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Januarstreik (1918): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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== Vorgeschichte ==
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[[Datei:Arbeiterschaft Nuernberg Bayerische Volkszeitung 29.1.1917.jpg|thumb|Aufruf an die Arbeiterschaft Nürnberg in der Nünberger Ausgabe der Bayerischen Volkszeitung vom 29.1.1917. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Eph.pol. 14 it-1918. 1/3)]]
 
Die teilweise vorhandene Begeisterung bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 ließ in allen teilnehmenden Staaten in Europa in den folgenden Jahren rasch nach. Aufgrund des Ausbleibens entscheidender militärischer Erfolge und der hohen Verluste an Menschenleben stand die Zivilbevölkerung dem fortlaufenden Krieg und dem Kriegsausgang zunehmend skeptisch gegenüber. Ebenfalls spielte die [[Ernährung (Erster Weltkrieg)|Versorgungslage]] der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Vor allem im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn stellte sich durch die Umstellung auf Kriegswirtschaft und die Blockade der Alliierten schon ab 1915 eine Mangelsituation an Gebrauchsgegenständen und [[Ernährung (Erster Weltkrieg)|Lebensmitteln]] ein, unter der besonders die ärmeren Menschen in den größeren Städten litten. Bereits ab 1915 kam es deshalb in verschiedenen deutschen Städten zu Lebensmittelunruhen, ab 1916 auch in München. Trotz der von allen Bevölkerungsschichten getragenen Lasten des Krieges blieben politische Reformen im Sinne einer Demokratisierung bis zum Herbst 1918 aus. Entsprechende politische [[Parlamentarische Reformversuche|Reformvorhaben]], die in Bayern von der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)|Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD)]] auf den Weg gebracht wurden''',''' scheiterten an der Haltung von Krone und [[Regierung unter Ludwig III.|Regierung]]. Den konkreten Anlass für den Januarstreik gaben schließlich die ins Stocken geratenen Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk, bei denen das Deutsche Reich umfangreiche Annexionsforderungen gegenüber Russland gestellt hatte.     
Die teilweise vorhandene Begeisterung bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 ließ in allen teilnehmenden Staaten in Europa in den folgenden Jahren rasch nach. Aufgrund des Ausbleibens entscheidender militärischer Erfolge und der hohen Verluste an Menschenleben stand die Zivilbevölkerung dem fortlaufenden Krieg und dem Kriegsausgang zunehmend skeptisch gegenüber. Ebenfalls spielte die [[Ernährung (Erster Weltkrieg)|Versorgungslage]] der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Vor allem im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn stellte sich durch die Umstellung auf Kriegswirtschaft und die Blockade der Alliierten schon ab 1915 eine Mangelsituation an Gebrauchsgegenständen und [[Ernährung (Erster Weltkrieg)|Lebensmitteln]] ein, unter der besonders die ärmeren Menschen in den größeren Städten litten. Bereits ab 1915 kam es deshalb in verschiedenen deutschen Städten zu Lebensmittelunruhen, ab 1916 auch in München. Trotz der von allen Bevölkerungsschichten getragenen Lasten des Krieges blieben politische Reformen im Sinne einer Demokratisierung bis zum Herbst 1918 aus. Entsprechende politische [[Parlamentarische Reformversuche|Reformvorhaben]], die in Bayern von der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)|Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD)]] auf den Weg gebracht wurden''',''' scheiterten an der Haltung von Krone und [[Regierung unter Ludwig III.|Regierung]]. Den konkreten Anlass für den Januarstreik gaben schließlich die ins Stocken geratenen Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk, bei denen das Deutsche Reich umfangreiche Annexionsforderungen gegenüber Russland gestellt hatte.     


