Landtagspräsident
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Der Landtag wählt aus seiner Mitte ein Präsidium, bestehend aus einem Präsidenten, den Stellvertretern (Vizepräsidenten) und den Schriftführern (Art. 20 Abs. 1 Bayerische Verfassung 1946). Mit Unterstützung dieses Präsidiums leitet der Präsident sämtliche Geschäfte des Landtags und übt im Landtag das Hausrecht und die Polizeigewalt aus. Landtagspräsidenten gibt es in Bayern seit 1819.
Heutige Aufgaben
Der Aufgabenbereich des Landtagspräsidenten umfasst zunächst den eigentlichen Parlamentsbetrieb: Der Präsident oder einer seiner Stellvertreter leiten die Sitzungen der Vollversammlung des Landtags, wobei sie von den Schriftführern assistiert werden. Zwischen zwei Tagungen führt das Präsidium die laufenden Geschäfte des Landtags fort (Art. 20 Abs. 2 BV). Bei Rücktritt oder Tod eines Ministerpräsidenten übt der Landtagspräsident solange die Vertretung Bayerns nach außen aus, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt ist (Art. 44 Abs. 3 BV). Protokollarisch ist der Landtagspräsident der "zweite Mann im Staat" nach dem Ministerpräsident. Zunehmend nimmt er seit den 1960er Jahren auch Repräsentationsaufgaben wahr und wirkt öffentlich, so z. B. seit 1961 bei der Verleihung der bayerischen Verfassungsmedaille. Sein Einfluss auf das politische Geschäft ist je nach Persönlichkeit des Amtsinhabers spürbar. Qua Amt ist der Landtagspräsident Vorsitzender des Verwaltungsrates des Bayerischen Rundfunks sowie Mitglied in der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente (gegründet 1947).
Darüber hinaus steht der Präsident an der Spitze der gesamten Landtagsverwaltung und damit an der des Landtagsamtes. Er vertritt den Staat in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten der Landtagsverwaltung und übt die Dienstaufsicht über die Angehörigen des Landtagsamtes sowie den Landesbeauftragten für den Datenschutz aus. Das Präsidium ist das Beratungs-, Kontroll- und Beschlussorgan für alle Verwaltungsangelegenheiten des Landtags; es erstellt dessen Haushaltsplan und sorgt für dessen Einhaltung. Der Präsident ernennt und befördert die Beamten des Landtags und entscheidet über die Einstellung, Entlassung und Eingruppierung aller sonstigen Mitarbeiter des Landtags.
Nominierung durch die Mehrheitsfraktion
Wegen des besonderen Vertrauens, dessen der Präsident und seine Stellvertreter im Parlament bedürfen, ist es althergebrachte parlamentarische Praxis, dass die Mehrheitsfraktion zwar den Präsidenten stellt, dabei jedoch einen Kandidaten nominiert, der auch von den anderen Fraktionen akzeptiert werden kann. Dies gilt auch für die Kandidaten für die Vizepräsidenten-Posten, bei deren Besetzung die anderen Fraktionen nach ihrer Größe berücksichtigt werden.
Historische Entwicklung
Die hiermit umrissene Stellung, die dem Präsidenten zwar wichtige Kompetenzen einräumt, ihn aber in allen Bereichen der Kontrolle des Parlaments unterstellt, nimmt der Landtagspräsident seit der Begründung des demokratischen bayerischen Staates 1918/19 ein. Zur Zeit der Monarchie, in der Praxis vor allem während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war seine Position vom Grundsatz her eine vollkommen andere. Gerade in der Anfangszeit des bayerischen Parlaments bedurften die Präsidenten der Kammern weniger des Vertrauens der Parlamentarier als des Königs, denn ihre wichtigste Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass die Rechte des Monarchen und seiner Regierung von den Parlamentariern nicht angetastet wurden. Diese Rechte waren in der Geschäftsordnung fixiert, deren strikte Einhaltung oberste Pflicht der Präsidenten war. Erst weit dahinter rangierte ihre Funktion als Organisator und Koordinator des parlamentarischen Betriebs und Leiter der Debatten des Plenums. Die Präsidenten verfügten deshalb über eine Stellung, die sie weit über die übrigen Parlamentarier erhob und die ihnen umfassende Kompetenzen verlieh. Sie konnten wichtige Entscheidungen aus eigener Machtvollkommenheit treffen und auch gegen den mehrheitlichen Willen der Kammer durchsetzen. Es verstand sich deshalb von selbst, dass bei der Auswahl der Präsidenten und Vizepräsidenten der Wille des Königs entscheidend war. Den Präsidenten der Kammer der Reichsräte ernannte er völlig frei, den der Kammer der Abgeordneten wählte er aus sechs Kandidaten aus, die diese ihm vorschlugen.
