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Gebrüder Bing, Nürnberg

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Werbeplakat der Bing Werke 1926. (Bing, Aus meinem Leben, S. 287. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Verlags Marianne Cieslik)
Grün-schwarze Uhrwerk-Lokomotive mit Tender, Spur 1, aus Eisenblech um 1904/1910. (Spielzeugmuseum Nürnberg)

von Rudolf Endres

1864 von den Gebrüdern Ignaz (1840-1918) und Adolf Bing gegründetes Unternehmen, das sich von der anfänglichen Metallwarenfabrikation bis Anfang des 20. Jahrhunderts zum größten Spielzeughersteller der Welt entwickelte. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ging das Unternehmen 1929 bankrott. Den aus der Konkursmasse erworbenen Namen führt seit 1932 ein auf die Herstellung von Vergasern spezialisierter Automobilzulieferer.

Der Unternehmensgründer Ignaz Bing und seine Herkunft

Die jüdische Familie Bing war aus Bingen über Frankfurt am Main nach Franken gekommen. Am 29. Januar 1840 wurde Ignaz Bing (1840-1918) als zweiter Sohn des Färbermeisters Salomon Bing in Memmelsdorf i.Ufr. geboren. Er verlor aber bereits als Siebenjähriger seine Mutter. Der Vater siedelte, wieder verheiratet, 1853 nach Gunzenhausen um, wo er sich im einträglicheren Hopfenhandel betätigte. Mit 14 Jahren kam Ignaz nach Ansbach in ein kaufmännisches Lehrinstitut, in dem er auch praktische Erfahrungen erwarb, die er in mehreren Städten vertiefte.

Firmengründung und Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg

Mit 24 Jahren gründete Ignaz Bing 1864 mit seinem jüngeren Bruder Adolf in Nürnberg ein Engrosgeschäft für Garn-, Band- und Kurzwaren. Ein Jahr später mieteten sie einen kleinen Laden in der Karolinenstraße und nahmen Metall- und Galanteriewaren in ihr Verkaufsangebot auf. Einen beträchtlichen Aufschwung nahm ihr Geschäft während des Krieges von 1866 durch die einquartierten preußischen und mecklenburgischen Soldaten. Die Gebrüder Bing mieteten daraufhin einen größeren Laden an und spezialisierten das Sortiment auf Metallwaren.

Einen neuerlichen Aufschwung erlebte das Geschäft durch den Verkauf von Gewichten und Maßen des neugegründeten Deutschen Reiches ab 1871. Zu ihrer Herstellung stützten sich die Gebrüder Bing auf die Nürnberger Heimindustrie. Als diese den hohen Bedarf an Massenartikeln nicht mehr decken konnte, wurde die "Nürnberger Metallfabrik Gebrüder Bing" zur Herstellung von Küchengeräten, Blechspielwaren und anderen Blech- und Lackierwaren gegründet. Ignaz übernahm die Leitung des Betriebs, in dem bald 3.000 Arbeiter tätig waren, während sich Adolf zurückzog.

Die geschulten "Bingkaufleute" weiteten den Absatz über ganz Europa aus und eroberten sogar die Märkte in den USA. In der Spielwarenherstellung nahm die Firma nach eigenen Angaben seit 1908 weltweit den ersten Platz ein, was auf den Landesausstellungen honoriert wurde. In den Vorkriegsjahren erweiterte Ignaz Bing das Angebot noch um Badeöfen und Badeartikel.

Firmengeschichte von 1914 bis zum Tode Ignaz Bings 1918

Der Bingkonzern Ende 1918. (aus: Kurt Lebermann, Die Konzentration der Bingwerke Nürnberg [Wirtschafts- und Verwaltungsstudien mit besonderer Berücksichtigung Bayerns 61], Leipzig-Erlangen 1924, nach 50)

Mit dem Ersten Weltkrieg gingen viele Absatzmärkte verloren, doch die Firma Bing stellte sich auf Kriegsprodukte um. Sie lieferte nun Helme, Feldflaschen, Militärkochgeschirre und Tornister. Weitsichtig begann Ignaz Bing sich in den letzten Kriegsjahren wieder auf Friedensprodukte einzurichten.

