Schlacht von Mühldorf, 1322
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Die am 28. September 1322 bei Mühldorf am Inn (bzw. Ampfing) geschlagene Schlacht entschied den seit 1314 andauernden Streit um die deutsche Reichskrone zugunsten Ludwigs des Bayern (reg. 1294-1347, König ab 1314). Der Wittelsbacher bezwang den Habsburger Gegenkönig Friedrich den Schönen (reg. als Gegenkönig 1314-1330), der mit einigen Gefolgsleuten in Gefangenschaft geriet und von Ludwig bis 1325 in Haft gehalten wurde. Legenden aus dem Umfeld der Schlacht wurden vor allem im Zeitalter der romantischen Geschichtsbetrachtung vielfach künstlerisch verarbeitet.
Quellenlage und Forschungsstand
Zu den frühesten chronikalischen Aufzeichnungen über die 1322 geschlagene Schlacht bei Mühldorf, die auch unter dem Namen "Die Schlacht bei Ampfing" (beide Lkr. Mühldorf) in die Geschichtsschreibung eingegangen ist, gehört eine Passage aus den Mattseer Annalen. Der älteste ausführliche Bericht stammt indes aus der Königsaaler Chronik des Peter von Zittau (gest. 1339) und ist folglich einer böhmischen Perspektive verpflichtet. Einen österreichischen Standpunkt gibt die gegen Ende der 1320er Jahre entstandene deutsche Erzählung wieder, die unter dem Titel "Der Streit von Mühldorf" überliefert ist. Die Partei Ludwigs des Bayern (reg. 1294-1347, König ab 1314) ergreift die "Fürstenfelder Chronik von den Thaten der Fürsten" (Chronica de gestis principum). Die gleichfalls bayerisch eingestellte "Chronik Kaiser Ludwigs IV." liefert zumindest ein Stimmungsbild der Schlacht. Kaiser Ludwig wohl gesonnen sind auch die drei bayerischen Fortsetzungen der sächsischen Weltchronik, die manch erhellende Details der Schlacht bereithalten. Ein umfangreiches Verzeichnis der 1319 und 1322 vom Erzbischof von Salzburg zur Ritterwürde Erhobenen erlaubt einen Einblick in die Zusammensetzung des österreichischen Heeres.
Anders als die Gammelsdorfer Schlacht von 1313 hat die Schlacht bei Mühldorf schon im 19. Jahrhundert große Aufmerksamkeit von der aufkommenden historisch-kritischen Geschichtswissenschaft erfahren. Sigmund Riezler (1843-1927) bot 1880 die Summe dieser Forschungen. Es war jedoch vor allem Wilhelm Erben (1864-1933), der mit einer Reihe von Quellenstudien über viele Jahre hinweg (1908, 1917, 1923, 1929 und 1932) die Kenntnis über die Mühldorfer Schlacht in mehrfacher Hinsicht erheblich vertieft hat. Ernst Rönsch griff 1933 die Frage nach dem genauen Schlachtort auf. Alphons Lhotsky (1903-1968) (1962, 1967) und Heinz Thomas (geb. 1935) (1993) gingen nicht wesentlich über Erben hinaus, wobei Thomas die spätmittelalterliche Chronistik zur Mühldorfer Schlacht im Sinne einer Heerkaiserideologie deutet. Demnach qualifizierte erst der siegreiche Feldherr zum kaiserlichen Amt.
Die Ursachen
Nach dem Tod Kaiser Heinrichs VII. (reg. 1308-1313, als Kaiser ab 1312), der am 24. August 1313 auf seinem Italienzug in der Nähe von Siena gestorben war, kam es am 19./20. Oktober 1314 in Sachsenhausen und Frankfurt zu einer Doppelwahl. Während Ludwig der Bayer die Stimmen von Peter von Mainz (reg. 1306-1320), Balduin von Trier (reg. 1307-1354), Markgraf Woldemar von Brandenburg (reg. 1308-1319), König Johann von Böhmen (reg. 1310-1335) sowie den Herzögen Johann II. (reg. 1302-1322) und Erich von Sachsen-Lauenburg (reg. 1285-1359/60) erhielt, votierten für den Habsburger Friedrich (reg. als Gegenkönig 1314-1330) Heinrich von Köln (reg. 1304-1322), Pfalzgraf Rudolf (reg. 1294-1317), Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg (reg. 1298-1356) und der böhmische Titularkönig Herzog Heinrich von Kärnten (reg. 1295-1335, als König von Böhmen und Titularkönig von Polen 1307-1310). Mit dieser Doppelwahl entbrannte der Thronstreit zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen, der sich nur noch mit Waffengewalt entscheiden ließ.
