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Fuggersche Herrschaften

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Die Fuggerschen Herrschaften im Jahr 1802, grün hinterlegt. An den noch mit weiteren Farben versehenen Gebieten hatten andere Herrschaftsträger ebenfalls Anteil. (Karte VI,1, farblich verändert, in: Hans Frei, Pankraz Fried, Franz Schaffer [Hg.], Historischer Atlas von Bayerisch-Schwaben, 2. Auflage, 1. Lieferung, Augsburg 1982)

von Gerhard Immler

Die Augsburger Kaufmannsfamilie der Fugger nutzte ihren Landerwerb zum Aufbau eines Herrschaftsgebiets im schwäbischen Raum, ausgehend von der 1507 erstandenen Grafschaft Kirchberg. Ermöglicht wurde ihnen dies durch ihren großen Reichtum und die Stellung Jakob Fuggers des Reichen (1459-1525) als Finanzier der Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519, Kaiser seit 1508) und Karl V. (reg. 1519-1556, Kaiser seit 1530). Anton (1493-1560) und Raimund (1489-1535) Fugger mehrten den Landbesitz ihres Onkels weiter. Mit dem Tod Anton Fuggers 1560 wurde dieser unter den drei Söhnen des Anton und dem Sohn des Raimund Fugger dauerhaft aufgeteilt. Die vier Linien bauten ihren Landbesitz weiter aus. Finanzielle Probleme und strategische Überlegungen führten zu teils rückläufigen Entwicklungen des Besitzes im 17. und 18. Jahrhundert. Die Fuggerschen Herrschaften gehörten großteils zum Schwäbischen, teils auch zum Österreichischen Reichskreis; daher verfügten die Fugger über Sitz und Stimme im Schwäbischen Grafenkollegium des Reichstags. Der Besitz der Fuggerschen Stiftungen bildete eine eigene Herrschaft.

Grunderwerb als Geldanlage und Herrschaftsaufbau

Schon im Spätmittelalter war bei Angehörigen der Führungsschichten großer, aber auch mancher mittelgroßer Städte der Erwerb von ländlichem Grundbesitz im städtischen Umland eine häufig anzutreffende Praxis. Sie diente einerseits der sicheren Anlage von Gewinnen aus dem lukrativen, wenngleich risikoreichen Fernhandel und Kreditgeschäft, andererseits sollte sie Annäherungen an adeligen Lebensstil ermöglichen und damit das soziale Prestige aufwerten. Außerdem waren Landschlösser ein sicherer Zufluchtsort bei Seuchengefahr.

Prinzipiell galt dieses Muster zunächst auch für das Augsburger Geschlecht der Fugger, das im Laufe des 15. Jahrhunderts aus kleinbürgerlichen Verhältnissen zum Inhaber eines der bedeutendsten Großhandels- und Bankhäuser Europas aufstieg. Obwohl ihnen erst 1538 die Aufnahme in die soziale Spitzengruppe der Augsburger Gesellschaft, das Patriziat, gelang, ging die Grunderwerbspolitik der Fugger seit dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts deutlich über das hinaus, was bei reichen Patrizier- und Kaufmannsfamilien sowohl in Augsburg wie andernorts in Deutschland üblich war.

Neben nutzbaren grundherrlichen Rechten und dem ursprünglich adeligen Landsitz als Freizeit- und Zufluchtsort begann ein weiteres Moment den Landerwerb der Fugger zu prägen: das Streben nach dem Aufbau eines Herrschaftsgebiets. Ermöglicht wurde diese Strategie, für die es nur in Italien Analogien gibt, durch die Stellung Jakob Fuggers des Reichen (1459-1525) als Finanzier der Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519, Kaiser seit 1508) und Karl V. (reg. 1519-1556, Kaiser seit 1530). Das Haus Habsburg verfügte, vor allem durch den Besitz der Markgrafschaft Burgau, im mittelschwäbischen Raum über eigene herrschaftliche Positionen.

