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Kolonen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Bauer beim Pflügen. Buchminiatur aus dem sog. Stuttgarter Psalter. Karolingische Handschrift, St. Germain-des-Prés, 1. Hälfte 9. Jahrhundert, fol. 124v. (Württembergische Landesbibliothek, Cod.bibl.fol.23)
Sog. Kolonenstatut in der Lex Baiwariorum. Abb. aus: Lex Baiwariorum (Ingolstädter Handschrift), Kloster Weltenburg?, ca. 800-825, p. 41. (Universitätsbibliothek München, Cim. 7)
Chuniberht schenkt im August 752 Besitz und Leute, darunter Kolonen (hervorgehoben) mit Frauen und Kindern, in Pang (Lkr. Rosenheim) an die Kirche zu Isen (Lkr. Erding), Abb. aus: Cozroh-Codex, fol. 13v u. 14r. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, HL Freising 3a, lizensiert durch CC BY-NC-SA 4.0)

von Jörg Müller

Kolone, lat. colonus, bezeichnete seit der Antike einen bäuerlichen Rechtsstatus. Im frühmittelalterlichen Baiern meinte er den selbstständig wirtschaftenden Betreiber einer Hofstelle auf fremdem Grund (colonia). Der Begriff ist hier kaum im Kontext unmittelbar nachrömischer Tradition zu fassen, sondern verweist eher auf organisatorischen Einfluss aus dem fränkischen Westen im 8. Jahrhundert. Ein Kolone war grundsätzlich in den Betrieb einer Grundherrschaft eingebunden und verfügte frei über seine Arbeitskraft; Freizügigkeit jedoch fehlte ihm. Diesen Status vererbte er einschließlich des bewirtschafteten Bodens an seine Nachkommen. Sein personenrechtlicher Stand – frei oder unfrei – trat dabei in den Hintergrund und entwickelte sich im Verlauf des Mittelalters in Richtung Minderfreiheit. Vielfältige Angleichungsprozesse führten im Übergang zum Hochmittelalter zu einer synonymen Verwendung des Begriffs "Kolone" mit "Bauer", was diesen für differenzierende Aussagen obsolet werden lässt.

Begriffsgeschichte

Die römischrechtliche Antike kannte den Kolonen ursprünglich als freien Pächter oder als Bauern mit hinzugepachtetem Land, der überwiegend gegen Ertragsbeteiligung für den in der Stadt wohnenden Eigentümer das Pachtland bebaute (= lat. colere, daher colonus) und dessen Pachtvertrag regelmäßig, meist alle fünf Jahre, erneuert werden musste. Das Interesse des spätantiken Staates an der Sicherung der Steuereinnahmen führte jedoch dazu, dass der Pächter mit dem Boden zu einer Einheit verbunden wurde und damit seine Freizügigkeit verlor; in den Grenzgebieten des römischen Reichs wurde diese Entwicklung durch eine Anpassung der lokalen Rechtsverhältnisse an die römischen befördert (Panitschek). Die Überführung des Kolonats in die öffentlich-rechtliche Sphäre überlagerte sowohl die schuldrechtliche Bindung aus dem Pachtverhältnis als auch eine eventuelle personenrechtliche des Kolonen, der freier Pächter oder eingesetzter Sklave sein mochte. In der Folge stellte die Gesetzgebung des 5. und 6. Jahrhunderts Kolonen zu weiten Teilen Sklaven gleich, mit enger Bindung an den Bodeneigentümer oder den Hauptpächter, unabhängig von eventuell noch zusätzlich vorhandenem eigenem Land, so z. B. im ostgotischen Italien (Schipp). Ob dies ebenfalls im unter ostgotischem Einfluss stehenden Baiern galt, muss offen bleiben.

Dagegen sah man im agilolfingischen Baiern des Frühmittelalters, fränkisch-alamannischer Auslegung folgend, den Kolonen grundsätzlich noch als Freien an, der einem freien Herrn zugeordnet war (Schipp 424 u.ö.) und dem Gericht des Herzogs bzw. Königs unterstand (Dollinger 350 u.ö). Das lässt sich vereinzelt ebenso (noch?) bei hochmittelalterlicher Aufsiedlung feststellen (z. B. 1319: MB 9, 56, S. 146). Vom rechtlichen und sozialen Status her betrachtet fanden sich Knechte, Gesinde sowie im Frühmittelalter noch Sklaven auf niedrigerem Niveau als Kolonen.

