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Agentur "Team 70"

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Originalentwurf des Signets "Löwe und Raute" von Gerhard M. Hotop 1970. (ACSP)

von Renate Höpfinger

Die 1969 gegründete Münchner Werbeagentur entwickelte einen neuen Kampagnen-Stil, der seitens der Christlich-Sozialen Union (CSU) erstmals im Wahlkampf zur bayerischen Landtagswahl 1970 angewandt wurde. Durch die neu entworfene ganzheitliche Werbestrategie gelang der CSU ein umfassender Imagewandel. Neben der Umsetzung weiterer Wahlkampfprogramme entwarf "Team 70" bis zur Liquidation 1997 auch PR-Aktionen für Ministerien, Verbände und Wirtschaftsunternehmen.

Gründung 1969

Im Dezember 1969 gründeten der Graphiker Gerhard M. Hotop (1924-2014) und der Journalist und Publizist Otto Peter Pirner (1930-1981) in München gemeinsam die "Arbeitsgruppe Otto Pirner/Gerhard M. Hotop im folgenden Team '70 genannt" als Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Als Werbeagentur, Agentur für Kommunikation und Public Relations (PR) arbeitete "Team 70" im Wahlkampf 1970 vor allem für die Münchner Christlich-Soziale Union (CSU). Die Partei war 1969 durch deren erfolgreiche Arbeit für den Landshuter Oberbürgermeisterkandidaten Josef Deimer (geb. 1936, 1970-2004 Oberbürgermeister der Stadt Landshut) auf Hotop und Pirner aufmerksam geworden.

Ihren ersten Sitz hatte die Agentur "Team 70" von 1970 bis 1973 in der Kunigundenstraße 58 a in München-Schwabing. Ab 1. Januar 1974 firmierte "Team 70" in der Kunigundenstraße 8, seit 1990 in der Haimhauser Straße 5, wo sie bis zu ihrer Liquidation 1997 blieb.

Otto Peter Pirner und Gerhard M. Hotop

Pirner zeichnete meist für die Texte der Agentur verantwortlich und war für Public Relations und Organisation zuständig. Nach dem Studium der Zeitungswissenschaft, Psychologie und Geschichte arbeitete er als freier Journalist und Publizist beim Bayerischen Rundfunk und für verschiedene Zeitschriften wie "Publik" und "Gebrauchsgraphik". Er veröffentlichte Studien über Öffentlichkeitsarbeit, PR und Rundfunkpolitik und war Autor und Regisseur von Dokumentarfilmen. Er führte PR-Aktionen für einige Wahlkämpfe wie die Bundestagswahl 1957 und die Landtagswahlen 1958 in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hessen durch. Von 1959 bis 1961 leitete er die PR-Abteilung bei der Vorbereitung des Eucharistischen Weltkongresses (EWK) in München. Er war für die Organisation des EWK verantwortlich und gab 1961 eine zweibändige, preisgekrönte Dokumentation des Kongresses heraus. Bis 1968 war er leitender Redakteur der Programmzeitschrift "Gong" und Pressereferent des "Verbandes der Rundfunkhörer und Fernsehteilnehmer in Bayern e. V."

Sein Partner und Mitbegründer der Arbeitsgruppe "Team 70" war Gerhard M. Hotop, mit dem er bei der Durchführung des EWK in München zusammengearbeitet hatte. Als Graphiker war er für Konzeption und Design verantwortlich. Hotop hatte von 1947 bis 1949 seine Ausbildung zum Gebrauchsgraphiker u. a. bei dem bekannten Illustrator und Bühnenbildner Prof. Emil Preetorius (1883-1973) in München absolviert. Ab 1948 arbeitete er als selbständiger Graphiker, vor allem als Buchgraphiker und Illustrator für viele renommierte deutsche Verlage. Er stattete rund 5.000 Bücher mit Schutzumschlägen sowie Illustrationen aus und entwarf Verlagsprospekte und Plakate. 1967 bis 1982 arbeitete Hotop als freier Mitarbeiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk (heute Regionalverband Ruhr).