Der Gründer: Jakob Fugger der Reiche

Im Jahr 1507 verkaufte König Maximilian I. an Jakob Fugger den Reichen, der ihm für seine kriegerischen Unternehmungen große Geldsummen vorgestreckt hatte, um 50.000 Gulden die Grafschaft Kirchberg (heute: Illerkirchberg, Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg) samt den Herrschaften Illerzell (Gde. Vöhringen), Weißenhorn, Pfaffenhofen a.d.Roth und Wullenstetten (Gde. Senden) sowie den um Buch (alle Lkr. Neu-Ulm) gelegenen Rest der einst bedeutenden Grafschaft Marstetten (Gde. Aitrach, Lkr. Ravensburg, Baden-Württemberg). Der Verkauf erfolgte mitsamt aller Gerichtsrechte, jedoch unter Vorbehalt der Landeshoheit und des Rückkaufsrechts für das Haus Österreich.

Zwei Jahre später erwarb Jakob Fugger dazu die im Herzogtum Bayern gelegene, aber von der Markgrafschaft Burgau lehenbare Hofmark Schmiechen (Lkr. Aichach-Friedberg). Im Jahr 1514 kaufte er den Marschällen von Pappenheim deren Herrschaft Biberbach (Lkr. Augsburg) ab. Aus diesem Anlass erhob Kaiser Maximilian I. seinen Bankier in den Grafenstand. Dies wurde 1526/30 von Karl V. für Jakobs Neffen Anton (1493-1560) und Raimund Fugger (1489-1535) und deren Nachkommen erneuert, doch machten die Fugger von dieser Standeserhöhung zunächst keinen Gebrauch.

Ausbau unter Anton und Raimund Fugger

Anton Fugger, der nach dem Tod seines Bruders Raimund 1535 die Fuggersche Handelsgesellschaft allein leitete, mehrte den Grundbesitz weiter. Der Bruder hatte noch 1527 bzw. 1532 die Herrschaften Gablingen und Mickhausen (beide Lkr. Augsburg) gekauft. Bis zu seinem Tod 1560 erwarb Anton die Herrschaften

Dazu kam seit 1536 der Pfandbesitz der Reichspflege Donauwörth. Zusammen mit den schon von Jakob Fugger erworbenen Gütern ergab sich damit eine Reihe von Herrschaftsschwerpunkten. Diese waren zwar nicht geschlossen, aber ließen doch gewisse räumliche Konzentrationen erkennen: nämlich auf die Landschaft nördlich und nordwestlich von Augsburg bis zur Donau, auf das Gebiet südlich von Ulm beidseits der Iller und auf einen sich in west-östlicher Richtung hinziehenden Streifen in der Übergangszone vom Allgäu nach Mittelschwaben. Für die von Augsburg weiter entfernt gelegenen Bestandteile dieses Herrschaftskomplexes fungierten das Städtchen Weißenhorn sowie das von Anton Fugger 1541 bis 1546 großzügig ausgebaute Schloss im Markt Babenhausen als Verwaltungszentren.

Die territoriale Entwicklung nach der Erbteilung von 1560

Nach dem Tod Anton Fuggers trat eine Erbteilung unter dessen drei Söhnen Markus (1529-1597), Hans (1531-1598) und Jakob (1542-1598) sowie denen seines Bruders Raimund in Kraft. Dadurch entstanden vier Linien, die den Besitz dauerhaft untereinander aufteilten. Die Fugger des Raimund-Stammes erhielten die Besitzungen entlang der unteren Iller, die durch den Kauf der Herrschaften Wallenhausen (Gde. Weißenhorn, Lkr. Neu-Ulm, 1570) und Schnürpflingen (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg, 1662) noch erweitert wurden. Im Jahre 1724 verlor diese Linie einen großen Teil ihres Herrschaftsgebiets, indem Österreich die Pfandschaften auslöste. Nach längeren Verhandlungen konnten die Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn jedoch die Rückübertragung als Lehen, jedoch erneut unter Vorbehalt der österreichischen Landeshoheit, erreichen.

Markus Fugger erhielt 1560 die Gebiete im Winkel zwischen Donau und Lech und mehrte diesen Besitz durch den Kauf der Herrschaften Nordendorf (1580) und Meitingen (beide Lkr. Augsburg, 1585); das Nordendorfer Schloss wurde zum Herrschaftsmittelpunkt. Die 1581 gekauften Herrschaften Hirblingen (Gde. Gersthofen) und Täfertingen (Gde. Neusäß, beide Lkr. Augsburg) mussten 1661 wieder verkauft werden. Der Markus-Stamm, der von 1601 bis 1669 in zwei Linien geteilt war, erlosch 1676. Die Güter gelangten je zur Hälfte an die Linien Glött und Wellenburg als Repräsentanten der beiden anderen Anton Fuggerschen-Stämme. Die Linie Glött, die den nördlichen Teil der Erbmasse übernahm, erwarb 1703 die Herrschaft Möhren (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) hinzu, musste aber die Reichspflege Donauwörth 1724/25 Schulden halber verkaufen.

