Gesellschaft für fränkische Geschichte
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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1904 gegründete Gesellschaft zur Erforschung der fränkischen Geschichte. Vorbild war die seit 1881 bestehende Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Die Gesellschaft besteht aus Stiftern, Patronen und den wissenschaftlich arbeitenden Wahlmitgliedern, wobei zu den Stiftern und Patronen zahlreiche fränkische Adelsfamilien zählen.
Geschichte
Die Gründung der Gesellschaft geht auf eine Initiative des in Graz geborenen, 1898 an die Universität Würzburg berufenen Historikers Prof. Dr. Anton Chroust (1864-1945) zurück. Chroust gelang es am 17. Dezember 1904, eine aus Vertretern des Staates, der Städte und der Kirchen, des Adels, des Bürgertums, der Geschichtswissenschaft an den beiden fränkischen Universitäten, der Archive und der Bibliotheken zusammengesetzte Versammlung nach Nürnberg einzuberufen. Diese beschloss die förmliche Konstituierung einer Gesellschaft für fränkische Geschichte. Chroust entwickelte sein anspruchsvolles Programm mit dem Hinweis darauf, dass in mehr systematischer Weise als bisher für die Veröffentlichung und Bearbeitung der Quellen zur fränkischen Geschichte Sorge getragen werden müsse. Modell stand die 1881 gegründete Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde.
Chrousts Programm fand ein durchaus positives Echo, und dessen Verwirklichung machte sehr bald sichtbare Fortschritte. Dass er auch Rückschläge erlitt, lag nicht nur an seinen von vielen Patronen, Wahlmitgliedern und besonders von Mitarbeitern als inakzeptabel empfundenen Kommunikationsformen, sondern auch daran, dass trotz seines Appells an den Idealismus der Stifter und der Patronen nicht so viele Mittel wie im industriell hochentwickelten Rheinland zur Verfügung gestellt wurden.
Der Gründung der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1927, welche die Erforschung der staatsbayerischen Geschichte - also mit Einschluss der fränkischen und schwäbischen - zum Ziel hatte, stand Chroust zunächst skeptisch gegenüber. Er stellte aber seine Bedenken unter Autonomievorbehalten zurück, als das Kultusministerium bei den Erstberufungen in die Kommission Gelehrte, die auf dem Gebiet der fränkischen Geschichte gearbeitet hatten, überproportional berücksichtigte.
Das "Dritte Reich" hat die Gesellschaft ziemlich unkontaminiert überstanden, da der Vorstand sich manchem Ansinnen der Gauleitung von Mainfranken verweigerte.
Der Wiederbeginn nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war schwierig. Beim Luftangriff auf Würzburg am 16. März 1945 fiel nicht nur die Registratur der Gesellschaft - soweit sie sich bei Anton Chroust gebildet hatte - den Flammen zum Opfer; auch die Mitgliederkartei ging verloren. Anfang 1946 bestätigten die erreichbaren Ausschussangehörigen die noch bestehende Rumpfvorstandschaft. In dieser übernahm Justizrat Dr. Adolf Bayer (1876-1962) die Verwaltungsgeschäfte und den Auftrag zur Lizensierung der Gesellschaft durch die amerikanische Militärregierung. Prof. Dr. Erich Freiherr von Guttenberg (1888-1952) stellte einen wissenschaftlichen Arbeitsplan auf. Guttenberg hat in den schweren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg die Gesellschaft geprägt. Nach seinem unerwartet frühen Tod 1952 folgte ihm als wissenschaftlicher Leiter Prof. Dr. Dr. Wilhelm Engel (1905-1964). In Engel, dem nach 1945 die Rückkehr an die Universität nicht mehr gelang, hatten die Gesellschaft und Guttenberg einen von großer Schaffenskraft beflügelten, überaus produktiven Mitarbeiter gefunden. Seine Tätigkeit wurde später durch fehlende Universitätskontakte beeinträchtigt und von seinem Zerwürfnis mit der Kommission für bayerische Landesgeschichte überschattet.
Mit der Wahl des 1961 auf den landesgeschichtlichen Lehrstuhl der Universität Erlangen berufenen Prof. Dr. Gerhard Pfeiffer (1905-1996) zum wissenschaftlichen Leiter der Gesellschaft 1964 setzte eine Epoche ruhiger Fortentwicklung ein. Vor allem das Problem der Finanzierung von Druckkosten, das früher oft die Arbeiten der Gesellschaft behindert hatte, verkleinerte sich in der Zeit des sogenannten Wirtschaftswunders.
Organisation
Die Gesellschaft für fränkische Geschichte ist eine außeruniversitäre Forschungsinstitution. Sie setzt sich bis heute aus Stiftern, Patronen und den wissenschaftlich arbeitenden Wahlmitgliedern zusammen. Das Gremium der Wahlmitglieder ergänzt sich durch Kooptation, das heißt durch die nachträgliche Zuwahl neuer Mitglieder. Organisatorisches Modell war hier ebenfalls die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde.
Der Vorstand (Geschäftsführender Ausschuss) wird von der alljährlich stattfindenden Mitgliederversammlung gewählt. Der Erste Vorsitzende entstammt in der Regel den adeligen Stiftern und Patronen; die wissenschaftliche Leitung erhält ein in Forschung und Lehre tätiges Mitglied, das Amt des Schatzmeisters ein in Bankgeschäften erfahrenes Mitglied. Zum Vorstand gehören auch deren jeweilige Stellvertreter.
Wichtigstes Gremium der Gesellschaft ist der zur Hälfte von Mitgliedern auf sechs Jahre gewählte, zur anderen Hälfte kooptierte Gesamtausschuss, der sämtliche Aktivitäten steuert. Die Hauptversammlung mit wissenschaftlichem Programm findet jährlich an wechselnden Orten statt.
