Geleit (Herzogtum/Kurfürstentum Bayern)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Das Geleit war im mittelalterlichen Europa ein mobiler Sonderfrieden auf Verkehrswegen. Der Reisende hatte für seinen Weg eine Gebühr an den das Geleit gewährenden Schutzherrn zu entrichten. Dies geschah meist in Form einer Begleitung durch Bewaffnete oder eines Geleitbriefes. Im Schadensfall (z. B. Überfällen) in seinem Geleitsgebiet hatte der Schutzherr den Berechtigten zu entschädigen. Dies galt allerdings nur, wenn der Berechtigte sich "geleitlich hielt", d. h. nicht vom vorgegebenen Weg abwich. Das Geleit galt für Personen und für Güter. Während das Geleitsrecht bis in das Hochmittelalter allein beim König lag, konnten ab 1231 auch die Landesherrn für ihre jeweiligen Hoheitsgebiete das Geleit erteilen, ab dem 14. Jahrhundert zum Teil ebenso die Städte. In Bayern wie in anderen Territorien des Heiligen Römischen Reiches positionierte sich der Herzog als umfassender Garant für die Sicherheit der Straßen, behauptete aber auch das entsprechende Monopol gegen Androhung der Todesstrafe. Das Geleitsrecht brachte fiskalische (Einnahmequelle) wie politische Vorteile (z. B. Kontrolle oder Blockade der Handelsrouten von Reichsstädten) für die Landesherrn mit sich. Auch für die wirtschaftliche Prosperität von Regionen war das Geleitsrecht von Bedeutung.
Inhalt, Typologie und Begrifflichkeiten
Geleit (lat. conductus) war im Wesentlichen und im Gegensatz zum Asyl als örtlich gebundenem ein mobiler Sonderfrieden im Verkehr von Personen und Gütern. Dieser Sonderfrieden beruhte auf einem regelmäßig entgeltlichen Schutzversprechen, gegebenenfalls mit Haftungsverpflichtung des Geleitsherrn im Schadensfall. Der Berechtigte musste sich allerdings auch "geleitlich halten", durfte etwa vom vorgegebenen Weg einer via publica nicht abweichen. Dieser Sonderfrieden konnte auch (dann aber in ganz anderem Funktionszusammenhang) erteilt sein, etwa für Gesandte oder als begrenzte Immunität gegenüber hoheitlichem bzw. hoheitlich erlaubtem strafverfolgendem oder zwangsvollstreckungsrechtlichem Zugriff. Das Phänomen lässt bestimmte Typen, teilweise bis zu einem gewissen Grad auch rechtlich treffscharfe Kategorisierungen erkennen. Das Wortfeld ist entsprechend breit, was die facettenreiche Bedeutung des Instituts zeigt (Schutzgeleit, Beförderungsgeleit, Ehrengeleit ["Fürstengeleit"], Briefgeleit, Abzeichengeleit, Personengeleit, Prozeßgeleit, Marktgeleit, Messegeleit, Heergeleit, Arrestgeleit) oder Einblicke in die praktische Handhabung erlaubt (Geleitsbrief [Litera commearus], Geleitsgeld [Geleite, Portorium, Guidagium], Geleitsordnung, Geleits-Pass [Litera immunitatis a porterio], Geleitsrolle, Geleitssäule, Geleitsstein [Lapis terminos portorii indicans], Geleitstafel, Geleitszettel, geleitliche Obrigkeit etc.). Die Erscheinungsformen von Geleit, Zoll und Zollgeleit sind kaum durchgängig voneinander abgrenzbar, weil gleichermaßen fiskalische Abschöpfungstatbestände für den Waren- und Personenverkehr als Anknüpfung zugrunde liegen. So betrugen die Einkünfte aus Zöllen und Geleiten (faßt man beides als eine Art mobilitätsbedingte Abgaben zusammen) etwa im Herzogtum Bayern-Landshut um 1500 knapp 30 Prozent und in der Pfalzgrafschaft bei Rhein um 1470 ein Viertel der gesamten "Staatseinnahmen".