"Colonus", so resümiert Rio (193), sei ein unscharfer, mehrdeutiger Begriff, der daher den Interessen sowohl von Herren als auch Kolonen gerecht werde und deswegen oft in den (frühmittelalterlichen) Besitzverzeichnissen angewandt werde. Im Hochmittelalter findet sich dann die Gleichsetzung von Kolonen mit "Bauern" (z. B. 1282: MB 33,1, 140, S. 155), was als rechtlich indifferenter Sprachgebrauch vereinzelt bereits im Frühmittelalter greifbar ist (z. B. ca. 782: Tr. Schäftlarn 10, S. 15) und ebenso in der oberdeutschen Glossierung von "Colonus" als "Huber" aufscheint (Steinmeyer, Ahd. Gl. 2, S. 233). Das Wort blieb von der Spätantike bis zur frühen Neuzeit dasselbe, sein Inhalt wechselte mit den Entwicklungen der (agrarischen) Gesellschaft.

Quellen

Für die bairischen Kolonen existiert als besondere Quelle das sog. Kolonenstatut der Lex Baiwariorum I,13 (ca. 740). Dieses ist jedoch fränkischen Ursprungs, wie Textdetails hier sowie in der Parallelstelle in der Lex Alamannorum belegen (Metz 194). Für eine königliche Grundherrschaft konzipiert, wurde es in der bairischen Lex dagegen einer kirchlichen zugeordnet. Dabei wurde zwischen deren Kolonen – die Lex Alamannorum nennt sie freie Kirchenleute ("liberi ecclesiastici seu coloni") – und deren Knechten ("servi") unterschieden.

Ferner bietet die Dokumentation von Besitzübertragungen in den bairischen Traditionsbüchern zahlreiche frühe Hinweise auf Kolonen, die gerade in der Phase der entstehenden und sich durch Tauschvorgänge ordnenden kirchlichen Grundherrschaften im Baiern des frühen 9. Jahrhunderts gehäuft erwähnt wurden. In späterer Zeit wurden dann gelegentlich Kolonen und ihre Abgaben fast wie ein Ausweis der Ertragskraft eines Hofes beim Eigentümer- oder Besitzwechsel notiert, dies besonders in der Phase der Umgestaltung von Grundherrschaften des Villikationstyps ab dem 12. Jahrhundert. Die geringe Überlieferung zu Kolonen vom späten 9.-11. Jahrhundert (Dollinger 350) dürfte auf einen Mangel an Schreibanlässen zurückzuführen sein.

Herkunft

Kolonen = Romanen?

Gegen die Annahme, die romanische Restbevölkerung Baierns stelle in Kontinuität aus der Spätantike die Kolonen – was dann möglicherweise auch ein Fortleben eines spätantik-ostgotischen unfreien Kolonenbegriffs bedeuten könnte –, sprechen sowohl das geringe als auch das zeitlich eher spätere (Ausnahme Mondsee ca. 770) Vorkommen des Begriffs "Kolone" im österreichischen Alpenraum (Pivec 380), in dem andererseits Romanen noch häufig nachgewiesen sind. Im Einzugsbereich der Salzburger Kirche fällt der Befund differenzierter aus: In der Notitia Arnonis (NA), dem älteren Besitzverzeichnis der Salzburger Kirche, das unter Bischof Arn um 788/790 wahrscheinlich an Hand noch vorliegender Aufzeichnungen angefertigt wurde (kopial überliefert aus dem 12. Jahrhundert) und die Schenkungen ab Herzog Theodo (ca. 695) festhält, finden sich keine Kolonen, sondern die dort als "Romani" gekennzeichneten abgabepflichtigen Bauern wurden als "tributarii" oder "tributales", und ihre Höfe als "Mansen" bezeichnet. Ihr folgen 798/800 die in größerem Umfang auf dieselben Aufzeichnungen zurückgreifenden "kurzen Notizen" (Breves Notitiae/BN, ebenfalls kopial im 12. Jahrhundert überliefert). Dort werden diese "Mansen" dann als "Kolonien" bezeichnet und es werden weitere Kolonien und jetzt auch Kolonen aus der Zeit vor 788 aufgeführt (Schwarzenberg 16, Schipp 533-4, Lošek 62), diese jedoch auch dort nicht als "Romani" bezeichnet.

