• Versionsgeschichte

Erdinger Vertrag, 16. Dezember 1450

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Version vom 17. Oktober 2019, 10:43 Uhr von Twolf (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Exemplar des Erdinger Vertrages vom 16.12.1450 aus dem Geheimen Hausarchiv, München. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Geheimes Hausarchiv HU 2039)

von Bernhard Glasauer

Der Erdinger Vertrag vom 16. Dezember 1450 zwischen Herzog Ludwig IX., dem Reichen, von Bayern-Landshut (reg. 1450-1479) und Herzog Albrecht III. von Bayern-München (reg. 1438-1460) regelte die Aufteilung des Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt nach dem Tod Ludwigs VII. (reg. 1413-1447) am 1. Mai 1447. Bayern-Landshut wurde die bereits erfolgte Inbesitznahme von beinahe dem kompletten Territorium Bayern-Ingolstadts bestätigt. Albrecht III. erhielt lediglich Lichtenberg (Gde. Scheuring, Lkr. Landsberg a. Lech), Baierbrunn (Lkr. München) und das Gericht Schwaben (Markt Schwaben, Lkr. Ebersberg) zugeschlagen sowie einen Kredit. Ludwig der Reiche verpflichtete sich darüber hinaus zur Übernahme aller Verbindlichkeiten des früheren Ingolstädter Teilherzogtums.

Vorgeschichte

Seit der Landesteilung 1392 war Bayern in die Teilherzogtümer Bayern-Landshut, Bayern-München und Bayern-Ingolstadt aufgeteilt. Bereits seit 1353 existierte das Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland. Ausgleichsforderungen aus der Landesteilung von 1392 an Bayern-Landshut, dem wirtschaftlich und finanziell stärksten Teilgebiet, verschärften sich in den folgenden Jahrzehnten. Sie mündeten 1420 in den Bayerischen Krieg, in dem sich Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt (reg. 1413-1443) und sein Sohn Ludwig VIII. "der Bucklige" (reg. 1443-1445) auf der einen Seite und die "Konstanzer Liga" unter Führung Herzog Heinrichs XVI. von Bayern-Landshut (reg. 1393-1450) gegenüberstanden. Ludwig VII. und sein Sohn führten in dem Konflikt die "Eichacher Einung" an, ein Bündnis mit dem bayerischem Adelsbund. In der Konstanzer Liga hatte sich eine Reihe von Gegnern der Ingolstädter Herzöge zusammengeschlossen. Auch nach der Ingolstädter Niederlage 1422 blieb das Verhältnis zu den Landshuter und Münchner Herzögen gespannt.

Als 1425 die Straubinger Linie ausstarb, führte dies zu erneuten Auseinandersetzungen um die Erbfolge. Diese wurden 1429 durch König Sigismund (reg. 1411-1437, Kaiser seit 1433) im Pressburger Spruch zugunsten der Münchner Herzöge Ernst (reg. 1397-1438) und Wilhelm III. (reg. 1397-1435) entschieden. Ernst und Wilhelm hatten eine Vierteilung gefordert, da sie das Münchner Herzogtum gemeinsam regierten und es daher vier Erben gäbe. Die Lösung des Straubinger Erbfalls spielte später beim Vorgehen Herzog Heinrichs XVI. von Bayern-Landshut im Ingolstädter Erbfall eine entscheidende Rolle.

Vater-Sohn-Konflikt

Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt (reg. 1413-1447) (rechts). Neben ihm ist Herzog Johann II. von Bayern-München (reg. 1375-1397) abgebildet. (aus: Abbildungen bayrischer Regenten von Bavarus bis Sigmund. Desgleichen welfischer Fürsten, 16. Jahrhundert; Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 2822, fol. 13r)

Im Herzogtum Bayern-Ingolstadt hatte sich 1438 ein Konflikt zwischen Herzog Ludwig VII. und seinem Sohn Ludwig VIII. um die Erbfolge entzündet. Ludwig VII. bevorzugte seinen unehelichen Sohn Wieland von Freyberg (gest. 1439). Angeblich wollte er Ludwig VIII. enterben. Darstellungen, wonach dies angeblich an Ludwigs Behinderung – er hatte einen Buckel – lag, lassen sich nicht belegen. Vielmehr scheint der Konflikt schon länger geschwelt zu haben. So verbat sich Ludwig VII. jegliche Mitsprache seines Sohnes in Regierungsangelegenheiten. Die Gründe für dieses Verhalten lassen sich nicht mehr restlos klären.

