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Kurt Desch Verlag

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Der Verleger Kurt Desch (1903-1984) in seinem Büro, ca. 1975. (Foto: Interfoto)
Besuch von Marie Rolland (Schriftstellerin, 1895-1985) im Desch-Verlag im Januar 1952: (von li. nach re.] Kurt Desch (Verleger, 1903-1984), Marie Rolland, Eduard Brenner (Anglist, Staatssekretär, 1888-1970), Marianne Langewiesche (Schriftstellerin, 1908-1979). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv timp-010153)

von Reinhard Wittmann

Von Kurt Desch (1903-1984) 1945 gegründeter Verlag, der aus der Übernahme des Zinnen-Verlags hervorging und verschiedenste Typen an Schriftgut (Romane, Lyrik, Kalender, Zeitschriften etc.) herausbrachte. Kurt Desch hatte am 17. November 1945 die erste Verlagslizenz der US-Zone in Bayern für die Herstellung von Büchern und Zeitschriften erhalten. Der Verlag florierte bald nach der Gründung. Den Schwerpunkt des Programms bildeten zunächst Autoren der Inneren Emigration; das Thema der Vergangenheitsbewältigung stand dabei im Vordergrund. Als sich nach der Währungsreform 1948 die Marktverhältnisse normalisierten, ging Desch zu einem bunt gemischten, erfolgsorientierten Programm insbesondere deutscher und französischer Autoren über. Bis 1970 erschienen ca. 4.000 Titel mit einer Gesamtauflage von rund 40 Mio. In den späten 1960er Jahren gelangten Honorarmanipulationen Deschs an die Öffentlichkeit, woraufhin Desch den Verlag 1973 verkaufte.

Die Zeit vor 1945

Kurt Desch (1903-1984) war der Sohn eines Schuhmachermeisters aus Pößneck (Thüringen). Nach der Oberrealschule absolvierte er eine Lehre als Verlagskaufmann und war in den Werbeabteilungen verschiedener Presseorgane tätig, so bei der Frankfurter Zeitung, dem Dortmunder Generalanzeiger und 1933 dem Bamberger Tageblatt. Politisch war er linksorientiert, was Ende 1933 zu einer kurzen Inhaftierung führte. Dennoch war er anschließend im NSDAP-eigenen Gauverlag Bayerische Ostmark (Bamberg) u. a. als "Propagandaleiter" tätig. 1936 bis 1938 leitete er den arisierten Stufen-Verlag. NSDAP-Mitglied ab 1935, wurde er 1937 aufgrund einer parteiinternen Intrige aus Partei und Reichsschrifttumskammer (RSK) ausgeschlossen. Ab 1939 war er für den arisierten Wiener Zinnen-Verlag tätig und leitete ihn als Teilhaber von München aus. 1943/44 griff die Dienststelle Rosenberg (DRbg) bzw. das sog. Amt Rosenberg (benannt nach Alfred Rosenberg [NSDAP, 1893-1946]) den Verlag wegen einiger Publikationen, u. a. des missliebigen Hans Heinz Ewers (1871-1943) an. Dem gekündigten Desch drohte erneuter Ausschluss aus der RSK; die letzten Kriegswochen verbrachte er in Tirol. Möglicherweise ist Desch angesichts der drohenden Niederlage das Risiko eines wohlkalkulierten Konfrontationskurses gegen die NS-Schrifttumspolitik eingegangen.

Erste Lizenz der US-Zone

Die Taktik war erfolgreich: als ausgewiesener Widerstandskämpfer erhielt Desch am 17. November 1945 von Colonel Bernard McMahon (1893-1972), dem Chef des für Bayern zuständigen 6870th District Information Services Control Command (DISCC), in Garmisch-Partenkirchen die erste Verlagslizenz der US-Zone in Bayern für die Herstellung von Büchern und Zeitschriften. "Seine politische Vergangenheit prädestinierte ihn gemäß der Lizenzierungsvorschriften nicht dazu, verlegerisch tätig zu werden" (Gruschka, Buchmarkt, 175). Offensichtlich besaß er aber besonders gute Kontakte zu Repräsentanten der Besatzungsmacht.

Die ersten Friedensbücher in Bayern

Am 21. Dezember 1945 berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) über die ersten Desch-Novitäten: "Fast möchte man sagen, es sei wie ein erstes Morgenrot nach schwerer Nacht: Es gibt wieder Bücher! Die ersten 'Friedensbücher' auf dem Weihnachtstisch!" Mit erstaunlicher Schnelligkeit hatte Desch nach gerade einem Monat die ersten acht Bücher seines Zinnen-Verlages Kurt Desch und die ersten bayerischen Neuerscheinungen nach dem Zusammenbruch vorgelegt: Ernst Wiecherts (1887-1950) Roman "Die Jerominkinder" und seine vieldiskutierte "Rede an die deutsche Jugend 1945", Werner Bergengruens (1892-1964) Gedichtzyklus "Dies irae" sowie den Roman "Grüne Oliven und nackte Berge" des kommunistischen Kulturfunktionärs Eduard Claudius (1911-1976), der sich gegen das Regime Francisco Francos (1892-1975) in Spanien wandte. Hinzu kamen u. a. Bücher von Pearl S. Buck (1892-1973) und Alice Tisdale Hobart (1882-1967; beide waren im Zinnen-Verlag vor seiner Arisierung erschienen) und ein Kunstkalender. Die Gesamtauflage der ersten Desch-Produktion betrug 247.000 Exemplare. Allein die Rede des konservativen Widerständlers Wiechert erreichte eine Auflage von fast 100.000 Exemplaren. Mit ihr und Wiecherts weiteren Schriften erzielte Desch vor der Währungsreform rund 10 % seines gesamten Umsatzes. Von 1946 bis 1948 brachte er die Kulturzeitschrift Prisma heraus.

