• Versionsgeschichte

Augsburg, Reichsstadt: Territorium und Verwaltung

Aus Historisches Lexikon Bayerns

(Weitergeleitet von Augsburg, Reichsstadt: Territorium und Verwaltung)

von Christof Paulus

Zwischen der Herrschaft der Wittelsbacher im Osten, der Dominanz der Habsburger im Westen und dem Herrschaftsbereich des Augsburger Hochstifts bzw. Domkapitels im Süden und Norden konnte die Reichsstadt Augsburg bis zum Ende des Alten Reiches kein größeres Territorium außerhalb der Stadtmauer aufbauen. Dennoch zeigt sich der Einfluss Augsburgs auf die umliegenden Regionen durch Spital- und Stiftungsbesitz und vor allem durch die Ausübung der Pflegschaft über Besitzungen umliegender Ämter und Herrschaften. Zudem erwarben in Augsburg ansässige Stifte, ebenso wie Bürger der Reichsstadt, Grundbesitz und Rechte im Umland. Im Verlauf des Spätmittelalters bildete sich ein komplexes, mehrschichtiges Ratssystem aus. Die ab 1368 gültige Zunftverfassung erlaubte die Ratsfähigkeit von den nun mit passivem wie aktivem Wahlrecht ausgestatteten Handwerkern. Ab etwa 1500 lässt sich eine Ausdifferenzierung des Augsburger Ämterwesens feststellen, dessen zentrale Bereiche das Einnehmeramt und das Bauamt bildeten. Die "Karolinische Regimentsordnung" von 1548 stellte die patrizische, vom Reichsoberhaupt abhängige Stadtherrschaft wieder her. Seit 1648 wurden die städtischen Ämter paritätisch mit Katholiken und Protestanten besetzt. 

Stadtgebiet: befestigte Stadt und Bild der Stadt

Der älteste Stadtplan von Augsburg wurde 1521 von Georg Seld (c. 1441-1526/27) geschaffen. Abb. aus: Steinhäusser, Augsburg in kunstgeschichtlicher, baulicher und hygienischer Beziehung, Augsburg 1902. (Universitätsbibliothek Augsburg 221/NS 2565 S822)
Stadtplan von Augsburg von Wolfgang Kilian (1581-1662) von 1626. Abb. aus: Steinhäusser, Augsburg in kunstgeschichtlicher, baulicher und hygienischer Beziehung, Augsburg 1902. (bavarikon) (Universitätsbibliothek Augsburg 221/NS 2565 S822)

Im Gegensatz zur zweiten großen süddeutschen Metropole der Frühen Neuzeit, Nürnberg, konnte die Reichsstadt Augsburg bis zum Ende des Alten Reiches kein nennenswertes Territorium außerhalb der Stadt aufbauen. Nachdem Mitte des 15. Jahrhunderts die Jakobervorstadt östlich des alten Stadtkerns in die Umwallung einbezogen worden war, blieb das eigentliche Stadtgebiet bis ins 19. Jahrhundert weitgehend unverändert in Größe (168 Hektar) und seiner markanten, durch das Stift St. Georg und das Kloster St. Ulrich als Eckpunkte gesetzten Gestalt. Zentrale Achse der Stadtentwicklung ist die Straße zwischen Dom und Stift (ab dem frühen 11. Jahrhundert Kloster) St. Ulrich. Seit dem späteren 10. Jahrhundert wird das Stadtgebiet zunehmend durch eine Klöster- und Stiftlandschaft strukturiert. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kamen Niederlassungen der Bettelorden hinzu als früheste Klöster der Franziskaner (1221) und Dominikaner (1225) in Deutschland. Nach Säkularisationen während der Reformationszeit erfolgte um 1600 eine weitere bedeutsame Klostergründungswelle, von denen die Jesuitenniederlassung (1582) stadtgeschichtlich am bedeutsamsten wurde.

