Hirschhorn, Adelsfamilie
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Seit 1270 belegte Familie ministerialischer Herkunft, die sich um Hirschhorn am Neckar im 14. und frühen 15. Jahrhundert eine eigene Herrschaft aufbaute. Unter Hans V. (1368-1410) wurden die Hirschhorn wichtige Gefolgsleute der pfälzischen Kurfürsten und waren seit 1413 pfälzische Erbtruchsesse. Im 16. Jahrhundert schloss sich die Familie der Reichsritterschaft an und führte in ihrem Herrschaftsgebiet die Reformation ein. 1632 starben die Herren von Hirschhorn aus.
Erster Vertreter: Johannes von Hirschhorn um 1270
Die Herren von Hirschhorn stammten aufgrund der markanten Überschneidung von Grundbesitz und Hoheitsrechten vermutlich von den benachbarten Herren von Steinach ab. Eine andere Theorie sieht in ihnen ehemalige Ministeriale des Reichsklosters Lorsch. In der Tat wurde Johannes von Hirschhorn als erster Herr von Hirschhorn offenbar noch der Ministerialität zugerechnet. Die Hirschhorner erscheinen allerdings erst spät, nämlich 1270 in der urkundlichen Überlieferung, als die Vermischung des Standesunterschiedes zwischen Edelfreien und Ministerialen längst eingesetzt hatte.
Stammsitz, Herrschaft, Herkunft, Wappen
Die Burg Hirschhorn (Lkr. Bergstraße, Hessen) wurde oberhalb des dünn besiedelten Nordufers des Neckars gegründet. Sie liegt gegenüber der Vorgängersiedlung Ersheim, in der es unbedeutenden Grundbesitz des Reichsklosters Lorsch gab. Die wichtigste Voraussetzung dieser relativ späten Herrschaftsbildung dürfte die im 13. Jahrhundert noch dünne Besiedlung der Region gewesen sein. Dennoch gibt es keine stringenten Hinweise auf Rodungstätigkeit seitens der Herren von Hirschhorn. Die erste Burg war eine annähernd quadratische, kleinräumige Anlage. Ihre Bausubstanz ging durch die Ausbauten der späteren Jahrhunderte weitgehend verloren.
Als Wappen führten die Hirschhorner stets eine rote Hirschstange im gelben Feld. Ihr Konnubium enthält einen hohen Anteil eindeutig edelfreier Geschlechter; dreimal gelang die Verschwägerung mit Grafenhäusern. Die Forschung stellte eine ansteigende Linie des Konnubiums bereits zur Zeit des Aufbaus der Herrschaft Hirschhorn unter Engelhard I. (1336-1361) fest. Sein gleichnamiger Sohn (1347-1383) war mit einer Schenkin von Erbach verheiratet. Ein Höhepunkt wird mit den Eheverbindungen der Generation seiner Enkel (Wildgrafen von Dhaun, Herren von Frankenstein, Herren von Kronberg) erreicht.
Die Hirschhorn im 14. Jahrhundert
Johannes von Hirschhorn starb jung und hinterließ drei Söhne. Inwieweit der Bau der Burg und die oben beschriebene Herrschaftsbildung tatsächlich von ihm abgeschlossen werden konnten, ist ungeklärt. Seinem Enkel Engelhard I. von Hirschhorn gelang ein fast beispielloser finanzieller Aufstieg mit dem Erwerb wichtiger Allode, Lehen und Pfandschaften. So kaufte er 1353 die linksrheinische Herrschaft Lindenberg (Lkr. Bad Dürkheim, Rheinland-Pfalz), 1355 die fränkische Herrschaft Bebenburg (bei Gerabronn, Lkr. Schwäbisch Hall, Baden-Württemberg) und 1360 die Burg Neckarelz (Stadt Mosbach, Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg). Auch trat Engelhard als Kreditgeber für Kaiser Karl IV. (1316-1378, reg. 1346-1378), den Erzbischof von Mainz und den Pfalzgrafen in Erscheinung. Einige seiner Erwerbungen verlor jedoch sein Sohn Engelhard II. in Fehden und Auseinandersetzungen wieder; dem Enkel Hans V. (1368-1426) von Hirschhorn gelang es dagegen, das Erbe des Großvaters wiederherzustellen und sogar zu vermehren.
