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Börse Augsburg

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Richard Winkler

Haus der Kaufleutestube gegenüber dem Rathaus. Dort fand ab den 1770er-Jahren der Börsenhandel statt. Nach dem Abriss des Gebäudes wurde auf dem erweiterten Areal 1828/30 ein neues Börsengebäude errichtet. Stich von Jakob Christoph Weyermann (1698-1757), 1741. (Städtische Kunstsammlungen Augsburg; Druck: Bayerisch-Schwäbische Wirtschaft 48/5 (1993), 9)

Seit 1276 sind Wechselgeschäfte in Augsburg nachgewiesen, ein wahrscheinlich börslich betriebener Handel mit Finanzwechseln seit 1459. Der Begriff "Börse" erscheint dagegen erst 1806. In der Mitte des 16. Jahrhunderts herrschte ein intensiver börsenmäßiger Wechselhandel, an dem auch Handelsstädte im heutigen Belgien, Italien und Österreich beteiligt waren. Der Niedergang der Augsburger Handelshäuser in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts infolge der Staatsbankrotte der spanischen Habsburger beeinträchtigte den Wechselbörsenbetrieb wohl nicht unerheblich. Für das 17. Jahrhundert fehlen dazu alle urkundlichen Nachrichten. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erscheint Augsburg für den Wechselhandel im süddeutschen Raum als zentraler Börsenplatz. Auf ihn unterhielten damals 18 deutschsprachige Handelsstädte öffentliche Wechselkursnotierungen. Seine Organisation oblag der seit 1479 bestehenden Kaufleutestubengesellschaft. Nach der Mediatisierung der Reichsstadt 1806 blieb die Börse auch weiterhin eine private Einrichtung des in der Kaufleutestubengesellschaft vereinigten Augsburger Handelsstandes. Nach deren Auflösung 1854 übernahm die Trägerschaft der „Verein des Augsburger Handelsstandes“, der 1868 vom „Augsburger Handelsverein“ abgelöst wurde. Während des gesamten 19. Jahrhunderts war die frühere Reichsstadt der wichtigste bayerische Wechselhandelsplatz, bis der Augsburger Wechselhandel 1896 eingestellt wurde. Der Aufstieg Münchens zum führenden Bankenplatz des Königreiches und zum Zentrum des bayerischen Geld- und Kreditmarktes ab den 1860er Jahren bescherte der Augsburger Börse einen rapiden Bedeutungsverlust und einen Abstieg zur Lokalbörse. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933, die im Zuge der forcierten Wirtschaftslenkung eine Konsolidierung des deutschen Wertpapiermarktes anstrebten, wurden zum 1. Januar 1935 zwölf der 21 Börsen im Reich zwangsweise aufgelöst. Darunter befand sich auch die Börse Augsburg.


Umschlagplatz für Wechselgeschäfte

Die wachsende Bedeutung Augsburgs als überregionales Handelszentrum ab dem 13. Jahrhundert bedingte gleichzeitig seine Funktion als Platz für den Wechselhandel. Der Wechselbrief als bargeldloses Kredit- und Transferinstrument im länder- und währungsübergreifenden Austausch war in Italien aufgekommen und etablierte sich rasch in ganz Europa. Als Wertpapier war der Wechsel handelbar, weshalb sich an zentralen Treffpunkten der Kaufleute bald ein organisierter und regelmäßig stattfindender börsenmäßiger Umschlag mit Wechselbriefen etablierte, wobei das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage die Herausbildung von Kursen bedingte.

