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Deutsche Landsmannschaft (DL), 1868-1938

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Denkmal für gefallene Bundesbrüder der Deutschen Landsmannschaft in Coburg, Einweihung 25. Mai 1926. (Privatbesitz)
"Ehrenmal für die im Weltkrieg 1914-1918 gefallenen Coburger Landsmannschafter". Zeitgenössische Postkarte. (Privatbesitz)

von Ulrike Claudia Hofmann

Unter dem traditionellen Namen Landsmannschaften gründeten sich seit den 1830er Jahren universitäre Studentenverbindungen, die in der "Deutschen Landsmannschaft" (DL) als Dachverband organisiert waren. Tagungsort der Deutschen Landsmannschaft war seit 1873 Coburg. Prägten zunächst politische und religiöse Toleranz die Landsmannschaften, führte ein stetiger Rechtsruck 1894 zur Durchsetzung eines neuartigen, rassistisch geprägten Antisemitismus. Dieser Trend setzte sich während der Weimarer Republik nicht nur fort, sondern gipfelte in einer frühen ideologischen und personellen Verflechtung der Korporationen der DL mit den Nationalsozialisten. Im Jahr 1938 endete die Geschichte der DL. Ihre Bünde schlossen sich 1951 mit den Turnerschaften zum "Coburger Convent" zusammen.

Die Anfänge der Studentenverbindungen

Landsmannschaftlich verfasste studentische Zusammenschlüsse existierten bereits an den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Universitäten. Seit den 1790er Jahren mussten sie neuen Organisationsformen, sog. "Corps", weichen. Corpsstudenten gründeten auch 1815 in Jena die erste deutsche Burschenschaft. Burschenschaften entstanden bis 1818 an fast allen deutschen Universitäten außerhalb Österreichs.

Die Gründung der "Deutschen Landsmannschaft" (DL)

Neben den Corps und Burschenschaften gründeten sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts neue Verbindungstypen, wie beispielsweise die Sängerschaften, die Turnverbindungen oder die katholischen Bünde. Daneben konstituierten sich seit den 1830er Jahren an zahlreichen Universitäten auch in Bayern neue Studentenverbindungen, die sich bewusst von den Corps abgrenzten und auf den alten Namen "Landsmannschaften" zurückgriffen. Im Jahr 1868 schlossen sie sich in Kassel zu einem gemeinsamen Dachverband, dem "Allgemeinen deutschen Landsmannschafter-Convent", zusammen, der sich 1872 den neuen Namen "Coburger LC" gab. Er tagte ab 1873 jährlich in der heute zu Oberfranken gehörenden Residenzstadt Coburg – einem Zentrum der deutschen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert. Im Jahr 1908 benannte sich der Verband in "Deutsche Landsmannschaft" (DL) um. Die Landsmannschaften zählten somit nicht zu den traditionellen Korporationstypen, konnten jedoch als schlagende Verbindungen aufgrund ihrer Grundprinzipien für eine breite Schicht von Studenten offen stehen. Denn weder politische Ansichten oder gesellschaftliche Herkunft noch die Konfession sollten einer Mitgliedschaft entgegenstehen.

Die Radikalisierung der DL

Seit den 1880er Jahren war ein von Antisemitismus begleiteter Rechtsruck in den konfessionell nicht gebundenen deutschen Studentenverbindungen zu verzeichnen, die sich mit dem Scheitern der Revolution von 1848/49 zu einer tragenden Säule des Obrigkeitsstaates in Deutschland entwickelt hatten. Auch die Landsmannschaften verschlossen sich dieser Entwicklung nicht. Bis in die 1890er Jahre spielte die Religion bei der Aufnahme in eine Landsmannschaft keine Rolle. Doch seit einem entsprechenden Beschluss am 14. Mai 1894 auf dem Landsmannschafterkongress in Coburg verwehrte man Juden die Aufnahme und fasste die Judenfrage explizit nicht als religiöse, sondern als Rassenfrage auf. Mit diesem "Arierparagraphen" setzte sich nun ein neuartiger Rassenantisemitismus durch.

Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg

Fast alle Verbindungen waren in den ersten Wochen und Monaten nach Kriegsende bereit, in der Weimarer Demokratie mitzuarbeiten. Doch schon 1919 wurde deutlich, dass die Mehrheit der Korporationen das neue politische System ablehnte und teilweise ins deutsch-völkische Lager abdriftete. Dieser erneute Rechtsruck ergriff vehement die "Deutsche Landsmannschaft".

Mitte der 1920er Jahre errichtete die DL in der Tagungsstadt Coburg ein Denkmal für ihre gefallenen Bundesbrüder, dessen Grundsteinlegung 1925 erfolgte und das pünktlich zum Pfingstkongress 1926 fertig gestellt wurde.

Die jährlich am Landsmannschafter-Denkmal in Coburg gehaltenen Reden zeigen sehr deutlich, wie das Gedankengut der jungen, aufstrebenden völkischen Bewegung um die Nationalsozialisten die DL in den Bann zog: Vor allem der nationale Ehrbegriff der Landsmannschaften, die Bedeutung des Vaterlandes sowie ihre antidemokratische Haltung und der Leitgedanke der Volksgemeinschaft bildeten eine große Schnittmenge zwischen DL und Nationalsozialisten. Daneben bestanden große Gemeinsamkeiten beim Antisemitismus: 1920 bestätigte die DL das bereits 1894 verhängte Aufnahmeverbot für "Rassejuden" noch einmal. Neben diesen ideologischen Berührungspunkten existierten bereits vor 1933 personelle Verflechtungen zwischen "Deutscher Landsmannschaft" und nationalsozialistischer Bewegung, da viele Angehörige der DL Mitglieder der NSDAP oder Funktionäre des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) waren.