Hans V.: Verbindungen zu den Pfälzer Kurfürsten, Residenzbildung
Hans V. begründete als Rat König Ruprechts (König 1400-1410) zugleich die enge Verbindung zu den benachbarten pfälzischen Kurfürsten. 1413 wurde Hans V. von Kurfürst Ludwig III. (Kurfürst 1410-1436) mit dem pfälzischen Erbtruchsessenamt belehnt, das bis zum Erlöschen der Hirschhorner im Jahre 1632 in der Hand der Familie bleiben sollte.
Bereits 1391 hatte Hans V. von König Wenzel (1361-1419, reg. 1376-1400) das Recht erhalten, die unterhalb der Burg Hirschhorn entstandene gleichnamige Siedlung zur Stadt zu erheben. 1403 erhielt er zudem die zerstörte Burg Zwingenberg (Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg) als pfälzisches Lehen und ließ sie in der Folgezeit neu errichten. 1406 gründete Hans schließlich am Steilhang unterhalb der Burg Hirschhorn ein Karmeliterkloster, das fortan als Familiengrablege diente.
Trotz einer durch die beschriebene Expansion ausgelösten finanziellen Krise im frühen 15. Jahrhundert konnten spätere Generationen den Umfang dieser Herrschaft mit ihrem kaum übersehbaren Streubesitz auch im linksrheinischen Gebiet im Wesentlichen erhalten. 1554 erwirkten die Hirschhorner ein kaiserliches Gerichtsstandprivileg, das ihre Zugehörigkeit zur Reichsritterschaft (Kanton Odenwald) bestätigte.
In der Frühen Neuzeit bis zum Aussterben 1632
Erste Ansätze zur Reformation gab es bereits unter Engelhard III. von Hirschhorn (1485-1530); das Hirschhorner Karmeliterkloster wurde jedoch erst nach 1543 unter Hans IX. (1510-1569) aufgelöst. Aus dem mittleren 16. Jahrhundert datieren bemerkenswerte, bisher erst wenig erforschte Ansätze zur Bildung überregional einheitlicher Verwaltungsstrukturen.
1632 erloschen die Herren von Hirschhorn mit dem Tode Friedrichs von Hirschhorn (1570-1632); die verschiedenen Lehensherren zogen die heimgefallenen Lehen ein. Burg und Stadt Hirschhorn fielen auf diesem Weg an Kurmainz, das dort die Gegenreformation einführte.
Archivische Überlieferung
Das Hirschhorner Burgarchiv kam über die kurmainzische Verwaltung zu großen Teilen nach Aschaffenburg und wird heute vom Staatsarchiv Würzburg verwahrt. Ein kleinerer Teil der schriftlichen Überlieferung befindet sich im Staatsarchiv Darmstadt.
Literatur
- Christina Kimmel, Hans V. von Hirschhorn im Dienst der Kurpfalz. Ein Ritter aus dem Neckartal am Heidelberger Hof im 14. und 15. Jahrhundert, Ubstadt-Weiher 1999.
- Eberhard Lohmann, Die Herrschaft Hirschhorn. Studien zur Herrschaftsbildung eines Rittergeschlechts (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 66), Darmstadt 1986.
- Gerd N. Meyer, Einige Anmerkungen zur Genealogie der Herren von Hirschhorn, in: Der Odenwald. Zeitschrift des Breuberg-Bundes 43 (1996), 93-94.
- Sigrid Schmitt, Zwischen frommer Stiftung, adeliger Selbstdarstellung und standesgemäßer Versorgung. Sakralkultur im Umfeld von Rittersitzen, in: Kurt Andermann (Hg.), Rittersitze. Facetten adeligen Lebens im Alten Reich (Kraichtaler Kolloquien 3), Tübingen 2002, 11-43.
- Thomas Steinmetz, Die Abstammung der Herren von Hirschhorn sowie die Entstehung ihrer Burg und Herrschaft, in: Geschichtsblätter für den Kreis Bergstraße 30 (1997), 40-55.
Quellen
- Die Weistümer und Dorfordnungen der Herrschaft Hirschhorn, Darmstadt 2001.
- Eberhard Lohmann, Das Lehnbuch des Ritters Georg von Hirschhorn. Edition und Erläuterung samt ergänzenden Urkunden, in: Archiv für hessische Geschichte und Alterthumskunde Neue Folge 54 (1996), 31-72.
- Walther Möller (Bearb.), Stamm-Tafeln westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter. 2. Band, Darmstadt 1933 (ND Neustadt an der Aisch 1966).
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Thomas Steinmetz, Hirschhorn, Adelsfamilie, publiziert am 27.10.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hirschhorn,_Adelsfamilie (10.10.2024)