Die von der Abfassung her zeitlich früheren Belege für Kolonen finden sich vor allem im über wenige Romanen verfügenden und neu organisierten Freisinger Raum, vielleicht in Verbindung mit der sich ausbildenden Grundherrschaft als Wirtschaftsform.

Bairische Anfänge

Coloniae/Kolonien und coloni wurden mit der erneuten landwirtschaftlichen Nutzung (Inwertsetzung) des offenen Landes unter den Agilolfingern zu Teilen erst wieder ausgebildet, ebenso - alten Flurnutzungen folgend - abgegangene Kolonien oder Siedlerstellen neu besetzt (Pivec 381). Im östlichen Baiern benutzten von den beiden frühen Salzburger Quellen die Breves Notitiae gelegentlich den Ausdruck "Kolonen" – vor allem bei der Vergabe durch Adelige – neben "tributales viri" und "tributales Romani" (z. B. BN 4,3). Die Kolonien waren allerdings mit "tributales" und mit "servi" besetzt (z. B. BN 1.4). Ebenso der Befund im Passauer Raum: Es fanden sich vereinzelt noch in frühen Urkunden "tributales" (vor 774: Tr. Passau 6, S. 7) und ebenso Kolonien, diese jedoch nicht zwingend mit "Kolonen" besetzt, sondern ebenso mit "Bewohnern"/"Man(g)entes" (795: Tr. Passau 41, S. 36) oder mit Sklaven bzw. Knechten (791-804: Tr. Passau 39, S. 35; vor allem Breviarius Urolfi, Tiefenbach, I 26, I 27, S. 198). Da die Niederaltaicher Sammlung des Urolf in der Textgestalt des endenden 8. Jahrhunderts vorliegt (Wolfram 115 f.), bezeugt sie, dass im frühmittelalterlichen Passauer Raum Kolonien vor allem mit Tributalen und Sklaven oder Knechten betrieben wurden.

Ferner kannten auch die frühen Traditionen aus Schäftlarn, das zwar im Westen gelegen ist, jedoch das Passauer Formular benutzte, "tributales", und dieser Ausdruck wurde dabei nur einmal parallel zu Kolonen gesetzt (776-779: Tr. Schäftlarn 3, S. 9).

Dagegen werden im Freisinger Gebiet bereits ab 752 (Tr. Freising 6, S. 32; 760: Tr. Freising 15, S. 43 u.ö.) Kolonen genannt. Sie erscheinen im westlichen Baiern zunächst auf großem, vor allem kirchlichem Besitz, während sie bei den Betrieben kleinerer Herren fehlen (Müller-Mertens, Lehmann). Dies könnte für ein Eindringen eines "neuen" Kolonenbegriffs – freier Kolone eines freien Herrn (Schipp 424) – aus dem Westen, dem Frankenreich sprechen. Vielleicht ist dies mit der Reorganisation Baierns unter Herzog Odilo zu verbinden. Hierauf könnten auch die frühen Belege nur in Traditionen von Mondsee (Pivec 380) und Niederalteich (Tiefenbach 198) hinweisen, da beide Klöster als Gründungen dieses Herzogs gelten; in ähnlichem Kontext steht das Kolonenstatut in der Lex Baiwariorum, dessen Parallelstellen sich nur noch im alamannischen Recht finden, was wiederum mit Odilos Herkunft aus Alamannien korrespondieren könnte. Eine vergleichbare Ost-West-Differenz in Baiern zeigte sich ebenfalls beim Beleg für "Bauern als Träger der Volkssprache": Im östlichen Baiern (Salzburg) verwendete eine Quelle dafür "rusticus" (799/800: MGH Cap I,112/34, S. 229), im westlichen Baiern dagegen "colonus" (782: Tr. Schäftlarn 10, S. 15).