Von der hochmittelalterlichen Befestigung des städtischen Areals (bzw. von Teilen davon) haben wir sporadisch Zeugnis seit dem späten 10. Jahrhundert. Die auch symbolische Bedeutung der Stadtmauer, welche einen eigenen Rechts- und Wehrraum markierte, spiegelt sich auf den Siegeldarstellungen seit dem ausgehenden Hochmittelalter. Der berühmte Seldplan (1521) in Tradition oberitalienischer Stadtansichten zeigt dann eine mit über 100 Türmen bestückte Stadtmauer und fasst Augsburg in Kategorien europäischer Großkommunen. In den Folgejahrzehnten gab es diverse Umbauten und Modernisierungen, die 1632 in der von den Schweden beauftragten Anlage von Ravelins gipfelten (womit allerdings nur begonnen wurde). Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) kam es zu verschiedenen Beschädigungen, die in einen letzten großen reichsstädtischen Ausbau von 1732 bis 1745 mündeten. Heute sind von der Stadtbefestigung trotz der Schleifung großer Teile nach der Aufhebung der städtischen Festungseigenschaft 1866 stattliche Abschnitte erhalten.

Eine wesentliche bildliche Quelle zur Rekonstruktion des städtebaulichen Wandels sind neben Detailansichten vor allem die seit dem 16. Jahrhundert in relativ dichter Folge erhaltenen Stadt- und Grundrisspläne. Der erwähnte Plan des Goldschmieds Jörg Seld (um 1448–1526/27) zeigt großformatig und in Schrägansicht die städtischen Gebäude. Große Eingriffe in die Gestalt der Stadt führten zu einer erneuten Vermessung, deren Ergebnisse 1602 im Kupferstich Verbreitung fanden. Prunkstück in einer reichen Kette ist dann der Stadtplan von 1626, den der Kupferstecher Wolfgang Kilian (1581–1662) auf acht Platten drucken ließ und der eine detailgenaue Ansicht des vermessenen Raumes wie der damaligen Sicht auf die Reichsstadt bietet. Nachdem Kilian abermals 1660 einen Stadtplan publizierte, ist von den Folgearbeiten vor allem ein Werk des Kupferstechers, Zeichners und Verlegers Matthäus Seutter (1678–1757) aus dem Jahr 1743 zu nennen. Insgesamt sind die Pläne auch wesentliche Quellen für die Technik- und Druckgeschichte der Reichsstadt.    

Viertel- und Drittelgliederung

Auf dem Stadtplan von Matthäus Seutter (1678-1757) ist die damalige Einteilung der Stadt in Viertel erkennbar. Abb. aus: Matthäus Seutter, Accurata recens delineata Ichnographia celeberrimae liberae Imperii Civitatis ac Sveviae Metropolis Augusta Vindelicarum Viris Per illustribus Dno. Ioanni A Stetten, Augsburg (um 1740). (bavarikon) (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Mapp. 76 a#74)

Wesentliche Struktureinheit wie auch in anderen Städten war die vor allem ab dem 16. Jahrhundert zu greifende Einteilung der Stadt in Viertel, die im Wesentlichen administrative (Stadttore, Organisation im Brandfall) und militärische Aufgaben zu übernehmen hatten und damit der Reichsstadt ein binnenhierarchisches System verliehen. Die acht Viertel – Heilig Kreuz, St. Georg, St. Stephan, Ober- (2), Mittelviertel (2), Jakobervorstadt – wichen während des Dreißigjährigen Krieges einer Drittelgliederung (St. Ulrich und Afra, St. Georg, St. Jakob). 1789 erfolgte abermals eine Untergliederung der Stadt in acht Bezirke.    

