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Arbeitslosigkeit (Erster Weltkrieg)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Dieter G. Maier

Frauen in der Kriegsindustrie bei MAN, 1915. Abb. aus: Eiber, Ludwig; Riepertinger, Rainhard; Brockhoff, Evamaria: Acht Stunden sind kein Tag. Geschichte der Gewerkschaften in Bayern, Augsburg 1997, 68. (Historisches Archiv MAN Augsburg)
Arbeitsgesuche in Bayern zwischen 1910 und 1920. (Quelle: Bayern im Lichte seiner hundertjährigen Statistik, München 1933, 85)

Mit Umstellung auf die Kriegswirtschaft stieg nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Arbeitslosigkeit zunächst stark an. Bereits 1915 machte sich jedoch ein Arbeitskräftemangel bemerkbar, der nur durch die verstärkte Beschäftigung von Frauen sowie den Einsatz von Kriegsgefangenen und ausländischen Hilfsarbeitern gedeckt werden konnte.

Eingeschränkte Aussagekraft der damaligen Arbeitslosenstatistik

Da es in Deutschland erst mit der Errichtung der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Jahr 1927 zu einer einheitlichen und umfassenden Arbeitsmarktstatistik kam, sind die zuvor veröffentlichten Daten bedingt repräsentativ. Die brauchbarsten Zahlen lieferten die Gewerkschaften, die regelmäßig ihre arbeitslosen Mitglieder zählten. Da der Organisationsgrad bei maximal 30 % lag und die Industriearbeiter besonders stark von der konjunkturellen Entwicklung betroffen waren, blieb die Gesamtarbeitslosigkeit zumeist deutlich unter den veröffentlichten Werten.

Von hoher Arbeitslosigkeit zum Arbeitskräftemangel

Durch die Einberufung zum Militär und die Umstellung der Produktion auf die Kriegswirtschaft kam es in einigen Wirtschaftszweigen zu erheblichen Entlassungen. Da aber ein zentrales System der Arbeitsvermittlung fehlte, war man auch nicht in der Lage, Wirtschaftszweige mit vermehrtem Kräftebedarf kurzfristig zu versorgen. Die von den Freien Gewerkschaften gemeldete Arbeitslosenquote stieg reichsweit von 2,5 % (Juni 1914) auf 22,4 % (August 1914).

Bis Ende 1914 waren zugleich etwa 5 Mio. Männer einberufen worden. Die Dauer des Krieges führte zu einer weiteren Reduzierung der männlichen Arbeitskräfte und zu einem anhaltenden Anstieg der Kriegsproduktion. Die Arbeitskräftenachfrage stieg deutlich an, die Arbeitslosigkeit ging rasch zurück: Auf 15,1 % im September, im Dezember 1914 lag sie schon bei 7,2 %, im Juni 1915 bei 2,5 %, ab Sommer 1917 zumeist unter 1 %.

Arbeitskräfterekrutierungen

Die reichsweit steigende Nachfrage nach Arbeitskräften konnte daher nur durch eine Erhöhung der Frauenbeschäftigung (um etwa 5 Mio. auf 16 Mio., ihr Anteil stieg von 35 auf 55 %) und durch den Einsatz von ausländischen Arbeitskräften (etwa 2 Mio. Kriegsgefangene sowie Zivilarbeiter) gedeckt werden. Außerdem ermöglichte das Hilfsdienstgesetz vom Dezember 1916 die Umsetzung von Arbeitskräften in kriegswichtige Betriebe und die Dienstverpflichtung bisher nicht beschäftigter Personen, vor allem Frauen.

Die Entwicklung in Bayern

Im (rechtsrheinischen) Bayern stieg die Arbeitslosigkeit noch stärker an als im Reich: von 2,6 % (Juni 1914) auf 20,3 % (September 1914). Überdurchschnittlich betroffen waren hier vor allem Maschinenbau und Metallverarbeitung (24,9 %), Lederindustrie (20,4 %), Holzindustrie (28,3 %) und Polygraphisches Gewerbe (33,3 %). Aber auch in Bayern verringerte sich die Arbeitslosigkeit bald: von 12,2 % (Dezember 1914) über 3,3 % im Juni 1915 auf 0,7 % im Juni 1918. Allerdings blieb die Arbeitslosigkeit - gemessen am Verhältnis Arbeitsuchende auf offene Stellen - in München und Nürnberg lange Zeit über dem Landesdurchschnitt (Statistisches Jahrbuch und Reichsarbeitsblatt, Jahrgänge 1914-1919, basierend auf den gewerkschaftlichen Angaben).

Dokumente

Literatur

  • Friedrich-Wilhelm Henning, Das industrialisierte Deutschland 1914 bis 1992, Paderborn u. a. 8. Auflage 1993.
  • Dieter G. Maier (Hg.), Geschichte der Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsverwaltung in Deutschland. Ausgewählte Texte 1877-1952 (Schriftenreihe der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung 52), Brühl 2008.
  • Hans-Walter Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsverwaltung in Deutschland 1871-2002. Zwischen Fürsorge, Hoheit und Markt (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 270), Nürnberg 2003, 68-73.

Quellen

  • Angebot und Nachfrage auf dem bayerischen Arbeitsmarkt 1914-1918, in: Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamtes 51 (1919), 242-246.
  • Statistisches Jahrbuch für das Königreich Bayern (ab 1919: für den Freistaat Bayern).
  • Reichsarbeitsblatt.
  • Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamtes (jährlich Statistiken über Arbeitslosigkeit und Vermittlungen).

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Dieter G. Maier, Arbeitslosigkeit (Erster Weltkrieg), publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Arbeitslosigkeit_(Erster_Weltkrieg) (29.03.2024)