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Armer Mann/Gemeiner Mann

Aus Historisches Lexikon Bayerns

In einem Monatszyklus stellt der aus Nürnberg stammende Maler und Kupferstecher Hans Sebald Beham (1500-1550) verschiedene Szenen aus dem Alltag des Gemeinen Mannes dar. Hier zu sehen ist die Darstellung der Monate Mai und Juni. Kupferstich, um 1550. (Wikimedia Commons)

von Barbara Kink

Der Begriff des gemeinen Mannes findet sich in spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Quellen. Eine allgemeingültige Definition des vielseitigen Begriffs ist nicht möglich; der Begriff muss stets im Kontext des jeweiligen quellenspezifischen Zusammenhangs gesehen werden. Bis ins 15. Jahrhundert wird der gemeine Mann gleichbedeutend verwendet mit dem des "bei Stimmengleichheit zugezogene(n) Urteiler(s)" (Lexikon des Mittelalters). Große Aufmerksamkeit in den Quellen findet der gemeine Mann während der Reformation und den Bauernkriegen des 16. Jahrhunderts. Zur selben Zeit wandelt sich die Bedeutung des Begriffs hin zu "nichts besonderes" bzw. zu einer "großen Menge gehörend". Die Ursachen für den Bedeutungswechsel sind nicht bekannt.

Der gemeine Mann in den Quellen

Der Begriff des gemeinen Mannes findet insbesondere Verwendung in Quellen aus dem juristischen und wirtschaftlichen Bereich wie Stadtrechten, Steuerbüchern, Kauf- und Verkaufsurkunden, Gerichtsprotokollen, Verordnungen, Weistümern und notariellen Akten. In vielen Fällen wird der gemeine Mann synonym mit "Schiedsrichter" im Kontext von Rechtsstreitigkeiten genannt. Bei Stimmengleichheit war sein Votum entscheidend und er fungierte als "Zünglein an der Waage". In einer Basler Urkunde von 1453, die einen Rechtsstreit zwischen einem Basler Bürger mit der Stadt dokumentiert, fordert der Bischof von Basel etwa eine neutrale Person, "einen gemeinen mann" als Schiedsmann. Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der in mehreren spätmittelalterlichen Quellen zu beobachten ist. Ein weiterer Schwerpunkt, in denen der gemeine Mann gehäuft erwähnt wird, ist im Zusammenhang reformatorischen Schriftguts, das sich an den gemeinen Mann als Adressaten der Flugblätter und Pamphlete wendet. In geographischer Hinsicht tritt der Begriff besonders oft im oberdeutschen Raum auf, wie Peter Blickle (geb. 1938) feststellte. Synonym verwendet werden Termini wie "gemeines volk" oder "pövel".

Ego-Dokumente, die uns Zugänge zu den Wahrnehmungsmustern des gemeinen Mannes eröffnen, sind für die Frühe Neuzeit – sieht man von vereinzelten Fällen wie etwa Ulrich Bräker (1735-1798), dem "Armen Mann im Tockenburg", ab – äußerst rar. Um das Spektrum der Selbstaussagen zu vergrößern, kann man den Begriff der Ego-Dokumente erweitern, indem Quellen wie Gerichtsaussagen oder Armendeskriptionslisten herangezogen werden. Insbesondere bei Verhörprotokollen können durchaus Aussagen zu den Lebens- und Vorstellungswelten des gemeinen Mannes gewonnen werden.

In Quellen städtischer Provenienz wird der Begriff oftmals gleichbedeutend mit dem des Bürgers verwendet. Der Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler (1479-1534) spricht vom "gemeynen man, ains raths burgern". Auch der Augsburger Schustermeister Clemens Jäger (ca. 1500-1561) spricht in seiner Weberchronik aus den 1540er Jahren von den "gemain mann von den zünften". Doch auch in ländlichen Rechtsquellen findet sich gelegentlich der Begriff „gemeiner Mann“, der oftmals gleichbedeutend mit dem des Bauern oder Landmannes benutzt wird.

