Hochschule für Musik und Theater, München
Aus Historisches Lexikon Bayerns
1846 gegründete staatliche Ausbildungseinrichtung für musikalischen Nachwuchs. Besondere Bedeutung erlangte die Hochschule in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nachdem sie unter Richard Wagners (1813-1883) maßgeblichem Einfluss ab 1867 neu formiert wurde. Nach dem Zusammenbruch des Unterrichtsbetriebs infolge des Ersten Weltkriegs und der Abwanderung einiger Musiker – Lehrer wie Schüler – nach Berlin gelang es nach 1920 nicht mehr, an die Hochblüte der Vorkriegszeit anzuknüpfen. In den Jahren der NS-Regierung waren alle Bereiche des Hochschullebens im Sinne der Nationalsozialisten kontrolliert: Die Hochschulleitung, die Lehrkräfte und sogar die Studenten wurden auf ihre Gesinnung geprüft. Erst nach 1945 erlangte die Hochschule wieder internationale Bedeutung.
Idee und Vorläufer
Die Hochschule für Musik und Theater München konnte bereits bei ihrer Gründung 1846 auf mehrere Vorläufer-Institutionen aufbauen, die in den vorausgegangenen Jahrzehnten in und außerhalb Münchens entstanden waren. Nach italienischen Vorbildern sind hier zunächst die überregional beachteten Konservatorien in Prag (gegründet 1792), Würzburg (1804), Breslau (1810) oder Wien (1812) zu nennen, denen mehrere Münchner Musikschulen nacheiferten. Diese Institutionen halfen dem Defizit in der Ausbildung des Musikernachwuches für die Oper, das Konzertwesen und die Musikpädagogik ab. Damit sollte den Veränderungen im Schulsystem Rechnung getragen werden, die durch die Umbrüche der Säkularisation - vor allem das Ausscheiden von Klosterschulen aus der Musiker-Ausbildung - entstanden waren. Gleichzeitig kamen sie den Bedürfnissen der Musikkultur des sich emanzipierenden Bürgertums entgegen.
Unter den Münchner Vorläufern ist die 1830 begründete "Central-Singschule" des Hoftenoristen Franz Xaver Löhle (1792-1837) zu nennen, die bis 1843 bestand, zuletzt unter der Leitung des Hofkapellmeisters Franz Lachner (1803-1890). Daneben existierten zwei auf die instrumentale Ausbildung spezialisierte "Musikalische Lehranstalten" der Hofmusiker Karl Mayer (von 1829 bis 1833 bestehend, gest. 1874) und Anton Moralt (1836 bis 1838). Diese Initiativen scheiterten jedoch, weil nicht genügend Mittel zur Verfügung standen.
Das Königliche Konservatorium bis zum Ersten Weltkrieg
Die bayerische Regierung entschloss sich daher 1844 zur Gründung eines Konservatoriums, das 1846 unter Leitung des Baritons Franz Hauser (1794-1870) die Ausbildung in verschiedenen Gesangs-, Tonsatz- und Instrumentalklassen aufnahm.
1864 verfasste Richard Wagner (1813-1883) in der Hoffnung auf die Uraufführung seines Opernzyklus' "Der Ring des Nibelungen" einen "Bericht an seine Majestät König Ludwig II. von Bayern (1845-1886, reg. 1864-1886) über eine in München zu errichtende deutsche Musikschule". Die zentralen Anliegen Wagners waren eine Gesangsausbildung, die den Anforderungen seiner Bühnenwerke genügte, und eine enge Bindung der Institution an die Münchner Hofoper. Unter Berücksichtigung dieses elitären Konzepts wurde das bestehende Konservatorium im Folgejahr geschlossen und 1867 unter der Leitung des Hofkapellmeisters Hans von Bülow (1830-1894) mit den drei Abteilungen einer Gesangs-, Instrumental- und Musiktheorieschule neu eröffnet. Die Finanzierung leistete zunächst König Ludwig II. aus seinen persönlichen Verfügungsmitteln, ab 1874 dann der Staat.