Territorialhoheit innerhalb und außerhalb der Mauern

Rolf Kießling (geb. 1941) hat in mehreren Studien das Wechselverhältnis von Stadt und Umland herausgearbeitet, das im Falle einer Wirtschaftsmetropole wie Augsburg besonders ausgeprägt war. Hierbei kam den nahen Orten Lechhausen, Meringerau und Hochzoll (zu Bayern) sowie Kriegshaber, Oberhausen, Pfersee (alle Markgrafschaft Burgau, heute alle Stadt Augsburg) eine besondere Rolle zu. Insgesamt zeigen sich reichsstädtische Möglichkeiten, über die Stadtmauer auszugreifen und Einfluss auf die umgebende Region zu nehmen, doch gelang der Ausbau eines größeren Territoriums bis zum Ende des Alten Reiches nicht. Allerdings konnten einige der in Augsburg ansässigen Stifte wie die Augustinerchorherren von St. Georg und Heilig Kreuz oder die adligen Damen von St. Stephan beträchtlichen Grundbesitz und Rechte im näheren und ferneren Umland erwerben. Hinzu kamen Bürger, die sich Grundbesitz kauften und zum Teil auch den Weg in Richtung Landadel nahmen. Berühmtestes Beispiel sind die Fugger, die sich eine stattliche Herrschaft in Mittelschwaben aufbauen konnten. Die Erwerbungen – mit Höhepunkt im 16. Jahrhundert – setzten sich bis zum Ende des Alten Reichs fort. Im näheren Umkreis Augsburgs waren die Langenmantel in Westheim oder die Stetten in Hammel und Aystetten (alle Lkr. Augsburg) begütert. Da sich Besitz- und politische Elite zuweilen deckten, waren Einflussnahmen auf das Umland auch auf diesem Wege möglich, wenngleich sich die familiären Interessen und solche des Gemeinwesens überlagerten.

Nicht auf Dauer gehalten werden konnte der Pfandbesitz auf die Herrschaft Schwabegg (1494–1500, 1504–1528) ebenso wie das von Kaiser Karl IV. (reg. 1346–1378, Kaiser ab 1355) 1359 gestattete Privileg, Bauern der umliegenden Dörfer zu besteuern. Versuche, die Stadtvogtei auszudehnen und sich dadurch ein reichsstädtisches Territorium außerhalb der Stadt aufzubauen, scheiterten zumeist nach kurzen Phasen, so bei der Straßvogtei zwischen Göggingen (Stadtteil von Augsburg) bis Schwabmünchen (Lkr. Augsburg) und der Reichspflege Wörth. Lediglich im Falle Gersthofen-Langweids (Lkr. Augsburg) kam es 1511 zu einem Ausgleich mit dem Domkapitel.

Grund für diese weitgehend erfolglosen Bemühungen war die Dominanz potenter Herrschaftsträger, im Osten der Wittelsbacher, im Westen Habsburgs sowie im Norden und Süden vor allem des Hochstifts bzw. Domkapitels. Aufgrund ihrer besonderen Lage entwickelte die Reichsstadt schon früh ein professionelles Boten- und Postwesen. Indirekte Einflussmittel boten sich der städtischen Oberhoheit über Spital- und Stiftungsbesitz, besonders durch das schirmherrschaftliche Instrument der Pflegschaft. So kontrollierten etwa die städtischen Pfleger den Finanzhaushalt des über reichen Grundbesitz und Herrschaftsrechte im Augsburger Umland verfügenden Heilig-Geist-Spitals (Obervogtämter Gabelbach [Gde. Zusmarshausen, Lkr. Augsburg], Mittelneufnach [Lkr. Augsburg], Täfertingen (Gde. Neusäß, Lkr. Augsburg), Vogtamt Lützelburg [Gde. Gablingen, Lkr. Augsburg], Ortsherrschaft Bannacker [Lkr. Augsburg]). Hierdurch gelang zwar nicht wie im Falle Nürnbergs eine territoriale Arrondierung, doch konnte der Rat Mitsprache bei den sich allmählich herauskristallisierenden Ortsherrschaften nehmen und bis zum Ende des Alten Reiches auch halten. Quellenbedingt wie methodisch lässt sich in diesem Fall der reichsstädtische Einfluss als indirekte Herrschaft aber oft nur schwer und zudem nur punktuell profilieren. 

Stadt-, Aus- und Pfahlbürger

Pfalbürger der Stadt Augsburg zwischen 1324 und 1369. (Gestaltung: Stefan Schnupp; Vorlage: Claudia Kalesse, Bürger in Augsburg. Studien über Bürgerrecht, Neubürger und Bürgen anhand des Augsburger Bürgerbuchs I (1288-1497), Augsburg 2001, 526.)