Der Konflikt eskalierte rasch und führte innerhalb weniger Monate zum offenen Krieg. Ludwig VIII. wurde dabei von seinem Schwiegervater Markgraf Friedrich von Brandenburg (reg. 1415-1440) und Herzog Albrecht III. von Bayern-München militärisch unterstützt. Letzterer ließ sich im Gegenzug als Ausgleich für diese Hilfe Anfang 1439 Lichtenberg (Gde. Scheuring, Lkr. Landsberg a. Lech) und Baierbrunn (Lkr. München) für 15 200 fl. und dann im Herbst das Gericht Schwaben (Markt Schwaben, Lkr. Ebersberg) für 14 750 fl. übertragen. Trotz mehrerer Versuche Ludwigs VII., seinen alten Gegner, den Landshuter Herzog Heinrich XVI., zum Eingreifen auf seiner Seite zu bewegen, verhielt sich dieser strikt neutral. Am 4. September 1443 endete der Konflikt mit der Einnahme Neuburgs a.d.Donau (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) und der Gefangennahme Ludwigs VII. durch seinen Sohn.

Vorbereitung auf den Erbfall

Heinrich XVI. von Bayern-Landshut bereitete sich seit diesem Zeitpunkt auf das Eintreten des Erbfalles in Bayern-Ingolstadt vor. Gleichzeitig übte er Druck auf die Münchner Linie aus und wirkte auf Markgraf Friedrich I. von Brandenburg-Ansbach/Kulmbach und König Friedrich III. (reg. 1440-1493, Kaiser seit 1452) ein. Ludwig VIII., der seit 1441 mit Margarethe (1410-1465), der Tochter Markgraf Friedrichs, verheiratet war, starb bereits am 13. April 1445 in Ingolstadt, ohne einen Erben zu hinterlassen. Spätestens jetzt war klar, dass der Ingolstädter Erbfall mit dem Ableben Ludwigs VII. eintreten würde. Dieser befand sich seit dem Tod seines Sohnes in der Hand von Markgraf Albrecht I. "Achilles" von Brandenburg-Ansbach (reg. 1440-1486), des Bruders Margarethes und Nachfolgers Markgraf Friedrichs I.

Nachdem er der eigenen Landschaft seine Auslösung verboten hatte, nutzte Heinrich XVI. die Chance, löste Ludwig für 107 000 fl. aus und setzte ihn seinerseits in Burghausen gefangen. Albrecht III. von Bayern-München wurde mit dem Rückgriff auf alte Forderungen, resultierend aus Ansprüchen auf die Hälfte des Erbes Herzog Adolfs, seines 1441 gestorbenen Neffen, in die Defensive gedrängt.

Aufgrund der speziellen Situation, nämlich der gemeinsamen Regierung der Brüder Ernst und Wilhelm III. in München, konnte man theoretisch einen Erbfall ableiten, da die Linie Wilhelms III. mit Adolf ausgestorben war und nur die Linie von Ernst mit Albrecht III. fortgesetzt wurde. Jetzt fiel die Argumentation der Münchner Herzöge bei der Aufteilung des Straubinger Erbes im Pressburger Spruch 1429 auf Albrecht III. zurück.