Den Begriff der "gemeinen Frau" wird man vergeblich suchen. Im mittelalterlichen-frühneuzeitlichen Rollenverständnis, in dem "er die Sonn" und "sie der Mond" (Heide Wunder) war, besaßen Frauen rechtlich-gesellschaftlichen Minderheitenstatus.

Der problematische Kern des Begriffs steckt in dem Adjektiv "gemein", über das Karl Siegfried Bader (1905-1998) urteilte, es sei aufgrund seiner unendlichen Bedeutungsvielfalt "ein gemeines Wort" (Karl Siegfried Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, Weimar 1962, 13).

Der gemeine Mann bei Aventin

In seiner Bayerischen Chronik charakterisiert Johannes Aventinus den gemeinen Mann. Titelblatt einer Ausgabe von Aventins Bayerischer Chronik, die 1566 in Frankfurt am Main gedruckt wurde. (Bayerische Staatsbibliothek, Res/2 Bavar. 69)

Wohl keine Charakterisierung des "gemeinen Mannes" wird so oft zitiert wie jene des Historikers Johannes Turmair, genannt Aventin (1477-1534). In seiner Bayerischen Chronik lieferte er eine ausführliche und anschauliche Beschreibung des gemeinen Mannes im Herzogtum Bayern des frühen 16. Jahrhunderts: "Der gemain man, so auf dem gä [Gäu] und land sitzt, gibt sich auf den ackerpau und das viech ligt demselbigen allain ob, darf sich nichts on geschaft der öbrikait understen, wird auch in kainen rat genomen oder landschaft ervodert; doch ist er sunst frei, mag auch frei ledig aigen guet haben, dient seinem herren, der sunst kain gewalt über in hat, jerliche güld zins und scharwerk tuet sunst was er will, sitzt tag und nacht bei dem wein, schreit singt tanz kart spilt; mag wer tragen, schweinspieß und lange messer. Grosse und überflüssige hochzeit, totenmal und kirchtag haben ist erlich und unsträflich, raicht kainem zu nachtail, kumpt kainem zu übel." (Lexer, Aventin, 4,1, 42) Aufschlussreich ist, dass Aventin den Begriff des gemeinen Mannes auf lateinisch mit "plaebs" übersetzt.

Schwierigkeiten bei der Begriffsbestimmung

Der Germanist Bernd Balzer (geb. 1942) bezeichnet den Begriff des gemeinen Mannes nicht nur aus literaturhistorischer Perspektive zu Recht als "sehr stark schillernden Terminus". Besondere Bedeutung gewinnt der gemeine Mann im 16. Jahrhundert und so ist es kein Zufall, dass Aventin gerade in der von konfessionellen Wirren und bäuerlichen Erhebungen geprägten Zeit seine Aufmerksamkeit auf den gemeinen Mann richtete, denn nun geriet der gemeine Mann mit seinen religiösen und politischen Forderungen in den Fokus.

Zu Beginn der Frühen Neuzeit machte der Begriff einen Bedeutungswandel durch: Bezeichnete er bis ins 15. Jahrhundert ganz konkret den in einem gerichtlichen Schiedsverfahren bei einer Stimmengleichheit hinzugezogenen "Schiedsrichter", vollzog sich nun eine Überformung, bei der auch durchaus negative Konnotationen mitschwangen. Unterschwellig lag der pejorative Beigeschmack im Wörtchen "gemein", das gleichbedeutend war mit "nichts besonderes" oder zu einer "großen Menge gehörend".

