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Verfassung der Vereinigten Protestantisch - Evangelisch - Christlichen Kirche der Pfalz, 1921

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Das Kollegium des Landeskirchenrats, 1921 (v.l.n.r.): Kirchenpräsident Karl Heinrich Fleischmann, Oberkirchenrat Heinrich Trost, Oberkirchenrat Heinrich Drescher und Oberkirchenrat Jakob Esslinger. (Foto: Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz, Abt. 154 Nr. 713)

von Bernhard Bonkhoff

Zum 1. Januar 1921 in Kraft getretene Neuregelung der inneren Verfasstheit der Pfälzischen Landeskirche, die durch das Ende der Monarchie notwendig geworden war. Die Verfassung betonte vor allem die synodalen Elemente; der Stellenwert der Landessynode ist deutlich größer als in der bayerischen Landeskirche. In den 1970er und 1980er Jahren wurde die Verfassung stark überarbeitet.

Entstehung in der Umbruchszeit nach dem Ersten Weltkrieg

Mit der Absetzung des bayerischen Königs am Ende des Ersten Weltkrieges war der Rechtsrahmen des landesherrlichen Kirchenregiments weggefallen. Nicht nur die "Evangelisch-lutherische Kirche Bayerns rechts des Rheins", sondern auch die seit 1848/49 direkt dem Münchner Ministerium für Kirchen- und Schulangelegenheiten unterstehende Pfälzische Landeskirche, die "Vereinigte Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz", musste sich eine neue Verfassung geben.

So entstand in politisch und wirtschaftlich schwerer Zeit die Kirchenverfassung von 1920 im Einvernehmen der beiden maßgeblichen Kirchenparteien, des pfälzischen Protestantenvereins auf der Linken (Liberale, Neuprotestantismus) und der Positiven Vereinigung auf der Rechten (Bibel- und Bekenntnistreue). Ihre Anliegen waren großenteils die gleichen: Freiheit der religiösen Anschauungen des Einzelnen, weitgehender Minderheitenschutz, pragmatische Lösung aller anstehenden Fragen unter Zurückstellung eigener theologischer und kirchlicher Überzeugungen zugunsten der Absicherung des status quo und der Wille, dem Vaterland zu dienen.

Ausgearbeitet wurde die Verfassung auf einer Synode, die vom 10. bis 20. Oktober 1920 in Speyer tagte. Die am 19. Oktober 1920 beschlossene Verfassung trat am 1. Januar 1921 in Kraft.

Demokratisierung der Kirchenstrukturen

Gremien der vereinigten protestantisch-evangelischen Kirche der Pfalz nach der Verfassung von 1920. (Gestaltung: Stefan Schnupp)

Hieß es in der Weimarer Reichsverfassung: Alle Gewalt geht vom Volke aus, so wurde nun festgeschrieben: Die Landessynode ist die Inhaberin der Kirchengewalt. Aus dem Königlichen Konsistorium

Landessynode in Speyer am 3. Mai 1930 vor dem Haupteingang der Gedächtniskirche. (Foto: Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz, Abt. 154 Nr. 575. Fotograf: Arthur Barth)

wurde der Protestantische Landeskirchenrat, aus den Konsistorial- die Oberkirchenräte, aus dem Kgl. Konsistorialdirektor der Kirchenpräsident.

Die Weimarer Verfassung sah nur eine institutionelle Trennung von Kirche und Staat vor ("hinkende Trennung"). Durch die Erhebung der Kirchensteuer durch die Finanzämter aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten, den Religionsunterricht an den Schulen und die Seelsorge in Gefängnissen, Kliniken und Anstalten sowie durch die Staatsdotationen waren und sind Staat und Kirche aufs engste verbunden.

Die Sprache der Kirchenverfassung ist durch und durch juristisch. Nur in § 1 bringt das Bekenntnis zu Jesus Christus und das Ziel einer Deutschen Evangelischen Reichskirche theologische und kirchenpolitische Aussagen: "Die Vereinigte Protestantisch-Evangelisch-Christliche Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche) bekennt mit der evangelischen Gesamtkirche Jesus Christus als den Herrn und das alleinige Haupt seiner Gemeinde. Die Pfälzische Landeskirche bildet in sich selbst ein Ganzes und erstrebt eine organische Verbindung mit den übrigen evangelischen Kirchen Deutschlands."

