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Sturmschar, 1929-1938/39

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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"Das Versprechen" und "Das Gesetz" der Sturmschar, aus: Jungführer 1930, Heft 4, 104.
Wahlkampfkarrikatur aus: Junge Front, 1932, Nr. 3. Die Karrikatur zeigt den "Zentrumsturm" von Zentrum und BVP, vergeblich attackiert von Adolf Hitler (1889-1945), an dessen Flugzeug sich Alfred Hugenberg (1865-1951) und die DNVP klammern. Unter Anspielung auf die Symbole des "Reichsbanners" ist die SPD als "Teufelchen" dargestellt.
Einzug der Sturmschar ins Zeltlager beim Diözesanfest des Katholischen Jungmännerverbandesder Diözese Augsburg im September 1932 in Neu-Ulm. (Privatbesitz Ulrich Stoll)
Mitglieder der Sturmschar auf dem Petersplatz in Rom 1935. (Privatbesitz Ulrich Stoll)
Michael. Wochenschrift Junger Deutscher, 29. September 1935.

von Ulrich Stoll

Unterorganisation des Katholischen Jungmännerverbands (KJMV), 1929 nach Vorbild der katholischen Jugendbewegung gegründet. Die Sturmschar setzte sich aus Gruppen besonders aktiver, älterer Mitglieder der Jungmännervereine zusammen. Anfang 1933 zählte sie 23.040 Mitglieder, davon in den acht bayerischen Diözesen ca. 1.500 (geschätzt). Einerseits waren die Sturmschargruppen voll in den KJMV integriert, andererseits hatten sie eigene Strukturen mit einem "Reichsführer Sturmschar" und einem "Reichskaplan". Wie der KJMV wurde die Sturmschar 1938 in Bayern und 1939 reichsweit verboten.

Gründung, Stellung im KJMV und Merkmale

Nach dem Vorbild der katholischen Jugendbewegung ("Quickborn", "Bund Neudeutschland") bildeten sich in den 1920er Jahren innerhalb mancher Jungmännervereine sog. "Wanderergruppen". In Schlesien gaben sich diese erstmals den Namen "Sturmscharen", der bei der offiziellen Gründung der "Sturmschar" 1929 in Altenberg im Bergischen Land leicht abgewandelt wurde.

Die "Sturmschärler" waren als "Vortrupp" eine Art Elite des Katholischen Jungmännerverbandes (KJMV). Sie übten meist Funktionen in den Jungmännervereinen aus, etwa als Gruppenführer für Jüngere, als Vereinspräfekten oder Leiter von Zeltlagern. Sturmscharintern führten sie Fahrten, Schulungstreffen und Exerzitien durch, zu denen der tägliche Gottesdienst gehörte, meist in Form der "Gemeinschaftsmesse" mit deutschen Liedern und eigenen Gebetstexten. Besonders beliebt waren Wechselgesänge und Sprechchöre. Auch hinsichtlich der jugendbewegten Lebensformen waren sie "Vortrupp", nicht zuletzt durch die Abstinenz von Alkohol und Nikotin.

Die Aufnahme von KJMV-Gruppen in die Sturmschar bestimmte die Diözesangemeinschaft, ebenso den Sturmscharführer und den Sturmscharkaplan der Diözese. Erster "Reichsführer" der Sturmschar wurde Franz Steber (1909-1984) aus München (bis zur Eheschließung 1935), der vorher "Reichswanderwart" des KJMV gewesen war. Einer der 4 Reichskapläne war Johannes Dischinger aus Lindau (1936-1939), der 1930 als Student die Sturmschar der Diözese Augsburg gegründet hatte.

Die Kluft der Sturmschar bestand aus einem grauen Hemd ohne Rangabzeichen und kurzer, dunkelgrauer Hose. Bei öffentlichen Auftritten - Sturmschartreffen, Katholikentagen, Fronleichnamsprozessionen u. dergl. - trat man gerne in Marschformation an und trug dazu das Christusbanner.

Schrifttum: "Sturmschar"-Rundbrief und Wochenzeitung "Junge Front"/"Michael"

Zusätzlich zu den übrigen Mitgliederzeitschriften des KJMV hatte die Sturmschar ihren eigenen "Sturmschar"-Rundbrief für programmatische und interne Mitteilungen. Im Anschluss an das Reichstreffen in Koblenz im Mai 1932 wurde die Wochenzeitung "Junge Front" als "Wochenzeitung junger Deutscher" gegründet (ab Juli 1935 "Michael"). Sie trat für die Interessen des katholischen Bevölkerungsteils und der Jugend im demokratischen Staat ein und wandte sich klar gegen die extremen Kräfte von links und rechts. In der NS-Zeit erreichte ihre Auflage dank ihrer verdeckt kritischen Haltung und dem von Jugendlichen getragenen Vertriebssystem trotz mehrmaligen Verbots die Zahl von zuletzt 330.000 Exemplaren. Endgültig verboten wurde der "Michael" am 31. Januar 1936.

Letzte Auftritte und Verbot 1938/39

Letzter Auftritt der Sturmschar in der Öffentlichkeit war die Rom-Wallfahrt Ostern 1935 mit 1.500 Teilnehmern, während man in Deutschland bereits weitgehend auf innerkirchliche Betätigung zurückgedrängt worden war. Wegen der NS-Repressalien 1937 in "Gemeinschaft St. Michael" umbenannt (St. Michael war der Patron der Sturmschar), wurde die Sturmschar am 25. Januar 1938 (Bayern) bzw. 6. Februar 1939 (Reich) zusammen mit dem KJMV aufgelöst.

Ein Teil der Mitglieder fand nach dem Zweiten Weltkrieg in der Organisation "Katholische Junge Mannschaft" wieder zusammen (wegen der Beteiligung der (Ehe-)Frauen später "Bund katholischer Männer und Frauen"). Reichsführer Franz Steber war nach 1945 an der Gründung der Christlich-Sozialen Union (CSU) und der Jungen Union (JU) beteiligt.

Literatur

  • Bern Börger/Hans Schroer (Hg.), Sie hielten stand. Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband Deutschlands, Altenberg 1990.
  • Klaus Gotto, Die Wochenzeitung Junge Front /Michael. Eine Studie zum katholischen Selbstverständnis und zum Verhalten der jungen Kirche gegenüber dem Nationalsozialismus (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 8), Mainz 1970.
  • Franz Henrich, Die Bünde katholischer Jugendbewegung, München 1968.
  • Karl Hofmann, Eine katholische Generation zwischen Kirche und Welt. Studien zur Sturmschar des Katholischen Jungmännerverbandes Deutschland, Augsburg 2. Auflage 1993.

Quellen

Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Ulrich Stoll, Sturmschar, 1929-1938/39, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Sturmschar,_1929-1938/39> (28.03.2024)