Ablösung

Die Verbreitung des Kolonenbegriffs kann möglicherweise mit als ein Indiz für die Ausbreitung der zweigeteilten (bipartiten) Grundherrschaft im Frühmittelalter gewertet werden. Nach deren weitgehender Durchsetzung bei großen Güterkomplexen trat der Begriff "Kolone" in den Quellen zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert in den Hintergrund (Dollinger 350). Noch in der Karolingerzeit begann der vielfach beobachtete Angleichungsprozess der sozialen und rechtlichen Stellung der verschiedenen "Bauern" sowie ihrer Leistungen in einer Grundherrschaft in deren Folge

1. der Status der Kolonen sank, hingegen derjenige der selbstständig wirtschaftenden (unfreien) Knechte stieg (Hägermann 76);

2. sich der Status der einzelnen Hofstellen sowie von deren Grundstücken einander anglich, wenn sie im organisatorischen Rahmen einer Grundherrschaft zusammenwirken mussten, z. B. in einer Feldgemeinschaft (Zelgenwirtschaft), bedingt durch die Notwendigkeit eines gleichartigen und gleichzeitigen Anbaus im Rahmen einer Dreifelderwirtschaft;

3. sich der Status der Hofstelle – Freienhufe oder Unfreienhufe mit unterschiedlichen Belastungen – und derjenige des Stelleninhabers in beide Richtungen übertragen konnten; wobei allerdings auf Grund der Aufzeichnungen des Bodenstatus‘ in Registern eher von einem Übertrag vom Boden auf die Person auszugehen ist.  

Rustici, villici, cultores oder Gebauer traten sprachlich als "Bauern" zum "Kolonen" hinzu (1282: MB 33,1, 140, S. 155), verwässerten ihn als technischen Begriff, der dennoch weiterhin im Rahmen von bäuerlicher Leihe oder der Ansetzung von Siedlern fallen konnte.

Ferner wechselte im Lauf der Entwicklung ein Teil der Kolonen durch eigene oder fremde Übergabe des Besitzes mitsamt seines Inhabers an den Altar eines Heiligen in die Gruppe der Zensualen. Dabei konnte die Tätigkeit als Bauer aufgegeben und Freizügigkeit gewonnen werden. Es gab ferner die Variante, dass der Kolone sein an den Altar verschenktes Gut in erweiterter Form zurückerhielt (später: "precaria remunatoria", z. B. 1318: MB 39, 40, S. 94), so dass sich für ihn zu den religiösen zusätzlich wirtschaftliche Vorteile ergaben. Beides führte letztlich zur Reduzierung der Zahl der Kolonen.

Leistungen

Legt man die in diesem Punkt singulären Bestimmungen der bairischen Lex (um 740) zugrunde, so zeigen die zu erbringenden Leistungen, wie eine kirchliche Kolonenwirtschaft in den Herrenhof eingebunden war: Demnach mussten die Kolonen 10 % der Felderträge sowie weitere Naturalabgaben dorthin abführen, dort auch ein – in fränkischen Maßeinheiten – definiertes Feldstück vom Pflügen bis zur Ernte bestellen, Mahd, Boten- und Waffendienste (Metz) sowie differenzierte Fuhrdienste (Scharwerk), u. a. zum Unterhalt von Wirtschaftsgebäuden, leisten (MGH LL nat.germ. 5,2, S. 286-290). Bezeichnenderweise fehlten bei den freieren Kolonen unbeschränkte Arbeiten (z. B. Tagedienste, in der Regel als "Drei-Tages-Fron") auf dem Herrenhof. Sie bleiben den Knechten ("servi ecclesiastici") vorbehalten. Beide Gruppen leisten nach Maßgabe eines Verwalters ("iudex") und sollen nicht ungebührlich ("iniuste") belastet werden.