Hans Fugger erhielt 1560 die Herrschaft Kirchheim, wo er sich 1578 bis 1585 ein prächtiges Schloss erbaute. Zu seinem Anteil gehörten auch die Herrschaften Mickhausen und Glött. Er selbst oder seine Nachkommen besaßen vorübergehend auch die Herrschaften Mattsies (Gde. Tussenhausen, 1598-1680) und Grönenbach (beide Lkr. Unterallgäu, 1612-1695) sowie unter bayerischer Landeshoheit die Hofmark Hurlach (Lkr. Landsberg a.Lech, 1608-1652). Letztlich fehlgeschlagen ist der Versuch dieses Fuggerstammes, in den Jahren ab 1589 aus dem Erbe der Frundsberger durch Heirat mit der Gräfin Maria von Schwarzenberg als Miterbin sowie Belehnung mit den Reichslehen die bedeutende Herrschaft Mindelheim zu erwerben. Der Verkauf des Maxlrainischen Erbanteils an Bayern im Jahr 1614 ließ den Fuggern einen übermächtigen Konkurrenten entstehen, dem sie 1617 ihre Anteile verkauften.

Jakob Fugger ergänzte den ihm 1560 zugeteilten Besitz um Babenhausen durch den Kauf der Herrschaften Reichau (Gde. Boos, 1581), Gottenau (Gde. Markt Rettenbach, 1584), Heimertingen (alle Lkr. Unterallgäu, 1589), Wasserburg a.Bodensee (Lkr. Lindau, 1592), Leeder (Gde. Fuchstal, Lkr. Landsberg a.Lech, 1595), Wellenburg (Gde. Augsburg, 1595) und Welden (Lkr. Augsburg, 1597) sowie der Herrschaft Ronsberg (Lkr. Ostallgäu, 1594/99) als österreichisches Pfand, das jedoch 1687 wieder ausgelöst wurde. Dafür konnten die Fugger zu Babenhausen 1660 die schon früher von Österreich vorübergehend an Hans Fugger verpfändete Herrschaft Markt Wald (Lkr. Unterallgäu) endgültig erwerben.

Auch in diesem Stamm entstanden zeitweise Nebenlinien in Boos und Wellenburg. Das Erlöschen der letzteren führte im Jahre 1764 zum Verlust der Herrschaft Welden, die Österreich als erledigtes Lehen einzog. Im Jahr zuvor war der abgelegene Außenposten Wasserburg a.Bodensee an das Haus Habsburg verkauft worden; dasselbe war mit Leeder schon 1661 zugunsten des Hochstifts Augsburg und 1719 mit Pleß zugunsten der Reichskartause Buxheim (Lkr. Unterallgäu) geschehen.

Die teilweise rückläufigen Entwicklungen im 17. und 18. Jahrhundert erfolgten teils aus Überlegungen der politischen Strategie, indem isoliert gelegene Besitzungen oder solche mit strittigen Herrschaftsrechten abgestoßen wurden, teils auch aufgrund finanzieller Schwierigkeiten der jeweiligen Linien. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war im Hause Fugger der Übergang von der großbürgerlich-unternehmerischen zur adelig-landesherrlichen Lebensweise weitgehend zum Abschluss gelangt. Symptomatisch ist, dass die Fugger ab 1620 von dem ihnen zustehenden Grafentitel konsequent Gebrauch machten. Den endgültigen Schlusspunkt setzte 1657 die Auflösung der Handelsgesellschaft.

Der reichsrechtliche Status der Fuggerschen Herrschaften

Die Fugger hatten im Reichstag Sitz und Stimme im Schwäbischen Grafenkollegium. Ihre Herrschaften gehörten überwiegend zum Schwäbischen, Kirchberg-Weißenhorn und Markt Wald aufgrund der habsburgischen Landeshoheit jedoch zum Österreichischen Reichskreis. Auf dem Schwäbischen Kreistag verfügten die drei Anton Fuggerschen-Stämme jeweils über eine Stimme auf der Grafenbank; spätere Erbteilungen wirkten sich diesbezüglich nicht aus. Die beteiligten Linien mussten sich vielmehr über die Stimmabgabe verständigen.

