Riemenschneider, Tilman: Kaisergrabmal im Bamberger Dom
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Von Tilman Riemenschneider (gest. 1531) für den Bamberger Dom geschaffenes Grabmal von Kaiser Heinrich II. (reg. 1002-1024) und Kaiserin Kunigunde (gest. 1033). Heinrich II., Gründer des Bistums Bamberg, und Kunigunde werden als Heilige verehrt. Riemenschneider erhielt den Auftrag 1499. Vollendet war die Arbeit 1513.
Die Auftragsvergabe
Vom bischöflichen Hof in Bamberg erhielt der Würzburger Bildhauer und Bildschnitzer Tilman Riemenschneider (um 1460-1531) am 19. August 1499 seinen wohl ehrenvollsten Auftrag: Er sollte ein neues Grabmal für die Bamberger Bistumsheiligen und Kirchenstifter Kaiser Heinrich II. (reg. 1002-1024) und seine Gemahlin Kunigunde (gest. 1033) im Bamberger Dom schaffen. Die Reliquien des 1146 und 1200 heilig gesprochenen kaiserlichen Paares waren in getrennten Grablegen bzw. Reliquienschreinen bestattet gewesen und wurden nun erstmals in ein gemeinsames Grabmal gebettet. Anlass für die Beauftragung des neuen Grabmals war vermutlich der 300. Jahrestag der Erhebung der Gebeine der Kaiserin Kunigunde, welcher auf den 9. September 1501 fiel. Allerdings verzögerte sich die Fertigstellung des Monumentes um viele Jahre. War die Auftragserteilung unter Bischof Heinrich III. Groß von Trockau (reg. 1487-1501) erfolgt, konnte das neue Kaisergrabmal erst unter seinem dritten Nachfolger, Georg III. Schenk von Limpurg (reg. 1505-1522), 1513 vollendet werden. Riemenschneider erhielt mindestens 307 Gulden für seine Arbeit, damit stellt das Kaisergrabmal sein am besten bezahltes Werk dar. Wahrscheinlich lieferte der Bamberger Maler Wolfgang Katzheimer d. Ä. (1478-1508) die Entwurfszeichnungen für die Reliefs des Kaisergrabmals.
Aufstellungsort und Erscheinungsbild
Seit seiner Errichtung wurde das Kaisergrabmal vom ursprünglichen Aufstellungsort im Mittelschiff viermal innerhalb des Doms verschoben. Seit 1971 befindet es sich am östlichen Ende des Mittelschiffs zwischen den Treppen zum Georgenchor.
Das Kaisergrabmal präsentiert sich heute als freistehende Marmor-Tumba, die auf einem aus zwei Sandsteinschichten bestehenden, dreifach gestuften Sockel steht. Auf der Deckplatte sind Heinrich und Kunigunde in kaiserlichem Ornat mit Zepter und Reichsapfel unter einem Baldachin und auf Löwen stehend abgebildet; die bayerischen und luxemburgischen Wappen in den Pfoten der Tiere kennzeichnen ihre Herkunft. Drei der vier Seiten der Tumba sind mit szenischen Reliefs und Architekturornamenten ausgestaltet. Die Reliefs schildern Begebenheiten aus den Legenden der Heiligen, die Sockelstufen unterhalb der Reliefs sind mit verschiedenen Kriechtieren geschmückt. Die Darstellungen des Kaisergrabmals werden durch vergoldete Partien sowie sparsam eingesetzte Schwarz-, Rot - und Grüntöne akzentuiert. An der leer verbliebenen Westseite der Tumba wurden 1649 zwei Inschrifttafeln aus Bronze angebracht. 1837 wurde das Kaisergrabmal zudem auf einen zweistufigen Sockel gesetzt.
Der Umstand, dass die Westseite zur Entstehungszeit des Grabmals schmucklos belassen worden war, spricht dafür, dass das heutige Erscheinungsbild des Kaisergrabmals nicht das ursprüngliche ist. Vermutlich war die Westseite für den Betrachter nicht sichtbar und mit dem im Mittelschiff vor dem Georgenchor aufgestellten Kunigundenaltar verbunden. Die Verbindung von Reliquiensarkophag und Altar war im Mittelalter der Würdigung von Heiligen vorbehalten, die Tumba findet sich im Spätmittelalter häufig als Grabform für Stifter. Die an einen Altar anstoßende reliquienbergende Tumba bringt die besondere Würdigung der geheiligten Bamberger Bistumsgründer zum Ausdruck. Das dem Kaisergrab rein geographisch gesehen nächstliegende Vergleichsbeispiel stellt das ebenfalls mit einem Altar verbundene Grabmal des heiligen Bischofs Otto I. (reg. 1102-1139) aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts dar, welches sich im Benediktinerkloster St. Michael in Bamberg befindet.
