Landtagsausschüsse
Aus Historisches Lexikon Bayerns
In den ständigen Ausschüssen des Landtags, die erstmals 1818 eingerichtet wurden, findet der wichtigste Teil der parlamentarischen Arbeit statt. Hier werden alle wichtigeren Gegenstände beraten und zur Beschlussfassung vorbereitet. Die im Ausschuss erarbeiteten Vorlagen dienen dem Plenum als Entscheidungsgrundlage, das sich in der Regel dem Votum der Ausschussmehrheit anschließt. Anders als in anderen Bundesländern sind in Bayern die Sitzungen der Landtagsausschüsse seit 1946 grundsätzlich öffentlich.
Funktion und Bedeutung von Landtagsausschüssen
Die Tätigkeit der Ausschüsse ist für die Funktionsfähigkeit des Parlaments von größter Bedeutung, da das Plenum allenfalls die Grundlinien der Gesetzgebung und anderer komplexer Gegenstände beraten und festlegen kann, unmöglich aber deren Details: Das würde den gesamten parlamentarischen Betrieb blockieren. Die Ausschüssse müssen deshalb ein möglichst breites Vertrauen genießen, nicht nur das der parlamentarischen Mehrheit. Um dies sicherzustellen, werden an der Bildung der Ausschüsse alle im Parlament vertretenen politischen Kräfte angemessen beteiligt.
Wie viele Ausschusse eingerichtet werden, wie stark deren personelle Besetzung ist und welche Geschäftsbereiche ihnen zugewiesen werden, richtet sich nach den jeweiligen Erfordernissen, denen sich der Landtag dank seiner Geschäftsordnungsautonomie jederzeit anpassen kann. Diese Flexibilität aber ist das Ergebnis eines längeren Entwicklungsprozesses.
Die Ausschüsse nach der Verfassung von 1818
In dem mit der Verfassung von 1818 eingerichteten bayerischen Parlament hatte jede der beiden Kammern sechs Ausschüsse mit genau definierten Geschäftsbereichen einzurichten: Für Gegenstände der Gesetzgebung, für die Steuern, für die Innere Verwaltung, für die Staatsschuldentilgung, für die Verfassungsbeschwerden und für die Überprüfung der Anträge der Kammermitglieder auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Auch die Zahl der Ausschussmitglieder war genau festgelegt (X. Verfassungsbeilage, 2. Titel, § 25-39).
Das Geschäftsganggesetz von 1850
Allmählich verschaffte sich das Parlament jedoch eine größere Unabhängigkeit von der Regierung. Seit 1831 beschränkte sich diese darauf, mittels "Geschäftsganggesetzen" den Rahmen der Geschäftsordnungen vorzugeben, den die Kammern dann selbst ausfüllten. Aber erst das Geschäftsganggesetz vom 25. Juli 1850 räumte dem Landtag das Recht ein, außer den verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Ausschüssen - das waren der für die Prüfung von Verfassungsbeschwerden und der für die Überprüfung der Anträge von Kammermitgliedern auf verfassungsmäßige Zulässigkeit – so viele Ausschüsse zu bilden, wie man für notwendig erachtete. Von dieser Möglichkeit wurde jedoch nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht; vor allem im Zuge größerer Gesetzgebungsverfahren richtete man in der Folge temporär zusätzliche Ausschüsse ein.
Das Geschäftsganggesetz von 1872: Bildung eines Petitionsausschusses
Das Geschäftsganggesetz von 1872 beschränkte die Zahl der obligatorischen Ausschüsse weiter. Nur mehr der Ausschuss für Verfassungsbeschwerden musste gebildet werden; im Fall, dass Ministeranklage erhoben werden sollte, war auch ein Ausschuss zur Vorprüfung einzusetzen.
Wichtig aber war vor allem, dass dieses Gesetz die Bildung eines Petitionsausschusses ermöglichte, und von dieser Möglichkeit machte die Abgeordnetenkammer umgehend Gebrauch. Seit 1872 konnten sich die Bürger so nicht mehr nur mit Verfassungsbeschwerden, sondern grundsätzlich mit allen Anliegen an das Parlament wenden, und dies mit der Zusicherung, dass dieses dort behandelt und ihnen das Ergebnis der Beratungen mitgeteilt würde.