Definitionsversuche

Den wohl kleinsten gemeinsamen Nenner bietet die 1733 erschienene Oekonomische Enzyklopaedie von Johann Georg Krünitz (1728-1796), die den gemeinen Mann ganz allgemein als "Glied einer Gemeinde" bezeichnet. Konkreter äußert sich das Grimmsche Deutsche Wörterbuch, das den gemeinen Mann unter "Bauernschaft, Untertanen, das Volk im Gegensatz zum Adel" subsummiert. Verwiesen wird aber auch auf den Bedeutungswandel des Begriffs hin zum Pejorativen, den das Grimmsche Wörterbuch schon im 14. Jahrhundert beobachtet haben will. Am intensivsten hat sich neben Peter Blickle Robert Hermann Lutz mit der Etymologie und vor allem mit den unterschiedlichen Bedeutungszuweisungen des Begriffes des gemeinen Mannes auseinandergesetzt. Er versuchte, die teilweise nur durch Nuancen abweichenden Definitionen zu ordnen und benennt vier Kategorien sozialer Schichtzuweisungen:

  1. Peter Blickle, Renate Radbruch (1915-1939), Horst Buszello (geb. 1940), Gerhard Ritter (1888-1967) und Rudolf Seigel (geb. 1932) verstehen unter "gemeinem Mann" vor allem jene sozialen Schichten, die weder dem Stadtpatriziat noch dem geistlichen bzw. weltlichen Adel angehören.
  2. Rudolf Endres (1936-2016), Günther Franz (1902-1992), Erich Hassinger (1907-1992), Kurt Kaser (1870-1931), Will-Erich Peuckert (1895-1969), Karlheinz Blaschke (geb. 1927) und Gabriele Schieb (1919-1982) verwenden "Gemeiner Mann" vornehmlich als Sammelbegriff bäuerlicher und städtischer Unterschichten.
  3. Martin Haas (geb. 1935), Paul Joachimsen (1867-1930), Adolf Laube (geb. 1934), Adolf Waas (1890-1973) und Ferdinand Seibt (1927-2003) bezeichnen mit dem Begriff insbesondere Handwerker und Bauern, wobei auch diese Termini eine große soziale Bandbreite beinhalten.
  4. Siegfried Wernicke und Bernd Balzer gebrauchen den ebenfalls soziologisch sehr vagen Begriff des Mittelstands als Synonym mit jenem des gemeinen Mannes.

Abgrenzungsprobleme

Problematisch ist, wie diese Kategorisierung zeigt, vor allem die Abgrenzung im sozialen Spektrum zu den Ober- und Unterschichten. Diskutiert wird, ob es sinnvoll ist, sowohl Unterschichten wie Bettler und Vaganten, aber auch leibeigene bäuerliche Hintersassen zusammen mit Angehörigen der vermögenden bäuerlichen Oberschicht und des städtischen Patriziats unter dem gleichen Begriff zu subsummieren. In neueren Studien zur vorindustriellen Armut wird den vaganten Bevölkerungsgruppen durchaus eine eigene Schichtzugehörigkeit zugewiesen. Blickle präzisiert: "Gesellschaftsgruppen, die sich durch ihre Nähe zur politischen Macht definieren (Patrizier) schließt der Gemeine Mann ebenso aus, wie städtische oder ländliche Unterschichten (Gesinde) oder Randgruppen (Juden, Bettler)." (Blickle, Kommunalismus, 71) Der gemeine Mann hebt sich demnach sowohl durch seine eigene Sicht auf sein ihm eigenes "Kapital der Ehre" als auch durch die Haushäbigkeit und Sesshaftigkeit von den unter- und randständischen Gruppen ab.

Diskutiert wird auch der geographisch-rechtliche Geltungsrahmen des gemeinen Mannes, so ob sich dieser Begriff auf ländliche und städtische Territorien gleichermaßen bezieht. Blickle zieht auch hier das Kommunalismus-Prinzip heran und verwendet Gemeinde und Gemeine als Synonyme. Die Gemeinde war sowohl für die ländliche als auch die städtische Bevölkerung Erfahrungsbereich und Bezugssystem. Sowohl Bauern als auch Bürger waren in der Regel gemeindlich organisiert. Der Vertreter in politischer Hinsicht der Stadt- und der Dorfgemeinde wird demzufolge auch als gemeiner Mann bezeichnet. Diese Teilhabe an Herrschaft im ländlichen oder städtischen Raum wird jedoch nicht einheitlich in den Quellen vorausgesetzt. Genau das macht diesen Begriff so problematisch: Er wird in unterschiedlichen Kontexten und Konstellationen, abhängig auch vom sozialen Standort des Verfassers, gleichermaßen benutzt.

