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Reichsparteitage der NSDAP, 1923-1938

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Standartenweihe eines SA-Trupps beim Reichsparteitag der NSDAP, 27.-29. Januar 1923 in München. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-6535)
Reichsparteitag der NSDAP am 3./4. Juli 1926 in Weimar, Aufnahme vor dem Schiller-Goethe-Denkmal. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-6755)
Reichsparteitag der NSDAP, 16.-21. August 1927; Blick in die Luitpoldarena in Nürnberg. (Bayerische Staatsbibliothek,Bildarchiv hoff-6791)
Reichsparteitag der NSDAP, 4.-10. September 1934 in Nürnberg, Blick auf das HJ-Zeltlager. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-9553)
Reichsparteitag der NSDAP, 10.-16. September 1935 in Nürnberg, Luftaufnahme des Reichsparteitagsgeländes. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-11580)
Reichsparteitag der NSDAP, 10.-16. September 1935 in Nürnberg; Tag der Wehrmacht auf dem Zeppelinfeld. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-11592)
Reichsparteitag der NSDAP, 8. -14. September 1936 in Nürnberg, nachts auf dem Zeppelinfeld ; Lichtdom von Albert Speer. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-41061)

von Hans Christian Täubrich

Der erste Parteitag der NSDAP fand 1923 in München statt. Seit 1927 organisierten die Nationalsozialisten diese Massenveranstaltungen in Nürnberg, das Adolf Hitler (1889-1945) 1933 offiziell zur "Stadt der Reichsparteitage" bestimmte. Die Parteitage dienten der Selbstdarstellung der NSDAP. Bis zu 1 Mio. Menschen besuchten die jährlichen Propagandainszenierungen auf dem Reichsparteitagsgelände.

Entstehung

In der an Massenmedien noch armen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg waren Großversammlungen wichtigstes und wirksamstes Propagandamittel der Nationalsozialisten. Ihren ersten Parteitag hielt die NSDAP vom 27.-29. Januar 1923 in München ab (1. Fahnenweihe, Aufmarsch auf dem Marsfeld). Wegen ihres Niedergangs nach dem gescheiterten Putschversuch im November und der Haftzeit Hitlers fand der zweite Parteitag erst 1926 in Weimar statt. In Bayern hatte Hitler Redeverbot. 1927 und 1929 wurde Nürnberg zum Aufmarschort, gefördert vom Wohlwollen des örtlichen Polizeipräsidenten Heinrich Gareis (1878-1951) und der Agitation des nationalsozialistischen "Frankenführers" Julius Streicher (1885-1946). Gewalttätige Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten beim Reichsparteitag 1929 verschafften der NSDAP landesweit große Aufmerksamkeit. 1930 und 1931 verhinderte die sozialliberale Stadtregierung Nürnbergs NS-Versammlungen, 1932 fehlte der Partei das Geld.

Die Stadt der Reichsparteitage: Nürnberg

Am 30. August 1933 bestimmte Hitler Nürnberg zur "Stadt der Reichsparteitage". Propagandistisch wurde damit die Verbindung zwischen der NS-Bewegung und der großen Vergangenheit der Reichsstadt als Ort der Kaiserherrlichkeit und mittelalterlichen Reichstage konstruiert. Deshalb hielt man hier bis 1938 alljährlich im September die Reichsparteitage der NSDAP ab. Mit einer "Zentralstelle" wurde die Stadt in die von Jahr zu Jahr aufwändigere Veranstaltungsorganisation eingebunden. Rund eine Million Besucher und Teilnehmer aus ganz Deutschland kamen zu dem Ereignis; sie mussten transportiert, versorgt und untergebracht werden.

Das Reichsparteitagsgelände

Schauplatz der spektakulären Masseninszenierungen wurde das Reichsparteitagsgelände, ein elf Quadratkilometer großes Areal im Südosten der Stadt, dass bereits um 1900 als Nürnberger Ausstellungsgelände gedient hatte. Hier sollte nach Planungen Adolf Hitlers (1889-1945) und seines Architekten Albert Speer (1905-1981) eine "Tempelstadt der Bewegung" mit riesenhaften Versammlungsbauten und Aufmarschanlagen entstehen. Bis zum Kriegsausbruch wurden jedoch nur Zeppelinfeld, Luitpoldarena und Große Straße fertig. Märzfeld, Deutsches Stadion und Kongresshalle kamen über den Rohbau bzw. das Gründungsstadium nicht hinaus.

Nach Kriegsende kam das Areal wieder in den Besitz der Stadt Nürnberg. Die Luitpoldarena, das Märzfeld und die Baustelle des Deutschen Stadions wurden zurück- bzw. überbaut. Das Zeppelinfeld, die Große Straße und die unvollendet gebliebene Kongresshalle stehen seit 1973 als herausragende Beispiele der NS-Herrschaftsarchitektur unter Denkmalschutz. Seit 2001 informiert das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände über Geschichte und Funktion des historischen Orts.