Das erfolgreiche Wirken von Ignaz Bing fand Anerkennung mit der Verleihung des Titels Geheimer Kommerzienrat und weiterer Auszeichnungen. Als leidenschaftlicher Naturforscher entdeckte er die "Bing-Höhle" bei Streitberg. Nach langer Krankheit verstarb Ignaz Bing am 25. März 1918 in Nürnberg.

Das Unternehmen 1918-1932

Der Bingkonzern August 1923. (aus: Lebermann, Die Konzentration der Bingwerke Nürnberg, nach 66)

Die Aktiengesellschaft entwickelte sich durch den Erwerb neuer Firmen und ihrer Anschlüsse als Tochtergesellschaften zu einem nur schwer überschaubaren Konzern, in dem 1923 fast 16.000 Menschen Beschäftigung fanden. Die Verbindung zur Spielzeugherstellung wurde durch den Erwerb einer Puppenfabrik und durch die Gründung einer Handelsgesellschaft, die erzgebirgische Spielwaren weiterverkaufte, verstärkt und ausgebaut. Die unübersichtliche Konzernstruktur und die Weltwirtschaftskrise führten dazu, dass das Unternehmen 1932 in Konkurs ging.

Das Unternehmen 1932 bis heute

1932 erwarb Fritz Hintermayr aus dem Konkurs der einst weltweit größten Spielwarenfabrik Gebr. Bing AG den Namen sowie die Gasboiler-Fertigung. Ab 1933 lief die Bing-Vergaserproduktion, zuerst für Triumph und Zündapp, ab 1944 für BMW. Zum Kundenkreis zählten weitere bekannte Firmen, wie Ardie, Auto-Union, NSU, Fichtel&Sachs, Hercules und Victoria. Vergaser für stationäre Motoren, Motorsägen und Bootsmotoren ergänzten die Palette.

Porsche und BMW werden heute mit Düsen zur Kolbenkühlung beliefert, Klappenstutzen für Einpritzanlagen stellt das Unternehmen seit 1984 her. Seit 2000 wird, als gelungenes Beispiel für Mechatronik, ein Kunststoff-Klappenstutzen mit integriertem Potentiometer für 50-ccm-Rollermotoren ausgeliefert.

Mit dem Firmenjubiläum 2001 änderte die nach wie vor in Nürnberg ansässige Firma ihren Namen in "Bing Powers Systems GmbH". Sie zählt rund 210 Mitarbeiter, die täglich ca. 6.000 bis 8.000 Bing-Vergaser und Bing-Drosselklappenstutzen produzieren.

Namen der Firma

Zeit Firmenname
1864-1879 Gebrüder Bing
1879-1895 Nürnberger Metallwarenfabrik Gebrüder Bing
1895-1919 Nürnberger Metall- und Lackierwarenfabrik vorm. Gebrüder Bing Aktiengesellschaft
1919-1927 Bing-Werke AG
1927-1932 Bing Werke, vorm. Gebr. Bing AG., Fabrik für Haus- und Küchengeräte, Spielwaren, emaillierte Waren, Badeöfen, Eisschränke, Schreibmaschinen
Fritz Hintermayr GmbH BING-Vergaser-Fabrik
seit 2001 Bing Power Systems GmbH

Literatur

  • Rudolf Endres, Familie Bing. Fabrikanten in Nürnberg, in: Manfred Treml (Hg.), Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Band 2: Lebensläufe (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18/2), München 1988, 173-177.
  • Claude Jeanmaire, Bing. Die Modellbahnen unserer Grossväter (Archiv 17), Villigen 1972, 15-21. (populärwissenschaftlicher Abriss der Unternehmensgeschichte)

Quellen

  • Ignaz Bing, Aus meinem Leben. Erinnerungen eines Nürnberger Unternehmers und Höhlenforschers 1840-1918, hg. von Jürgen Cieslik, Jülich 2004.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Rudolf Endres, Gebrüder Bing, Nürnberg, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gebrüder_Bing,_Nürnberg> (19.03.2024)