Der gemeine Mann in der Dreiständelehre

Darstellung der Drei Stände: Tu ora, tu protege, tu labora – Holzschnitt aus: Johannes Lichtenberger, Pronosticatio zu theutsch, [Heidelberg 1488], fol. 8v. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Inc.s.a. 790).

Einmütigkeit herrscht unter den Historikern bei der Herleitung des Terminus aus der mittelalterlichen Dreiständelehre, die die soziale Schichtung in oratores, bellatores und laboratores primär funktionsspezifisch einteilte. Ähnlich wie die gleichbedeutenden Begriffe im Englischen "commons" oder im Französischen "Tiers état" kann hier der gemeine Mann mit den "laboratores" gleichgesetzt werden. Verstanden werden unter den laboratores alle jene Bevölkerungsgruppen, die zwar nicht herrschaftsfähig waren, jedoch durchaus über politische Rechte verfügen konnten und vielleicht am ehesten mit "Untertanen" gleichgesetzt werden können. Peter Blickle versteht darunter sowohl die in der Stadt und auf dem Land lebenden Menschen, die in der Gesellschaftstheorie unter dem gleichen Blickwinkel – nämlich in Bezug auf die Herrschaftsfähigkeit – betrachtet wurden. Bürger und Bauern wurden gleichermaßen als laboratores, Gemeiner Mann oder Untertanen tituliert. In jeder dieser Benennung verbirgt sich im Kern: Arbeit ja – Herrschaft nein.

Auch Martin Luther (1483-1546), der den Begriff des "gemeyn mann" in seinen Schriften verwendete, bezog sich dezidiert auf die Dreiständelehre. In seiner Schrift "An den Christlichen Adel deutscher Nation" heißt es: "Daher es kummen ist/das man sagt zum Bapst vnd den seinen Tu ora. Du solt betten / zum keyßer vnd den seinen Tu protege. Du solt schutzen / zu dem gemeynen man / Tu labora. Du solt erbeyten."

Der gemeine Mann in der Reformation

In den sogenannten Zwölf Artikeln wurden Forderungen zur Verbesserung der Lebenssituation des gemeinen Mannes verbreitet. Titelblatt einer Fassung der Flugschrift, die 1525 gedruckt wurde. (Staats- und Stadtbibliothek Augsburg,4 TH 1354)

Zu Beginn des konfessionellen Zeitalters geriet der gemeine Mann allenthalben in den Fokus des Interesses der Reformatoren und Flugschriftenverfasser. Er gewann vor allem als Adressat, an den sich die Flugschriften wandten, an Bedeutung. Der gemeine Mann trat jedoch auch selbst als Autor von Flugschriften, des wichtigsten Artikulationsmediums der Reformation, auf: So wehrten sich etwa die Bauern aus dem südlichen Schwarzwald 1525 dezidiert gegen die Ausbeutung des "armen gemeinen mann in Stetten und uff dem Land". Die Forderungen, wie sie die Bauern in zwölf Artikeln abfassten, zielten auf eine Verbesserung der Lage des gemeinen Mannes ab. Appelle für eine freie Pfarrerwahl, Zehntverweigerung, Abschaffung der Leibeigenschaft, freien Wild- und Fischfang, gemeindliche Waldnutzung oder Reduzierung der Frondienst und Gülten bezogen sich direkt auf deren Alltag und die Verbesserung der sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Situation.