Erfolge vor der Währungsreform

Deschs Verlagskonzept einer "Restitutio hominis" entsprach dem demokratisch-humanistischen Anliegen der US-Behörden. Sein Programm wurde zur Gänze akzeptiert, er erhielt jegliche organisatorische Unterstützung und vor allem großzügige Papierzuteilungen, teils aus einstigen Parteibeständen der NSDAP, und durfte eine Generaltreuhänderschaft für Bühnenverleger des süddeutschen Raumes übernehmen, die keine Lizenz erhielten (das betraf etwa die sehr gewinnträchtigen Theaterrechte von Ludwig Thoma [1867-1921]). 1946 bis 1948 folgten 146 Titel in zusammen fast zwei Mio. Exemplaren. Diese Förderung "ermöglichte zusammen mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit und einer geschickten verlegerischen Praxis eine Buchproduktion, die von 1945 bis zur Währungsreform Mitte 1948 einen Ladenpreisgesamtumsatz von mehr als 8 Mio. Reichsmark erzielte." (Gruschka, Buchmarkt, 175). Unter den Münchner Schriftstellern kursierte als Variante eines Verkehrsschildes für die Besatzungssoldaten ("Drive carefully. Death is so permanent") das Motto "Write carefully. Desch is so permanent." Um den Absatz brauchte sich Desch, der sein Produktmanagement virtuos mit den Gegebenheiten des US-Buchkontrollsystems zu koordinieren verstand, keinerlei Sorgen zu machen - im Gegenteil: Lieferbeschränkungen waren an der Tagesordnung. Schwerpunkt des Programms bildeten zunächst Autoren der Inneren Emigration. Daneben griff Desch auf rechtsfreie Titel der Weltliteratur zurück und übernahm amerikanische Bestseller.

Bestseller in der Adenauerzeit

Als sich nach der Währungsreform 1948 die Marktverhältnisse normalisierten, ging Desch zu einem bunt gemischten, erfolgsorientierten Programm meist deutscher und französischer Autoren über. Vergangenheitsbewältigung fand nur mehr in der Form von Hans Hellmut Kirsts (1914-1989) 08/15-Bestsellern statt. Der Verlag florierte in den 1950er Jahren unvermindert. Zur stattlichen Zahl seiner Autoren zählten Emigranten wie Hermann Kesten (1900-1996), Hans Habe (eigentlich János Békessy, 1911-1977), Robert Neumann (1897-1975), Erich Maria Remarque (eigentlich Erich Paul Remark, 1898-1970), auch Erich Kästner (1899-1974), Jean Anouilh (1910-1987), Nikos Kazantzakis (1883-1957), Francois Mauriac (1885-1970) und Alberto Moravia (1907-1990). Er animierte Hans Werner Richter (1908-1993) zu seinem ersten Roman, brachte eine Anzahl Titel von Oskar Maria Graf (1894-1967) heraus und schockte im Jahr 1968 die Sittenwächter mit dem Skandal der deutschen Ausgabe des erotischen Briefromans "Fanny Hill" (Originaltitel: Fanny Hill. Memoirs of a Woman of Pleasure) von John Cleland (1709-1789).

Unrühmliches Ende

Bis 1970 erschienen bei Desch rund 4.000 Titel mit einer Gesamtauflage von etwa 40 Mio. Die Erfolgsgeschichte endete, als in den späten 1960er Jahren langjährige und umfangreiche Honorarmanipulationen Deschs zum Schaden seiner Autoren an die Öffentlichkeit drangen. Der Verlag, der zum Symbol spektakulären verlegerischen Neubeginns nach 1945 wurde, nahm ein unrühmliches Ende. Kurt Desch verkaufte den Verlag 1973. Bis heute existiert der erfolgreiche theater-verlag-desch von Bernhard Cremer, der vor allem französische Autoren betreut. Der Nachlass von Kurt Desch (vor allem Korrespondenzen) befindet sich in der Monacensia-Bibliothek.

Literatur

  • Bernd R. Gruschka, Der gelenkte Buchmarkt. Die amerikanische Kommunikationspolitik in Bayern und der Aufstieg des Verlages Kurt Desch 1945 bis 1950, Frankfurt am Main 1995.
  • Benedikt Weyerer, Kein 08/15-Produkt - der Verlag Kurt Desch, in: Neuhauser Werkstatt-Nachrichten 8 (2002), 23-24.
  • Reinhard Wittmann, Auf geflickten Straßen. Literarischer Neubeginn in München 1945 bis 1949, München 1995.
  • Zehn Jahre Verlag Kurt Desch. Berichte. 1945-1955, Wien/München/Basel 1955.

Weiterführende Recherche

Quellen

  • Doppelter Desch, in: DIE ZEIT, 6.3.1981.
  • Kurt Desch ruft auf, in: DIE ZEIT, 22.5.1958.

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Reinhard Wittmann, Kurt Desch Verlag, publiziert am 02.02.2015; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kurt_Desch_Verlag> (9.12.2024)