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Staatstheater Nürnberg

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Martin Schieber (†)

1905 wurde das nach Entwürfen von Heinrich Seeling (1852-1932) errichtete neue städtische Opernhaus eröffnet. (Foto von Joachim Thiel lizensiert durch CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Das Staatstheater Nürnberg zählt seit 1. Januar 2005 zu den bayerischen Staatsbühnen. Finanziert wird das Mehrspartenhaus zu gleichen Teilen durch die Stadt Nürnberg und den Freistaat Bayern. Seine Anfänge reichen zurück bis ins 17. Jahrhundert. Mit dem "Nationaltheater" des Gastwirts Georg Aurnheimer (1766-1829) beginnt 1801 die Geschichte der Nürnberger Theatertradition am Lorenzer Platz. Dort wurde 1832/33 das "Alte Stadttheater" (Bezeichnung ab 1905) errichtet. Erst 1905 löste das "Neue Stadttheater" am Richard-Wagner Platz die bisherige Spielstätte ab. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs nahm das Stadttheater Nürnberg bereits im Herbst 1945 seinen Betrieb wieder auf. Heute (2019) bespielt das Staatstheater Nürnberg neben dem Opernhaus auch das Schauspielhaus, die Kammerspiele sowie die Meistersingerhalle.

Die Anfänge der Nürnberger Theatergeschichte

Das Fecht- und Tagkomödienhaus auf der Insel Schütt von 1628 war einer der ersten festen Theaterbauten Deutschlands. (Darstellung von Johann Alexander Boener aus: Nürnbergische Kleider-Trachten, Nürnberg 1689; Bayerische Staatsbibliothek, BA/Bavar. 1455 w)

Mit dem Fecht- und Tagkomödienhaus auf der Insel Schütt erhielt Nürnberg 1628 erstmals ein festes Theatergebäude. Die Anfänge der Theatergeschichte der Stadt reichen aber weiter zurück: Liturgische Dramen wie Karfreitagsspiele, der Schembartlauf oder Fastnachtsspiele unterhielten die Menschen schon im Mittelalter. Die Reformation schränkte diese Darbietungen stark ein oder verbot sie gänzlich. Dennoch erlebte das Fastnachtsspiel mit Hans Sachs (1494-1576) einen Höhepunkt.

Obwohl nie ein Zentrum der Theaterwelt, errichtete Nürnberg mit dem Fecht- und Tagkomödienhaus auf der Insel Schütt, einer Pegnitzinsel innerhalb der Stadt, 1628 den ersten kommunalen Theaterbau Deutschlands. Ohne festes Ensemble, bot es Raum für Aufführungen von fahrenden Theatertruppen und vielerlei Belustigungen wie Fechtkämpfe, Tierhatzen oder Artistik. Der quadratische Bau - dreistöckige Galerien um einen nach oben offenen Hof - war nur bei Tage zu gebrauchen. Daher kam 1668 das Opern- oder Nachtkomödienhaus an der Ecke Lorenzer Platz/Theatergasse hinzu, um mit künstlicher Beleuchtung auch bei schlechter Witterung und Dunkelheit Theaterstücke aufführen zu können. Auch dieses Theater verfügte über kein festes Ensemble.

"Nationaltheater" und "Interimstheater"

Detailansicht des Materialhauses, dem späteren Nachtkomödienhaus östlich von St. Lorenz in Nürnberg. Aus: "Prospekt der Reichsstadt Nürnberg" von Hieronymus Braun, 1608. (Staatsarchiv Nürnberg, Karten und Pläne Nr. 42.)

Noch zu reichsstädtischer Zeit änderte sich dies jedoch: Der Gastwirt Georg Aurnheimer (1766-1829) erhielt die Genehmigung des Rates, eine Bühne mit festem Ensemble zu betreiben. Der "Nationaltheater" genannte Bau wurde 1801 an der Stelle des alten Nachtkomödienhauses am Lorenzer Platz eröffnet. Da das Theater nicht öffentlich gefördert wurde und eine jährliche Abgabe an die Stadt zu leisten hatte, bot es publikumswirksame Aufführungen - so auch die Nürnberger Erstaufführung des "Freischütz" von Carl Maria von Weber (1786-1826) im Jahr 1822. Baufälligkeit führte im Frühjahr 1827 zur Schließung des Hauses. Eilends musste eine Zwischenlösung gefunden werden: Noch im Oktober 1827 eröffnete das "Interimstheater" auf der Insel Schütt, ein Holzbau nach Plänen des Stuttgarter Architekten Karl Alexander von Heideloff (1789-1865). Das Provisorium hatte sechs Jahre Bestand.

Das "Alte Stadttheater" am Lorenzer Platz

Altes Stadttheater am Lorenzer Platz. Ausschnitt aus Stahlstich "Nürnberg" von Albert Henry Payne, um 1850. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv)

Mit dem Neubau des im klassizistischen Stil gehaltenen Stadttheaters am Lorenzer Platz erhielt das Nürnberger Theaterwesen erstmals ein repräsentatives Ambiente. Musik- und Sprechtheater teilten sich die Bühne, die wirtschaftlich und künstlerisch viele Jahre nicht reüssieren konnte. Erst die Direktion von Maximilian Reck (1818-1885, Direktor ab 1858) führte das Nürnberger Theater zu künstlerischen Höhen. Während im Stadttheater das klassische Repertoire gepflegt wurde, etablierte sich im Jahr 1900 das "Intime Theater" als experimentierfreudige Sprechbühne, wo z. B. am 1. Februar 1904 Frank Wedekinds (eigtl. Benjamin Franklin Wedekind, 1864-1918) Tragödie "Die Büchse der Pandora" uraufgeführt wurde und für Furore sorgte (die Buchausgabe wurde im Juli 1904 wegen unzüchtiger Inhalte beschlagnahmt). Das Stadttheater erfüllte zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch nicht mehr die Platzansprüche der gewachsenen Stadt Nürnberg und noch weniger die modernen technischen Anforderungen.

