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Reichskriegsflagge, 1923-1925

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Aufmarsch von völkischen Verbänden am 1. Mai 1923 auf dem Münchner Oberwiesenfeld, darunter der Bund Reichskriegsflagge mit Fahnen. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv)

von Christoph Hübner

Die paramilitärische Vereinigung, deren Erkennungszeichen die Reichskriegsflagge war, bildete sich im Oktober 1923 aus den Münchner, Augsburger, Schleißheimer und Memminger Ortsgruppen der Reichsflagge, nachdem letztere aus dem Deutschen Kampfbund ausgeschieden war. Die Leitung hatte Ernst Röhm inne. Nach der Teilnahme am Hitlerputsch zunächst verboten, ging die Gruppierung 1925 in Erich Ludendorffs Tannenbergbund über.

Die Gründung als Abspaltung vom Wehrverband Reichsflagge

Ernst Röhm, Fotographie 1918. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv)
Der Gründer des Wehrverbandes Reichsflagge Adolph Heiß (1882-1945) wollte den radikalen Kurs Röhms nicht mittragen und verließ mit seinem Verband den Deutschen Kampfbund, was zur Spaltung führte. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, PS III 105 51)

Der kurzlebige Verband Reichskriegsflagge war ein Geschöpf Ernst Röhms (1887-1934). Als der Wehrverband Reichsflagge unter seinem Vorsitzenden Adolf Heiß (1882-1945) am 7. Oktober 1923 aus der Front der radikalen bayerischen paramilitärischen Verbände ausscherte und den wesentlich von Röhm mitgestalteten Deutschen Kampfbund verließ, verweigerten Röhm und mit ihm die vier südbayerischen Ortsgruppen München, Augsburg, Memmingen und Schleißheim Heiß die Gefolgschaft. Heiß erklärte daraufhin diese Ortsgruppen der Reichsflagge für aufgelöst. Röhm fasste dieselben jedoch kurzerhand in den nächsten Tagen zum neuen Verband Reichskriegsflagge zusammen, der sich vorbehaltlos auf den Boden der Politik des Kampfbundes stellte. Zum offiziellen Bundesführer bestellte Röhm den ihm treu ergebenen Hauptmann a.D. Joseph Seydel (geb. 1887). Die eigentliche Führung jedoch lag bei Röhm selbst.

Struktur und programmatische Ausrichtung

Wie bereits die Reichsflagge zeichnete sich auch der neue Verband durch die bemerkenswert straffe Organisation seiner "Sturmabteilungen" aus. Unter den maximal 500 Mitgliedern der Reichskriegsflagge befanden sich jedoch prozentual wesentlich mehr junge und aktivistische Kräfte, vor allem Studenten - einer von ihnen war Heinrich Himmler (1900-1945). Die Führungsstellen wurden allesamt mit ehemaligen Offizieren und Vertrauten Röhms besetzt.

Programmatisch vertrat der Bund eine radikal "schwarz-weiß-rote" Position, deren zu geringe Betonung er eben gerade der Reichsflagge zum Vorwurf gemacht hatte.

Das Verhalten des Bundes im Oktober/November 1923

Die Reichskriegsflagge stand strikt zu den anderen Mitgliedern des Deutschen Kampfbundes, dem Bund Oberland und der NSDAP. Die politische Leitung des Kampfbundes hatte am 25. September 1923 auf Antrag Röhms Adolf Hitler (1889-1945) übernommen. In der sich zuspitzenden Auseinandersetzung zwischen Bayern und dem Reich drängte Hitler gemeinsam mit seinem Protektor General a.D. Erich Ludendorff (1865-1937) auf eine Putsch-Aktion. Der bayerische Generalstaatskommissar Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) und der Reichswehr-"Landeskommandant" Otto von Lossow (1863-1938), die sich im Konflikt mit der Reichsregierung befanden, sollten gezwungen werden, eine nationale Diktatur zu errichten. Am 6. November 1923 einigten sich die Führer des Kampfbundes daher, auf der nationalen Feier am 8. November im Münchner Bürgerbräukeller loszuschlagen.

Die Beteiligung am "Hitler-Putsch" und die Auflösung des Verbandes

Hitler-Putsch 9. November 1923, Stacheldrahtbarrikade am Kriegsministerium, Ludwigstraße 14, dahinter u. a. Ernst Röhm und Heinrich Himmler; kolorierte Fotographie. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv)

Am Abend des 8. November sammelte sich die Reichskriegsflagge gemeinsam mit Einheiten der SA und den anderen Teilen des Kampfbundes im Löwenbräukeller. Auf die Information über den Erfolg des Unternehmens im Bürgerbräukeller hin führte Röhm seinen Verband zum Wehrkreiskommando in der Ludwigstraße 14 und ließ das Gebäude besetzen. Auch als am nächsten Morgen klar wurde, dass Kahr und Lossow ihre am Vorabend gegebenen Zusagen nicht einhielten, wollte Röhm noch nicht weichen. Erst als am frühen Nachmittag die Nachricht vom Debakel Hitlers und Ludendorffs an der Feldherrnhalle eintraf, entschloss er sich aufzugeben. Die Kapitulationsbedingungen waren indes außerordentlich milde. Röhm wurde zwar verhaftet, seine Kämpfer jedoch konnten als freie Männer abziehen. Den Bund selbst hatte Kahr bereits in seinem in der Nacht erlassenen Aufruf an die Bevölkerung für aufgelöst erklärt. Eine Wiedergründung im Jahre 1925 ging schnell in Ludendorffs "Tannenberg-Bund" auf.

Literatur

  • Hans Fenske, Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg u. a. 1969.
  • Harold J. Gordon jr., Hitlerputsch 1923. Machtkampf in Bayern 1923/24. Aus dem Amerikanischen, München 1978.
  • Hanns-Hubert Hofmann, Der Hitlerputsch. Krisenjahre deutscher Geschichte 1920-1924, München 1961.
  • Horst G. W. Nußer, Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933. Mit einer Biographie von Forstrat Georg Escherich 1870-1941, 2 Bände, München 1973.

Quellen

  • Ernst Deuerlein (Hg.), Der Hitlerputsch. Bayerische Dokumente zum 9. November 1923, Stuttgart 1962.
  • Ernst Röhm, Die Geschichte eines Hochverräters, München 2. Auflage 1930. (Autobiographie Röhms bis 1928, daher in der Wertung oft problematisch)

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Christoph Hübner, Reichskriegsflagge, 1923-1925, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichskriegsflagge,_1923-1925> (11.10.2024)