In den folgenden Jahrzehnten intensivierte sich die enge Bindung an das Münchner Hoforchester, wodurch die repräsentativen Elemente bürgerlicher Musikerziehung (Klavierspiel, Konzertwesen, Musikpädagogik) zunehmendes Gewicht erhielten. Besonders in der "Prinzregentenzeit" um die Jahrhundertwende trug das Konservatorium wesentlich zum Ruf Münchens einer hervorragenden Kunstmetropole bei: Berthold Kellermann (1853-1926) führte 1905 eine Klavier-Meisterklasse ein. Carl Baermann (Klarinette), Ernst Reichenbächer (Oboe) oder Rudolf Tillmetz (Flöte) wirkten im Bereich der Holzblasinstrumente an der Profilierung des Hauses mit. Auch die Alte Musik oder die junge Musikwissenschaft erhielten daraus prägende Anstöße.
Akademie und Musikhochschule in der Weimarer Republik und der NS-Zeit
Nach dem Zusammenbruch des Unterrichtsbetriebs infolge des Ersten Weltkriegs und der Abwanderung einiger Musiker – Lehrer wie Schüler – nach Berlin (der in den 1920er Jahren konkurrenzlos führenden Metropole des Deutschen Reichs) gelang es der zur "Staatlichen Akademie der Tonkunst" erhobenen Münchner Musikhochschule nach 1920 nicht mehr, an ihre Hochblüte der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Während das Ausbildungsangebot stärker differenziert und zugunsten der Schulmusik verschoben wurde, war spätestens ab 1927 die Dominanz konservativer Strömungen erkennbar, die sich z. B. in der Ablehnung moderner Kompositionsrichtungen wie des französischen Impressionismus oder der Dodekaphonie (Zwölftontechnik) äußerte.
Der Beginn der NS-Herrschaft ist durch die weithin bekannte Auseinandersetzung um einen Vortrag des Literatur-Nobelpreisträgers Thomas Mann (1875-1955) anlässlich des 50. Todestags von Richard Wagner 1933 charakterisiert: An dem "Protest der Richard-Wagner-Stadt München", der Mann in das Exil zwang, beteiligten sich im April 1933 neben den renommierten Dirigenten und Komponisten Hans Knappertsbusch (1888-1965), Siegmund von Hausegger (1872-1948), Richard Strauss (1864-1949) und Hans Pfitzner (1869-1949) auch eine Vielzahl von Nationalsozialisten und Opportunisten aus der Professorenschaft der Musikhochschule.
In den Jahren der NS-Regierung waren alle Bereiche des Hochschullebens im Sinne der Nationalsozialisten kontrolliert: Die Hochschulleitung, die Lehrkräfte und sogar die Studenten wurden auf ihre Gesinnung geprüft. Im Hinblick auf die propagandistische Bedeutung des "Gemeinschaftssingens und Gemeinschaftsmusizierens" wurde vorrangig die Schulmusik aufgewertet.
Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg
1946 wurde die Musikhochschule unter ihrem ersten Nachkriegspräsidenten Joseph Haas (1879-1960) wieder gegründet. Seitdem zählt die Komposition zu ihren Schwerpunkten; in jüngerer Zeit traten die darstellenden Künste – in Kooperation mit der Bayerischen Theaterakademie und den Bayerischen Staatstheatern – sowie die Musikwissenschaft als weitere Ausbildungsinhalte hinzu. Die Geschichte der Institution seit 1946 und ihre Bewertung harren noch einer detaillierten Untersuchung.
