Trockenlegung des Erdinger Mooses
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Claudius Stein und Florian Sepp
Das rund 24-25 qkm große Niedermoorgebiet im Nordosten von München blieb von großflächigen Trockenlegungsmaßnahmen lange Zeit verschont und wurde als Weidefläche und Jagdgebiet genutzt. Erst seit 1825/30 erzielte die Kultivierung mit der Anlage erster Siedlungen (Hallbergmoos) und durch Torfstich nennenswerte Erfolge. Die weitgehend von Genossenschaften getragene Entwässerung in den Jahren von 1850 bis 1930 fand ihren Abschluss mit der Anlage des Mittleren Isar Kanals (1920-1929). Einige der damals entstandenen Mooskolonien wurden ab 1969 für den Neubau des Flughafens München wieder abgesiedelt.
Lage, Ursprung, Name
Das Erdinger Moos ist ein 24-25 qkm großes Niedermoorgebiet am Nordrand der Münchner Ebene. Wie auch das Freisinger und Dachauer Moos westlich der Isar entsteht es, da dort der unter der Münchner Ebene fließende Grundwasserstrom an die Oberfläche tritt. Der Name "Erdinger Moos" - Moos ist die bairische Bezeichnung für Moor - ist erst seit dem 19. Jahrhundert in Gebrauch und hat die ursprünglichen Namen "Isarmoos", "Freisinger Moos" oder "Erding-Freisinger-Moos" abgelöst. Bis 1802/03 gehörte der westliche Teil des Mooses zum Hochstift Freising, der östliche zum Herzogtum, ab 1623 Kurfürstentum Bayern (Pfleggerichte Wolfratshausen und Erding).
Nutzung bis um 1800
Obwohl erst im 19./20. Jahrhundert trockengelegt, war das Erdinger Moos auch schon vor 1800 keine unberührte Naturlandschaft. Bereits 750 ist die Nutzung des Mooses als Weidefläche in den Freisinger Traditionen dokumentiert. In der Frühen Neuzeit besaßen zahlreiche, auch entfernter gelegene Gemeinden das Recht zur Viehweide und Streugewinnung im Moos.
Die Freisinger Fürstbischöfe, die in Ismaning (Lkr. München), Erching und Birkeneck (beide Lkr. Freising) Schlösser besaßen, nutzten das Erdinger Moos als Jagdgebiet.
Entwässerungsversuche bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
Der erste Versuch, das Moor zu entwässern, datiert von 1567, als Freisinger Bürger im hochstiftischen Teil des Mooses einen Entwässerungsgraben vom späteren Birkeneck aus zur Isar anlegten. Da sie damit die bischöflichen Jagdreviere beeinträchtigten, wurde ihr Vorhaben rasch unterbunden. Einige Anrainergemeinden, vor allem Moosinning, entwässerten kleinere Moorteile am Rande des Mooses.
Größer angelegte Versuche unternahmen ab 1700 die Freisinger Fürstbischöfe. Fürstbischof Johann Franz Eckher von Kapfing und Liechteneck (1649-1727, reg. 1696-1727) ließ ab 1701 einen Entwässerungsgraben, die heutige Goldach, anlegen und nach dessen Fertigstellung von 1706 bis 1708 auf einer der wenigen Schotterterrassen im Moos Schloss und Schwaige Birkeneck erbauen. Ab 1764 wurden Moorgebiete im hochstiftischen Gebiet in größerem Umfang in Privatbesitz umgewandelt und kultiviert.
Inspiriert von aufgeklärter Reformpolitik wollte Ende des 18. Jahrhunderts der Erdinger Landrichter Johann Nepomuk Joseph Freiherr von Widnmann (1738-1807) das "unnütze" und "gesundheitsschädliche" Moor trockenlegen, beginnend im Raum Moosinning, Notzing, Oberding und Schwaig. Bei Schwaig errichtete er 1789 eine erste Torfstecherei mit einem angegliederten Ziegelbrennofen. Dieser Staatsbetrieb ging allerdings 1806 wieder ein.
Insgesamt blieben die Bemühungen der Reformepoche an der Schwelle des 19. Jahrhunderts um die großflächige Trockenlegung des Erdinger Mooses aber erfolglos. Weder das 1805 vorgelegte Trockenlegungsprojekt von Adrian von Riedl (1749-1809) oder Pläne der Moosanrainergemeinden, die bisher gemeinschaftlich genutzten Moosgründe (Allmende) zu entwässern, hatten Erfolg.
Intensiviere Nutzung ab 1825
Erst Mitte der 1820er Jahre erfuhr das Erdinger Moos wieder größeres Interesse. 1825 erwarb Karl Theodor Maria Hubert von Hallberg-Broich (1768-1862), ein als "Eremit von Gauting" bekannter Sonderling, das Schloss Birkeneck und gründete in dessen Nähe eine planmäßig angelegte Moorkolonie, die 1829 den Namen "Hallbergmoos" erhielt. Aufgrund der "Humustheorie", die davon ausging, dass der Moorboden nur entwässert werden müsste und dann fruchtbar sei, waren die Parzellen für die neu angesiedelten Kolonisten viel zu klein bemessen.
