Dürn, Adelsfamilie
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Fränkische Edelfreie, die erstmals 1171 bezeugt sind und nach 1323 ausstarben. Namensgebender Stammsitz war Walldürn am südöstlichen Rand des Odenwalds. Machtgrundlage der staufernahen Familie war die Vogtei über das Kloster Amorbach. Als Erben der Grafen von Lauffen erhielten die Herren von Dürn in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts weiteren Besitz im Neckar- und Jagst-Kocherraum (Möckmühl, Dilsberg, Forchtenberg) und geboten über eine für Edelfreie ungewöhnlich große Herrschaft. Seit 1262 führten Mitglieder der Familie auch den Grafentitel. Die Teilung in drei Linien (um 1250) und Auseinandersetzungen mit dem Erzstift Mainz läuteten den Niedergang der Familie ein. Besitznachfolger wurden das Erzstift Mainz und die Herren von Hohenlohe.
Das Herkunftsproblem
Die erste namentliche Erwähnung der sich nach (Wall)Dürn (Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg) am südlichen Odenwaldrand nennenden Edelfreienfamilie findet sich in der Zeugenliste einer in Lüttich ausgestellten Urkunde Friedrich Barbarossas (reg. 1152-1190, Kaiser ab 1155) vom 25. September 1171 mit "Robertus [Ruprecht] von Durne".
Über die Frage, ob es sich um ein autochthones Geschlecht handelt, ist viel gestritten, aber auch spekuliert worden. Das verband sich mit der Frage, ob die Dürn schon vor diesem Datum die Vogtei über die Benediktinerabtei Amorbach (Lkr. Miltenberg) ausübten. Die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstandenen Traditionsnotizen des Klosters nennen u. a. einen "dominus Vlricus", der als einziger aus dem hier verzeichneten Personenkreis diese Standesbezeichnung führt. Auch die in den Notizen aufgeführten Besitzungen sprechen dafür, dass er der Vogt des Klosters gewesen ist. Ob er in die Dürnsche Vorfahrenreihe eingeordnet werden kann, ist unsicher, doch wahrscheinlich.
Klostervogtei und staufische Bindung
Das 1168 dem Bischof von Würzburg gewährte Herzogsprivileg, die "Güldene Freiheit", nennt nicht namentlich Bezeichnete, die von der benachbarten Burg Frankenberg (Gotthardsberg, Ruine bei Amorbach) das Kloster bedrückten und der Würzburger Kirche Schaden zufügten. Hierbei kann es sich nur um den Klostervogt gehandelt haben, weshalb ein Vogtwechsel vermutet wurde. Zwingend ist das keineswegs, vielmehr deutet einiges darauf hin, dass die Dürn schon zuvor und auch weiterhin das Kloster bevogteten, auch wenn sie expressis verbis überhaupt erst 1246 in dieser Funktion bezeugt sind.
Ein gewichtiges Indiz dafür ist die Tatsache, dass die Bedrücker des Klosters nicht genannt, also doch geschont wurden, und gleichzeitig die eigenklösterliche Bindung an das Bistum Würzburg erlosch. Das deutet auf staufisches Interesse an diesem Raum. Die Staufer übten über die Dürn und andere Edelfreie (Krautheim, Boxberg, Hohenlohe) eine indirekte Herrschaft über den Raum aus. Rupert I. von Dürn begleitete Friedrich Barbarossa und Heinrich VI. (reg. 1169-1197) auf insgesamt sechs Italienzügen, nahm an der Krönung Barbarossas zum König des Arelat und an der Heinrichs zum König von Sizilien in Palermo teil. In ca. 140 Herrscherurkunden fungierte er als Zeuge.