Entwicklungen insbesondere im Herzogtum Bayern: territorialpolitisch
Das Geleitsrecht als Befugnis zur Erteilung solcher Schutzversprechen galt bis in das Hochmittelalter als königliches Vorrecht, teilte im Reich aber die Entwicklungsgeschichte wie andere Regalien und wurde 1231 im "statutum in favorem principum" den Landesherrn innerhalb ihrer Gebiete zuerkannt (MGH Const. II Nr. 171, 212 c. 14), ohne das konkurrierende königliche Geleitrecht dabei generell abzuschaffen. Für den Prozess der Ausbildung von Landeshoheit spielte es dennoch eine nicht unerhebliche Rolle. Artikel 46 des bayerischen Landfriedens von 1244 spiegelt das bereits ebenso selbstbewusst wie mit größter Schärfe wider: Der Herzog positioniert sich als umfassender Garant für die Sicherheit der Straßen, behauptet aber auch das entsprechende Monopol: Wer ohne herzogliche Autorisierung Geleit erteilt, soll als Friedensbrecher enthauptet werden ("nullus conductum prebeat altericumque, sed quilibet securus vadat auctoritate ducis et huius statuti. Qui autem fecerit pacem violat et capite privetur" [MGH Const II Nr. 427, 575]), begründet mit der vollmundigen Verheißung "wan islich man sol von des herzoge gewalt und von disem satze sicherlichen varn" (so in der deutschen Fassung des neuerlichen Landfriedens von 1256, a.a.O. 599). Mit dieser Schutzhoheit ging die Befugnis einher, auf den Geleitstraßen bewaffnete Patrouillen zu unterhalten, die als (später sog.) Überreiter ebenso für die Durchsetzung von Ansprüchen auf Zoll und Maut zuständig waren. Administrativ fand sie ihren Niederschlag in der gelegentlichen Errichtung von sog. Geleitsämtern.
Beim Verkauf des Grafenamtes durch Landgraf Heinrich von Leuchtenberg 1283 an Herzog Ludwig II. (reg. 1253-1294) erscheint das Geleitsrecht wie ein selbstverständlicher, aber auch explizit genannter Bestandteil der veräußerten Comitatskompetenzen ("videlicet comicia, iudicio et conductu" [QE 5 Nr. 145, 354 f.]). Es unterlag aber nicht nur im königlichen Landgericht Hirschberg, in Schwaben und am Lechrain oder im Werdenfelser Land, sondern überhaupt häufigen und lang andauernden Durchsetzungsquerelen, auch als es später längst als unmittelbarer Bestandteil landesherrlicher Obrigkeit galt. Was hier schon anklingt, formten die Herzöge als ihre tatsächliche oder wenigstens behauptete Geleitshoheit immer wieder zu einem Instrument der Machtpräsentation und Herrschaftsexpansion, gerade in den territorialen Rand- oder Gemengelagen (beispielsweise mit der den Habsburgern zugehörigen Grafschaft Neuburg am Inn, wo es 1529 bei einem Zusammenstoß mit der bayerischen Seite, die das Geleitsrecht beanspruchte, sogar ein Todesopfer gab). Hierfür konnten politische Erwägungen wichtiger sein als der fiskalische Einnahmeaspekt, etwa wenn es im 15. Jahrhundert darum ging, die Handelsrouten von Reichsstädten wie Ulm, Augsburg, Nürnberg oder Nördlingen zu kontrollieren und bei Bedarf zu blockieren. Aus dem Umstand der landesherrlichen Prärogative (Vorrechte) erklärt sich auch, dass sich kein autochtones Geleitsrecht der wittelsbachischen Städte entwickeln konnte, sondern man dort schon an die Grenzen des politisch Machbaren kam, auch nur Einschränkungen des landesherrlichen Geleitrechts zugunsten städtischer Interessen in den Stadtrechten zu fixieren. Ganz anders stellte sich die Situation für die fränkischen und schwäbischen Reichsstädte dar, die ihrerseits versuchten, entweder selbst Geleitshoheit zu erwerben oder insbesondere das wichtige Messegeleit durch dritte Geleitsherren sicherzustellen.