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[[Datei:Teilnehmer Friedensdemonstration Nuernberg.jpg|thumb|Teilnehmer der Friedensdemonstration am 30. Januar 1918 auf dem Rückweg von der Demonstration auf dem Nürnberger Egidienplatz. (Stadtarchiv Nürnberg, A76 RF-400-1)]]
[[Datei:Teilnehmer Friedensdemonstration Nuernberg.jpg|thumb|Teilnehmer der Friedensdemonstration am 30. Januar 1918 auf dem Rückweg von der Demonstration auf dem Nürnberger Egidienplatz. (Stadtarchiv Nürnberg, A76 RF-400-1)]]
In Nürnberg begann der Streik am 28. Januar bei der [[Gebrüder Bing, Nürnberg|Metallwarenfabrik der Gebrüder Bing]]. Nach einer Ansprache des weitgehend unbekannten Angestellten bei der Ortskrankenkasse, [[Person:133560333|Georg Lowig]]{{#set:PND=133560333}} (1888-1967), der außerdem Vorstandsmitglied der Nürnberger USPD war, legte spontan ein Drittel der 6.800 Arbeiter umfassenden Belegschaft die Arbeit nieder. Ein weiteres Drittel folgte im Laufe des Tages, ebenso wie tausende Beschäftigte weiterer Nürnberger Betriebe. Insgesamt beteiligten sich in den folgenden Stunden mindestens 42.000 Arbeiter aus mehr als 120 Betrieben. Die Führung der Nürnberger USPD um Lowig und [[Person:133788059|Johannes Baier]]{{#set:PND=133788059}}, der die Leitung des Streiks übernahm, betonte von Anfang an ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Polizei- und Militärbehörden und rief die Streikenden dazu auf, Ruhe und Ordnung unbedingt einzuhalten. Dies und wohl auch die Unerfahrenheit der USPD-Vertreter erleichterte der Nürnberger MSPD-Führung sich an dem Streik zu beteiligen und die Leitung zu übernehmen. Nach einer Massenkundgebung mit etwa 20.000 Teilnehmenden auf dem Egidien- und dem Theresienplatz wurde der Streik am 29. Januar um 18 Uhr geordnet beendet. Am 30. Januar wurde die Arbeit in allen Betrieben wieder aufgenommen.
In Nürnberg begann der Streik am 28. Januar bei der [[Gebrüder Bing, Nürnberg|Metallwarenfabrik der Gebrüder Bing]]. Nach einer Ansprache des weitgehend unbekannten Angestellten bei der Ortskrankenkasse, [[Person:133560333|Georg Lowig]]{{#set:PND=133560333}} (1888-1967), der außerdem Vorstandsmitglied der Nürnberger USPD war, legte spontan ein Drittel der 6.800 Arbeiter umfassenden Belegschaft die Arbeit nieder. Ein weiteres Drittel folgte im Laufe des Tages, ebenso wie tausende Beschäftigte weiterer Nürnberger Betriebe. Insgesamt beteiligten sich in den folgenden Stunden mindestens 42.000 Arbeiter aus mehr als 120 Betrieben. Die Führung der Nürnberger USPD um Lowig und [[Person:133788059|Johannes Baier]]{{#set:PND=133788059}}, der die Leitung des Streiks übernahm, betonte von Anfang an ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Polizei- und Militärbehörden und rief die Streikenden dazu auf, Ruhe und Ordnung unbedingt einzuhalten. Dies und wohl auch die Unerfahrenheit der USPD-Vertreter erleichterte der Nürnberger MSPD-Führung sich an dem Streik zu beteiligen und die Leitung zu übernehmen. Nach einer Massenkundgebung mit etwa 20.000 Teilnehmenden auf dem Egidien- und dem Theresienplatz wurde der Streik am 29. Januar um 18 Uhr geordnet beendet. Am 30. Januar wurde die Arbeit in allen Betrieben wieder aufgenommen.
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Datei:Arbeiterschaft Nuernberg Bayerische Volkszeitung 29.1.1917.jpg|thumb|Aufruf an die Arbeiterschaft Nürnberg in der Nünberger Ausgabe der Bayerischen Volkszeitung vom 29.1.1918. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Eph.pol. 14 it-1918. 1/3)
Datei:Aufruf Arbeiterschaft Fraenkische Tagespost 29.1.1918.jpg|Aufruf an die Arbeiterschaft in der Fränkischen Tagespost vom 29.1.1918. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Eph.pol. 12q-1918, 1-6)
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=== Fürth und Schweinfurt ===
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Aus Furcht vor einem größeren, von der USPD organisierten Arbeitsausstand in der [[Pfalz (19./20. Jahrhundert)|Pfalz]], hatte die Regierung in Speyer am 26. Januar die pfälzischen Bezirksämter bereist. Der Leiter des Bezirksamtes Ludwigshafen hatte deswegen am 28. Januar  Kontakt zum Vorsitzenden der pfälzischen MSPD Bruno Körner (1862-1927) und dem Redakteur der Pfälzischen Post Friedrich Steffen aufgenommen, die die Situation allerdings falsch einschätzten und nicht von einem Streik ausgingen. Am Nachmittag des 30. Januar versammelte sich ein kleiner Teil der Arbeiter der [[Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF)|Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF)]] am Marktplatz in Ludwigshafen, nachdem bekannt geworden war, dass in Mannheim die Arbeit in einigen Betrieben niedergelgt worden war. Am kommenden Morgen legten 3.500 Arbeiterinnen und Arbeiter der BASF-Fabrik sowie weitere ca. 3.000 Beschäftigte anderer Betriebe die Arbeit nieder und nahmen um 10 Uhr Vormittags an einer Demonstation auf dem Marktplatz teil. Nachdem ein Aktionsausschuss gewählt worden war, gelang es den MSPD-Vertretern sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und weniger die Streikforderungen, als vielmehr die Dauer des Arbeitsausstandes zum bestimmenden Thema zu machen. Schließlich wurde eine Kommission damit beauftragt der Regierung die Forderungen der Streikenden zu übermitteln. Am 1. Februar nahmen alle Betriebe wieder geregelt ihre Arbeit auf.  
Aus Furcht vor einem größeren, von der USPD organisierten Arbeitsausstand in der [[Pfalz (19./20. Jahrhundert)|Pfalz]], hatte die Regierung in Speyer am 26. Januar die pfälzischen Bezirksämter bereist. Der Leiter des Bezirksamtes Ludwigshafen hatte deswegen am 28. Januar  Kontakt zum Vorsitzenden der pfälzischen MSPD [[Person:1013916069|Bruno Körner]]{{#set:PND=1013916069}} (1862-1927) und dem Redakteur der Pfälzischen Post Friedrich Steffen aufgenommen, die die Situation allerdings falsch einschätzten und nicht von einem Streik ausgingen. Am Nachmittag des 30. Januar versammelte sich ein kleiner Teil der Arbeiter der [[Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF)|Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF)]] am Marktplatz in Ludwigshafen, nachdem bekannt geworden war, dass in Mannheim die Arbeit in einigen Betrieben niedergelgt worden war. Am kommenden Morgen legten 3.500 Arbeiterinnen und Arbeiter der BASF-Fabrik sowie weitere ca. 3.000 Beschäftigte anderer Betriebe die Arbeit nieder und nahmen um 10 Uhr Vormittags an einer Demonstation auf dem Marktplatz teil. Nachdem ein Aktionsausschuss gewählt worden war, gelang es den MSPD-Vertretern sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und weniger die Streikforderungen, als vielmehr die Dauer des Arbeitsausstandes zum bestimmenden Thema zu machen. Schließlich wurde eine Kommission damit beauftragt der Regierung die Forderungen der Streikenden zu übermitteln. Am 1. Februar nahmen alle Betriebe wieder geregelt ihre Arbeit auf.