Die Verehrung des heiligen Kaiserpaares
Die Verehrung Kaiser Heinrichs II. setzte schon bald nach seinem Tod im Jahre 1024 ein, die Kunigundes erst um 1200. Im ausgehenden Mittelalter wurde in der Person Heinrichs vornehmlich der verstorbene Herrscher, Bistumsgründer und großzügige Stifter, in Kunigunde von Anbeginn an die marianische Heilige gewürdigt. Die stärkste Ausprägung des Kunigundenkultes fand sich im Bamberger Dom, wo sich die Verehrung der Kaiserin der Jungfrau Maria annäherte und Kunigunde zudem eine Verehrung wie der hl. Anna zuteil wurde. Der Kaiser nahm innerhalb der Volksfrömmigkeit nie eine so lebendige und volksnahe Rolle wie seine Frau ein. Die Kulte Heinrichs und Kunigundes berührten sich lediglich in dem zentralen Punkt der Verehrung der jungfräulichen Ehe des Kaiserpaares.
Der figürliche Schmuck des Kaisergrabmals
Während die Darstellung Kaiser Heinrichs und Kaiserin Kunigundes in kaiserlichem Ornat auf der Deckplatte auf die unsterbliche Würde des temporär durch sie verkörperten Amtes verweist, stehen die Kriechtiere am Sockel des Grabmals für die Vergänglichkeit ihrer Körper - eine Gegenüberstellung, wie man sie von den sog. Doppeldecker-Grabmälern des 15. Jahrhunderts kennt: Die Deckplatte mit dem in seiner Amtstracht abgebildeten Verstorbenen erhebt sich über einer Gehäusetumba mit durchbrochenen Seitenwänden, die den Blick auf den nun als Leichnam präsentierten Verstorbenen freigibt. Dieser wird mitunter von Kriechtieren umgeben.
In den erzählenden Reliefs auf den Wänden der Tumba spiegelt sich die volkstümliche Verehrung des heiligen Kaiserpaars wieder. Sie beziehen sich auf die 1488 bei Anton Koberger (1440-1513) in Nürnberg gedruckten Heiligenleben. Die Reliefs auf der südlichen Langseite, "Pflugscharpobe" und "Schüsselwunder", zeigen Begebenheiten aus dem Leben Kunigundes: Durch Überschreiten von glühenden Pflugscharen reinigt sich die Kaiserin von der Anklage des Ehebruchs; beim Bau der Stephanskirche lässt sie jeden Arbeiter selbst seinen Lohn nehmen, doch erhält keiner mehr als ihm zusteht. Das Relief "Tod des Kaisers" an der östlichen Schmalseite zeigt die das Kaiserpaar verbindende Szene, als Heinrich in seiner Todesstunde seine jungfräuliche Gemahlin in die Obhut der Freunde und Angehörigen gibt. Der lockende Mann am Fußende des Bettes verkörpert die weltlichen Versuchungen, denen der sterbende Kaiser widerstehen muss. In den Szenen aus der Heinrichslegende auf der nördlichen Langseite der Tumba werden die Legenden "Steinheilung" und "Seelenwägung" illustriert. Bei einem Aufenthalt im Kloster Monte Cassino erlebt der Kaiser eine wundersame Heilung von seinem Steinleiden durch den hl. Benedikt. Die durch den Erzengel Michael vollzogene Wägung der Seele des Kaisers wird erst zu dessen Gunsten entschieden, als der hl. Laurentius einen von Heinrich gestifteten Kelch auf die Waagschale der guten Taten wirft.
Während Kunigunde in der "Pflugscharprobe" und dem "Schüsselwunder" als wunderwirkende Heilige im Mittelpunkt des Geschehens steht, sprechen die drei Reliefs "Steinheilung", "Seelenwägung" und "Tod des Kaisers" zentrale Themen der spätmittelalterlichen Frömmigkeit an: die Heiligenverehrung und die Sorge um ein seliges Ende, welcher sich die zahlreich erschienenen Sterbebüchlein jener Zeit widmen. Wie der gläubige Betrachter im späten Mittelalter ist auch Kaiser Heinrich in der Legende darauf angewiesen, dass Heilige - hier Benedikt und Laurentius - für seine Seele und sein körperliches Wohl Wunder wirken, und in seiner Sterbestunde muss er sich wie jeder Sterbliche von den weltlichen Verlockungen lossagen.