Die Schlacht
Die Habsburger verfolgten von Beginn an die Strategie, das Heer Ludwigs des Bayern in die Zange zu nehmen. Drei Truppenabteilungen machten sich deshalb auf den Weg nach Bayern in das Gebiet bei Mühldorf am Inn, einer territorialen Exklave des mit Österreich verbündeten Salzburger Erzbischofs. Friedrich selbst stieß zusammen mit seinem Bruder Heinrich (gest. 1327) und unterstützt von ungarischen Hilfstruppen über Passau nach Mühldorf vor. Eine südliche Gruppe bestand aus Truppen des Erzbischofs von Salzburg. Aus den vorderösterreichischen Landen sollte Friedrichs Bruder Leopold (reg. 1308-1326) vom Westen her mit einer weiteren Abteilung in das Kampfgebiet vorrücken. Ludwig der Bayer zählte neben seinen oberbayerischen Vasallen die niederbayerischen Truppen seiner Großneffen zu seinen Verbündeten. Dazu kamen einige Herren aus dem bayerischen Nordgau (Oberpfalz). Die prominentesten Bundesgenossen Ludwigs dürften jedoch der Burggraf Friedrich IV. von Nürnberg (reg. 1300-1332) und König Johann von Böhmen gewesen sein, letzterer begleitet von Bernhard von Schweidnitz-Jauer (reg. 1301-1326), einem der Herzöge von Schlesien, und einigen Herren aus der Grafschaft Luxemburg. Der böhmische Chronist Peter von Zittau schätzte auf bayerischer Seite 1800 Helme, auf österreichischer dagegen 1400, wobei die vom Westen her anrückende Heeresgruppe Leopolds nochmals 1200 umfasst haben soll.
Die Schlacht fand am 28. September 1322 wohl im Nordosten von Mühldorf beim Ort Erharting (Lkr. Mühldorf) statt – in einem Gelände, das von der Isen, einem Nebenfluss des Inns, durchflossen ist. Die Truppen Ludwigs des Bayern bezogen auf einer Anhöhe nördlich des Schlachtfeldes ihre Stellung; die Verbände Friedrichs des Schönen lagerten auf der Südseite. Das Gefecht zog sich ungewöhnlich lange, d. h. über mehrere Stunden, hin. Den Sieg für Ludwig erbrachte das späte Eingreifen des Nürnberger Burggrafen, der mit seinen Reservetruppen bis dahin im Hintergrund ausgeharrt hatte. Die ausgeruhten Männer des Burggrafen waren in der Lage, innerhalb kurzer Zeit die Entscheidung herbeizuführen.
Peter von Zittau berichtet von 1.100 Toten. Friedrich der Schöne, sein Bruder Heinrich sowie zahlreiche österreichische Ritter blieben allerdings am Leben und gerieten in Gefangenschaft. Heinrich gelangte in die Gefangenschaft Johanns von Böhmen. Friedrich wurde als Gefangener Ludwigs des Bayern auf die entlegene Burg Trausnitz (Lkr. Schwandorf) in der Oberpfalz verbracht, wo er bis 1325 in Haft gehalten werden sollte. Als die Nachricht von der Niederlage und Gefangenschaft Friedrichs den Bruder Leopold erreichte, sah sich dieser gezwungen, sich eilends in die österreichischen Vorlande zurückzuziehen. Zu den ungeklärten Fragen des Mühldorfer Aufeinandertreffens gehört, weshalb Friedrich der Schöne den offenbar von Ludwig dem Bayern angebotenen Termin für die Schlacht annahm, ohne auf die Verstärkung der durch seinen Bruder Leopold angeführten Soldaten zu warten.
Die Folgen
Auch wenn Ludwig sich 1322 bei Mühldorf nicht selbst als großer Feldherr oder Schlachtenlenker hervortun hatte können, schmälerte dies nicht im Geringsten seinen militärischen Erfolg. Der Sieg über seinen Thronrivalen brachte ihm die unangefochtene Königsgewalt im Reich ein. Mit seinem Triumph hatte Ludwig nicht nur das Haus Habsburg als Prätendenten um den Thron ausgeschaltet, sondern sich zugleich auch von der Einflusssphäre der Luxemburger emanzipiert, auf deren Unterstützung er künftig weit weniger angewiesen war. Solchermaßen in seiner herrschaftlichen Position gefestigt, konnte Ludwig nun daran gehen, seine schmale Machtbasis auszuweiten, was der Wittelsbacher dann mit Blick auf Brandenburg, Schwaben und die aufstrebenden Reichsstädte sehr bald konsequent zu betreiben begann. Das Haus Habsburg spielte auf der politischen Bühne für ein volles Jahrhundert keine Rolle mehr.