Von Wechselgeschäften in Augsburg ist erstmals 1276 die Rede, als der Rat der Stadt öffentliche Makler (sogenannte Unterkäufel) bestellte, welche die Abwicklung besorgten und deshalb zur Erhebung von Gebühren berechtigt waren. Unklar bleibt dabei jedoch, ob dieser „Wechsel“ nicht nur den Umtausch von Münzgeldsorten bezeichnete oder aber bereits einen Handel mit Wechselbriefen im bargeldlosen überörtlichen Zahlungs-, Verrechnungs- und Kreditverkehr einschloss. 1459 sind Wechselgeschäfte im Augsburger „Weberhaus“ urkundlich belegt, die sehr wahrscheinlich als börslich betriebener Handel mit Finanzwechseln einzustufen sind. Die Bezeichnung „Börse“ für die von der Korporation der örtlichen Kaufmannschaft seit dem 15. Jahrhundert in unterschiedlicher Form und Intensität organisierte Handelsplattform erscheint in den Quellen erstmals 1806.

Umfangreicher Wechselhandel der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Aus den Jahren 1551 bis 1558 erhaltene „Unterkaufbücher“ belegen einen intensiven und umfangreichen börsenmäßigen Wechselhandel, der in der Augsburger Kaufleutestube abgewickelt wurde. Die Bücher verzeichnen insgesamt 435 beteiligte Kaufleute, Firmen und Privatpersonen. Die gehandelten Wechsel gingen in zentrale Wechsel- und Messestädte wie Antwerpen, Lyon, Frankfurt am Main, Wien, Venedig, Lucca, Mailand, Rom, Neapel, Genua, Nürnberg und Ulm. Unter den Händlern waren neben Augsburger Firmen weitere Handelsgesellschaften aus München, Memmingen, Nürnberg, Ulm und Straßburg. Der Umsatz an gehandelten Wechseln in den sieben Jahren lag bei umgerechnet etwa 1,6 Mio. rheinischen Gulden.

Zentraler Wechselplatz in Süddeutschland

Der Niedergang der Augsburger Handelshäuser in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts infolge der Staatsbankrotte der spanischen Habsburger beeinträchtigte den Wechselbörsenbetrieb wohl nicht unerheblich. Für das 17. Jahrhundert fehlen dazu alle urkundlichen Nachrichten. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erscheint Augsburg für den Wechselhandel im süddeutschen Raum als zentraler Börsenplatz. Auf ihn unterhielten damals 18 deutschsprachige Handelsstädte öffentliche Wechselkursnotierungen. Seine Organisation oblag der seit 1479 bestehenden Kaufleutestubengesellschaft. Der Börsenhandel fand zunächst in einem öffentlichen Kaffeehaus statt, ab den 1770er Jahren im Haus der Kaufleutestube gegenüber dem Rathaus. Die wechselfähigen Kaufleute trafen sich dort täglich mit den vereidigten Maklern, um Wechsel zu schließen und zu handeln. Zudem wurde dort ein wöchentlicher „Scontrotag“ zur gegenseitigen Abrechnung von Zahlungsverpflichtungen abgehalten.

Auf Platz vier der deutschen Wechselbörsen

Nach der Mediatisierung der Reichsstadt 1806 blieb die Börse auch weiterhin eine private Einrichtung des in der Kaufleutestubengesellschaft vereinigten Augsburger Handelsstandes, deren Mitglieder damals allein Zugang zur Handelsplattform hatten. 1830 bezog die Börse gegenüber dem Rathaus einen repräsentativen Neubau auf dem Areal der Kaufleutestube. Nach deren Auflösung 1854 übernahm die Trägerschaft der „Verein des Augsburger Handelsstandes“, der 1868 vom „Augsburger Handelsverein“ abgelöst wurde. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unterhielten 26 Handelsstädte öffentliche Wechselkursnotierungen auf den Börsenplatz Augsburg. Gemessen daran lag die Lechstadt nach Hamburg, Wien und Frankfurt am Main im deutschsprachigen Raum auf Platz vier der Wechselplätze und während des gesamten 19. Jahrhunderts an erster Stelle in Bayern. Bis in die 1830er Jahre hatte der Wechselhandel der Augsburger Börse eine europaweite Dimension. Er reichte bis nach Konstantinopel und umfasste Ungarn, Russland, Dänemark, Österreich, England, Italien, die Schweiz und die Niederlande. 1896 wurde der Wechselhandel an der Börse eingestellt.