Plakat aus der Serie "pro CSU" zur Bundestagswahl 1972. (ACSP, Pl S: 674)
Aus "Enthüllungen über eine Partei" 1975. (ACSP, DS 2: 15)

Das neue Werbekonzept: Wahlmodell 70'11 für die Münchner CSU

In dem für die Münchner CSU unter dem Bezirksvorsitzenden Erich Kiesl (1930-2013) neu entwickelten Konzept "Modell 70'11" (der Name des Wahlmodells bezieht sich vermutlich auf den Wahltermin im November 1970) vom 24. November 1969 formulierten Hotop und Pirner ihre Überlegungen für die künftige Wahlwerbung der CSU: Sie setzten auf eine bewusste Abkehr vom bis dahin Üblichen, dem aus der Wirtschaft übernommenen Konsumwerbestil der Wahlwerbung, zumal die derart umworbenen Wähler schon deutliche Aversionen dagegen entwickelten. Da eine Wahlentscheidung primär eine persönliche Identifikation und keine Konsumentscheidung darstelle, sei es entscheidend, die Konsumwerbung durch einen neuen Aussagestil und neue Appellformen abzulösen. Zudem sei durch die fortschreitende Politisierung des Lebens latent immer Wahlkampf, woraus sich eine kontinuierlich durchzuführende Imagepflege ergebe. Der neue Werbestil müsse die aktuellen psychologischen, soziologischen, ökologischen und ökonomischen Gegebenheiten als Ausgangsbasis nehmen und sich von der überholten "zweidimensionalen Vorstellung, den Gegner 'links' oder 'rechts' zu überholen", befreien. Der Wahlkampf selbst müsse politisch sachbezogener, rationaler und dadurch rationeller werden. Er müsse der Tendenz zur Persönlichkeitswahl Rechnung tragen, in einigen Bereichen "verintellektualisiert", d. h. an die Zielgruppen auf dem Sektor Kulturpolitik, Wirtschaftspolitik angepasst werden. Auch müsse er durch Reflexion laufend kontrolliert und dadurch flexibel werden. Für die Partei bedeute dies die Lösung von tradierten Vorstellungen und den Abbau von vorhandenen negativen Vorstellungen über die CSU beim Wähler. Das der CSU eigene Individualitätsprinzip werde somit sichtbar gemacht und die dadurch gegebene Bandbreite genutzt, um neue Zielgruppen zu erschließen. Resultat der neuen Kampagne werde eine Klimaverbesserung sein, die dem Wähler eine leichtere Identifikation mit der CSU ermögliche, denn eine Wahlentscheidung bedeute gleichzeitig eine Identifikation. "Unsere Leitvorstellung für einen modernen Wahlkampf unterscheidet sich in einem grundsätzlich von der üblichen Wirtschaftswerbung und der daraus bislang resultierenden Wahlkampfwerbung: Der echte Bezug auf den Menschen muß hergestellt werden. Wir sprechen deshalb beim Modell 70'11 von einem gezielten Humaneffekt." (ACSP, Team 70: Konzept "Modell 70'11" des "Creativ–Team Arbeitsgruppe Pirner/Hotop" für Erich Kiesl)

Mit ihrem Konzept zielte "Team 70" nicht nur auf die Wähler, sondern auch auf den politischen Gegner. Die Forderung nach Reflexion und laufender Anpassung der eigenen Strategie bedeutete die zeitnahe Reaktion auf gegnerische Kampagnen.

