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Arnold & Richter Cine Technik GmbH & Co. Betriebs KG (ARRI)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Robert Richter und August Arnold mit ihren Kameras (1918). (Foto: ARRI)
Die Arriflex 35 von 1937 war die erste Spiegelreflex-Filmkamera weltweit. (Foto: ARRI)
Die ARRICAM aus dem Jahr 2001 war wegweisend für den Übergang von der klassischen Kameratechnik zur PC-gestützten Kameratechnik. (Foto: ARRI)

von Thomas Brandlmeier

Münchner Unternehmen, das seit 1917 Film- und Kinotechnik entwickelt. Anfangs selbst im Filmgeschäft tätig, wurde die Arnold & Richter Cine Technik GmbH & Co Betriebs KG (ARRI) zum Technikausstatter. 1937 ging die ARRIFLEX 35 in Serie; sie revolutionierte die Kameratechnik. Die technischen Leistungen wurden durch die Verleihung zahlreicher Oscars gewürdigt.

Vom Ladenbetrieb zur mittelständischen Filmfirma

August Arnold (1898-1982) und Robert Richter (1899-1972) interessierten sich schon als Schüler für das neue Medium Film. Sie lernten 1915 bei Hilfsarbeiten für den Münchner Filmpionier Martin Kopp (1875-1952), dessen Produktion sich in der Nordendstraße 45 befand, alle wichtigen Akteure dieser neuen Branche kennen. Sie gründeten 1917 die Firma Arnold & Richter Cine Technik GmbH & Co Betriebs KG (ARRI) in der Türkenstraße in München, wo die Firmenzentrale heute noch ansässig ist. Der Zwei-Mann-Betrieb wurde nach dem Ersten Weltkrieg rasch ein Unternehmen, welches das gesamte Spektrum der Filmindustrie vom Kopierwerk über Produktion und Verleih filmtechnischer Geräte aller Art bis zu Produktion und Filmverleih abdeckte. ARRI arbeitete Anfang der 1920er Jahre eng mit der Münchner Lichtspielkunst AG (Emelka) zusammen, schloss sich aber dem Konzern nie an. So profitierte ARRI vom Aufstieg der Emelka Anfang der 1920er Jahre, ohne gegen Ende der 1920er Jahre in deren finanzielle Probleme hineingezogen zu werden.

Filmproduktion und Filmtechnik

Ein Spezialgebiet von ARRI war anfangs die Produktion von Actionfilmen und "Isar-Western". Später produzierte man auch Tierfilme, Heimatfilme und Filme mit Karl Valentin (1882-1948).

Der Aufstieg von ARRI erfolgte aber durch erstklassige filmtechnische Entwicklungen. Mit der Kinarri-Reihe entstanden handliche Kameras für Amateure und Profis, die auch international verkauft wurden. Die Kopiermaschinen wurden laufend verbessert; Spiegelfacetten-Scheinwerfer wurden entwickelt und später zu Stufenlinsen-Scheinwerfern verbessert. Ein fahrbares Stromaggregat komplettierte den Verleihpark von ARRI.

Die Arriflex

August Arnold und sein Chefingenieur Erich Kästner (1911-2005) experimentierten seit 1932 an einer Kino-Spiegelreflexkamera. 1936 hatten sie den ersten Prototyp realisiert. 1937 wurde die serienreife Arriflex 35 auf der Leipziger Messe vorgestellt. Eine im 45-Grad-Winkel zur optischen Achse rotierende und spiegelnde Sektorenblende lenkte das aktuelle Filmbild in der Dunkelphase auf eine Mattscheibe, die mit einer Lupe betrachtet werden konnte. Der schwingungsfreie Lauf der Blende war dabei das größte technische Problem, das gelöst wurde. Das so erzeugte Dunkelphasen-Bild war mit dem tatsächlichen Filmbild parallaxenfrei, lichtgetreu und schärfengleich identisch. Eine genaue Einstellung der Bildgröße, exaktes Schärfeziehen und ein gutes Abschätzen der Lichtverhältnisse waren damit gleichzeitig realisiert. Diese ausgereifte Kameratechnik, kombiniert mit einem Revolverkopf für drei Objektive, einem leichten, im Schwerpunkt schulterbaren Gehäuse, einer leicht wechselbaren 120 m-Kassette und einer Vor- und Nachwicklung war eine Aufsehen erregende Innovation. Mit dieser Kamera begründete ARRI seinen Weltruhm. Im Zweiten Weltkrieg arbeiteten alle Heeresstellen mit der Arriflex; ARRI wurde ein kriegswichtiger Betrieb und musste auch Zielkameras entwickeln. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, verfasste August Arnold ein Schreiben an den Staatsminister Hermann Esser (1900-1981) mit der Bitte um gute geschäftliche Beziehungen (Bayer. Hauptstaatsarchiv, MWi 7251). Erst später gingen die Firmengründer auf Distanz zum Regime.