1830-1843 | Central-Singschule in der Dompfarrei |
1846-1865 | Königliches Konservatorium für Musik |
1865-1874 | Richard Wagner Münchner Atelier für Musik (Musikschule), private Finanzierung durch König Ludwig II. |
1874-1892 | Staatliche Musikschule |
1892-1920 | Königliche Akademie der Tonkunst |
1920-1924 | Staatliche Akademie der Tonkunst |
1924-1944 | Staatliche Hochschule für Musik, Akademie der Tonkunst |
1946-1998 | Staatliche Hochschule für Musik |
seit 1998 | Staatliche Hochschule für Musik und Theater München |
1830-1837 | Franz Löhle | (1792-1837) | Leiter |
1837-1841 | Georg Mittmayer | (1784-1858) | Leiter |
1842-1843 | Franz Lachner | (1803-1890) | Leiter |
1846-1864 | Franz Hauser | (1794-1870) | Direktor |
1846-1864 | Andreas Wohlmuth | (1809-1884) | Stellvertretender Direktor |
1864-1865 | Ludwig Nissl | Kommissarischer Leiter | |
1867-1869 | Hans von Bülow | (1830-1894) | Artistischer Direktor |
1869-1901 | Carl von Perfall | (1824-1907) | Leiter, ab 1874 Direktor |
1874-1877 | Franz Wüllner | (1832-1902) | Inspektor |
1874-1901 | Joseph Gabriel Rheinberger | (1839-1901) | Inspektor |
1878-1895 | Ludwig Abel | (1835-1895) | Inspektor |
1895-1904 | Hans Bußmeyer | (1853-1930) | Inspektor |
1901-1904 | Bernhard Stavenhagen | (1862-1914) | Direktor |
1904-1911 | Felix Mottl | (1856-1911) | Direktor |
1911-1919 | Hans Bußmeyer | (1853-1930) | Direktor |
1912-1917 | Viktor Gluth | (1852-1917) | Mitglied des Direktoriums |
1912-1920 | Felix von Kraus | (1870-1937) | Mitglied des Direktoriums |
1912-1920 | Eberhard Schwickerath | (1856-1940) | Mitglied des Direktoriums |
1912-1920 | Berthold Kellermann | (1853-1926) | Mitglied des Direktoriums |
1917-1919 | Friedrich Klose | (1862-1942) | Mitglied des Direktoriums |
1920-1934 | Siegmund von Hausegger | (1872-1948) | Direktor, ab 1923 Präsident |
1920-1933 | Hermann Wolfgang von Waltershausen | (1882-1954) | Ständiger Vertreter, ab 1923 Akademiedirektor |
1934-1944 | Richard Trunck | (1879-1968) | Präsident |
1933-1936 | August Schmid-Lindner | (1870-1959) | Stellvertretender Präsident |
1944 | Johannes Hobohm | (1890-1974) | Stellvertretender Präsident |
1946-1950 | Joseph Haas | (1879-1960) | Präsident |
1950-1954 | Robert Heger | (1886-1978) | Präsident |
1954-1972 | Karl Höller | (1907-1987) | Präsident |
1972-1981 | Fritz Schieri | (1922-2009) | Präsident |
1981-1988 | Diethard Hellmann | (1928-1999) | Präsident |
1988-1991 | Klaus Schilde | 1926-2020 | Präsident |
1991-1995 | Cornelius Eberhardt | (1932-2011) | Präsident |
1995-2003 | Robert M. Helmschrott | (geb. 1938) | Präsident, ab 1999 Rektor |
2003-2014 | Siegfried Mauser | (geb. 1954) | Rektor, ab 2007 Präsident |
2014-2022 | Bernd Redmann | (geb. 1965) | Präsident |
seit 2022 | Lydia Grün | Präsidentin |
1830-1843 | Dompfarrschule |
1846-1944 | Odeon |
1946 | Maximilianeum |
1946-1957 | Villa Stuck und Villa Larisch |
seit 1957 | Arcisstraße 12 (ehemaliger "Führerbau" von 1933-1937) |
seit 1999 | mit zusätzlichen Institutsgebäuden (Luisenstraße) |
Literatur
- Stephan Schmitt (Hg.), Geschichte der Hochschule für Musik und Theater München. Von den Anfängen bis 1945 (Musikwissenschaftliche Schriften der Hochschule für Musik und Theater München 1), Tutzing 2005.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Königliche Akademie der Tonkunst, Staatliche Akademie der Tonkunst, Hochschule für Musik in München, Königliche bayerische Musikschule, Central-Singschule
Empfohlene Zitierweise
Josef Focht, Hochschule für Musik und Theater, München, publiziert am 26.03.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hochschule_für_Musik_und_Theater,_München> (31.10.2024)