Thomas Müntzer (ca. 1489-1525) bezog sich in seiner Aufwertung des gemeinen Mannes, dem nun eine heilsgeschichtliche Rolle zugeschrieben wurde, auf die Daniel-Weissagung Dan. 7,27: "Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk". Müntzer und auch große Teile der Täuferbewegung setzten das gemeine Volk mit dem Volk Gottes gleich und übten somit radikale Kritik an der Obrigkeit und an der Ungleichverteilung von Besitz und Herrschaft. Johann Agricola (1494-1566) ließ einen Anhänger Müntzers folgende Worte sprechen: "Das gefiel mir denoch wol von dem Müntzer, das er sein sachen allzeit mit dem gemeinen man hielt, vnd nicht mit den grossen Hansen.“

Der Bauernkrieg - frühbürgerliche Revolution oder Aufstand des gemeinen Mannes?

Holzschnitt der Bundschuh Bewegung; Francesco Petrarca, Trostspiegel in Glück und Unglück, Frankfurt am Main 1584, fol. 89v. (Bayerische Staatsbibliothek, Rar. 2297)

Wenn die österreichische Regierung in Innsbruck die bäuerlichen Erhebungen des Jahres 1525 als "Empörung des Gemeinen Mannes" bezeichnete, so war sie mit dieser Beurteilung und Zuweisung nicht alleine. Viele Zeitgenossen, auch der bayerische Kanzler Leonhard von Eck (1480-1550), machten den gemeinen Mann als Akteur der sozialen Unruhen der frühen Reformationszeit aus. Und auch die Aufständischen selbst identifizierten sich mit dieser Bezeichnung, denn offensichtlich besaß der Begriff, den man in den reformatorischen Druckschriften gleichbedeutend mit den Unterdrückten und Beherrschten in Stadt und Land verwendete, gesellschaftliche Akzeptanz.

Während die frühere marxistische Forschung den Begriff der frühbürgerlichen Revolution als Interpretationsrahmen für den Bauernkrieg verwendete, ist mittlerweile die Einschätzung Peter Blickles von der "Revolution des gemeinen Mannes" allgemein akzeptiert. Die Theologie der einfachen Leute mit ihren eindeutig formulierten Forderungen zur Verbesserung der politischen und ökonomischen Situation des gemeinen Mannes nutzte insbesondere den nichtprivilegierten Schichten. In jener Zeit erfolgte eine Einengung des Begriffs auf die nicht privilegierten Untertanen.

Armer Mann - gemeiner Mann

Helmut Rankl plädiert in seiner quellengesättigten Studie zum bayerischen Landvolk zwischen 1400 bis 1800 für die Verwendung des Terminus des Armen Mannes als "integrierenden idealtypischen Begriff zur Erfassung gesellschaftlicher Verhältnisse" (Rankl, Landvolk, 6). Dies ist insofern berechtigt, als in den Quellen "pauper" und "laboratores" durchaus synonym verwendet werden. Und auch Peter Blickle bestätigt: "Der Gemeine Mann [...] ist austauschbar mit dem Armen Mann. Beides führt wiederum zurück auf die wohl ursprüngliche Bedeutung von nicht-herrschaftsfähig" (Blickle, Kommunalismus, 74). Auch die Bürger von Furth im Wald bezeichneten sich in einem Brief an Herzog Albrecht III. von Bayern-München (reg. 1438-1460) selbst als "arme Leute": "Und bitten Ew. Gnad um eine gnaedige Antwort, und Ausrichtung, wann wir arme Leute selbst gern gemeiniglich zu Ew. Gnaden hinaus kommen waeren [...]." (Krenner, Landtagshandlungen 2, 71f.)

Zusammenfassend ist mit Peter Blickle festzuhalten, dass die Begrifflichkeit arm und gemein aus dem politisch-rechtlichen Kontext im späten 16. und 17. Jahrhundert immer mehr in die soziale Sphäre übergehen: "Aus dem Armen Mann wird in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einerseits der nun tatsächlich arme Mann im ökonomischen Sinn […] andererseits der "Arme Untertan", der schließlich mit dem "Gemeinen Mann und Untertan" im 17. Jahrhundert zum Untertan verschmilzt" (Blickle, Kommunalismus, 72).