Zunächst als "Burgrecht" auf den herrschaftlichen Kern der Stadtburg bezogen und nach dem Stadtbuch von 1276 vom Vogt verliehen, verschliff sich der Raumbezug zunehmend, wobei der konstitutive Eid auf das Gemeinwesen erhalten blieb. Das "Burgrecht" wurde zum "Bürgerrecht". Um den beschworenen Kern von Treue-, Wehr- und Steueraufgaben legten sich weitere Pflichten (Mindestaufenthalt, Beisassenrecht, Erwerbsvoraussetzungen etc.). Voraussetzung seit der Reformation war die eheliche Geburt. Maßgebliche Instanz war seit dem Spätmittelalter der Rat, der auch hier zunehmend an einer Zentralisierung arbeitete. Die Verleihung selbst wurde durch Steuer- oder Baumeister vorgenommen. Möglichkeiten des Erwerbs waren Heirat, Erbe oder Erwerb, wobei die Höhe der Gebühr im Laufe der Jahrhunderte schwankte. Rechte der Bürger waren Schutz, Grundbesitz, gewerbliche Tätigkeit (Bürger mit geringen Vermögensverhältnissen waren vom Zunftzwang befreit) sowie Teilnahme am politischen Leben. Die reichsstädtische Geschichte ist von Versuchen des weltlichen Gemeinwesens durchzogen, den Weltklerus ins Bürgerrecht zu zwingen.

Über die Mauern hinaus griff die Reichsstadt durch das Rechtsinstitut der Pfahl- und Ausbürger. Diese wohnten außerhalb der Stadt, hatten aber das Bürgerrecht in unterschiedlicher Ausprägung, je nach Stand und Stellung (Geistlicher, religiöses Institut, Adliger). Für die Reichsstadt stellten die Ausbürger ein Instrument dar, ihren Einfluss auf das Umland auszudehnen. Da sich allerdings stets die Gefahr emanzipatorischer Tendenzen zeigte, suchte der Rat ab dem späten 15. Jahrhundert die Zahl der Ausbürger erfolgreich zu begrenzen. Die mit einer Sonderrechtsstellung verbundene Pfahlbürgerschaft – steuerlich-bürgerrechtliche Bindung an die Stadt - wurde bereits 1415 aufgehoben, nicht zuletzt wegen ständiger Querelen zwischen städtischen und ländlichen Herrschaften. Die Pfahlbürger gingen meist einem landwirtschaftlichen oder handwerklichen Gewerbe nach, siedelten im erreichbaren Umfeld der Stadt und weisen damit auch auf die Wechselbeziehung zwischen Stadt und Umland hin. Im Falle Augsburgs zeigt sich ein Schwerpunkt westlich des Lechs, wohinter sowohl wirtschaftliche (Marktstruktur des Raums) wie herrschaftliche Gründe (Präsenz der wittelsbachischen Teilherzogtümer im Osten) stehen. 

Ratsentwicklung

Eine der ältesten Darstellungen des Augsburger Rates findet sich in der Chronik des Sigismund Meisterlin (c. 1435-n. 1497). Auf dem Widmungsbild übergibt der Mönch dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt Augsburg seine Chronik. Abb. aus: Sigismund Meisterlin, Augsburger Chronik, Augsburg 1479-1481, fol. 12v. (bavarikon) (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 213)
Ratsstube des Augsburger Rathauses. Abb. aus: Salomon Kleiner, Das Prächtige Rath Hauß der Stadt Augspurg, Augsburg 1733, Taf. VI. (Bayerische Staatsbibliothek, Res/2 Bavar. 476 r)