Stilistische Einordnung
Stilistisch ist Tilman Riemenschneiders Kaisergrabmal in die mittlere Schaffensperiode des Meisters einzuordnen. Die Deckplatte mit den Figuren des Kaiserpaares sowie die Reliefs mit den Heiligenlegenden sind in die ersten Jahre des 16. Jahrhunderts zu datieren. Die teils renaissancehafte Ausschmückung der Reliefzwickel mag später, kurz vor der Vollendung des Kaisergrabmals, geschaffen worden sein. Insgesamt weisen sämtliche Darstellungen am Kaisergrabmal ein einheitlich hohes Qualitätsniveau auf. Eine Scheidung der verschiedenen an der Ausführung beteiligten Mitarbeiterhände ist nur bedingt möglich.
Die Entstehungszeit des Kaisergrabmals fällt in die Blüte der Werkstatt Tilman Riemenschneiders, in der auch die berühmten Flügelretabel in Rothenburg o. d. T. (1501-1505), Creglingen (um 1505-1508) und Detwang (um 1505-1508) geschaffen wurden. In den Werken dieser Zeit stellt der Würzburger Meister seine Virtuosität in der Bearbeitung von Holz genauso wie im Behauen von Stein unter Beweis.
Literatur
- Justus Bier, Tilmann Riemenschneider. Die späten Werke in Stein, Wien 1973, 1-48.
- Bodo Buczynski/Artur Kratz, Untersuchungen an Steinbildwerken Tilman Riemenschneiders, in: Ausstellungskatalog Tilman Riemenschneider - Frühe Werke. Mainfräkisches Museum Würzburg, Berlin 1981, 335-375.
- Norbert Haas, Das Kaisergrab im Bamberger Dom unter besonderer Berücksichtigung des Hochgrabes - ein Werk des Würzburger Bildhauers Tilman Riemenschneider, Bamberg 3. Auflage 1999.
- Walter Haas, Stiftergrab und Heiligengrab. Gefüge und Typus der Wunibaldstumba in Heidenheim und der Kaisertumba im Bamberger Dom, in: Jahrbuch der bayerischen Denkmalpflege 28 (1973), 115-151.
- Iris Kalden, Beiträge zu Tilman Riemenschneiders Kaisergrab im Bamberger Dom, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 123 (1987), 69-119.
- Iris Kalden, Tilman Riemenschneiders Kaisergrab im Bamberger Dom. 3 Bände, Magisterarbeit masch. Hamburg 1985.
- Iris Kalden-Rosenfeld, Tilman Riemenschneider's Kaisergrab. Type and program, in: Julien Chapuis (Hg.), Tilman Riemenschneider c. 1460-1531, New Haven 2004, 38-51.
- Iris Kalden-Rosenfeld, Tilman Riemenschneider und seine Werkstatt. Mit einem Katalog der allgemein als Arbeiten Riemenschneiders und seiner Werkstatt akzeptierten Werke, Königstein im Taunus 3. Auflage 2006.
- Renate Klauser, Der Heinrichs- und Kunigundenkult im mittelalterlichen Bistum Bamberg, Bamberg 1957 (zugleich in: 95. Bericht des Historischer Vereins Bamberg für die Pflege der Geschichte des Ehemaligen Fürstbistums, Bamberg (1957), 1-208).
- Bruno Neundorfer, Leben und Legende. Die Bildwerke am Grab des Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde im Bamberger Dom (Veröffentlichungen des Diözesanmuseums Bamberg 3), Bamberg 1985.
- Norbert Ott, Marginalien zu Riemenschneiders Darstellung der Steinheilung Heinrichs II. / Urologie vor 500 Jahren, in: Mainfränkisches Jahrbuch 62 (2010), 91-100.
Quellen
- Justus Bier, Tilmann Riemenschneider. Die späten Werke in Stein, Wien 1973, 166-177.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Iris Kalden-Rosenfeld, Riemenschneider, Tilman: Kaisergrabmal im Bamberger Dom, publiziert am 22.02.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Riemenschneider,_Tilman:_Kaisergrabmal_im_Bamberger_Dom> (1.12.2024)