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Volksabstimmung "Entschädigungslose Fürstenenteignung", 1926

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Karikatur "Preisend mit viel schönen Reden", die aus Anlass der Volksabstimmung erschien. Zeichnung von Erich Schilling. Abb. aus: Simplicissimus 30 (1926), Heft 44 vom 1.2.1926, 641. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Per. 18 pe-30,1)
Wagen mit Plakaten zum Volksentscheid "Entschädigungslose Fürstenenteignung" 1926. (Bundesarchiv, Bild 102-00685 / CC-BY-SA 3.0)
Plakat gegen die Abfindung der Fürsten, Foto von 1926. (Bundesarchiv, Bild 102-02427/ Unknown/ /CC-BY-SA 3.0)
Große Protestkundgebung der Deutschnationalen Volkspartei im Juni 1926 gegen das Volksbegehren der Linksparteien im Berliner Lustgarten. (Bundesarchiv, Bild 102-02777 /CC-BY-SA 3.0)

von Gerhard Immler

Volksabstimmung über die entschädigungslose Enteignung der bis 1918 regierenden deutschen Fürstenhäuser, initiiert von KPD, SPD und freien Gewerkschaften im Frühjahr 1926. Nach dem erfolgreichen Volksbegehren scheiterte der Volksentscheid am 20. Juni 1926 mit 36,4 % Ja-Stimmen. In Bayern ergab sich die niedrigste Zustimmungsquote aller Länder.

Die Ausgangslage

Die Fürstenabfindung erwies sich in einer ganzen Reihe von deutschen Ländern als sehr schwieriges Geschäft, insbesondere wenn gütliche Einigungen nicht zustande kamen oder aufgrund der Inflation die wirtschaftlich-finanzielle Grundlage, auf der sie basierten, erschüttert wurde. Dies veranlasste sowohl das Haus Hohenzollern in Preußen als auch einige Angehörige der mittel- und norddeutschen kleinstaatlichen Dynastien dazu, teils bereits geschlossene Verträge gerichtlich anzufechten, teils auf die Herausgabe umstrittener Vermögenswerte zu klagen.

Die sich daraus ergebenden Prozesse und ihre Urteile, die für die neuen Freistaaten häufig sehr ungünstig ausfielen, sorgten ab 1924 für Aufsehen. Insbesondere gilt dies für ein Urteil des Reichsgerichts vom 18. Juni 1925, welches das von der USPD-dominierten Landesversammlung von Sachsen-Gotha am 2. August 1919 erlassene Gesetz über die Einziehung des gesamten Domanialbesitzes der Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha wegen Widerspruchs gegen die Eigentumsgarantie des Artikels 153 der Weimarer Reichsverfassung aufhob und somit dem Herzog seinen gesamten umfangreichen Land- und Forstbesitz wieder zuerkannte.

Das Volksbegehren im Frühjahr 1926

Der Anstoß für ein Volksbegehren zur entschädigungslosen Fürstenenteignung kam von der im Sommer 1925 entstandenen kleinbürgerlichen Protestbewegung der Inflationsgeschädigten, die sich insbesondere durch ein Urteil über eine 33%-ige Aufwertung einer Papiermarkrente des Großherzogs von Sachsen-Weimar provoziert sah und forderte, Fürstenabfindungen auf den Aufwertungssatz für Kriegsanleihen (2,5 %) zu begrenzen. Dieses Ziel geriet jedoch bald gegenüber dem radikalen Programm der KPD ins Hintertreffen, die hier die Chance sah, für sie sonst nicht ansprechbare Kreise für einen ersten Schritt zur vollständigen Umwälzung der Eigentumsverhältnisse zu gewinnen. Gegenüber der eher zögerlichen SPD und um den Preis des Rückzugs einiger ursprünglicher Mitinitiatoren aus dem linksliberal-pazifistischen Lager, etwa Ludwig Quidde (1858-1941), setzten die Kommunisten die Forderung nach einer entschädigungslosen Enteignung nicht nur der umstrittenen Kron- und Hausvermögen, sondern auch des reinen Privateigentums der Angehörigen ehemals regierender Häuser als Inhalt des Volksbegehrens durch. Reichsweit 35,5 % der Wahlberechtigten unterschrieben vom 4. - 17. März 1926, was etwa einer Zahl von 12,5 Millionen Wählern entsprach - etwa zwei Millionen mehr, als bei den Reichstagswahlen im Dezember 1924 für SPD und KPD gestimmt hatten. In Bayern ergab sich mit 16,8 % die (nach dem Zwergstaat Waldeck) zweitniedrigste Beteiligung; auch hatten hier die Linksparteien nur 82,4 % ihrer Wähler vom Dezember 1924 mobilisieren können.