=== Frankenthal ===
=== Frankenthal ===
Ähnlich wie in Ludwigshafen verlief auch der Streik in Frankenthal. Nachdem am 30. Januar etwa 20 Arbeiter der Maschinen und Armaturenfabrik die Arbeit niederlegt hatten, versammelten sich am folgenden Nachmittag um 15 Uhr ca. 3.000 Personen auf dem Paradeplatz. Dort hielt u.a. der Mehrheitssozialdemokrat und Rechtsanwalt Friedrich Ackermann (1876-1949) eine Ansprache, wiederholte die Fordeurngen nach einem Ende der Annexionspolitik und einer Verbesserung der Lebensmittelverteilung und mahnte zur Ruhe und Ordnung sowie dazu, die Arbeit am 1. Februar wieder aufzunehmen. Dies wurde von den Streikenden auch befolgt.  
Ähnlich wie in Ludwigshafen verlief auch der Streik in Frankenthal. Nachdem am 30. Januar etwa 20 Arbeiter der Maschinen und Armaturenfabrik die Arbeit niederlegt hatten, versammelten sich am folgenden Nachmittag um 15 Uhr ca. 3.000 Personen auf dem Paradeplatz. Dort hielt u.a. der Mehrheitssozialdemokrat und Rechtsanwalt [[Person:136154735|Friedrich Ackermann]]{{#set:PND=136154735}} (1876-1949) eine Ansprache, wiederholte die Fordeurngen nach einem Ende der Annexionspolitik und einer Verbesserung der Lebensmittelverteilung und mahnte zur Ruhe und Ordnung sowie dazu, die Arbeit am 1. Februar wieder aufzunehmen. Dies wurde von den Streikenden auch befolgt.


