Regiefranken, 1923/24
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die von Frankreich und Belgien während des Ruhrkampfs 1923 eingesetzte Regieverwaltung über das Eisenbahnwesen in ihren Besatzungszonen, die Régie des Chemins de fer des Territoires occupés, gab seit 25. September 1923 eigene Zahlungsscheine aus, die bis 15. Dezember 1924 gültig blieben. Mit dem Aufdruck "Gültig zur Zahlung aller an die Eisenbahn geschuldeten Beträge", einer Wertangabe in französischen Francs und einer entsprechenden grafischen Gestaltung glichen sie Banknoten. Deshalb wurden sie gemeinhin als Regiefranken bezeichnet.
Hintergrund: Ruhrbesetzung
Mit der Errichtung der Eisenbahnregie reagierten Frankreich und Belgien auf die Ausrufung des passiven Widerstands gegen ihren Einmarsch in das Ruhrgebiet im Januar 1923 und gegen ihre Sanktionspolitik in ihren Besatzungszonen. Die Ziele ihrer Ruhrpolitik sahen sie vor allem gefährdet durch die Weisung des Reichsverkehrsministers an die Beamten und Arbeiter der Reichsbahn, keine Kohlen für Frankreich und Belgien zu befördern und auch nicht bei ihrem Transport mitzuwirken.
Die französische Geldpolitik im Rheinland
Die Ausgabe eigener Zahlungsscheine für den Zahlungsverkehr im Bereich der Regiebahn diente der französisch-belgischen Regieverwaltung zunächst dazu, die Notgesetzgebung des Deutschen Reichs mit ihrem Verbot jeglicher Zahlungen an nichtdeutsche Stellen zu unterlaufen. Zugleich waren die so genannten Regiefranken als eine Art Notgeld gedacht ähnlich dem Kreisnotgeld der Kreisgemeinde Pfalz als höherem Gemeindeverband, dem so genannten Anilin-Dollar der Badischen Anilin- und Sodafabrik Ludwigshafen oder anderen umlaufenden Notwährungen. Wie die deutschen Behörden und Unternehmen mit ihrem Notgeld suchte die Regieverwaltung mit den Regiefranken der im Ruhrkampf noch beschleunigten inflationären Entwertung der Mark zu begegnen.
Hinzu kam die Erwartung Frankreichs, mit den Regiefranken die Grundlage zu schaffen für die Entwicklung einer eigenen Währung künftiger Separatstaaten auf dem linken Rheinufer. Wohl von französischer Seite angestoßene Überlegungen sahen die Gründung einer "Rheinischen Staatsbank A.G." vor. Nach dem Vorbild der Banque de France sollte sie als private Bank staatlicher Aufsicht unterliegen. Ihre Aufgabe sollte es sein, den Regierungen Vorschüsse auszuzahlen und im Gegenzug deren Einnahmen entgegenzunehmen und zu verwalten. An ihrer Spitze sollten drei Gouverneure stehen, von denen zwei von der künftigen rheinischen Regierung zu ernennen waren. Der dritte Gouverneur sollte - auch zur Sicherung der Reparationsansprüche - von der Rheinlandkommission bestellt werden. Den Gouverneuren sollten zwei Rheinländer und ein Franzose als Direktoren unterstellt werden. Dabei sollten die beiden Rheinländer durch den Aufsichtsrat gewählt, der Franzose von den beteiligten ausländischen Banken ernannt werden. Vorgesehen war auch die Möglichkeit, einen Belgier zum vierten Direktor zu bestellen. Das Anfangskapital von 10 Mill. Francs sollte so bald wie möglich auf 50 Mill. Francs erhöht werden. Die auf Francs lautenden Aktien waren dann auf eine rheinische Währung umzurechnen. Als Grundstock der künftigen Währung galten 150 Mill. Francs, die im Rahmen eines Stützungsvertrags zwischen der "Rheinischen Staatsbank " und einem Pariser Konsortium zur Verfügung gestellt werden sollten.
Entsprechend derartigen Überlegungen ließ General Adalbert Francois Alexandre de Metz (1867-1946) als Speyerer Oberdelegierter der Rheinlandkommission den pfälzischen Separatistenführer Franz-Josef Heinz (1884-1924) am 26. Oktober 1923 ein Papier über die Gründung einer Währungsbank unterzeichnen. Als "Banque des Pays Rhénans" gab sie bald darauf Verpflichtungsscheine mit dem Stempelaufdruck der Französischen Republik aus.
Geldfälschungen der bayerischen Pfalzzentrale
Um die Pläne der französischen Besatzungsmacht zu durchkreuzen, setzte die Heidelberger Pfalzzentrale gefälschte Regiefranken in Umlauf. Die Verhaftung eines Dienstmanns, der am 9. Mai 1924 in Ludwigshafen beim Wechseln gefälschter Regiefranken angetroffen worden war, löste aber die so genannte Regiefrankenaffäre aus. Als Auftraggeber des Dienstmanns ermittelte die badische Polizei den Zahnarzt Dr. Hermann Eberlein, Sohn des Leiters der Pfalzzentrale August Ritter von Eberlein (1877-1949). Wegen Urkundenfälschung und Gebrauchs gefälschter Urkunden wurde der in Reutlingen tätige Assistenzarzt in einem sehr milden Urteil eines Heidelberger Schöffengerichts lediglich zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Dem badischen Innenminister Adam Remmele (1877-1951) hatten die Vorgänge aber ausgereicht, den fragwürdigen Aktivitäten der Pfalzzentrale ein Ende zu setzen und sie, gestützt auf einen Kabinettsbeschluss vom Vorabend, in den frühen Morgenstunden des 10. Mai 1924 schließen zu lassen.
Literatur
- Helmut Gembries, Verwaltung und Politik in der besetzten Pfalz zur Zeit der Weimarer Republik (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 4), Kaiserslautern 1992.
- Rudolf Hamm, Freie Bauernschaft, Heinz-Orbis und Separatismus. Nach Aufzeichnungen zusammengestellt, Otterbach 1930.
- Joachim Kermann/Hans-Jürgen Krüger (Bearb,), 1923/24 - Separatismus im rheinisch-pfälzischen Raum. Katalog zu einer Ausstellung der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Koblenz 1989.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Helmut Gembries, Regiefranken, 1923/24, publiziert am 16.04.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Regiefranken,_1923/24> (12.12.2024)