Logo der CSU aus dem Jahr 2010. (ACSP)
Vorderseite des Grundplakats der CSU für den Landtagswahlkampf 1978. (ACSP, Pl Se 191)
Rückseite mit Anleitung zum Grundplakat der CSU für den Landtagswahlkampf 1978. (ACSP, Pl Se 191)

"CSU gleich Bayern"

Die erfolgreiche Umsetzung ihres neuen Werbe- und Kampagnenstils in den Wahlkämpfen, die Gestaltung und Betreuung von Veranstaltungen und die neuartige, großes Aufsehen erregende Imagewerbung für die CSU trugen ganz wesentlich zu deren Wahlerfolgen in den 1970er Jahren und zur wachsenden Identifikation der CSU mit dem Freistaat Bayern bei.

So entwickelte "Team 70" 1970 das Emblem "Löwe und Raute" für die CSU-Landesleitung. Hotop stilisierte dafür den Löwen aus dem bayerischen Staatswappen als Druckvorlage. Das Emblem wurde mit dem CSU-Signet kombiniert und durch die Autoaufkleber, millionenfach verteilte Kandidatenprospekte, die "Personality-Posters" und Inserate sehr schnell zu einer Marke der CSU. In den bayerischen Großstädten plakatierte man zur Sympathiewerbung Motive, die sehr auffällig waren, aber sonst keine weitere politische Botschaft enthielten und nur durch den aufgedruckten Parteinamen einen Bezug zur CSU herstellten.

Unter der Ägide von Generalsekretär Gerold Tandler (geb. 1936, CSU-Generalsekretär 1971-1978, 1983-1988) setzte die CSU-Landesleitung erstmals ein einheitliches Erscheinungsbild bei den Werbemitteln, besonders augenfällig bei den Kandidaten-Plakaten, durch. Um den "individuellen Gestaltungsdrang der Kandidaten" einzuengen, lieferte man Vorlagen, welche die Design-Linie durch die Farben, das Signet und die Marke wahrten und welche auf einer fixierten Stelle Platz für das jeweilige Konterfei boten. Des Weiteren unterzog man die Wahlslogans einer gründlichen Analyse und entwickelte Slogans, welche "die drei Zielgruppen, motivierte, ambivalent-motivierte und nicht-motivierte Wähler" (ACSP, Team 70) möglichst gleichermaßen ansprachen. 1972 schlug "Team 70" die Parteifarben Grün und Blau vor, die dann auch eingeführt wurden. Die Farbgebung und die Bestandteile des Signets Löwe und Raute finden sich noch heute im aktuellen Logo der CSU.

Zur neuen Selbstdarstellung trugen die in Serien publizierten Image-Broschüren wie die "Enthüllungen" (1973-1975) oder "Löwe und Raute. Ein bayerisches Magazin" (1978-1994) erheblich bei. So griffen die "Enthüllungen über einen Freistaat" (1973) auf neuartige, selbstironische Weise manches Bayern-Klischee auf, setzten es in Bezug zur CSU und erläuterten auf unterhaltsame Weise die politischen Positionen der CSU. Die Gleichsetzung der CSU mit dem Freistaat Bayern wurde so erheblich befördert.

Neben die traditionellen Elemente bei den Wahlwerbespots stellte die Agentur ähnlich unkonventionelle Ideen, die auf witzige, manchmal freche Art die Positionen der CSU darstellten - wie bei dem Spot "Heute: Oper" zur Landtagswahl 1978 - oder die, fast vollständig entpolitisiert, mit einer Fülle von mit Musik unterlegten, wirkmächtigen Bayern-Bildern werbend als einzige Botschaft am Ende verkündeten: "Übrigens, dieses Land wird von der CSU regiert".

Die Image-Korrektur durch die neuen Wahlkampagnen, die neben der Politik der CSU zu rekordverdächtigen Wahlergebnissen (in den Landtagswahlen 1974: 62,1 %) und wachsenden Mitgliederzahlen (von knapp 80.000 im Jahr 1970 auf fast 170.000 im Jahr 1979) verhalf, war so erfolgreich, dass "Team 70" bis weit in die 1980er Jahre nicht nur die Wahlkampagnen und die Werbemittel der CSU gestaltete, sondern auch die Herstellung der Wahl- und TV-Spots übernahm. Auch beriet die Agentur die CSU-Landesleitung, den Verlag des Bayernkurier und die Bavaria Werbe- und Wirtschaftsdienste GmbH bei den Wahlkampfkonzepten wie in allen Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketing. Politische Werbung für andere Parteien und Personen nahm "Team 70" in diesen Jahren nur in Absprache mit der CSU an.