=== München ===
=== München ===

Version vom 7. August 2025, 15:03 Uhr

von Markus Schmalzl

Der sogenannte Januarstreik 1918 war der erste und einzige politisch motivierte Massenstreik mit nationaler und internationaler Reichweite, der in den Staaten der Mittelmächte des Ersten Weltkriegs, in Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich, stattfand. Er richtete sich gegen eine Fortsetzung des Krieges. Außerdem wurden soziale und politische Reformen sowie eine Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln gefordert. In Bayern wurden zwischen 28. Januar und 4. Februar 1918 vor allem Rüstungsbetriebe in München, Nürnberg, Fürth und Schweinfurt bestreikt. Insgesamt nahmen dort mehr als 60.000 Arbeiterinnen und Arbeiter daran teil, allein mehr als 40.000 in Nürnberg. Die Streiks verliefen in Bayern weitgehend friedlich.

Vorgeschichte

Die teilweise vorhandene Begeisterung bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 ließ in allen teilnehmenden Staaten in Europa in den folgenden Jahren rasch nach. Aufgrund des Ausbleibens entscheidender militärischer Erfolge und der hohen Verluste an Menschenleben stand die Zivilbevölkerung dem fortlaufenden Krieg und dem Kriegsausgang zunehmend skeptisch gegenüber. Ebenfalls spielte die Versorgungslage der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Vor allem im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn stellte sich durch die Umstellung auf Kriegswirtschaft und die Blockade der Alliierten schon ab 1915 eine Mangelsituation an Gebrauchsgegenständen und Lebensmitteln ein, unter der besonders die ärmeren Menschen in den größeren Städten litten. Bereits ab 1915 kam es deshalb in verschiedenen deutschen Städten zu Lebensmittelunruhen, ab 1916 auch in München. Trotz der von allen Bevölkerungsschichten getragenen Lasten des Krieges blieben politische Reformen im Sinne einer Demokratisierung bis zum Herbst 1918 aus. Entsprechende politische Reformvorhaben, die in Bayern von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) auf den Weg gebracht wurden, scheiterten an der Haltung von Krone und Regierung. Den konkreten Anlass für den Januarstreik gaben schließlich die ins Stocken geratenen Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk, bei denen das Deutsche Reich umfangreiche Annexionsforderungen gegenüber Russland gestellt hatte.

Die Streikbewegung in Österreich-Ungarn

Der sogenannte Jännerstreik begann in Österreich-Ungarn am 14. Januar 1918 in den Daimler Motorenwerken in Wiener Neustadt. Äußerer Anlass war die Kürzung der Mehlrationen. Innerhalb weniger Tage beteiligten sich mehr als 700.000 Arbeiterinnen und Arbeiter an dem Streik. Anders als im Deutschen Reich, wo sich 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) von der SPD abgespalten hatte, wurde die Streikbewegung von der gesamten sozialdemokratischen Bewegung unterstützt. Ein weiterer Unterschied zum Streik im Nachbarland war, dass sich nicht nur Arbeiterinnen und Arbeiter in den Rüstungsbetrieben, sondern in viel größerem Umfang auch Beschäftigte anderer Branchen an dem Arbeitsausstand beteiligten. Außerdem griff der Streik auf das Militär über. Soldaten und Matrosen in Judenburg und Pécs, im böhmischen Rumburg, in Budapest und im Kriegshafen Pola schlossen sich dem Streik an. Am 1. Februar beteiligten sich sogar 6.000 Matrosen auf 40 Schiffen, die in der Bucht von Kotor ankerten, am sogenannten Matrosenaufstand von Cattaro, hissten rote Fahnen und verlangten einen sofortigen Friedensschluss.