Die Herrschaft
Der Besitz der Dürn wird erst in ihrer Spätzeit richtig greifbar. Sein Kern lag im Bauland südlich des Odenwaldes, wobei unsicher ist, ob die um Osterburken und im südlichen Bauland liegenden Besitzungen zu diesem Kern gehörten oder erst im Laufe der Zeit erworben wurden. Jedenfalls geboten sie über eine geschlossene flächenhafte Herrschaft. Die Vogtei über Amorbach bot die Möglichkeit zur Ausweitung in das Klostergebiet im Odenwald. Über die Vogtei behandelten sie den Klosterbesitz als Eigengut, wie sie dem Kloster auch seine Ministerialen entzogen. Mit Burg Rippberg (Stadt Walldürn) im Marsbachtal kontrollierten sie die Verbindung vom Stammsitz Walldürn nach Amorbach, mit Wildenberg (Gde. Kirchzell, Lkr. Miltenberg) saß der Vogt geradezu über dem Kloster. Kennzeichnend ist 1245 die Klage des Abtes, Wildenberg sei widerrechtlich auf klösterlichem Boden errichtet worden.
Wenig ist von Ruperts I. Sohn Ulrich (erw. 1192-1201) bekannt. Mit dem Enkel, Konrad I. (erstmals erw. 1222, gest. 1253), erlangte die Herrschaft Dürn eine Ausdehnung, die für eine Edelfreienfamilie nur wenige Parallelen haben dürfte. Seine Frau Mechthild (gest. 1276), Erbtochter des letzten Lauffener Grafen, brachte ihm einen Besitz zu, der über Burg Möckmühl (Lkr. Heilbronn, Baden-Württemberg) bis in das mittlere Neckarland mit Heilbronn reichte, im unteren Neckartal sich um Burg Dilsberg (Stadt Neckargmünd, Rhein-Neckar-Kreis, Baden-Württemberg) und im Tal des Kocher um Burg Forchtenberg (Hohenlohekreis, Baden-Württemberg) gruppierte. Wahrscheinlich boten diese Erwerbungen die finanzielle Grundlage zur Erbauung der Burgen Wildenberg (erstmals erw. 1222) und Forchtenberg, und wohl auch zur Stiftung des Zisterzienserinnenklosters Seligental (Stadt Osterburken, Neckar-Odenwald-Kreis) 1276 als Grablege der Familie und ihrer Ministerialen.
Bezeugt sind ca. 100 Dienstmannen. Die Namen ihrer Ansitze sind eine ganz wichtige Quelle zur Rekonstruktion der Herrschaft Dürn. Eine herausgehobene Stellung nahmen Camerarius, Marscalcus und Dapifer ein, was für eine aufwändige Hofhaltung spricht. Sie war allein schon aufgrund "glänzender Eheverbindungen" (W. Störmer) geboten. Mit Rieneck, Wertheim, Boxberg u. a. bildeten die Dürn gleichsam einen Konnubiumskreis, der sicher auch der Machtsicherung diente.
Die Gründung der Städte Buchen, Walldürn, Forchtenberg, Neudenau und Amorbach fällt mit Ausnahme der letzteren (1253) in die Spätzeit der Dürn und ist wohl als letzte Anstrengung zur Herrschaftswahrung zu erklären.
Sah die Zeit Konrads I. den Höhepunkt Dürnscher Macht, lag hier aber auch schon der Keim des Niedergangs. Einiges deutet darauf hin, dass er sich im Konflikt zwischen Kaiser Friedrich II. (reg. 1211-1250) und Heinrich (VII.) (reg. 1222/28-1235) auf die Seite des Sohnes stellte. Ließ sich der Riss noch kitten, stand Konrad I. erneut auf der Verliererseite, als er versuchte, dem vom Kaiser protegierten Markgrafen Hermann V. von Baden die Stadt Eppingen (Lkr. Heilbronn, Baden-Württemberg) zu entreißen (entweder 1234/35 oder 1244). Wahrscheinlich hatte er die kaiserliche Revindikation der Reichslehen nach dem Tode des letzten Lauffeners nie akzeptiert.
Die Teilung um 1250
Das gelegentlich fälschlich so bezeichnete Testament Konrads I. und Mechthilds vom Januar 1251 bietet Einblick in familiäre Dissense. Tatsächlich handelt es sich bei dem Dokument um eine Güterverschreibung für die Eltern, die sich auf Lebenszeit die Burgen Walldürn und Möckmühl sowie die Zehnten zu Heilbronn und Osterburken vorbehielten.