Zerstörung und Wiederaufbau

Nach der vollständigen Zerstörung des ARRI-Werkes im Zweiten Weltkrieg (am 13. Juli 1944) wurde 1948 der Betrieb wieder aufgenommen. Obwohl die Patente kriegsbedingt ihren Wert verloren hatten, wurde die Arriflex zum Exportschlager und ARRI zu einem international agierenden Unternehmen. Die 1950er Jahre waren von beständiger Expansion und Neubautätigkeit geprägt: Vor allem in der Münchner Maxvorstadt entstanden Filmateliers, ein Großkino, ein Farbkopierwerk sowie Produktionsanlagen für Kameras, Entwicklungs- und Kopiermaschinen und filmtechnisches Zubehör aller Art. Beständig verbessert und weiterentwickelt wurde die Arriflex, das Zugpferd der Firma. Die Kamera wurde geblimpt (mit einem Schutzgehäuse schallgeschützt) und später selbstgeblimpt (Schall wird bereits in der Kamera minimiert), mit automatischer Belichtungsmessung versehen, bekam variable Okulare, verbesserte Optiken, Pilottonanschluss und eine weitere Ausstattung. 1967 ging der erste technische Oscar an ARRI für die Arriflex 35.

Klassische Filmtechnik und digitale Filmtechnik

Seit den 1990er Jahren wird die Arriflex mit digitaler Kontrollelektronik bestückt. Die Arriflex 535A mit Steuerungssoftware und RS-232-Schnittstelle wurde 1996 mit einem technischen Oscar ausgezeichnet. Die neueren Kameramodelle seit der ARRICAM von 2001 sind mit modernster Software ausgestattet, die eine Programmierung von Laufgeschwindigkeiten und optischen Einstellungen zulässt. Auch die ARRICAM arbeitet immer noch nach dem Spiegelblendenprinzip. Ab den 1990er Jahren ist die ARRI im internationalen Filmgeschäft der unumstrittene Marktführer. Von den 300 Profikameras für Film, die jährlich gebaut werden, stammen 220 von ARRI. Neben ARRI gibt es im Segment der 500.000 € teuren Kameras nur noch Panavision. Für die Arriflex oder im Zusammenhang mit der Arriflex entwickelte Kinotechnik gingen bis 2010 16 Oscars nach München.

Auch in der digitalen Filmtechnik, deren Markt wächst, stellt ARRI Kameras her: 2003 kam die Arriflex D-20 auf den Markt, gefolgt von der D-21 (2008). Hier ist ARRI allerdings in Konkurrenz zu vielen Anbietern digitaler Kameras für den Massenmarkt (Fernsehen, Dokumentationen, Independent Film) wie Sony oder RED. Die jüngste Entwicklung ist die Digitalkamera ALEXA (2009), die mit 13,5 Blenden Kontrastumfang sehr nahe an Filmmaterial herankommt und damit auch als Profikamera geeignet ist. Sie ist derzeit ein Verkaufshit. In der Lichttechnik ist ARRI ein LED-Spezialist. Digitale Verarbeitungsgeräte für den Wechsel von analoger zu digitaler Technik wie ARRILASER und ARRISCAN komplettieren das Sortiment. 2010 ging der 16. technische Oscar für ARRI an das ARRISCAN-System.

Literatur

  • Arri 1968, 1917-1967. 50 Jahre Arnold & Richter KG, München 1967.
  • Thomas Brandlmeier, August Arnold, in: CINEGRAPH. Lexikon zum deutschsprachigen Kino. 1. Band, München 1984, D1-D10.
  • Lothar Just, Filmtechnik aus Bayern. Film technology "Made in Bavaria", KnowHow für die Welt, Products & Services, München 2008.
  • Hermann Simon, Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Frankfurt am Main/New York 2007.
  • Joseph Vilsmaier, Der Mann mit der Kamera. August Arnold war ein Pionier der Filmtechnik, in: Jahrhundert-Münchner. Eine Serie der Süddeutschen Zeitung, München 2000, 9-13.
  • Sylvia Wolf, ARRI. 75 Jahre. Eine Bilddokumentation, München 1992.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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ARRI Group, ARRI

Empfohlene Zitierweise

Thomas Brandlmeier, Arnold & Richter Cine Technik GmbH & Co. Betriebs KG (ARRI), publiziert am 16.12.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Arnold_&_Richter_Cine_Technik_GmbH_&_Co._Betriebs_KG_(ARRI) (13.11.2024)