Der Erbfall

Ludwig VII. starb in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 1447 in Burghausen. Bereits am 3. Mai kümmerte sich Heinrich XVI. um die Lösung Ludwigs VII. vom Kirchenbann, der wegen seines Vorgehens gegen die Klöster verhängt worden war. Ziel war, das Erbe nicht durch dessen Exkommunikation zu gefährden. Mit der Versicherung, den Klöstern Wiedergutmachung zu leisten, stimmte er diese gewogen. In rascher Folge brachte er die Ingolstädter Landschaft durch eine Kombination aus finanziellen Leistungen und Drohungen dazu, ihn als Erben anzuerkennen. So wurden die unter der Herrschaft Margarethes stehenden Landesteile ausgelöst, parallel dazu jedoch Truppen zusammengezogen. Am 13. Juli hatten alle Teile der Ingolstädter Landschaft Heinrich XVI. gehuldigt. Nur die Burgen Heilsberg (Gde. Wiesent, Lkr. Regensburg) und Gansheim (Gde. Marxheim, Lkr. Donau-Ries), Herrschaft und Burg Spitz bei Ammerthal (Gde. Ammerthal, Lkr. Amberg-Sulzbach), das Kloster Mödlingen (Mödingen, Lkr. Dillingen a. d. Donau), der Markt Gaimersheim (Lkr. Eichstätt) sowie die an Herzog Albrecht III. verpfändeten Burgen Lichtenberg, Baierbrunn und das Gericht Schwaben hatten sich Heinrich XVI. entzogen.

Albrecht III. musste dem Vorgehen des Landshuter Herzogs tatenlos zusehen. Seine Unterstützung Ludwigs VIII. hatte große Summen verschlungen; diese Parteinahme wurde nun gegen ihn verwendet. Zudem war er damit beschäftigt, die Forderungen Heinrichs XVI. nach dem Erbteil Adolfs abzuwehren. Schließlich stellten sich auch die Verbündeten aus der Konstanzer Liga auf die Seite Heinrichs XVI.

Ausgleich zwischen München und Landshut im Vertrag

Herzog Albrecht III. von Bayern-München (reg. 1438-1460) und Herzog Ludwig IX. von Bayern-Landshut (reg. 1450-1479). (Bayerische Staatsbibliothek Cgm 1604, fol. 71r)

Als sich spätestens 1448 abzeichnete, dass Heinrich XVI. Fakten geschaffen hatte, die auch König Friedrich III. nicht zu ändern gedachte, musste Albrecht III. dies anerkennen. Da er Heinrich XVI. militärisch unterlegen war, versuchte er folglich die ingolstädtischen Gebiete zu sichern, die sich bereits in seinem Besitz befanden. Dabei handelte es sich um Lichtenberg, Baierbrunn, das Gericht Schwaben sowie ausgelöste Gebiete in der Wachau.

Hieraus resultiert auch die spätere Aufteilung der Gebiete im Erdinger Vertrag. Gleichzeitig war die Landshuter Seite bereit, gewisse Zugeständnisse zu machen, um ihre Position im Reich nicht unnötig zu gefährden und kompromissbereit zu erscheinen. Hinzu kam noch, dass Heinrich XVI. am 30. Juli 1450 starb und seinem Sohn Ludwig IX. (reg. 1450-1479) zunächst einmal daran lag, den alten Streit auszuräumen. So mündeten die Verhandlungen am 16. Dezember 1450 in Erding, auf halbem Wege zwischen Landshut und München, in den folglich so genannten Vertrag.

Der Vertragsinhalt

Bayern nach dem Erdinger Vertrag 1450. (Gestaltung: Stefan Schnupp; Vorlage: Spindler/Diepolder, Bay. Geschichtsatlas, 21)