Die Streikbewegung im Januar 1918 im Deutschen Reich

Im Deutschen Reich beteiligten sich insgesamt rund eine Million Arbeiterinnen und Arbeiter an dem Streik. Allerdings blieb er weitgehend auf die Rüstungsindustrie und damit auf die Industriezentren und Großstädte v.a. in Preußen beschränkt. Verhältnismäßig wenig berührt waren die Zentren der Schwerindustrie an Rhein und Ruhr und in Oberschlesien. Stark betroffen waren die Werften. Der erste politische Massenstreik von mehr als regionaler Bedeutung begann im Deutschen Reich mit einem Aufruf des Spartakusbundes in Berlin am 28. Januar 1918 und dehnte sich rasch aus. Bei der Organisation und Durchführung der Streiks übernahmen sogenannten Revolutionären Obleute, innerbetriebliche Vertrauensmänner, die die Burgfriedenspolitik der SPD ablehnten und lokal die Ortsvereine der USPD eine führende Rolle. Dies hatte zur Folge, dass die Streikbewegung nach dem Vorbild der Ereignisse in Berlin überall nach ähnlichem Grundmuster ablief und weitgehend deckungsgleiche politische Forderungen gestellt wurden, nämlich:

  • Baldiger allgemeiner Friedensschluss ohne Annexionen und Kontributionen
  • Vollständige Presse-, Koalitions- und Versammlungsfreiheit
  • Aufhebung des Belagerungszustandes
  • Entmilitarisierung der Betriebe
  • Aufhebung des Hilfsdienstgesetzes
  • Freilassung sämtlicher politischer Gefangener

An verschiedenen Orten kamen zudem Forderungen nach Verbesserungen der Lebensmittelversorgung, Verkürzung der Arbeitszeiten und Erhöhung der Arbeitslöhne v.a. für weibliche Beschäftigte hinzu. Bei der Organisation der Arbeitsausstände und in den Streikleitungen waren vielfach auch Frauen aktiv beteiligt.

Der Ausstand dauerte an allen Orten lediglich wenige Tage, wobei in der Regel durch die Anwesenden ein Beschluss gefasst wurde, die Forderungen der Streikenden den Vertretern der Stadt bzw. der Regierung zu übergeben und die Arbeit wieder aufzunehmen.

Der Januarstreik in Bayern

In Bayern blieben die Streiks im Januar 1918, an denen sich mindestens 60.000 Arbeiterinnen und Arbeiter beteiligten, im Wesentlichen auf die Industriebetriebe in Nürnberg, Fürth, Schweinfurt und München beschränkt. Dies dürfte darin begründet liegen, dass es in diesen Städten Anfang 1918 eine nennenswerte Anzahl an USPD-Mitgliedern gab, die zur Aktion bereit waren und die Streikbewegung trugen. Aus dem gleichen Grund blieb Augsburg, die am stärksten industrialisierte Großstadt in Bayern, ruhig. Dort spielte die USPD keine Rolle. Die Gewerkschaften und die Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands (MSPD) hielten dagegen, in der Hoffnung auf politische Reformen, an der Burgfriedenspolitik fest, schlossen sich den Forderungen nur teilweise an und versuchten, die Streikenden zu einer Rückkehr an den Arbeitsplatz zu bewegen. Dahinter stand die Überzeugung durch Kooperation politische Reformen erreichen zu können und die bereits erkämpften Zugeständnisse nicht durch unkoordinierte Arbeitsausstände aufs Spiel zu setzen, die nur der Reaktion in die Hände spielen würden.  