Fazit

Abschließend bleibt zu urteilen, dass sich sowohl der Begriff des armen als auch des gemeinen Mannes nicht als empirisch klar zu bestimmende Kategorisierung bestimmter Bevölkerungsschichten eignet, sondern im jeweiligen quellenspezifischen Zusammenhang zu sehen ist. Der Bezugsrahmen für die Begriffsbestimmung ist weniger der ökonomische als der politische. Eine konkrete und differenzierte Abgrenzung von weiteren soziologisch weichen Begriffen wie Untertan, Volk, Mittelstand, Nicht-Privilegierten, Bürger oder Bauern muss im jeweiligen Kontext erschlossen werden.

Literatur

  • Heinz Angermeier, Die Vorstellung des gemeinen Mannes von Staat und Reich im deutschen Bauernkrieg, in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 53 (1966), 329-343.
  • Michael G. Baylor, Andreas Bodenstein von Karlstadt und der gemeine Mann, in: Ulrich Bubenheimer (Hg.), Querdenker der Reformation. Andreas Bodenstein von Karlstadt und seine frühe Wirkung, Würzburg 2001, 251-264.
  • Peter Blickle, Der Bauernkrieg. Die Revolution des gemeinen Mannes, 4. überarbeitete Auflage München 2012.
  • Peter Blickle, Kommunalismus. Skizzen einer gesellschaftlichen Organisationsform, München 2000.
  • Peter Blickle, Landschaften im Alten Reich. Die staatliche Funktion des gemeinen Mannes in Oberdeutschland, München 1973.
  • Peter Blickle, Untertanen in der Frühneuzeit. Zur Rekonstruktion der politischen Kultur und der sozialen Wirklichkeit Deutschlands im 17. Jahrhundert, in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 70 (1983), 483-522.
  • Rudolf Endres, Zur sozialökonomischen Lage und sozialpsychologischen Einstellungen des "Gemeinen Mannes". Der Kloster- und Burgensturm in Franken 1525, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft 1, Göttingen 1975, 61-78.
  • Frank Ganseuer, Der Staat des "gemeinen Mannes". Gattungstypologie und Programmatik des politischen Schrifttums von Reformation und Bauernkrieg (Europäische Hochschulschriften III/228), Frankfurt am Main 1985.
  • Adolf Laube, Bemerkungen zur These von der "Revolution des Gemeinen Mannes", in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 26 (1978), 607-614.
  • Robert Hermann Lutz, Wer war der gemeine Mann? Der dritte Stand in der Krise des Spätmittelalters, München 1979.
  • Volker Press, Herrschaft, Landschaft und "Gemeiner Mann" in Oberdeutschland vom 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 123 (1975), 169-214.
  • Helmut Rankl, Landvolk und frühmoderner Staat in Bayern 1400-1800. 2 Bände (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 17), München 1999.
  • Eike Wolgast, Der gemeine Mann bei Thomas Müntzer - und danach (Veröffentlichungen der Thomas-Müntzer-Gesellschaft 7), Mühlhausen 2006.
  • Rainer Wohlfeil, Vorbemerkungen zum Begriff des "Gemeinen Mannes", in: Hans Mommsen/Winfried Schulze (Hg.), Vom Elend der Handarbeit. Probleme historischer Unterschichtenforschung. Stuttgart 1981, 139-141.
  • Heide Wunder, "Er ist die Sonn´, sie ist der Mond“: Frauen in der frühen Neuzeit, München 1992.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Barbara Kink, Armer Mann/Gemeiner Mann, publiziert am 06.07.2016; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Armer_Mann/Gemeiner_Mann> (25.04.2024)