Augsburg hatte wie andere Städte (etwa Bremen, Köln, Straßburg, Ulm) ein sog. mehrschichtiges Ratssystem. Erstmals 1257 in den Quellen als "consules" erwähnt, wechselte der (Zwölfer-)Rat zunächst jährlich. Ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert schieden nur zwölf Mitglieder aus, während die weiteren zwölf (des Alten Rats) zwölf neue Mitglieder kooptierten (Kleiner Rat). Aus ihnen wurden der Viererausschuss, aber auch die beiden Pfleger gewählt. Das Kollegialitätsprinzip wurde bis zum Ende des Alten Reichs, ab 1648 unter paritätischen Vorzeichen, weitergeführt. Aus der Bürgerschaft wählte der Kleine Rat den repräsentativen Großen Rat. Die ab 1368 gültige Zunftverfassung erlaubte die Ratsfähigkeit von den nun mit passivem wie aktivem Wahlrecht ausgestatteten Handwerkern. Die Zünfte bzw. deren Organe entsandten 17 Zunftmeister und 17 Zwölfer in den Großen Rat, zu denen sich die ebenfalls von den Zünften aus der Geschlechtergesellschaft gewählten 15 Herren gesellten, so dass sich eine Regelgröße des Großen Rates von 236 Mitgliedern ergab. Der Kleine Rat mit seinen 44 Mitgliedern setzte sich aus den 17 Zunftmeistern, 15 Herren und weiteren zwölf Vertretern (in der Regel der "großen" Zünfte) zusammen. Aus dem Kleinen Rat formierte sich ab 1436 der politisch entscheidende Dreizehner (je zwei Bürgermeister und Siegler, je drei Baumeister und Einnehmer sowie drei bzw. sechs Mitglieder aus dem Kleinen Rat). Daneben gab es noch den Alten Rat mit 26 Mitgliedern, der zusammen mit dem Kleinen Rat den Inneren Rat bildete, aus denen sich die Ratsämter rekrutierten.

Die personelle und quantitative Zusammensetzung der Ratsgremien erfuhr im Laufe des Mittelalters verschiedene Veränderungen. Besonders in Folge der innenpolitischen Auseinandersetzungen um den Stadtpfleger Ulrich Schwarz (1422–1478) kam es zu Veränderungen im legislative, exekutive und judikative Funktionen übernehmenden Selbstverwaltungsorgan des Rats, wodurch sich letztlich die Macht der "kleinen" Zünfte erhöhte. Insgesamt können die komplizierten administrativen Ausformungen als Spiegel der Stadtgeschichte gelesen werden. Zu einem Abschluss gelangten diese durch die Wiederherstellung der patrizischen, vom Reichsoberhaupt abhängigen Stadtherrschaft in der "Karolingischen Regimentsordnung" von 1548. Die Zünfte wurden als politische Genossenschaften abgeschafft. So setzte sich nun der Große oder Äußere Rat aus 300 Personen (44 Patrizier, 36 Mehrer = nichtpatrizische Mitgliedern der Herrenstube, 80 Kaufleute und 140 Vertreter der Gemeinde) zusammen. Ihm kamen nur mehr weitgehend repräsentativen Funktionen zu (zumal der Große Rat sich nach Ratsvotum rekrutierte). Der Innere oder Kleine Rat – den Alten Rat des Spätmittelalters gab es nicht mehr – umfasste 41 Mitglieder (31 Patrizier, drei Mehrer, ein Kaufmann, drei aus der Gemeinde; er wurde auf 45 im Jahr 1555 erweitert). Er war – vor allem im Geheimen Rat (sieben Mitglieder) – entscheidendes, Oligarchisierungstendenzen aufweisendes Organ nun auch in legislativer Hinsicht, leitete die Verwaltung und war Appellationsinstanz für das Stadtgericht.

Mit dem Westfälischen Frieden erfolgte eine Binnengliederung in einen katholischen und einen evangelischen Ratsteil, was bis zur Mediatisierung Bestand hatte. Am 4. März 1806 wurde der reichsstädtische Rat aufgelöst und ab Juli des Jahres übernahm ein königlich bayerischer Stadtmagistrat – zunächst provisorisch – die Regierungsgeschäfte. 