In einem zähen Kampf schränkten die Abgeordneten die Kompetenzen ihrer Präsidenten allmählich ein. Das hatte zur Folge, dass dieser Posten für die Regierung an Bedeutung verlor, so dass sie der Abgeordnetenkammer 1850 die freie Wahl ihres Präsidiums zugestand. Seitdem näherte sich das Verhältnis von Plenum und Präsidium dem oben skizzierten Zustand an, bei dem der Präsident zwar nach wie vor große Kompetenzen besitzt, aber des Vertrauens der Abgeordneten bedarf und auch deren Kontrolle untersteht.
Amtszeit | Name | Lebensdaten |
---|---|---|
1819, 1822, 1825, 1827/28, 1831, 1834 und 1837 | Sebastian Freiherr von Schrenck | 1774-1848 |
1840, 1842/43 | Karl Seinsheim | 1784-1864 |
1845/46, 1847 | Hermann Freiherr von Rotenhan | 1800-1858 |
17.-25. März 1848 | Carl Friedrich Heintz | 1802-1868 |
1848 | Karl Kirchgessner | 1807-1859 |
1849 | Gustav Freiherr von Lerchenfeld | 1806-1866 |
1849-27. März 1865 | Friedrich Graf von Hegnenberg-Dux | 1810-1874 |
1. April 1865-1869 | Josef Pözl | 1814-1881 |
1870/71 | Ludwig von Weis | 1813-1880 |
1871/72 | Karl Freiherr von Ow | 1818-1898 |
1873/75 | Franz Freiherr von Stauffenberg | 1834-1901 |
1875-1892 | Karl Freiherr von Ow | 1818-1898 |
1893-3. Dezember 1897 | Johann Baptist Ritter von Walter | 1831-1900 |
7. Dezember 1897-1899 | August Ritter von Clemm | 1837-1910 |
1899-1916 | Georg Ritter von Orterer | 1849-1916 |
31. Januar 1917-7. November 1918 | Theobald Ritter von Fuchs | 1852-1943 |
8. November 1918-4. Januar 1919 (Provosorischer Nationalrat) | Franz Schmitt | 1862-1932 |
Amtszeit | Name | Lebensdaten | Parteizugehörigkeit |
---|---|---|---|
17. März 1919-18. März 1920 | Franz Schmitt | 1862-1932 | SPD |
19. März 1920-1929 | Heinrich Königbauer | 1876-1929 | BVP |
20. November 1929-1933 | Georg Stang | 1880-1951 | BVP |
1933 | Hermann Esser | 1900-1981 | NSDAP |
Amtszeit | Name | Lebensdaten | Parteizugehörigkeit |
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1946-1950 | Michael Horlacher | 1888-1957 | CSU |
1950-1951 | Georg Stang | 1880-1951 | CSU |
1951-1954 | Alois Hundhammer | 1900-1974 | CSU |
1954-1960 | Hans Ehard | 1887-1980 | CSU |
1960-1978 | Rudolf Hanauer | 1908-1992 | CSU |
1978-1990 | Franz Heubl | 1924-2001 | CSU |
1990-1994 | Wilhelm Vorndran | 1924-2012 | CSU |
1994-2003 | Johann Böhm | 1937- | CSU |
2003-2008 | Alois Glück | 1940-2024 | CSU |
2008-2018 | Barbara Stamm | 1944-2022 | CSU |
seit 2018 | Ilse Aigner | 1964- | CSU |
Literatur
- Eine Darstellung zur Entwicklung des Amtes des bayerischen Landtagspräsidenten existiert bis heute nicht; die obigen Informationen basieren außer auf den genannten Quellen im Wesentlichen auf dem Edict über die Ständeversammlung" (10. Beilage zur bayerischen Verfassung von 1818) und den Geschäftsordnungen für die Kammer der Abgeordneten aus den Jahren 1825, 1831, 1851, 1872 und 1904.
- Hilde Balke, Die Präsidenten des Bayerischen Landtags von 1946 bis 1994, München 2001. (Portraits der Landtagspräsidenten der Nachkriegszeit)
- Herbert Dau, 30 Jahre Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente, in: Heinz Rosenbauer/Volkmar Gabert (Hg.), Parlamentarismus und Föderalismus. Festschrift für Rudolf Hanauer aus Anlaß seines 70. Geburtstages, München 1978, 146-152.
Quellen
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Dirk Götschmann, Landtagspräsident, publiziert am 05.12.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landtagspräsident> (4.11.2024)