Die Gesellschaft zählte 2008 473 Mitglieder, davon 242 Stifter und Patrone, 228 Wahlmitglieder und 3 Ehrenmitglieder.
Aufgaben
Die Gesellschaft für fränkische Geschichte hat laut Satzung die Aufgabe, "die Erforschung der Geschichte im Bereich des ehemaligen fränkischen Reichskreises, seiner Territorien und angrenzenden Gebiete dadurch zu fördern, dass sie die Quellen der politischen Geschichte, der Rechts-, Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der Kirchen-, Kunst- und Kulturgeschichte sowie der Münzkunde, der Genealogie, Heraldik und Sphragistik in einer den Anforderungen der Geschichtswissenschaft entsprechenden Weise bearbeiten lässt und die Ergebnisse durch Editionen, Regesten und Darstellungen allgemein zugänglich und verwertbar macht" (Satzung § 1, Abs. 1). Die Gesellschaft kommt diesen Aufgaben in 13 Veröffentlichungsreihen nach:
- I. Reihe: Fränkische Chroniken
- II. Reihe: Geschichte des Fränkischen Kreises
- III. Reihe: Fränkische Urkundenbücher und Regestenwerke
- IV. Reihe: Matrikeln fränkischer Schulen und Stände
- V. Reihe: Inventare fränkischer Archive
- VI. Reihe: Regesten fränkischer Bistümer
- VII. Reihe: Lebensläufe aus Franken, seit 1967 Fränkische Lebensbilder (VII A)
- VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte
- IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte
- X. Reihe: Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte Frankens
- XI. Reihe: Bibliographien und Hilfsmittel zur fränkischen Geschichte
- XII. Reihe: Quellen und Forschungen zur fränkischen Volkskunde
- XIII. Reihe: Neujahrsblätter
Außerhalb der Reihen erscheinen die "Altfränkischen Bilder".
Vorsitzender | Lebensdaten | Amtszeit |
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Ludwig Freiherr von Welser | 1841-1931 | 1905-1912 |
Friedrich Carl Fürst zu Castell-Castell | 1864-1923 | 1913-1922 |
Dr. Dr. Erwein Graf von Schönborn-Wiesentheid | 1877-1942 | 1923-1942 |
Carl Fürst zu Castell-Castell | 1897-1945 | 1943-1945 |
Justizrat Dr. Adolf Bayer | 1876-1962 | 1946-1952 |
Georg Freiherr von und zu Franckenstein | 1898-1965 | 1953-1965 |
Dr. Karl Graf von Schönborn-Wiesentheid | 1916-1998 | 1965-1994 |
Eyring Freiherr von Rotenhan | geb. 1938 | 1994-2012 |
Heinrich Freiherr von Pölnitz | geb. 1966 | seit 2012 |
Wissenschaftlicher Leiter | Lebensdaten | Amtszeit |
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Univ.-Prof. Dr. Anton Chroust, Würzburg | 1864-1945 | 1905-1945 |
Univ.-Prof. Dr. Erich Freiherr von Guttenberg, Erlangen | 1888-1952 | 1946-1952 |
Univ.-Prof. i. R. Dr. Dr. Wilhelm Engel, Würzburg | 1905-1964 | 1953-1959 |
i. V. Dr. Michel Hofmann, Würzburg | 1903-1968 | 1960-1964 |
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Pfeiffer, Erlangen | 1905-1996 | 1964-1975 |
Univ.-Prof. Dr. Alfred Wendehorst, Erlangen | 1927-2014 | 1976-1994 |
i. V. Univ.-Prof. Dr. Alfred Wendehorst, Erlangen | 1927-2014 | 1994-1996 |
Dr. Erich Schneider, Schweinfurt | geb. 1954 | 1996-2018 |
Univ.-Prof. Dr. Dieter J. Weiß, München | geb. 1959 | seit 2018 |
Literatur
- Dieter J. Weiß, Quelleneditionen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, in: Helmut Neuhaus (Hg.), Erlanger Editionen. Grundlagenforschung durch Quellenedition. Berichte und Studien (Erlanger Studien zur Geschichte 8), Erlangen/Jena 2009, 119-132.
- Alfred Wendehorst, Die Gesellschaft für fränkische Geschichte und die Kommission für bayerische Landesgeschichte, in: Wilhelm Volkert/Walter Ziegler (Hg.), Im Dienst der bayerischen Geschichte. 70 Jahre Kommission für bayerische Landesgeschichte - 50 Jahre Institut für Bayerische Geschichte (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 111), München 2. Auflage 1999, 145-160.
- Alfred Wendehorst, Hundert Jahre Gesellschaft für fränkische Geschichte, in: Erich Schneider (Hg.), Nachdenken über fränkische Geschichte. Vorträge aus Anlass des 100. Gründungsjubiläums (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX/50), Neustadt an der Aisch 2005.
- Peter Herde, Anton Chroust. Ein streitbarer Historiker aus Österreich in Franken, in: Karel Hruza (Hg.), Österreichische Historiker: Lebensläufe und Karrieren 1900 - 1945. Band 2, Wien 2012, 85-128.
Quellen
- Alfred Wendehorst (Hg.), Dokumente zur Geschichte der Gesellschaft für fränkische Geschichte und ihres Umfeldes 1905-1961 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte XIII/48), Stegaurach 2. Auflage 2010.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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- Institut für Kulturraumforschung Ostbaierns und der Nachbarregionen (IKON)
- Kommission für bayerische Landesgeschichte
Empfohlene Zitierweise
Alfred Wendehorst, Gesellschaft für fränkische Geschichte, publiziert am 15.12.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gesellschaft_für_fränkische_Geschichte (1.11.2024)