Nürnberg

Teilnehmer der Friedensdemonstration am 30. Januar 1918 auf dem Rückweg von der Demonstration auf dem Nürnberger Egidienplatz. (Stadtarchiv Nürnberg, A76 RF-400-1)

In Nürnberg begann der Streik am 28. Januar bei der Metallwarenfabrik der Gebrüder Bing. Nach einer Ansprache des weitgehend unbekannten Angestellten bei der Ortskrankenkasse, Georg Lowig (1888-1967), der außerdem Vorstandsmitglied der Nürnberger USPD war, legte spontan ein Drittel der 6.800 Arbeiter umfassenden Belegschaft die Arbeit nieder. Ein weiteres Drittel folgte im Laufe des Tages, ebenso wie tausende Beschäftigte weiterer Nürnberger Betriebe. Insgesamt beteiligten sich in den folgenden Stunden mindestens 42.000 Arbeiter aus mehr als 120 Betrieben. Die Führung der Nürnberger USPD um Lowig und Johannes Baier, der die Leitung des Streiks übernahm, betonte von Anfang an ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Polizei- und Militärbehörden und rief die Streikenden dazu auf, Ruhe und Ordnung unbedingt einzuhalten. Dies und wohl auch die Unerfahrenheit der USPD-Vertreter erleichterte der Nürnberger MSPD-Führung sich an dem Streik zu beteiligen und die Leitung zu übernehmen. Nach einer Massenkundgebung mit etwa 20.000 Teilnehmenden auf dem Egidien- und dem Theresienplatz wurde der Streik am 29. Januar um 18 Uhr geordnet beendet. Am 30. Januar wurde die Arbeit in allen Betrieben wieder aufgenommen.

Fürth und Schweinfurt

In Fürth blieb der Arbeitsausstand im Wesentlichen auf den Stadtteil Stadeln beschränkt. Hier hatten der Vorsitzender der Fürther USPD Adam Hopf und der Werkmeister Vogt in der örtlichen Sprengstofffabrik am Morgen des 28. Januar zum Streik aufgerufen. Am Nachmittag versammelten sich 4-5.000 Personen zu einer Versammlung auf dem Lindenhain. Diese verlief ebenso wie ein den Streik abschließender Demonstrationszug weitgehend geordnet und ruhig. Der Streik endete in Fürth damit am gleichen Tag.

In Schweinfurt begann der Streik erst am 30. Januar in der Munitionsfabrik Schäfer nach einer Ansprache des unabhängigen Sozialdemokraten Starz [vermutlich Kaspar Starz, 1885-1947]. Mit Flugblättern und Plakaten wurde einerseits für die Beteiligung am Arbeitsausstand geworben und vor Ausschreitungen gewarnt. Am Nachmittag fand auf dem Marktplatz eine Demonstration mit 3.000 Teilnehmen statt, bei der USPD-Parteisekretär August Karsten (1888-1981) eine Ansprache hielt. Damit endete der Arbeitsausstand auch in Schweinfurt.

Ludwigshafen

Aus Furcht vor einem größeren, von der USPD organisierten Arbeitsausstand in der Pfalz, hatte die Regierung in Speyer am 26. Januar die pfälzischen Bezirksämter bereist. Der Leiter des Bezirksamtes Ludwigshafen hatte deswegen am 28. Januar Kontakt zum Vorsitzenden der pfälzischen MSPD Bruno Körner (1862-1927) und dem Redakteur der Pfälzischen Post Friedrich Steffen aufgenommen, die die Situation allerdings falsch einschätzten und nicht von einem Streik ausgingen. Am Nachmittag des 30. Januar versammelte sich ein kleiner Teil der Arbeiter der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) am Marktplatz in Ludwigshafen, nachdem bekannt geworden war, dass in Mannheim die Arbeit in einigen Betrieben niedergelgt worden war. Am kommenden Morgen legten 3.500 Arbeiterinnen und Arbeiter der BASF-Fabrik sowie weitere ca. 3.000 Beschäftigte anderer Betriebe die Arbeit nieder und nahmen um 10 Uhr Vormittags an einer Demonstation auf dem Marktplatz teil. Nachdem ein Aktionsausschuss gewählt worden war, gelang es den MSPD-Vertretern sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und weniger die Streikforderungen, als vielmehr die Dauer des Arbeitsausstandes zum bestimmenden Thema zu machen. Schließlich wurde eine Kommission damit beauftragt der Regierung die Forderungen der Streikenden zu übermitteln. Am 1. Februar nahmen alle Betriebe wieder geregelt ihre Arbeit auf.