Reichsstädtisches Steuerwesen im Wandel

Die steuermeisterlichen Einnahmerechnungen, die in fast geschlossener Folge vom 14. bis ins 18. Jahrhundert vorliegen, sind eine der wichtigsten Quellen für die Stadtentwicklung und bieten sich für komparatistische Studien an. Da sie, wie auch in anderen Städten, die Topographie nachzeichnen, lassen sich aus ihnen binnendifferenzierte Aussagen zur sozialen Schichtung im Wandel der Zeiten ableiten. Der vom Großen Rat ab 1368 beschlossene Steuerfuß ermöglichte eine gewisse, auf die politischen Bedingungen eingehende Flexibiliät des reichsstädtischen Finanzwesens. Da das Ungeld als indirekte Steuer an das Reichsoberhaupt gebunden war, bildete sich die Vermögenssteuer als wichtigste reichsstädtische Einnahmequelle heraus. Diese war an das Gesamtvermögen sowie einen proportionalen Steuersatz gekoppelt, der bis zu einem geringen Mindestvermögen nur einen Einheitsbetrag, den "Habnit", forderte (bis 1472). Daraus entwickelte sich das Synonym für eine finanziell wie politisch unpotente Schicht ("Habnitse"). Ab Ende des Spätmittelalters wurde das Proportionalsystem eingeführt, wobei ab 1549 (und dies bis ins 18. Jahrhundert) die "Reiche Steuer" mit einem Pauschalbetrag von 600 fl. (ab 1602 750 f.) von der (beschworenen) Vermögensdeklaration befreite. Beim Anschlag wurde zwischen "fahrendem" und "liegendem Gut" (mit dem halben Wert versteuert) unterschieden. Gewerbliches Inventar war in der Regel - im Gegensatz zu Privatgegenständen - der Steuer unterworfen.

Neben der Vermögenssteuer trat ab 1472 eine von den Viertelmeistern einzubringende Kopfsteuer in Kraft, die in Krisenzeiten als Einnahmequelle diente. Auch hier – wie andernorts – wurde strikt zwischen Personen mit und ohne Bürgerrecht unterschieden, wobei letztere stärker belastet wurden. Ebenfalls zunächst den Vierteln übertragen war der Einzug des Wachgelds. Disziplinatorische Wirkung entfaltete die "Nachsteuer", die in Krisenzeiten die Aufgabe des Bürgerrechts an so hohe Zahlungen band, dass ein Wegzug unrentabel wurde. Geregelt wurde das Steuerwesen durch dicht überlieferte Ordnungen. Neben diesen "städtischen" Steuern sind die Reichssteuern zu erwähnen – in der Regel eine der verlässlicheren Finanzquellen für das Reichsoberhaupt. Bis auf das späte Hochmittelalter zurück geht eine zu entrichtende ordentliche Reichssteuer, zu der sich eine außerordentliche Reichssteuer gesellte, die auf reichsständischen Beschluss erfolgte und "zweckgebunden" (Rom-, Türkenzug, Hussitengefahr etc.) war. Die Reichssteuer wurde nahezu ausnahmslos in der Stadt eingezogen (also auch von ledigen Kindern, Gesellen, Mägden etc.).    

Stadtgericht

Die Gerichsstube des Augsburger Rathauses während einer Sitzung. Abb. aus: Salomon Kleiner, Das Prächtige Rath Hauß der Stadt Augspurg, Augsburg 1733, Taf. VII. (Bayerische Staatsbibliothek, Res/2 Bavar. 476 r)

Das Stadtgericht zeigt eine dem Rat vergleichbare Entwicklungsgeschichte. Wesentliche Wirkkräfte auf die Ausformung waren auch hier Spannungen innerhalb des städtischen Gemeinwesens. Letztlich verschob die "Karolingische Regimentsordnung" (1548) die Befugnisse des mit 16 Assessoren besetzten Gremiums hin zum Patriziat. Das Stadtgericht befasste sich mit allen bürgerlichen Rechtsfällen, sofern diese nicht unter den Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisteramts fielen. Ausgenommen waren die Hochstiftsimmunität, also Vikare, Domkapitel (und deren Besitz) und dessen weltliche Beamte, sowie die ebenfalls exemten, dem Hochstift inkorporierten Klöster (St. Stephan, St. Moritz, St. Georg, Heilig Kreuz, St. Katharina). Einen Sonderfall bildete das mächtige Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra, das endgültig 1643/1644 gegenüber dem Bischof Reichsstandschaft (Kuriatstimme) und Immediadität erringen konnte und dessen Freiung ebenfalls die Immunität sicherte. 

