Homburger Vereinbarung, 14./18. Februar 1924
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Mit der sog. Homburger Vereinbarung – dem Charakter nach eine "verfassungsergänzende Militärkonvention" (E. R. Huber) – vom 14. Februar 1924 legten Bayern und das Reich ihren offenen Konflikt aus dem Jahre 1923 über die Rechtsstellung des bayerischen Landeskommandanten der Reichswehr bei. Generalstaatskommissar Gustav von Kahr (1862-1934) und Landeskommandant Otto von Lossow (1863-1938) traten am 18. Februar 1924, dem Tag der Veröffentlichung der Vereinbarung, zurück.
Anlass für den offenen Konflikt
Entstanden war der Konflikt, als der Reichswehrminister, dem die vollziehende Gewalt im Reich oblag, am 28. September 1923 dem Befehlshaber des Wehrkreises VII und bayerischen Landeskommandanten befohlen hatte, Druck und Verbreitung des "Völkischen Beobachters" zu unterbinden. Otto von Lossow (1868-1938) hatte sich geweigert, diesen Befehl auszuführen. Daraufhin war er vom Reichswehrminister am 20. Oktober 1923 des Dienstes enthoben worden. Auf die Aufforderung, gemäß Reichswehrgesetz (Wehrgesetz v. 23.3.1921 [RGBl. I 329]) einen Nachfolger als Landeskommandanten vorzuschlagen, hatte die bayerische Staatsregierung aus eigener Machtvollkommenheit Lossow zum Landeskommandanten ernannt und die 7. Division der Reichswehr (22. Oktober 1923) in die Pflicht genommen (s. im Detail Poetzsch, Staatsleben, 93-96).
Zustandekommen und Inhalt der Vereinbarung
Die Homburger Vereinbarung – benannt nach einer vorbereitenden Besprechung zwischen Ministerpräsident Eugen Ritter von Knilling (1865-1927) mit Reichskanzler Wilhelm Marx (1863-1946) in Bad Homburg am 18. Januar 1924 – war das Ergebnis von Gesprächen zwischen dem Reichskanzler, dem Reichswehrminister Otto Geßler (1875-1955) und General Hans von Seeckt (1866-1936) sowie dem bayerischen Kultusminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Franz Matt (1860-1929) und dem bayerischen Gesandten Konrad von Preger (1867-1933) am 14. Februar 1924 in der Reichskanzlei (Niederschrift über diese Besprechung in: Deuerlein, Hitlerputsch, Dok. Nr. 273, 679ff.). Um die sachlichen Streitpunkte über den Vollzug des Reichswehrgesetzes auszuräumen, gestand die Reichsregierung der bayerischen Regierung künftig stärkere Mitspracherechte bei der Abberufung des Landeskommandanten und dem Einsatz bayerischer Truppen außerhalb der Landesgrenzen zu. Die Eidesformel verpflichtete die Reichswehrtruppen ferner in Zukunft neben der Reichsverfassung auch auf die jeweilige Landesverfassung. Das Reichskabinett stimmte der Vereinbarung in der Ministerbesprechung vom 15. Februar 1924 zu (Akten der Reichskanzlei. Die Kabinette Marx I und II, 30. November 1923 bis 3. Juni 1924, 3. Juni 1924 bis 15. Januar 1925. 1. Band, bearb. v. Günter Abramowski, Boppard 1973, 369). Der Bayerische Ministerrat nahm die Vereinbarung in seiner Sitzung vom 16. Februar 1924 an (Niederschrift in: Deuerlein, Hitlerputsch, Dok. Nr. 274, 683ff.). Am 18. Februar 1924 wurde der Text der Vereinbarung durch Wolffs Telegrafenbüro (WTB) veröffentlicht.
Bewertung
Nach der Konfrontation im Krisenjahr 1923 bemühten sich Bayern und Reich um eine Normalisierung des Verhältnisses und um eine legalistische Beilegung des Verfassungskonflikts. Heinrich August Winkler bemerkt dazu kritisch: "Irgendwelche strafrechtlichen Folgen hatte ihr [gemeint sind Kahr und Lossow] Hochverrat gegen das Reich nicht" (Geschichte, 251). Preis für die Vereinbarung, die Bayern zumindest de jure gewisse Zugeständnisse im Ringen um die Stellung der Länder im Reich verschaffte, war ein personeller Wechsel auf der politischen Bühne Bayerns: die Staatsregierung ließ Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) und Otto von Lossow fallen. Lossow nahm seinen Abschied. Kahr wurde Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.
Dokumente
Literatur
- Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. 7. Band: Ausbau, Schutz und Untergang der Weimarer Republik, Stuttgart 1984, 469-478.
- Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. 4. Band, Stuttgart 3. Auflage 1991, 385-398.
- Fritz Poetzsch, Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung (vom 1. Januar 1920 bis 31. Dezember 1924), in: Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart 13 (1925), 1-248.
- Heinrich August Winkler, 1918-1933. Die Geschichte der ersten Demokratie, München 1993.
Quellen
- Abdruck: Günter Abramowski (Bearb.), Akten der Reichskanzlei. Die Kabinette Marx I und II. 30. November 1923 bis 3. Juni 1924, 3. Juni 1924 bis 15. Januar 1925. 1. Band, Boppard 1973, 378 sowie bei Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. 4. Band, Stuttgart 3. Auflage 1991, 393.
- Ernst Deuerlein (Hg.), Der Hitler-Putsch. Bayerische Dokumente zum 8./9. November 1923, Stuttgart 1962.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Karl-Ulrich Gelberg, Homburger Vereinbarung, 14./18. Februar 1924, publiziert am 03.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Homburger_Vereinbarung,_14./18._Februar_1924 (1.12.2024)