Der hier erkennbare Schutz für Mindermächtige war ein Kennzeichen der Politik der agilolfingischen Herzöge (z. B. Decreta Tassilonis, Aschheim 756 c.11). Aber auch noch eine Quelle des 12. Jahrhunderts ließ bei Nichterfüllung bzw. Leistungsausfall den Entzug des Hofes nur nach beipflichtendem Urteil der Genossen des Kolonen zu und nannte als "altes Herkommen" bei Ernteausfall: "Was der Boden verweigert, kann dem Kolonen nicht abverlangt werden" (1172: MB 12, 11, S. 345). Das zeigt noch im hohen Mittelalter den als Kolonen Bezeichneten deutlich von der Stufe eines Knechtes entfernt.

Grundsätzlich hingen die Belastungen einer Hofstelle davon ab, ob diese mit Hofgebäuden und Zubehör (Vieh), ob mit bestelltem Boden oder eben nur "nackt" übernommen worden war, ebenso davon, ob der Bewirtschaftende als Freier oder einem Befehl folgender Unfreier diese besetzt hatte. Für das 12. Jahrhundert lassen sich dann in Bayern z. B. zwölfjährige Zeitpachtverträge von Kolonen feststellen (z. B. 1156: MB 37, 99, S. 72), was im 13. Jahrhundert vereinzelt sogar mit "Purgrecht" und als Kolonenrecht bezeichnet wurde (z. B. 1297: MB 8, 23, S. 51) und bereits eine bäuerliche Leiheform jenseits des frühmittelalterlichen Kolonen kennzeichnete.

Sozialer und rechtlicher Status

Kolonen konnten Land eines oder auch mehrerer Herren bewirtschaften, wobei sie in der Regel nur einem mit Abgaben und Diensten bzw. deren Geld- oder Naturaläquivalent zugeordnet waren, während sie das Land des anderen Herrn als Pachtland (Leihe) hielten. Ihre Schenkungen sowie Selbstübergaben an einen Altar (Autotradition) zeigen, dass einzelne Kolonen eigenes Land besitzen und ebenso über Gesinde minderen Rechts verfügen konnten. Umgekehrt konnten coloniae nicht nur durch Freie, sondern ebenso durch Unfreie besetzt sein, z. T. sogar innerhalb derselben Schenkung (816: Tr. Freising 366, S. 312).

Im hohen Mittelalter zeigte sich der soziale Status von als Kolonen bezeichneten Personen entsprechend weit gedehnt: Vom Armen (1278: MB 37, 423, S. 492) bis zum "Großbauern" (1204: Tr. Passau 849, S. 297) oder dem Lehnsbauern, der in Teilaspekten einem Ministerialen vergleichbar war (1034-41: Tr. Tegernsee 18, S. 16). In zeitlich späteren Quellen wurden beim "Herrenwechsel" von Höfen die Kolonen öfters mit genannt und belegen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Grundstücks (z. B. 1281: MB 37, 448, S. 530). Die enge Bodenbindung ist zugleich Schutz für die Bauern, die in einem Beispiel aus dem 12. Jahrhundert "solange bleiben konnten, wie sie wollen" und auch "am Wegzug nicht mit Gewalt gehindert werden durften", es war "nach dem Brauch der Kolonen vorzugehen" (1188: MB 4, 12, S. 142).

Das Eherecht der Kolonen zeigte keine spezifische Struktur. Ein Übergang aus und in die Gruppe der Knechte, des Gesindes, in der Frühzeit noch der Sklaven, war leicht möglich und wahrscheinlich, führte aber bei standesungleicher Ehe in der Regel zur Standesminderung zumindest der Nachkommen. Ob die in einer Passauer Urkunde (800-804: Tr. Passau 50, S. 43) dokumentierte Ausnahme sich auf die Frau eines Kolonen bezieht, muss offen bleiben.

Seinen Status konnte der Kolone grundsätzlich nur dann verlassen, wenn er als Unfreier von seinem Herrn auf eine statusbessere Hofstelle umgesetzt wurde, oder bei ihm eventuell im qualifizierten (Ministerialen-)Dienst aufstieg oder als Freier sich unter Wechsel seiner Tätigkeit in die Zensualität begab.  