Effektenhandel und Wandel zur Lokalbörse ab 1860

Ein Handel mit Staatsanleihen fand an der Augsburger Börse erstmals 1816 statt. Das Kursblatt von 1817 umfasste 6 bayerische und 3 österreichische Obligationen, daneben Hypothekenscheine und Lotterielose. Der Effektenhandel nahm ab den 1820er Jahren einen deutlichen Aufschwung. Der Standort Augsburg blieb deshalb trotz der 1830 erfolgten Gründung der Börse München der zentrale Börsenplatz in Bayern, zumal die Handelsplattform der Landeshauptstadt bis 1850 dreimal wöchentlich Kursnotierungen der Augsburger Börse übernahm und ihr somit nachgeordnet war. 1856 umfasste das Augsburger Kursblatt 45 Werte, davon 21 Staatspapiere (darunter 9 österreichische und 5 bayerische), 11 Industrie- sowie 13 Eisenbahn- und Bankaktien. Der Aufstieg Münchens zum führenden Bankenplatz des Königreiches und zum Zentrum des bayerischen Geld- und Kreditmarktes ab den 1860er Jahren bescherte dem älteren Börsenplatz dann aber einen rapiden Bedeutungsverlust und einen Abstieg zur Lokalbörse. Deren Handel beschränkte sich seither neben festverzinslichen Pfandbriefen und Staatsanleihen auf Dividendenpapiere von heimischen und von Augsburg aus beeinflussten Industrieunternehmen. Sie gehörten weit überwiegend dem Textilsektor an und waren ausschließlich an der Augsburger Börse notiert.

Schwache Umsatzentwicklung und Aufhebung der Börse 1935

Die Dominanz von Aktien lokaler Unternehmen erbrachte schon vor der Jahrhundertwende nur bescheidene Börsenumsätze, die zeitweilig kaum das Einkommen der beiden Kursmakler sicherten. Aus diesem Grund wurden bereits 1906 kritische Stimmen laut. Sie befürworteten eine Schließung der Augsburger Einrichtung und die Übertragung der dort gehandelten Werte an die Münchner Börse, konnten sich aber damals nicht durchsetzen. Die in den Inflationsjahren nach dem Ersten Weltkrieg wieder ansteigende Zahl der Emissionen verbesserte vorübergehend die Situation. In den drei ersten Quartalen des Jahres 1928 erreichte der Börsenumsatz 2,8 Mio. RM. Davon entfiel jeweils ein Drittel auf festverzinsliche Papiere, auf Textilaktien und auf sonstige Dividendenpapiere. Aufgrund der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise und den damit verbundenen Einschränkungen des Börsenhandels ab 1931 nahmen die finanziellen Probleme infolge der ungenügenden Umsätze wieder erheblich zu. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933, die im Zuge der forcierten Wirtschaftslenkung eine Konsolidierung des deutschen Wertpapiermarktes anstrebten, wurden zum 1. Januar 1935 zwölf der 21 Börsen im Reich zwangsweise aufgelöst. Die Augsburger Börse, deren Kurszettel neben Pfandbriefen und öffentlichen Anleihen zuletzt noch 17 Aktien heimischer Unternehmen umfasste, fusionierte mit der Münchner Einrichtung.

Literatur

Quellen

  • Friedrich Blendinger unter Mitarbeit von Elfriede Blendinger (Hg.), Zwei Augsburger Unterkaufbücher aus den Jahren 1551 bis 1558. Älteste Aufzeichnungen zur Vor- und Frühgeschichte der Augsburger Börse (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 18), Stuttgart 1994.
  • Bayerisches Wirtschaftsarchiv, V 16 (Augsburger Handelsverein).

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Richard Winkler, Börse Augsburg, publiziert am 14.12.2022, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Börse_Augsburg> (10.10.2024)