Die Geschäftsordnung von 1872 war auch insofern von großer Bedeutung, als sie grundsätzlich alle Entscheidungen dem Plenum vorbehielt. Bisher hatten die verfassungsmäßig vorgeschriebenen Ausschüsse eigenständig und sogar ohne jede Beteiligung des Plenums Beschlüsse fassen können. Damit wurde das Verhältnis von Plenum und Ausschüssen so definiert, wie es bis heute besteht: Die Ausschüsse sind zwar die wichtigsten Instrumente des Parlaments, aber eben doch nur Instrumente; sie bereiten dessen Entscheidungen vor, müssen diese selbst aber dem Plenum überlassen.
Landtagsausschüsse während der Weimarer Republik
Auch die Verfassung von 1919 verwies hinsichtlich der einzurichtenden Ausschüsse, die anders als nach 1946 nicht öffentlich waren, auf die Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags (Abschnitt 6, § 28). Danach richtete der Bayerische Landtag 1919 sechs ständige Ausschüsse ein, und zwar für
- Geschäftsordnung
- Wahlprüfungen
- den Staatshaushalt
- Aufgaben wirtschaftlicher Art
- Eingaben und Beschwerden
- Volksbegehren, Volksentscheide, Ministeranklagen, Verfassungsstreitigkeiten und andere die Verfassung betreffende Angelegenheiten
Sonstige ständige und nichtständige Ausschüsse kamen je nach Landtagsbeschluss und politischer Lage zustande, so z. B. 1919 ein Räteausschuss, ein Sozialisierungsausschuss und ein Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten.
Gegenwärtige Ausschüsse des bayerischen Landtags
Das Ausschusswesen des Bayerischen Landtags seit 1946 ist ebenfalls in der Geschäftsordnung geregelt. Gegenwärtig richtet der Landtag üblicherweise folgende Ausschüsse ein:
- Eingaben und Beschwerden
- Bundes- und Europa-Angelegenheiten
- Umwelt- und Verbraucherschutz
- Hochschule, Forschung und Kultur
- Bildung, Jugend und Sport
- Fragen des öffentlichen Dienstes
- Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie
- Landwirtschaft und Forsten
- Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik
- Staatshaushalt und Finanzfragen
- Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen
- Kommunale Fragen und Innere Sicherheit
Sonderausschüsse richtete der Landtags insbesondere in den ersten Wahlperioden der Nachkriegszeit ein, so z. B. einen Ausschuss für Entnazifizierungsfragen, einen Ausschuss für Wohnungs- und Siedlungsbau (beide 1. Wahlperiode), den Ausschuss Bayern-Pfalz, der bis 1958 bestand, und einen Ausschuss für Fragen des Länderrats und für Fragen bizonaler und mehrzonaler Art (1947/48). Dessen Nachfolger ist der Ausschuss für Bundesangelegenheiten, anfangs unter dem Titel "Ausschuss zur Information über Bundesangelegenheiten", der erstmals vier Jahre nach Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1952 zusammentrat.
Literatur
- Bruno Dechamps, Macht und Arbeit der Ausschüsse. Der Wandel der parlamentarischen Willensbildung, Meisenheim an der Glan, 1954.
- Dirk Götschmann, Bayerischer Parlamentarismus im Vormärz. Die Ständeversammlung des Königreichs Bayern 1819-1848, Düsseldorf 2002, darin: Das Ausschußwesen, 275 ff.
- Roland Schmid, Rechtliche Stellung, Zusammensetzung, Bestellung und Funktion der Ausschüsse des bayerischen Landtags, Diss. jur. Universität Würzburg 1907.
- Gabriele Wiesend, Das Ausschußwesen des Bayerischen Landtags (Beiträge zum Parlamentarismus 3), München 1989.
Weiterführende Recherche
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Ständige Ausschüsse, Landtagsausschuss
Empfohlene Zitierweise
Dirk Götschmann, Landtagsausschüsse, publiziert am 22.11.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landtagsausschüsse> (31.10.2024)