Gang der Forschung

Mit der Aufklärung entstanden Arbeiten der Landwirtschaftsgeschichte, die vereinzelt den frühmittelalterlichen Kolonen wahrnahmen, z. B. von Karl G. v. Anton (1751-1818), der bereits die Monumenta Boica nutzte. Danach wurden Kolonen im Rahmen der Rechts- und Verfassungsgeschichte als Stand behandelt, wie z. B. bei Georg Waitz (1813-1886) um 1860, ohne dass die bairischen Verhältnisse speziell betrachtet wurden – eine Ausnahme bildete hier die Arbeit von Franz Gutmann 1906, die jedoch vernichtend rezensiert wurde (durch v. Schwerin). Die Generationen beschäftigende Diskussion um Gemeinfreiheit oder Königsfreiheit als Grundlage der politischen Verfasstheit fanden ohne besondere Rückgriffe auf Kolonen statt. Die Wahrnehmung von Kolonen als "Hörige" bot sie eben nicht für Projektionen in eine großartige eigene Vergangenheit an. Die sozialhistorische Aufarbeitung des bayerischen Bauernstandes durch Philippe Dollinger 1949 erfasste dann u. a. auch das Material zu den Kolonen ausführlich und mit der Mittelalterforschung der jungen DDR, die im Rahmen der Entstehung des Feudalismus die Genese der frühmittelalterlichen Grundherrschaften in detaillierter Untersuchung ausloten wollte, fanden die bairischen Kolonen mehr Aufmerksamkeit (z. B. bei Hannelore Lehmann 1965). Dahinter stand in neuem Gewand letztlich die Frage nach den Freien und deren Verschwinden. Im Rahmen anderer Fragestellungen erfolgten weitere Aufarbeitungen der Quellen des Alpenraums (z. B. durch Karl Schwarzenberg 1959 und Karl Pivec 1962), die auch für die Kolonen vertiefende oder gar neue Aufschlüsse ermöglichten. U. a. auf deren Basis behandelte dann Michael Banzhaf 1983/91 die Kolonen im Rahmen seiner Untersuchung zu den bayerischen Unterschichten. Daneben bestand eine starke Forschungstradition zum antiken und spätantiken Kolonat (Klaus-Peter Johne 1994 oder noch Detlef Liebs im HRG 2012), die aber Bayern überging. Die fruchtbaren Untersuchungen zur Entstehung der Grundherrschaft (z. B. Aadrian Verhulst 1989, Dieter Hägermann 1985), zu Hufe und Mansus (Walter Schlesinger, Karl Bosl) mit ihren Hinweisen zu den Kolonen sind erst recht zu nennen, auch wenn die überwiegend im rheinisch-westfränkischen Raum erfolgten Beobachtungen nicht einfach auf Bayern/Baiern übertragen werden sollten. Eine Synthese dieser Stränge bildete dann in gewisser Weise die dem westeuropäischen Kolonat gewidmete Arbeit von Oliver Schipp 2009.