Anstatt von der Landwirtschaft lebten daher die Bewohner von Hallbergmoos fast ausschließlich von der Ausbeutung der Torfvorkommen, die ab 1830 wieder einsetzte. Den Ausschlag dazu gab der Besitzer von Schloss Erching, Joseph von Utzschneider (1763-1840), ein bereits unter Karl Theodor bewährter Fachmann für Fragen der Landeskultur. Das Gros des geförderten Rohstoffes verbrauchten die großen Brauereien und Ziegeleien (vor allem aus München, Erding und Freising); diese hatten über das Moos verteilt eine Reihe von Schwaigen gegründet: Daurerschwaige, Elefantenschwaige, Ferstlschwaige, Grünschwaige, Haggenmüllerschwaige, Klösterlschwaige, Postschwaige, Pschorrschwaige (heute: Eichenried), Trindlschwaige.
Die endültige Trockenlegung 1850-1920
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden durch Genossenschaften die Wasserverhältnisse endgültig reguliert. Dazu sollte nacheinander jede Gemeindeflur entwässert werden. Den Anfang machte die 1845 begründete "Kulturgenossenschaft rechts der Isar" (Name seit 1856). Ab 1880/90 waren durch flächendeckenden Einsatz von Kunstdünger, einer Erfindung Justus von Liebigs (1803-1873), auch auf dem Moorboden gute Ernteerträge möglich.
Auf den trockengelegten Flächen entstanden daher Ausbausiedlungen der Moosanrainerorte, wie Eittingermoos, Hinteres und Vorderes Finsingermoos, Notzingermoos, Moosinningermoos (1922: Eichenried), Oberneuchingermoos oder Oberdingermoos. Den Bemühungen der über 60 Entwässerungsgenossenschaften sowie der ab 1900 eingerichteten staatlichen Landesanstalt für Moorwirtschaft ist es zuzuschreiben, dass die Trockenlegung des Erdinger Mooses im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen war. Der 1920-1929 erbaute Mittlere-Isar-Kanal senkte den Grundwasserspiegel im Erdinger Moos nochmals entscheidend ab.
Folgen
Die Entwässerung hatte erhebliche ökologische Auswirkungen, da der Boden nach der Anlage des Mittleren-Isar-Kanals zu stark austrocknete. Die Folge waren unter anderem Staubstürme, die ab den 1930er Jahren bis Anfang der 1960er Jahre beobachtet wurden. Erst als verstärkt Grünlandwirtschaft betrieben und Sonderkulturen (Gemüse) eingeführt wurden, besserte sich die Situation. Auch die Zunahme der Waldflächen trug zum Ende der Winderosion bei.
1960 beschloss der Erdinger Kreistag, die verbliebenen Mooswälder, Streuwiesen und Torfstiche unter Naturschutz zu stellen. Zur Ausweisung eines Schutzgebiets kam es jedoch nicht mehr, da seit 1963 das nur dünn besiedelte Gebiet als möglicher Standort des neuen Großflughafens München galt.
Der 1969 beschlossene Bau, dem u. a. die Mooskolonie Franzheim zum Opfer fiel, begann 1980 und war nach einigen Unterbrechungen Anfang der 1990er Jahre abgeschlossen (Inbetriebnahme 17. Mai 1992). Begleitet wurde der Bau des Flughafens von massiven Protesten der Umweltbewegung, die den Flächenverbrauch und die Zerstörung der letzten Reste der Moorlandschaft kritisierte.
Vergleichende Einordnung
Das Erdinger Moos war nur eines von zahlreichen Moorgebieten Südbayerns, die seit dem späten 18. Jahrhundert kultiviert wurden. Den Anfang machte die Entwässerung des Donaumooses 1790-1793 mit der Gründung von Karlskron, Karlshuld, Neuschwetzingen, Ober- und Untermaxfeld. 1802 folgten dann die Siedlungen im Dachauer Moos (Karlsfeld, Ludwigsfeld und Augustenfeld) und Großkarolinenfeld bei Rosenheim, 1803 die Kolonien im Loisachmoos (Maxkron, Maxlried). Die großflächige Entwässerung des Erdinger Mooses setzte demgegenüber erheblich später ein, wurde weitgehend von privater und genossenschaftlicher Initiative getragen und führte auch nicht zur großflächigen Anlage von Plansiedlungen.
Literatur
- Hans Oskar Diener, Geschichte der Besiedelung und Kultivierung des Erdinger Mooses (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 7), München 1932.
- Hans Fehn, Das Land Bayern und seine Bevölkerung seit 1800, in: Max Spindler (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Vierter Band: Das Neue Bayern 1800-1970. Zweiter Teilband, München 1979, 647-708, hier 688-693.
- Helmut Karl, Das Erdinger Moos. Eine lanschaftsökologische und -gestalterische Studie, Diss. masch. München 1965.
- K. Ruppert, Erdinger Moos, in: Topographischer Atlas Bayern, München 1968, 244-245 (Karte 117).
- Claudius Stein, Mooskultivierung gegen Ende des 18. Jahrhunderts - Personen und Hintergründe, in: Chronik der Gemeinde Oberding. 2. Bände, Birkeneck 2000, 72-82.
Weiterführende Recherche
Empfohlene Zitierweise
Florian Sepp/Claudius Stein, Trockenlegung des Erdinger Mooses, publiziert am 07.11.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Trockenlegung_des_Erdinger_Mooses> (12.12.2024)