Das Neue Stadttheater am Ring

Schon vor der Wende zum 20. Jahrhundert erkannte der Nürnberger Magistrat die Notwendigkeit, ein repräsentatives, modernes Theater zu errichten. Den Bauplatz fand man 1897, als mit der Eröffnung des neuen Städtischen Klinikums im Stadtteil St. Johannis das Alte Städtische Krankenhaus am Altstadtring abgebrochen werden konnte. 1898 verpflichtete man den Berliner Architekten Heinrich Seeling (1852-1932) für den Theaterneubau. Es entstand ein repräsentativer Bau, der historisierende Elemente des "Nürnberger Stils" mit zeitgenössischem Art Déco vermengte und in einer Blickachse mit dem ebenfalls 1905 errichteten Neubau des Hauptbahnhofes zu stehen kam. Mit der "Festwiesenszene" aus Richard Wagners (1813-1883) "Die Meistersinger von Nürnberg" öffnete das Haus am 1. September 1905 seine Pforten.

Der Theaterbetrieb war nach wie vor privatwirtschaftlich organisiert: Der jeweilige Intendant pachtete das Theater von der Stadt Nürnberg. Erster Intendant war Richard Balder (1867-1917), der bis 1914 amtierte und als "liebevoller" Pfleger der Werke Richard Wagners im Gedächtnis blieb. Sein Nachfolger, der Tenor Alois Pennarini (eigentlich Alois Federler, 1870-1927), führte die Dominanz des Musiktheaters weiter, obwohl auch das Sprechtheater seinen Platz im neuen Haus haben sollte. Dies änderte sich erst in der Weimarer Republik, als Johannes Maurach (1883-1951) 1922 die Intendanz der jetzt "Städtischen Bühnen" übernahm. 1924 wurde das Alte Stadttheater reaktiviert, um dem Sprechtheater eine Heimat zu geben.

Ab 1930 wurde dies auch in der Benennung der Häuser deutlich: Das Neue Stadttheater am Ring hieß fortan schlicht "Opernhaus", das Alte Stadttheater "Schauspielhaus". Maurach führte die Bühnen als konservativer Reformer und behielt seinen Posten auch im Nationalsozialismus, bis er auf Betreiben von Gauleiter Julius Streicher (NSDAP, 1885-1946) 1938 aus dem Amt gedrängt wurde. In diesen Jahren wurde das Opernhaus auch zu einem Nebenschauplatz der Reichsparteitage der NSDAP, denn eine Aufführung der "Meistersinger von Nürnberg" bildete einen festen Programmbestandteil der Propagandaveranstaltung. Die Nationalsozialisten griffen auch in die architektonische Ausstattung des Opernhauses ein, wurden doch die Jugendstil-Elemente entfernt und "im Sinne des Nationalsozialismus versachlicht". Der Zweite Weltkrieg brachte Schäden, die jedoch relativ schnell beseitigt werden konnten. So erklang bereits am 23. September 1945 ein erstes Philharmonisches Konzert und 1946 begann der reguläre Opern-Spielbetrieb wieder.

Von den "Städtischen Bühnen" zum "Staatstheater Nürnberg"

Bis zu Beginn der 1970er Jahre prägte der Intendant Karl Pschigode (1907-1971, Intendant ab 1947) das Nürnberger Theaterleben. 1959 entstanden das Schauspielhaus und 1962 die Kammerspiele als Bühnen für das Sprechtheater in unmittelbarer Nachbarschaft des Opernhauses - das Alte Stadttheater am Lorenzer Platz war im Krieg zerstört worden. Mit Kulturreferent Hermann Glaser (1928-2018) wehte im Nürnberg der 1970er Jahre ein frischer Wind, der auch die Generalintendanz abschaffte: Schauspiel, Musiktheater und allgemeine Verwaltung wurden in eigene Verantwortungsbereiche aufgeteilt. 1985 endete die intendantenlose Zeit allerdings wieder.

In den Wechselfällen der Kulturpolitik und in den Sparzwängen der kommunalen Haushalte war es 2003 eine für Nürnberg günstige Entscheidung der bayerischen Staatsregierung, den "Städtischen Bühnen Nürnberg" den Rang eines Staatstheaters zuzuerkennen. Am 16. September 2003 unterzeichneten der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg eine Vereinbarung, das Theater künftig in gemeinsamer Trägerschaft zu betreiben (seit 1. Januar 2005 in Kraft). In Hommage an Christoph Willibald Gluck (1714-1787), der in Erasbach (Lkr. Neumarkt in der Oberpfalz) und damit in der heutigen Metropolregion Nürnberg geboren wurde, finden seit 2005 die Internationalen Gluck-Festspiele am Nürnberger Opernhaus statt - seit 2008 in zweijährigem Turnus.

Literatur

  • Staatstheater Nürnberg (Hg.), Staatstheater Nürnberg 1905-2005. Opernhaus Staatsoper - vom Neuen Stadttheater am Ring zum Staatstheater, Nürnberg 2005.
  • Michael Diefenbacher/Rudolf Endres (Hg.), Stadtlexikon Nünberg, Nürnberg 1999.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Martin Schieber, Staatstheater Nürnberg, publiziert am 01.07.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Staatstheater_Nürnberg> (03.12.2024)