Literatur

  • Karl Gottlob von Anton, Geschichte der teutschen Landwirthschaft von den ältesten Zeiten bis zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts: Ein Versuch, Bd. 1, Görlitz 1799.
  • Michael Banzhaf, Unterschichten in bayerischen Quellen des 8. bis 11. Jahrhunderts (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 9), München 1991.
  • Philippe Dollinger, Der bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, München 1982.
  • Franz Gutmann, Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, Straßburg 1906.
  • Dieter Hägermann, Einige Aspekte der Grundherrschaft in den fränkischen formulae und in den leges des Frühmittelalters, in: Le grand domaine aux époques mérovingenne et carolingienne - Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Adriaan Verhulst, Gent 1985, 51-77.
  • Dieter Hägermann, Art. "Kolone, Frühmittelalter", in: Lexikon des Mittelalters, Bd. V (München 1999), Sp. 1271-2.
  • Klaus-Peter Johne, Die Entwicklung von Kolonenwirtschaft und Kolonat mit besonderer Berücksichtigung der nördlichen Grenzprovinzen des Reiches, in: Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau–Provinzen des Römischen Reiches, hg. v. Helmut Bender - Hartmut Wolff, Espelkamp 1994, 73-86.
  • Ludolf Kuchenbuch, Servitus im mittelalterlichen Okzident. Formen und Trends (7.-13. Jahrhundert), in: Penser la paysannerie médiévale, un défi impossible ?, sous la direction de Alain Dierkens, Nicolas Schroeder et Alexis Wilkin, Paris 2017, 235-274.
  • Hannelore Lehmann, Untersuchungen zur Sozialstruktur im Gebiet des bayerischen Landkreises Ebersberg während des 8. und 9. Jahrhunderts, Diss. phil. Berlin 1965.
  • Detlef Liebs, Art. "Kolonat, Kolone", in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. II (Berlin 2012), Sp. 1957-1960.
  • Fritz Lošek, Notitia Arnonis und Breves Notitiae. Die Salzburger Güterverzeichnisse aus der Zeit um 800. Sprachlich-historische Einleitung, Text und Übersetzung, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 130 (1990), 5-192.
  • Wolfgang Metz, Die hofrechtlichen Bestimmungen der Lex Baiuuariorum I,13 und die fränkische Reichsgutverwaltung, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 12 (1956), 187-196.
  • Eckhard Müller-Mertens, Die Genesis der Feudalgesellschaft im Lichte schriftlicher Quellen, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 13 (1964), 1384-1402.
  • Peter Panitschek, Der spätantike Kolonat: Ein Substitut für die „Halbfreiheit" peregriner Rechtssetzungen?, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Rom. Abt., 107 (1999), 138-154.
  • Karl Pivec, Romanus, Colonus, Colonia in den frühmittelalterlichen Quellen des österreichischen Alpenraums, in: Serta Philologica Aenipontana, Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 7/8, (1962), 376-381.
  • Alice Rio, Slavery after Rome, 500-1100, Oxford 2017.
  • Werner Rösener, Vom Sklaven zum Bauern – Zur Stellung der Hörigen in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft, in: Tätigkeitsfelder und Erfahrungshorizonte des ländlichen Menschen in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (bis ca. 1000), hg. v. Brigitte Kasten, Festschrift Diter Hägermann), Wiesbaden 2006, 72-89.
  • Oliver Schipp, Der weströmische Kolonat von Konstantin bis zu den Karolingern (332 bis 861), Hamburg 2009.
  • Walter Schlesinger, Vorstudien zu einer Untersuchung über die Hufe, in: Ausgewählte Aufsätze von Walter Schlesinger 1965-1979, hg. v. Hans Patze - Fred Schwind (Vorträge und Forschungen 34), Sigmaringen 1987, 485-541, sowie ders., Die Hufe im Frankenreich, ebd., 587-614.
  • Karl Schwarzenberg, Die Hörigkeit in der Erzdiözese Salzburg bis auf die Zeit Eberhards II. nach den Quellen des Salzburger Urkundenbuches, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 99 (1959) 1-80.
  • Claudius v. Schwerin, Rez.: Franz Gutmann, Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 28 (1907), 533-545.
  • Heinrich Tiefenbach, Die Namen des Breviarius Urolfi – mit einer Textedition und zwei Karten, in: Ders., Von Mimigernaford nach Reganespurg, Gesammelte Schriften zu altsächsischen und althochdeutschen Namen, hg. v. Albrecht Greule - Jörg Riecke, Regensburg 2009, 163-208.
  • Adriaan Verhulst, Die Grundherrschaftsentwicklung im ostfränkischen Raum vom 8.-10. Jh. Grundzüge und Fragen aus westfränkischer Sicht, in: Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Werner Rösener, Göttingen 1989, 29-46.
  • Herwig Wolfram, Die Notita Arnonis und ähnliche Formen der Rechtssicherung im nachagilofingischen Bayern, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Peter Classen, Sigmaringen 1977, 115-130.

Quellen

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Jörg Müller, Kolonen, publiziert am 24.10.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kolonen> (31.10.2024)