Der Volksentscheid am 20. Juni 1926

Beim Volksentscheid am 20. Juni 1926 gewann der Gesetzentwurf des Volksbegehrens nicht die verfassungsrechtlich erforderliche Zustimmung der absoluten Mehrheit der knapp 40 Millionen Wahlberechtigten. Etwa 14,5 Millionen Wähler stimmten mit "Ja", gut 1,1 Millionen mit "Nein" oder gaben ungültige Stimmzettel ab. Die Gegner des Volksbegehrens - darunter die BVP und die beiden Kirchen - hatten dazu aufgerufen, der Abstimmung fernzubleiben, was faktisch einem "Nein" gleichkam. In Bayern ergab sich die niedrigste Zustimmungsquote aller Länder. SPD und KPD konnten zwar diesmal ihr Potential voll ausschöpfen; es gelang ihnen aber auch jetzt nicht, in nennenswertem Ausmaß links-bürgerliche Wähler zu gewinnen. Der Anteil der Ja-Stimmen im rechtsrheinischen Bayern betrug 21,5 % bei erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Regierungsbezirken - zwischen 11,5 % in Niederbayern und 31,4 % in Mittelfranken. Selbst in der Pfalz aber, wo die Linksparteien deutlich stärker waren als im rechtsrheinischen Bayern, blieb die Zustimmung mit 32,9 % deutlich unter dem Reichsdurchschnitt von 36,4 %.

Bewertung und Folgen

Die im reichsweiten Vergleich sehr niedrige Zustimmungsquote in Bayern war nicht nur der starken monarchistischen Strömung im Lande, sondern auch dem selbst in Kreisen gemäßigter Republikaner hohen Ansehen des Hauses Wittelsbach sowie der bereits 1923 in friedlicher Weise abgeschlossenen Vermögensauseinandersetzung zu verdanken. Die niedrige Beteiligung am Volksbegehren belegt, dass selbst ein Teil der SPD-Wähler in Bayern kein Bedürfnis für das von der Parteiführung propagierte radikale Vorgehen erkennen konnte. Landespolitisch schadete der SPD die Unterstützung des Volksbegehrens, da sich der Gegensatz zur BVP vertiefte. Diese wiederum hielt - anders als im Reich - weiter an einer Bürgerblockregierung unter Beteiligung der DNVP fest.

Literatur

  • Otmar Jung, Volksgesetzgebung. Die "Weimarer Erfahrungen" aus dem Fall der Vermögensauseinandersetzungen zwischen Freistaaten und ehemaligen Fürsten. 2 Bände, Hamburg 1990.
  • Otmar Jung, Direkte Demokratie in der Weimarer Republik. Die Fälle "Aufwertung", "Fürstenenteignung", "Panzerkreuzerverbot" und "Youngplan", Frankfurt 1989.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Fürstenabfindung oder Fürstenenteignung? Der Kampf um das Hausvermögen der ehemals regierenden Fürstenhäuser im Jahre 1926 und die Innenpolitik der Weimarer Republik, in: Günther Schulz/Markus A. Denzel (Hg.), Deutscher Adel im 19. und 20. Jahrhundert. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 2002 und 2003 (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 26), Sankt Katharinen 2004, 261-285.
  • Thomas Kluck, Protestantismus und Protest in der Weimarer Republik. Die Auseinandersetzungen um Fürstenenteignung und Aufwertung im Spiegel des deutschen Protestantismus (Europäische Hochschulschriften. 23. Reihe: Theologie 583), Frankfurt am Main 1996.
  • Ulrich Schüren, Der Volksentscheid zur Fürstenenteignung 1926. Die Vermögensauseinandersetzung mit den depossedierten Landesherren als Problem der deutschen Innenpolitik unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Preußen (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 64), Düsseldorf 1978.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Gerhard Immler, Volksabstimmung "Entschädigungslose Fürstenenteignung", 1926, publiziert am 27.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Volksabstimmung_"Entschädigungslose_Fürstenenteignung",_1926> (28.03.2024)