Ämterwesen

Die Reichsstadt Augsburg verfügte am Ende des Alten Reiches über ein differenziertes Ämterwesen mit ungefähr 120/130 Stellen. Ab etwa 1500 lässt sich eine Ausdifferenzierung in ein niederes/mittleres/höheres Ämterwesen bemerken, gebunden an die Qualität der Ordnungsfunktionen. Nicht der Realität entspricht die kolportierte Anzahl von 600 reichsstädtischen Posten, die ebenso zumeist aufklärerischer Polemik geschuldet ist wie das Vorurteil einer Stellenexplosion aufgrund paritätischer Besetzung ab dem Jahre 1648. Hier wurde lediglich konfessionell geteilt, bei ungerader Stellenzahl alterniert. Zentral für das Ämterwesen waren die Bereiche Einnehmeramt (z. B. Steuer, Ungeld, Hall, Getreideaufschlag) und Bauamt (Wasserbauten, städtische Gebäude, Hebammen etc.). Die Besetzung der Ämter erfolgte in der Regel durch den Kleinen Rat auf Lebenszeit bzw. bis zum Amtsverzicht, während die meisten sog. Stadtdienste vom jeweiligen Amtsinhaber angestellt wurden. Problematisch war eine gewisse Tendenz zur Verselbständigung der teilweise durchaus lukrativen Ämter in der Hand ihrer Träger, da eine zentrale Kontrolle fehlte.    

Politische Ikonographie und Stadterneuerung

Augsburgs (Verwaltungs-)Geschichte fand ihren architektonischen Spiegel im Stadtbild. Der Zenit der Handelsmacht bedingte eine Blüte der Kunst und symbolisierte Beziehungs-, Wert- und Orientierungssysteme. So wurden etwa 1512 bis 1515 am Weinmarkt die Fuggerhäuser errichtet, die sich an oberitalienischen "palazzi" orientieren. Um 1600 wurde die Stadt als Kunstwerk begriffen, und Augsburg erhielt zahlreiche neue öffentliche Bauten, Brunnen und Wehranlagen, die durch die druckgraphische Verbreitung einer produktionsstarken Augsburger Verleger- und Stecherlandschaft zeitgenössisch eine gewisse Berühmtheit erreichten und noch heute das Stadtbild prägen. Umstritten ist in der Forschung, ob von einem vor allem an die Meister Elias Holl (1573–1646), Hubert Gerhard (1540/1550–ca. 1620) und Adrian de Vries (1545/1556–1626) gekoppelten regelrechten "Stadterneuerungsprogramm" nach Ende der Epoche der Reichstage gesprochen werden kann, das von gewissen Kreisen des späthumanistischen Patriziats initiiert worden sei. Insgesamt wurde die Stadt durchzogen und strukturiert von einer administrativen Topographie: Stadtkanzlei, Zeughaus, Stadtmünze, Heuwaage, Getreideaufschlagamt, Gießhaus, Schranne oder Stadthallamt prägten das Gemeinwesen auch baulich. Man schuf Einzelräume, um die Ratsherrschaft und deren Ansprüche symbolisch zu visualisieren sowie die Stadt zu gliedern. Das zentrale Rathaus spiegelt in diesem Sinne das verwaltete Gemeinwesen.    

