektar
  • von den 32.700 Hektar landwirtschaftlich nutzbaren Wehrmachtslandes 10.100 Hektar
  • aus staatlichem, kommunalem und kirchlichem Besitz kaum Land
  • aus dem Besitz der ehemaligen NSDAP wegen entgegenstehender Militärregierungsgesetze gar kein Land

an die Sieldungsträger übergegangen - insgesamt 28.398 Hektar, wovon 23.336 Hektar tatsächlich versiedelt waren. Davon hatte etwa ein Drittel der Aufstockung heimischer Kleinbetriebe gedient. Dies entsprach der vom Bayerischen Bauernverband vorgebrachten Forderung, das Bodenreformgesetz nicht auf die Flüchtlingsbauern zu beschränken.

Quellenlage und Forschungsstand

Die Quellenlage zur Erforschung der Geschichte der Bodenreform nach 1945 ist im Hinblick auf unveröffentlichte Texte gut. Das Bundesarchiv Koblenz bewahrt die Überlieferung des Länderrates der amerikanischen Besatzungszone, der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv finden sich die Akten der mit der Durchführung der Bodenreform in Bayern befassten staatlichen Behörden, insbesondere des bayerischen Landwirtschaftsministeriums, neben der Überlieferung der amerikanischen Militärregierung in Bayern (OMGB). Die Akten von OMGUS, der für die gesamte amerikanischen Besatzungszone zuständigen Militärregierungsbehörde, befinden sich im Institut für Zeitgeschichte. Die Protokolle der mit der Bodenreform befassten politischen Gremien (Bayerischer Landtag, Länderrat der amerikanischen Besatzungszone, Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Bundestag) sind ohnehin veröffentlicht.

Die geschichtswissenschaftliche Forschung hat die Fakten zur Geschichte der Bodenreform in Bayern ebenso wie die im Zusammenhang mit ihr stehenden ideengeschichtlichen Rahmenbedingungen auf dieser Quellengrundlage sehr gut aufgearbeitet, was zur Folge hatte, dass seit den frühen 1980er Jahren keine Studien zur Bodenreform mehr veröffentlicht wurden. Inwiefern seither entwickelte kulturgeschichtliche Ansätze ein vertieftes Verständnis der Bodenreformproblematik bringen können, wird sich deshalb erst zeigen.

Literatur

  • Ulrich Enders, Die Bodenreform in der Amerikanischen Besatzungszone 1945–1949 unter besonderer Berücksichtigung Bayerns (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 2), Ostfildern 1982.
  • Alex Gerschenkron, Bread and Democracy in Germany, Berkeley 1943.
  • Heinz Haushofer, Ideengeschichte der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im deutschen Sprachgebiet. 2. Band: Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, München 1958.
  • Martin Kornrumpf, In Bayern angekommen. Die Eingliederung der Vertriebenen. Zahlen – Daten – Namen (Dokumente unserer Zeit 3), München 1979.
  • Conrad C. Latour/Thilo Vogelsang, Okkupation und Wiederaufbau in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands 1944–1947 (Studien zur Zeitgeschichte 5), Stuttgart 1973.
  • Wilfried Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall. Das wirtschaftspolitische Deutschlandkonzept der USA 1944–1947 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 30), Düsseldorf 1996.
  • Wolfram Rubenstroth-Bauer, Die bayerische Landessiedlung GmbH als Instrument bayerischer Agrarpolitik unter besonderer Berücksichtigung der Eingliederung heimatvertriebener Landwirte, Diss. masch. München 1976.
  • Christof Ulrich, Die Bodenreform in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, Diss. masch. Würzburg 1956.

Quellen

  • Hermann Dietrich/Otto Schiller (Hg.), Das Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform, nebst Durchführungsverordnungen der Länder, Stuttgart 1947.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Johann Kirchinger, Bodenreform, publiziert am 13.02.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bodenreform> (28.03.2024)