Ein Herrschaftsgebiet für sich bildete der Besitz der Fuggerschen Stiftungen, bestehend aus dem Pflegamt Laugna (Lkr. Dillingen a.d.Donau) und dem Obervogteiamt Waltenhausen (Lkr. Günzburg); eigene Reichsstandschaft stand den Stiftungen aber nicht zu. Die Linie Fugger-Babenhausen wurde 1803 von Kaiser Franz II. (reg. 1792-1806, 1804-1835 als Franz I. Kaiser von Österreich) in den Reichsfürstenstand erhoben. Zur Gewährung einer Virilstimme auf dem Reichstag kam es aber nicht mehr, da das neue Fürstentum Babenhausen schon 1806 aufgrund der Rheinbundakte von Bayern mediatisiert wurde. Die übrigen damals blühenden Fuggerlinien (Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn sowie Fugger-Glött, Fugger-Kirchheim und Fugger-Nordendorf aus dem Hans-Stamm) hatten sich bereits kurz zuvor freiwillig bayerischer Souveränität unterworfen. Die links der Iller gelegenen Besitzungen der Linie Kirchberg-Weißenhorn fielen 1810 an Württemberg.

Literatur

  • Hans Bauer, Schwabmünchen (Historischer Atlas von Bayern. Teil Schwaben I,15), München 1994.
  • Heinz Friedrich Deininger, Die Gütererwerbungen unter Anton Fugger (1526-1560), seine Privilegien und Standeserhöhung sowie Fideikommißursprung, Diss. masch. München 1924.
  • Thea Düvel, Die Gütererwerbungen Jakob Fuggers des Reichen und seine Standeserhöhung (Studien zur Fuggergeschichte 4), München u. a. 1913.
  • Pankraz Fried, Die Fugger in der Herrschaftsgeschichte Schwabens (Schriften der philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg. Historisch-sozialwissenschaftliche Reihe 9), München 1976.
  • Sarah Hadry, Die Fugger in Kirchberg und Weißenhorn. Herrschaftsverfassung und Leibeigenschaft, Konfessionalisierung und Residenzbildung (Materialien zur Geschichte der Fugger 5), Augsburg 2007.
  • Joachim Jahn, Landkreis Augsburg (Historischer Atlas von Bayern. Teil Schwaben I,11), München 1984.
  • Hermann Kellenbenz, Die Fugger als Grund- und Herrschaftsbesitzer in Vorderösterreich mit besonderer Betonung des Bodenseeraums, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 103 (1985), 63-74.
  • Adolf Layer - Gerhard Immler, Die Besitzungen der gräflichen und fürstlichen Familie Fugger, in: Max Spindler (Begr.)/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 3. Band, 2. Teil: Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 3. Auflage 2001, 375-381.
  • Robert Mandrou, Die Fugger als Grundbesitzer in Schwaben 1560-1618. Eine Fallstudie sozioökonomischen Verhaltens am Ende des 16. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 136), Göttingen 1998.
  • Klaus Merten, Die Landschlösser der Familie Fugger im 16. Jahrhundert, in: Welt im Umbruch. Augsburg zwischen Renaissance und Barock. Ausstellung der Stadt Augsburg in Zusammenarbeit mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche anläßlich des 450. Jubiläums der Confessio Augustana [Ausstellungskatalog]. 3. Band, Augsburg 1980, 66-81.
  • Götz Freiherr von Pölnitz, Anton Fugger. 3 Bände in 5 Teilen, Band III/2 fortgeführt von Hermann Kellenbenz (Studien zur Fuggergeschichte 13, 17, 20, 22, 29 = Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft 4/6, 8, 11, 13, 20), Tübingen 1958-1971.
  • Götz Freiherr von Pölnitz, Jacob Fugger. Kaiser, Kirche und Kapital in der oberdeutschen Renaissance. 2 Bände, Tübingen 1949-1952.

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Gerhard Immler, Fuggersche Herrschaften, publiziert am 01.12.2015; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Fuggersche Herrschaften> (28.03.2024)