Frankenthal

Ähnlich wie in Ludwigshafen verlief auch der Streik in Frankenthal. Nachdem am 30. Januar etwa 20 Arbeiter der Maschinen und Armaturenfabrik die Arbeit niederlegt hatten, versammelten sich am folgenden Nachmittag um 15 Uhr ca. 3.000 Personen auf dem Paradeplatz. Dort hielt u.a. der Mehrheitssozialdemokrat und Rechtsanwalt Friedrich Ackermann (1876-1949) eine Ansprache, wiederholte die Fordeurngen nach einem Ende der Annexionspolitik und einer Verbesserung der Lebensmittelverteilung und mahnte zur Ruhe und Ordnung sowie dazu, die Arbeit am 1. Februar wieder aufzunehmen. Dies wurde von den Streikenden auch befolgt.

München

Der Streik in München wich insofern von den Streikereignissen in anderen Städten ab, da er später begann und sich nicht voll entfalten konnte. Auch beteiligte sich die Führung der MSPD nicht wie in anderen Städten an der Bewegung, was auch auf die Motive und die Person des Hauptorganisators zurückzuführen sein dürfte. Kurt Eisner (USPD, 1867-1919), den seit 1916 eine persönliche Auseinandersetzung vom Landesvorsitzenden der bayerischen MSPD, Erhard Auer (1874-1945) trennte, zielte darauf ab, durch den Streik einen politischen Umsturz herbeizuführen. Ab dem 27. Januar warb er für den Arbeitsausstand und trat in den folgenden vier Tagen in sieben Massenversammlungen bei USPD-Veranstaltungen und in den großen Betrieben Münchens als Redner auf. Am Morgen des 31. Januar begann der Streik schließlich in den Krupp-Werken und setzte sich mit einem Demonstrationszug durch die Stadt mit 2.000 Teilnehmenden und einer Kundgebung im Wagnerbräu fort. Am Abend fanden zwei Betriebsversammlungen der Rapp-Werke und der Bayerischen Flugzeugwerke im Mathäserbräu statt, die Auer mit den Arbeiter-Ausschüssen der beiden Betriebe organisiert hatte, um die Beschäftigten von einer Beteiligung am Streik abzuhalten. Eisner gelang es allerdings, die Anwesenden auf seine Seite zu ziehen. Beide Versammlungen endeten mit dem Beschluss für eine Streikbeteiligung.

Noch in der folgenden Nacht wurden die Streikführer der Münchner USPD wegen Landesverrats verhaftet, nämlich Kurt Eisner, Sarah Sonja Lerch (1882-1918), Hans Unterleitner (1890-1971), Albert Winter jun. (1896-1971) sowie die aus Ansbach stammenden Schwestern Emilie (1892-1978) und Babette Landauer (1889-1941). Am folgenden Tag weitete sich der Streik zunächst aus. Etwa 10.000 Beschäftigte verschiedener Münchner Betriebe waren in den Arbeitsausstand getreten und forderten nun auch die Freilassung der Verhafteten. Am selben Tag gelang es Auer, in einer Rede im Löwenbräukeller mäßigend auf die Streikbewegung einzuwirken. Nach einer Massenkundgebung am 2. Februar auf der Theresienwiese einigten sich die Streikkommissionen mit der Münchner MSPD-Leitung, die Arbeit wiederaufzunehmen, sofern die Forderungen der Streikenden der Reichsregierung unterbreitet würden. Am folgenden Tag wurde bei einer weiteren Versammlung auf der Theresienwiese mit ca. 3.000 Teilnehmenden ein Abbruch des Streiks beschlossen. Damit endete der Januarstreik in München am 4. Februar, an dem alle Münchner Betriebe ihre Arbeit wieder aufnahmen.