Ludwig IX. und Albrecht III. einigten sich auf eine weitgehende Anerkennung der ingolstädtischen Erbfolge durch die Landshuter Seite. Lichtenberg, Baierbrunn und das Gericht Schwaben verblieben dafür bei Bayern-München. Ebenso wurde das 1441 von Albrecht III. an Heinrich XVI. verpfändete Deggendorf zurückgegeben. Zusätzlich wurde der Münchner Seite ein Kredit von 32 000 fl. gewährt, der jedoch an die Lösung nordgauischer Besitzungen gebunden war. Dabei handelte es sich um die seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an die Pfalz verpfändeten und sich zuletzt in der Hand der Pfalz-Mosbacher Linie befindlichen Ämter Schwandorf, Burglengenfeld (Lkr. Schwandorf), Velburg (LKr. Neumarkt i.d.Opf.), Hemau (Lkr. Regensburg) und Rotheneck. Diese dienten dafür als Pfand für die Rückzahlung. Die von Albrecht III. ausgelösten österreichischen Gebiete in Spitz und Schwallenbach gingen im Gegenzug um die halbe Summe an die Landshuter Seite. Schließlich erklärte sich Ludwig IX. bereit, die kompletten Verbindlichkeiten der Ingolstädter Linie zu übernehmen.

Folgen und Bedeutung

Mit Abschluss des Erdinger Vertrags wurde zunächst der Status Quo, der seit dem Tode Ludwigs VII. von Bayern-Ingolstadt bestand, weitgehend festgeschrieben. Seine Bedeutung liegt vor allem darin, dass mit dem Vertrag ein wichtiges Hindernis für die enge Kooperation zwischen Bayern-Landshut und Bayern-München beseitigt wurde.

Darüber hinaus bildete diese Verständigung auch die Grundlage für die territoriale Expansion Bayern-Landshuts unter Ludwig IX. in Schwaben. Der Vertrag selbst ist Ausdruck der dynamischen Territorialpolitik Bayern-Landshuts. Den großen finanziellen Ressourcen und der aktiven Inbesitznahme des Ingolstädter Territoriums hatte Albrecht III. wenig entgegenzusetzen. In Anbetracht der realen Möglichkeiten handelte es sich beim Erdinger Vertrag um einen gelungenen Ausgleich beiderseitiger Interessen, der dem "Haus Bayern" zugute kam.

Literatur

  • Helga Czerny, Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit 1347-1579. Vorbereitungen – Sterben – Trauerfeierlichkeiten – Grablegen – Memoria (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 146), München 2005.
  • Bernhard Glasauer, Herzog Heinrich XVI. (1393–1450) der Reiche von Bayern-Landshut. Territorialpolitik zwischen Dynastie und Reich (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 5), München 2009.
  • Erhart Waldemar Kanter, Das Ende der bayerisch-ingolstädtischen Linie, in: Forschungen zur Geschichte Bayerns 11 (1903), 280-331.
  • Renate Kremer, Die Auseinandersetzungen um das Herzogtum Bayern-Ingolstadt 1438-1450 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 113), München 2000.
  • Irmgard Lackner, Herzog Ludwig IX. der Reiche von Bayern-Landshut (1450–1479). Reichsfürstliche Politik gegenüber Kaiser und Reichsständen (Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte 11), Regensburg 2011.
  • Sigmund von Riezler, Geschichte Baierns. 3. Band, Gotha 1889 [ND Aalen 1964].
  • Theodor Straub, Bayern im Zeichen der Teilungen und Teilherzogtümer (1347-1450), in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg)., Handbuch der bayerischen Geschichte. 2. Band, München 2. Auflage 1988, 196-287.

Quellen

Die Überlieferung des Erdinger Vertrages befindet sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Bestand Landesteilungen und Einungen 661 und 662) und im Geheimen Hausarchiv (Bestand HU, 2039). Der Vertrag ist darüber hinaus in zahlreichen Abschriften überliefert.

  • Georg Leidinger (Hg.), Veit Arnpeck. Sämtliche Chroniken (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte. Neue Folge 3), München 1915 [ND Aalen 1969].
  • Friedrich Roth (Hg.), Des Ritters Hans Ebran von Wildenberg Chronik von den Fürsten aus Bayern (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte. Neue Folge 2,1), München 1905 [ND Aalen 1969].


Dokumente

Weiterführende Recherche

Ingolstädter Erbfall

Verwandte Artikel

Empfohlene Zitierweise

Bernhard Glasauer, Erdinger Vertrag, 16. Dezember 1450, publiziert am 27.02.2017, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Erdinger Vertrag, 16. Dezember 1450> (20.04.2024)