Grenzen der Nazifizierung vor 1933

Trotz all dieser Gemeinsamkeiten war die organisatorische Nazifizierung der "Deutschen Landsmannschaft", ähnlich wie bei vielen anderen Korporationsverbänden, nur in Maßen erfolgreich: In Sachfragen zwar oft einig, wehrten sich die Korporationen dagegen, ihre Eigenständigkeit zugunsten der Nationalsozialisten abzugeben. Diese schwankten daher zwischen aggressiver Ablehnung der Verbindungen und halbherziger Kooperation.

Organisatorisches Pendant der NSDAP zu den Studentenverbindungen war der 1926 gegründete Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB), der sich bis 1931 bei den Hochschulwahlen zum Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) deutschlandweit zur stärksten politischen Kraft unter den Studenten entwickelte. Die schärfste Konkurrenz für den NSDStB stellten die Korporationen dar, die 1932/33 knapp 80 % aller männlichen Studierenden als ihre Mitglieder zählten, wozu noch knapp 200.000 Alte Herren hinzukamen, die in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erheblichen Einfluss ausübten.

Obwohl nur ein Drittel der Verbindungen gegen die Nationalsozialisten eingestellt und viele Verbindungsstudenten mit der nationalsozialistischen Weltanschauung übereinstimmten, standen zahlreiche Korporierte dem NSDStB skeptisch bis ablehnend gegenüber, da sie sich nicht durch die skrupellose Machtpolitik des NSDStB ihres Einflusses und ihrer Bedeutung in der Studentenschaft, ihrer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit berauben lassen wollten. Im Herbst/Sommer 1932 gründeten zahlreiche Verbände, darunter auch die DL, als Gegenpol zum NSDStB die "Hochschulpolitische Arbeitsgemeinschaft".

Die DL und Hitlers Machtergreifung

Mit Adolf Hitlers (1889-1945) "Machtergreifung" war die Vormachtstellung des NSDStB gegenüber den Korporationen zementiert. Es folgte eine Welle von Selbst-Gleichschaltungen einer Reihe von Verbindungen. Dennoch verlief die organisatorische Nazifizierung der "Deutschen Landsmannschaft" nicht reibungslos, da diese zunächst dem massiven Druck des NSDStB widerstand. Die enge personelle Verflechtung zwischen NSDAP bzw. NSDStB und der "Deutschen Landsmannschaft" erwies sich als Vorteil für die Nationalsozialisten. An die Spitze der DL wurde nach zähem Ringen ein langjähriges Mitglied der NSDAP gesetzt.

Als sich Mitglieder des Heidelberger Corps Saxo-Borussia im Mai 1935 über Hitlers Tischmanieren lustig machten, leitete dies das Ende aller Studentenverbindungen ein. Die Verbindungsstudenten sahen sich vor die Wahl gestellt, sich zwischen Korporation oder NSDStB zu entscheiden, wobei zukünftig nur noch NSDStB-Mitglieder Staatsstellen erlangen konnten. Ab Herbst 1935 löste sich eine Korporation nach der anderen selbst auf. An Pfingsten 1936 beschloss die DL, die aktiven Gliederungen aufzulösen. Im Jahr 1938 folgten die Alt-Herren-Verbände.

Gründung des Coburger Convents

Nachdem zunächst nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Chancen für eine Wiederbelebung des politisch diskreditierten deutschen Korporationswesens gering waren, wurden die Studentenverbindungen, u. a. vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts, sukzessive bis 1949 wieder erlaubt.

Für die Landsmannschaften der ehemaligen DL markierte das Kriegsende 1945 eine Zäsur. Zum einen schlossen sie sich nicht mehr alleine in einem Dachverband zusammen. Da sie schon in der Weimarer Republik intensiv mit den Turnerschaften zusammengearbeitet hatte, gründeten beide Korporationsarten zu Pfingsten 1951 den noch heute bestehenden "Coburger Convent (CC) der Landsmannschaften und Turnerschaften an deutschen Hochschulen". Zum anderen setzte der Coburger Convent die Erfahrungen der 1920er und 1930er Jahre in modifizierten Leitlinien des Dachverbandes um, womit er der neuen demokratischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland Rechnung trug.

Literatur

  • Harm-Hinrich Brandt/Matthias Stickler, "Der Burschen Herrlichkeit". Geschichte und Gegenwart des studentischen Korporationswesens (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 8), Würzburg 1998.
  • Ulrike Claudia Hofmann, Der Coburger Convent zwischen Tradition und Wandel, in: Region - Nation - Vision. Festschrift für Karl Möckl zum 65. Geburtstag, Bamberg 2005, 109-131.
  • Konrad H. Jarausch, Deutsche Studenten 1800-1970, Frankfurt am Main 1984.
  • Achim Lebert/Rupert Appeltshauser (Hg.), Ehre-Freundschaft-Vaterland. Geschichte des CC-Ehrenmals in Coburg mit einem Beitrag zur Geschichte des Denkmals Ernst II. (Die untere Anlage 16), Coburg 1993.
  • Thomas Schindler, Studentischer Antisemitismus und jüdische Studentenverbindungen 1880-1933 (Historia Academica 27), Nürnberg 1988.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Coburger Landsmannschafter-Verband (LC), Coburger Konvent

Empfohlene Zitierweise

Ulrike Claudia Hofmann, Deutsche Landsmannschaft (DL), 1868-1938, publiziert am 15.01.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutsche_Landsmannschaft_(DL),_1868-1938> (7.12.2024)