Die Mythologisierung der Schlacht
Um die Schlacht bei Mühldorf rankten sich allerhand Legenden. Beginnend mit der spätmittelalterlichen Chronistik hielten sie sich vielfach bis ins 19. Jahrhundert hinein. Im Zeichen romantischer Geschichtsbetrachtung wurden einige dieser Legenden künstlerisch, literarisch oder dramatisch verarbeitet – so etwa von Friedrich Schiller (1759-1805), Ludwig Uhland (1787-1862), Paul Heyse (1830-1914), Martin Greif (1839-1911), Wilhelm Lindenschmit der Ältere (1806-1848) oder Karl von Piloty (1826-1886). Im Zeitalter der konstitutionellen Monarchie waren es vor allem das wittelsbachische Königshaus wie die Münchner Bürgergemeinde, welche die Erinnerung an die Schlacht von 1322 in ihren Dienst nahmen. Besonderer Popularität erfreute sich der vermeintliche Feldherr Ludwigs des Bayern, dem der Wittelsbacher nach der gewonnen Schlacht für seinen treuen Einsatz gedankt haben soll mit den Worten: "Jedem Mann ein Ei, dem frommen Schweppermann aber zwei". Eine eigene Erwähnung verdient das Volksschauspiel "Ludwig der Bayer oder der Streit von Mühldorf" (Martin Greif), das von 1893 bis 1922 über sechs Spielzeiten hinweg mit großem Erfolg in Kraiburg am Inn (Lkr. Mühldorf) aufgeführt worden ist.
Literatur
- Urban, Bassi/Margit Kamptner, Studien zur Geschichtsschreibung Johanns von Viktring, Klagenfurt 1997, 100-108.
- Claudia Brinker-von der Heyde, Von manigen helden gute tat. Geschichte als Exempel bei Peter Suchenwirt, Bern u. a. 1987, 154.
- Die Schlacht bei Mühldorf. 28. September 1322. Ursachen, Ablauf, Folgen, hg. vom Heimatbund Mühldorf am Inn, Mühldorf am Inn 1993.
- Wilhelm Erben, Ein oberpfälzisches Register aus der Zeit Ludwigs des Bayern, München 1908.
- Wilhelm Erben, Mühldorfer Ritterweihen der Jahre 1319 und 1322, in: Veröffentlichungen des Historischen Seminars der Universität Graz 12 (1932), 1-107.
- Wilhelm Erben, Kriegsgeschichte des Mittelalters (Historische Zeitschrift. Beiheft 16), München 1929, 92-103.
- Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281-1358) (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1), Wien 1967, 271-280.
- Alphons Lhotsky, Österreichische Historiographie, München 1962, 45.
- Karl Borromäus Murr, Das Mittelalter in der Moderne. Die öffentliche Erinnerung an Kaiser Ludwig den Bayern im Königreich Bayern (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 156), München 2008.
- Roland Pauler, Friedrich der Schöne als Garant der Herrschaft Ludwigs des Bayern in Deutschland, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 61 (1998), 645-662.
- Ernst Rönsch, Beiträge zur Geschichte der Schlacht von Mühldorf, Leipzig 1933.
- Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282-1347). Kaiser und Ketzer, Regensburg 1993, 101-109.
- Hans Wagner, Salzburg im Spätmittelalter, in: Heinz Dopsch (Hg.), Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. 1. Band: Vorgeschichte, Altertum, Mittelalter. 1. Teil, Salzburg, 437-662, hier 468-469.
Quellen
- Walter Friedensburg (Übers.), Quellen zur Geschichte Kaiser Ludwig's des Baiern (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 1/3), Leipzig 1883, 75-82 (Die Fürstenfelder Chronik von den Thaten der Fürsten), 93-94 (Chronik von den Herzögen von Baiern), 111-112 (Das Leben Kaiser Ludwig's).
- Martin Greif, Ludwig der Bayer oder der Streit von Mühldorf. Vaterländisches Schauspiel in fünf Akten, Stuttgart u. a. 1891.
- Georg Leidinger (Bearb.), Bayerische Chroniken des 14. Jahrhunderts (Scriptores rerum Germanicarum in Usum Scholarum ex Monumentis Germaniae Historicis Seperatim Editi. Chronicae Bavaricae. Saeculi XIX), Hannover/Leipzig 1918, 92-99 (Chronica de gestis principum), 126-129 (Chronica Ludovici imperatoris quarti), 156-157 (Chronica de ducibus Bavariae).
- Ludwig Weiland (Bearb.), Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters (Monumenta Germaniae historica. Scriptorum qui vernacula lingua usi sunt 2), Hannover 1877, 337-338 (Sächsische Weltchronik, Zweite bairische Fortsetzung), 343 (Sächsische Weltchronik, Dritte bairische Fortsetzung).
Weiterführende Recherche
Externe Links
Verwandte Artikel
Schlacht bei Ampfing, Schlacht bei Erharting
Empfohlene Zitierweise
Karl Borromäus Murr, Schlacht von Mühldorf, 1322, publiziert am 18.10.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Schlacht_von_Mühldorf,_1322 (5.12.2024)