Weitere Entwicklung

Mit Verträgen vom 31. Juli 1979 gründeten Pirner und Hotop zwei Firmen jeweils als Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Erster Geschäftsführer der Firma "Team Work Hotop–Pirner GmbH" mit Sitz in der Kunigundenstraße 8 war Hotop. Der Zweck des Unternehmens bestand laut Satzung in der Planung und Durchführung von Werbemaßnahmen, der Herstellung und dem Vertrieb von Werbemitteln und Publikationen aller Art sowie der Durchführung von Design-Aufgaben im In- und Ausland. Am 1. September 1981 wurde der Name in "Team Work-Werbung GmbH" geändert. Die zweite Firma war "AVF-Team Pirner-Hotop GmbH" und hatte ihren Sitz ebenfalls in der Kunigundenstraße 8. Erster Geschäftsführer war hier Otto Pirner, Zweck der Firma die Herstellung und der Vertrieb von audiovisuellem Informationsmaterial im In- und Ausland.

Nach dem Tod von Otto Pirner verkauften die Erben 1981 dessen Geschäftsanteile an beiden Firmen an den Diplomkaufmann Thomas Helmensdorfer (geb. 1948). Er war schon 1972 als Student in die Agentur gekommen und wurde 1983 neben Hotop zum weiteren Geschäftsführer berufen. Unter der Führung von Hotop und Helmensdorfer wurde der Kundenstamm der Agentur ab 1981 erheblich erweitert, die Zahl der Mitarbeiter in der Agentur von sieben im Jahr 1981 bis auf 35 im Jahr 1997 verfünffacht. Neben der Betreuung der Industriekunden setzte die Agentur ihre Arbeit für die CSU-Landesleitung und für die CDU Baden-Württemberg fort, gestaltete Wahlkämpfe und Kampagnen für die CDU in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, für die DA Demokratischer Aufbruch, Allianz für Deutschland (1990), für die ÖVP Steiermark und eine Vielzahl von Kommunal- und OB-Wahlen. 1985 wurde der Name erneut geändert, die Werbeagentur hieß nun "Team 70 Werbung GmbH". Hotop schied 1993 als Geschäftsführer aus.

Nachdem "Team 70" 1996 einige große Kunden verloren hatte bzw. Honorarzahlungen nicht eingingen, geriet die Agentur in finanzielle Schwierigkeiten. Thomas Helmensdorfer meldete im April 1997 Konkurs an, liquidierte die Werbeagentur und führte die bisherige Filmfirma AVF unter dem neuen Namen "Adacon advertising und consulting GmbH" mit erweitertem Zweck fort.

Literatur

  • Christina Holtz-Bacha, Wahlwerbung als politische Kultur. Parteienspots im Fernsehen 1957–1998, Wiesbaden 2000.
  • Thomas Mergel, Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990, Göttingen 2010.
  • Herbert Riehl-Heyse, CSU 1953-81. Die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat, München 1979.

Quellen

  • Amtsgericht München, Handelsregister: HRB 60 088, 60 089.
  • Archiv des Südwestrundfunks Stuttgart, Fernsehbericht "Wahlkampf-Agenturen. Mit Image-Pflege auf Stimmenfang", u. a. über die Arbeit von Team 70 für die CDU Baden-Württemberg: gesendet am 29.1.1976 im Abendjournal der Abendschau des SDR-1/SWF-1 Baden-Württemberg.
  • Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung (ACSP): Bestand Team 70.

Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Renate Höpfinger, Agentur "Team 70", publiziert am 18.07.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Agentur_"Team_70"> (16.10.2024)