Reichsstädtisches Archiv und Quellenlage

Insgesamt hat die kommunale Überlieferung Augsburgs als eine der bedeutendsten in Deutschland zu gelten, da reichsstädtische Bestände (Stadtarchiv Augsburg) in nicht selten geschlossener Folge seit dem Spätmittelalter überliefert sind, z. B. Baumeisterrechnungen (ab 1320), Steuerrechnungen (ab 1346), Ratsprotokolle (ab 1392), Einnehmerbücher (ab 1462), Stadtgerichtsbücher (ab 1480), Ehegerichtsbücher (ab 1518) oder Bürgeraufnahmeakten (ab 1548). Zum Teil haben sich auch noch Reste der ehemaligen reichsstädtischen Archivschränke erhalten. Wichtige Bestände, darunter das "Geheime Archiv" mit der Urkundenüberlieferung ab dem Mittelalter, wurden in Schränken des Rathauses aufbewahrt, während andere Bestände in verschiedenen Räumlichkeiten gelagert wurden. Die dezidiert "reichsstädtische" Überlieferung setzt um etwa 1280 ein (etwa Strafbücher ab 1273, Stadtbuch 1276, Missivbücher 1280, Bürgerbuch 1288, ungebundene Akten 1290). Ab dem 14. Jahrhundert lässt sich auch zunehmend ein Registraturwesen der Ämter fassen. Das reiche Material ist in der Summe nur punktuell und für gewisse zeitliche Schwerpunkte (z. B. um 1500, 18. Jahrhundert) intensiver erschlossen. Neben den Beständen des Stadtarchivs sind vor allem noch Quellen des Staatsarchivs Augsburg, wo besonders die Überlieferung der geistlichen Institute zu nennen ist, sowie die Handschriften in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg von herausragender Bedeutung. 

Literatur

  • Ingrid Bátori, Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert. Verfassung, Finanzen und Reformversuche (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 22), Göttingen 1969.
  • Claus-Peter Clasen, Die Augsburger Steuerbücher um 1600, Augsburg 1976.
  • Gunther Gottlieb u. a. (Hg.), Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 1984.
  • Herbert Immenkötter/Wolfgang Wüst, Augsburg. Freie Reichsstadt und Hochstift, in: Anton Schindling/Walter Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650. 6. Band: Nachträge (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 56), Münster 1996, 8–35.
  • Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Köln/Weimar/Wien 2012.
  • Julian Jachmann, Die Kunst des Augsburger Rates 1588–1631. Kommunale Räume als Medium von Herrschaft und Erinnerung, München/Berlin 2008.
  • Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 19), Augsburg 1971.
  • Rolf Kießling, Die Stadt und ihr Land. Umlandpolitik, Bürgerbesitz und Wirtschaftsgefüge in Ostschwaben vom 14. bis ins 16. Jahrhundert (Städteforschung A 29), Köln/Wien 1989.
  • Mathias Franc Kluge, Die Macht des Gedächtnisses. Entstehung und Wandel kommunaler Schriftkultur im spätmittelalterlichen Augsburg (Studies in medieval and Reformation traditions 181), Leiden u. a. 2014.
  • Michael Ritter, Die Welt aus Augsburg. Landkarten von Tobias Conrad Lotter (1717–1777) und seinen Nachfolgern, Berlin/München 2014.
  • Jörg Rogge, Für den Gemeinen Nutzen. Politisches Handeln und Politikverständnis von Rat und Bürgerschaft in Augsburg im Spätmittelalter (Studia Augustana 6), Tübingen 1996.
  • Alfred Schröder, Die staatsrechtlichen Verhältnisse im bayerischen Schwaben um 1801, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 32 (1906), 134–220.
  • Katarina Sieh-Burens, Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zur sozialen Verflechtung der Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger 1518–1618 (Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg 29), München 1986.
  • Wolfgang Zorn, Augsburg. Geschichte einer europäischen Stadt, Augsburg 4. Auflage 2001.

Quellen

  • Michael Cramer-Fürtig (Hg.), Aus 650 Jahren. Ausgewählte Dokumente des Stadtarchivs Augsburg zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg 1156-1806, Augsburg 2006.

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Empfohlene Zitierweise

Christof Paulus, Augsburg, Reichsstadt: Territorium und Verwaltung, publiziert am 22.12.2017; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Augsburg,_Reichsstadt:_Territorium_und_Verwaltung (28.03.2024)