Ablauf der Reichsparteitage

Zur Ausgestaltung der Reichsparteitage bediente sich die NSDAP vieler Traditionen. Christliche und mutmaßlich germanische Bräuche gehörten ebenso dazu wie militärische Rituale, Elemente der bürgerlichen Festkultur, politische Ausdrucksformen der Arbeiterbewegung oder Inszenierungen des italienischen Faschismus. Jeder Tag galt einer der großen NS-Organisationen (Tag der Politischen Leiter, Tag der Hitlerjugend, Tag der SA und SS usw.). Im Mittelpunkt standen jeweils die Appelle vor Adolf Hitler, pseudoreligiöse Totenkultfeiern sowie Aufmärsche auf dem Reichsparteitagsgelände und in der Altstadt. Die Veranstaltungen dauerten anfangs fünf, seit 1934 sieben und ab 1937 acht Tage. Ein auf größtmögliche Wirkung berechnetes Porträt der Reichsparteitage erstellte die Regisseurin Leni Riefenstahl (1902-2003). Ihr Film "Triumph des Willens" über den Reichsparteitag 1934 sollte der Partei propagandistisch als Abbild der Reichsparteitage schlechthin dienen.

Funktion

Die Reichsparteitage dienten allein der inneren und äußeren Selbstdarstellung des NS-Staats. Sie hatten keinerlei programmatische Aufgabe. Die Inszenierung von "Volksgemeinschaft" und "Führermythos" sollte die Geschlossenheit der Nation demonstrieren. Paraden, die Allgegenwart der Uniformen und militärische Vorführungen standen in direktem Bezug zur Kriegsvorbereitung. Vor allem aber appellierten die Reichsparteitage an die Gefühle der Teilnehmer und Zuschauer. Politik sollte hier nicht diskutiert oder verstanden, sondern "erlebt" werden. Die äußere Form, die Inszenierung, wurde so zur wichtigen politischen Botschaft der Nürnberger Veranstaltungen, die hinsichtlich Umfang und Bedeutung den Höhepunkt im nationalsozialistischen Feierjahr darstellten. Neben den Massenaufmärschen fanden in der Parteitagswoche u. a. im Opernhaus und in der alten Kongresshalle Vortragsveranstaltungen prominenter Parteiführer vor NSDAP-Anhängern statt.

Traurige Berühmtheit erlangte die am 15. September 1935 im Kulturvereinsbau abgehaltene Sitzung des nach Nürnberg einberufenen Reichstags, in deren Verlauf die Rassengesetze ("Gesetz zum Schutz des dt. Blutes und der dt. Ehre", "Reichsbürgergesetz") verabschiedet wurden.

Datum Ort Bezeichnung
27.-29. Januar 1923 München
3./4. Juli 1926 Weimar
19.-21. August 1927 Nürnberg
1.-4. August 1929 Nürnberg
30. August - 3. September 1933 Nürnberg Reichsparteitag des Sieges
5.-10. September 1934 Nürnberg Reichsparteitag der Einheit und Stärke
10.-16. September 1935 Nürnberg Reichsparteitag der Freiheit
8.-14. September 1936 Nürnberg Reichsparteitag der Ehre
6.-13. September 1937 Nürnberg Reichsparteitag der Arbeit
5.-12. September 1938 Nürnberg Reichsparteitag Großdeutschland
2. September 1939 (wegen des Kriegsbeginns abgesagt) Nürnberg Reichsparteitag des Friedens

Literatur

  • Eckart Dietzfelbinger/Gerhard Liedtke, Nürnberg - Ort der Massen. Das Reichsparteitagsgelände. Vorgeschichte und schwieriges Erbe, Berlin 2004.
  • Yasmin Doosry, "Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen ...": Studien zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Tübingen 2002.
  • Alexander Schmidt, Geländebegehung. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Nürnberg 3. Auflage 2002.
  • Markus Urban, Die Konsensfabrik. Funktion und Wahrnehmung der NS-Reichsparteitage, 1933-1941, Göttingen 2007.
  • Siegfried Zelnhefer, Die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg (Schriftenreihe des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände 2), Nürnberg 2002.

Quellen

  • Zu den Reichsparteitagen 1933-1938 erschien jeweils im darauffolgenden Jahr im Vaterländischen Verlag Weller/Berlin ein Band zur "Reichstagung in Nürnberg", herausgegeben von Julius Streicher (1933-34) und Hanns Kerrl (ab 1935). Die Bände enthalten neben den Ablaufbeschreibungen der einzelnen Tage auch zahlreiche Fotos sowie die Texte der Redebeiträge.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Hans Christian Täubrich, Reichsparteitage der NSDAP, 1923-1938, publiziert am 07.09.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsparteitage_der_NSDAP,_1923-1938 (19.03.2024)