Noch einige Monate später wurden mit Richard Kämpfer (1884-1966) und Fritz Schröder (1891-1937) weitere Organisatoren des Münchner Streiks verhaftet. Diese wurden wie die anderen Verhafteten erst am 3. November 1918 wieder entlassen. Kurt Eisner und Hans Unterleitner waren wegen der Nomminierung für die Reichstagswahl bereits am 14. Oktober 1918 freigelassen worden. Sarah Sonja Lerch war am 29. März 1918 erhängt in ihrer Zelle in München-Stadelheim aufgefunden worden.

Wirkung

Der Januarstreik in Bayern machte, wie die Streiks im ganzen Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn, die Kriegsmüdigkeit aber auch die Unzufriedenheit über das Ausbleiben politischer und sozialer Reformen in der Bevölkerung deutlich. Mit Verhaftungen und Beschwichtigungen gelang es der Regierung das revolutionäre Potential neun Monate vor Ausbruch der Novemberrevolution noch einmal einzudämmen. Eine Änderung der Politik und politische Reformen wurden dagegen erst im Angesicht der Kriegsniederlage im Oktober 1918 in Angriff genommen. In München hatte sich Kurt Eisner als Führungspersönlichkeit für die Arbeiterschaft profiliert und Kontakte zu den Münchner Großbetrieben herstellen können. Seine Erfahrungen und das während des Januarstreiks gewonnene Selbstbewusstsein trugen zum Gelingen des politischen Umsturzes am 7. November 1918 bei, auch wenn dieser zunächst vor allem von den Soldaten getragen wurde.

Literatur

  • Dania Alasti, Frauen in der Novemberrevolution. Kontinuität des Vergessens, Münster 2018.
  • Willy Albrecht, Landtag und Regierung am Vorabend der Revolution von 1918. Studien zur gesellschaftlichen und staatlichen Entwicklung Deutschlands 1912-1918, Berlin 1968.
  • Chaja Boebel, Streiken gegen den Krieg! Die Bedeutung der Massenstreiks in der Metallindustrie vom Januar 1918, Berlin 2008.
  • Günther Gerstenberg: Der kurze Traum vom Frieden. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Umsturzes in München 1918 mit einem Exkurs über Sarah Sonja Lerch in Gießen von Cornelia Naumann. Lich 2018.
  • Bernhard Grau, Der Januarstreik 1918 in München, in: Georg Jenal (Hg.), Gegenwart in Vergangenheit. Beiträge zur Kultur und Geschichte der Neueren und Neuesten Zeit. Festgabe für Friedrich Prinz zu seinem 65. Geburtstag, München 1993, 277-300.
  • Bernhard Grau, Kurt Eisner 1867-1919. Eine Biographie, München 2001.
  • Georg Köglmeier, Die zentralen Rätegremien in Bayern 1918/19. Legitimation - Organisation - Funktion, München 2001.
  • Markus Schmalzl, Erhard Auer. Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie in Bayern, Kallmünz 2013.
  • Werner Boldt, Der Januarstreik 1918 in Bayern mit besonderer Berücksichtigung Nürnbergs, in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 25 (1965), 5-42.
  • Gerd Krumeich, Die unbewältigte Niederlage: Das Trauma des Ersten Weltkriegs und die Weimarer Republik, München 2018.
  • Karlhein Lipp, Pazifismus in der Pfalz vor und während des Ersten Weltkriegs. Ein Lesebuch, Nordhausen 2015.
  • Alfred Hermann, Die Geschichte der pfälzischen USPD, Neustadt a.d.W. 1989.
  • Heinrich Thalmann, Die Pfalz im Ersten Weltkrieg. Der ehemalige bayerische Regierungskreis bis zur Besetzung Anfang Dezember 1918, Kaiserslautern 1990.

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Markus Schmalzl, Januarstreik (1918), publiziert am 07.08.2025; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Januarstreik_(1918)> (5.12.2025)