Territorialwirtschaftliche Bedeutung
Die Bedeutung des Geleitswesens für die wirtschaftliche Prosperität einer Region ist evident, die Sicherheit der Verkehrswege entsprechend ein Indikator für Erfolg oder Misserfolg der Befriedungsbemühungen eines Territorialherren in seinem Gebiet. Mitte des 15. Jahrhunderts fiel die Bilanz für Herzog Heinrich den Reichen von Bayern-Landshut (reg. 1393-1450) positiv aus: Zumindest nach Hans Ebran von Wildenbergs Chronik hielt er "solhen guten frid in seinem land: wann die kaufleut oder ander in sein land komen, so sprachen sie: 'wir sein in den rosengarten kumen; wir sein sicher und bedurfen keines geleits mer'." Einen doch etwas anderen Eindruck vermittelt allerdings die Einschätzung des Humanisten Agostino Patrizi (15. Jh.), der in seinem Reisetagebuch 1471 schrieb, man könne nur unter Geleitrecht oder einer bewaffneten Begleitmannschaft gefahrlos Bayern durchqueren ("[…] nemo nisi conductoria cohorte aut publica fide impune per Baioariam transeat"). Landesherrliche Privilegierungpolitik setzte genau hier an, um die Wirtschaftskraft des Handels zu stärken. So erhielten die Kaufleute des Teilherzogtums Oberbayern, namentlich die Münchner, 1308 eine Schutz- und Geleitzusage für Niederbayern, erweitert für die letzteren (alle Münchner Bürger, ihre Güter und einschließlich der städtischen Boten) und bekräftigt durch Ludwig den Bayern (reg. als Herzog von Bayern 1281/1282-1347, als römisch-deutscher König ab 1314, als Kaiser ab 1328) nach seiner Königswahl 1314 auf das ganze Reich, sowie schließlich umgekehrt für alle Kaufleute auf dem Weg nach München innerhalb des Münchner Stadtgebietes.
Relevanzen im Prozessrecht
Mit zunehmender Sicherheit des Verkehrs im öffentlichen Raum vor Gewaltverbrechen schwand die Bedeutung des Straßengeleits – damit allerdings auch für die "geleitliche Obrigkeit" als eine Einnahmequelle, die ihre gebührenartige Rechtfertigung im Grunde einbüßte. Viel länger hielt sich das "Prozessgeleit" im Verfahrensrecht, etwa für Parteien und Zeugen, aber auch für das Gerichtspersonal bis hin zu Prozessschriftgut zustellenden Notaren: "Ob aber jemandt durch offne Notarien wolt die Citation und Ladung vollziehen oder verkünden lassen, der mag das thun [...]. Dieselben [...] Notarien, die also vom Gericht geschickt werden, oder Execution thun, sollen alßdann allenthalben in den Fürstenthumben Bayern in deß Landtsfürsten Gelait, sicherheit und schirm sein." (Gerichtsordnung 1616, Tit. I, 8, 100). Es findet sich aber vor allem als sog. Übeltätergeleit (Gerichtsgeleit, salvus conductus, Geleitverfahren [Vergeleitung]), selbst für Angeklagte in Strafverfahren, das "den Missethätern zu desto bequemerer Ausführung ihrer angeblicher Unschuld ertheilt zu werden pflegt" (Kreittmayr). Generell mag man sich dabei mit dem bayerischen Juristen Anton Wilhelm Ertl (1654-1715) die politisch wie rechtlich heikle Frage stellen "Ob einem Missethäter oder Rebellen das vom Fürsten versprochene sichere Gelait zu halten seye?" (und die Ertl auch nur im Grundsatz bejahte). Schon Artikel 97 des Landfriedens von 1244 (MGH Const II Nr. 427, 579) sah sicheres Geleit zum und vom Gericht immerhin für Geächtete vor, wenn sie in einem Verfahren als Zeugen benötigt wurden. Als anerkanntes strafprozessuales Institut setzten sich solche Formen des Geleits im bayerischen Landesrecht in der Landesordnung von 1553 (Buch 6 Tit. 11 fol. CLXXXIX), im Landrecht von 1616 (Landts- und Policey-Ordnung 1616, Lib. 5 Tit. 12 Artikel 1 und 2, Malefitzprozess-Ordnung 1616 Titel 5 Artikel 1 und 3), dem Codex Criminalis von 1751 (Teil 2 Cap. 6 §§ 11-14) und schließlich im bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 (Teil 2 Art. 417, 418) noch fort, bis mit den Reichsjustizgesetzen die Rechtsvereinheitlichung auch im Bereich des Strafverfahrensrechts einsetzte (vgl. § 337 RStPO 1877 zum sog. sicheren Geleit).