Ausgleich des konsistorial-presbyteralen mit dem synodalen Prinzip

Ausgangs- und Zielpunkt aller kirchlichen Ordnung ist die christliche Gemeinde, die ihre Angelegenheit selbständig ordnet. Der den Pfarrern übergeordnete Dekan erfüllt die bischöflichen Aufgaben von Visitation, Ordination und Einweihungen. Bis zur Einführung des Führerprinzips im NS-Staat waren die Kirchenpräsidenten stets Juristen; dann erhielt auch die Pfalz wie Baden, Bayern und Württemberg einen "Landesbischof", was in der Pfalz anders als sonst nach 1945 wieder rückgängig gemacht worden ist. Die Pfarrer werden abwechselnd vom Presbyterium gewählt und von der Kirchenregierung ernannt. Sie ernannte auch die Oberkirchenräte und die Dekane. Der Kirchenpräsident ist von der Landessynode zu wählen.

Vergleich mit anderen deutschen Kirchenverfassungen

Die Leitungsorgane der pfälzischen Landeskirche entsprechen denen der anderen deutschen Landeskirchen: Landessynode, Kirchenpräsident, Landeskirchenrat und Kirchenregierung. Gegenüber dem rechtsrheinischen Bayern fällt die starke Stellung der Landessynode auf, die in der Pfalz Inhaberin der Kirchengewalt (§ 66) ist. Dem Kirchenpräsidenten ist die Kirchenregierung als kollegiales Leitungsorgan zugeordnet, bestehend aus dem Kirchenpräsidenten und seinem Stellvertreter, zwei Kirchenräten und sieben Mitgliedern der Landessynode. In Bayern ist dieses oberste Leitungsorgan mit dem obersten Verwaltungsorgan, dem Landeskirchenrat, identisch. Auch formulierte die Pfälzer Verfassung klarer als die der bayerischen Landeskirche das Ziel einer deutschen Reichskirche. Eine pfälzische Besonderheit ist die Pfarrerwahl durch die Gemeinden, alternierend zur Besetzung durch die Kirchenregierung.

Bewährung und Auflösung

Wenn auch nach Einführung des Führerprinzips und der Eingliederung der Landeskirche in die Deutsche Evangelische Kirche DEK die mit Nationalsozialisten besetzte Landessynode nicht mehr einberufen wurde, sondern die Kirchenregierung als Direktorium perpetuum die Geschicke der Kirche leitete, so konnte sich doch nach 1945 die Pfälzische Landeskirche aus eigenen Kräften regenerieren. Eine breit diskutierte neue "Grundordnung" ließ sich allerdings nicht durchsetzen. Darum ging man den Weg einer Novellierung der Kirchenverfassung von 1920 Stück für Stück (u. a. Reformen und Neufassungen von 1975, 1978 und 1983), wobei die demokratischen Strukturen gestärkt wurden (z. B. Wahl der Dekane und Oberkirchenräte durch die Bezirks- bzw. Landessynode).

Dokumente

Literatur

  • Bernhard H. Bonkhoff, Geschichte der Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz 1918-1978, 2 Bände, St. Ingbert 2016.
  • Karl Dienst, Synode-Konsistorium-Demokratie. Zu Problemen des "demokratischen Charakters" der neuen Kirchenverfassungen der Weimarer Zeit, in: Richard Ziegert (Hg.), Die Kirchen und die Weimarer Republik, Neukirchen-Vluyn 1994, 105-128.


Quellen

  • Friedrich Giese/Johannes Hosemann (Hg.), Die Verfassungen der Deutschen Evangelischen Landeskirchen. 2 Bände, Berlin 1927.
  • Verfassung der Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz, Speyer 1920.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Bernhard Bonkhoff, Verfassung der Vereinigten Protestantisch - Evangelisch - Christlichen Kirche der Pfalz, 1921, publiziert am 21.09.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Verfassung_der_Vereinigten_Protestantisch_-_Evangelisch_-_Christlichen_Kirche_der_Pfalz,_1921> (19.03.2024)