Literatur
- Deutsches Rechtswörterbuch, Geleit [mit Komposita]. Band 3, Weimar 1935, Sp. 1581-1600 und Band 4, Weimar 1939-1951, 1-7.
- Edmund Hausfelder, Die Geleitsämter, in: Stadtarchiv Ingolstadt (Hg.), Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut 1392-1506. Glanz und Elend einer Teilung [Ausstellungskatalog], Ingolstadt 1992, 176.
- Reinhard Heydenreuter, Kriminalgeschichte Bayerns. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Regensburg 2003 (bes. 199-202 zum Geleitverfahren im Strafprozeß).
- Martin Kintzinger, "Cum salvo conductu". Geleit im westeuropäischen Spätmittelalter, in: Rainer C. Schwinges/Klaus Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa (Vorträge und Forschungen 60), Ostfildern 2003, 313-363.
- Bernhard Koehler, Geleit, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1481-1489.
- Gerhard Lingelbach, Geleit, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, Berlin völlig überarb. und erw. 2. Auflage 2012, Sp. 37-42.
- Alois Mitterwieser, Bayern und Neuburg, in: Die ostbairischen Grenzmarken, 19 (1930), 186-191 (189).
- Meinrad Schaab, Geleit, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München 2002, Sp. 1204-1205.
- Mathias Schmoeckel, Zollgeleit, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 1757-1759.
- Walter Ziegler, Studien zum Staatshaushalt Bayerns in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die regulären Kammereinkünfte des Herzogtums Niederbayern 1450-1500, München 1981 (bes. 87, 187-190, 252ff., 520 f.)
Quellen
- Pius Dirr (Hg.), Denkmäler des Münchner Stadtrechts, Bd.1 (1158-1403), München 1934, Nr. 36, 64 f. a. 1308 April 8; Nr. 42, 72 f. a. 1315 Februar 18; Nr. 46, 77 f. a. 1315 Mai 6.
- Friedrich Roth (Hg.), Des Ritters Hans Ebran von Wildenberg Chronik von den Fürsten aus Bayern (Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte N.F. 2), München 1905 (ND Aalen 1969), 142.
- Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, Geleite, frey, sicher Geleit. 10. Band, Leipzig 1735, Sp. 730-740; Obrigkeit, Geleitliche oder Geleits-Gerechtigkeit. 25. Band, Leipzig 1740, Sp. 250-251.
Weiterführende Recherche
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- Reisen (Mittelalter)
- Straßen (Mittelalter/Frühe Neuzeit)
- Zoll und Maut in Altbayern (bis 1800)
ius conducendi, Geleitsrecht, Geleitsregal
Empfohlene Zitierweise
Hans-Georg Hermann, Geleit, publiziert am 26.10.2020, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Geleit> (12.12.2024)