Eine Teilung der Herrschaft unter drei Söhne, welche die Eltern offensichtlich verdrängten, ging voraus. Sie lässt sich in Umrissen nachvollziehen. Boppo I. (erw. 1237, gest. vor 1276) erhielt den Lauffener Restbesitz um Burg Dilsberg sowie Möckmühl, Ulrich III. (erw. 1248, gest. 1306) den Besitz im Hinteren Odenwald mit Wildenberg als Ansitz und Rupert II. (erw. 1248, gest. 1306) denjenigen im Bauland und im Kochertal mit dem Ansitz Forchtenberg. Der Kern um Walldürn und Buchen scheint auf die drei Brüder aufgeteilt worden zu sein. Es gibt deutliche Anzeichen von Spannungen.
Boppo I. nahm aus dem Lauffener Erbe deren Wappen und den Grafentitel an (1262 "grafe zu Dilsperg"; sein Sohn Boppo II. 1286 "comes de Diligsberg dictus de Duren". Eine Grafschaft Dürn hat es nie gegeben).
Die Dissense zwischen Eltern und Söhnen bzw. der Söhne untereinander verraten auch die Siegel. Dasjenige Konrads I. und des ältesten Sohnes Ulrich III. zu Wildenberg zeigt drei durch drei Querbalken geteilte Schildchen, während dasjenige der anderen Söhne einen auf einem Querbalken schreitenden Löwen abbildet (das alte Lauffener Siegel?).
Das Erzstift Mainz als Gegner
Bedeutete die Teilung an sich schon eine Schwächung, war den Dürn mit dem Erzstift Mainz ein eminent gefährlicher Gegner erwachsen. Mainz hatte sich an der Mündung der Mud in den Main, also in greifbarer Nähe zur Abtei Amorbach, einen Stützpunkt geschaffen (urkundlich erstmals 1226), dessen Name Miltenberg als gezielte Kampfansage gegen Wildenberg (sog. Annominatio) gedacht war. Im Erzstift fand das Kloster die Schutzmacht gegen den Vogt, der sich in einer finanziellen Notlage befand. Der Wildenberger Zweig verlor daher innerhalb kurzer Zeit seinen Besitz im Odenwald. 1263, in welchem Jahr Ulrich III. sich Vogt nannte, überschrieb er Amorbach Güter, was sich drei Jahre später mit dem Hinweis auf Wiedergutmachung wiederholte. Am 16. Mai 1271 verkaufte er Wildenberg samt umliegenden Dörfern dem Erzstift, am 13. Januar 1272 die Vogtei über das Kloster und die Stadt Amorbach sowie die Cent. Damit nahm das Erzstift im Odenwald den Platz der Dürn ein. Ulrich III. wird letztmals 1306 in zwei Urkunden erwähnt, in denen er den Klöstern Bronnbach (Stadt Wertheim, Main-Tauber-Kreis, Baden-Württemberg) und Seligental Güter übereignete.
Wenig bekannt ist vom Dilsberger Zweig. Die Burg selbst fiel 1288 an das Reich, endgültig dann an den Pfalzgrafen bei Rhein. Spätestens 1287 befand sich Möckmühl in Händen Gottfrieds II. von Hohenlohe(-Uffenheim-Entsee) (erw. 1256-1290). Mit Albrecht von Dürn (gest. 1313?) ist dieser Dilsberger Zweig erloschen. Unklar bleiben die Herrschaftsverhältnisse des Dürnschen Kerngebiets um Walldürn und Buchen. 1294 fiel Walldürn, 1309 Buchen endgültig an Mainz. Damit war das Dürnsche Kerngebiet dem Expansionsdrang des Erzstifts zum Opfer gefallen.
Das Erlöschen
Der Besitz im Bauland, u. a. Osterburken mit der Cent und die Burg Forchtenberg im Kochertal samt Pertinentien, bildete immer noch eine stattliche Adelsherrschaft. Bei den im ältesten Lehenbuch des Hochstifts Würzburg verzeichneten Besitzungen lässt sich allerdings nicht sagen, ob die Dürn sie dem Hochstift aufgetragen haben oder es sich um alte Lehen handelt.
Im Jahre 1302 schloss Rupert III. mit Kraft von Hohenlohe einen Erbvertrag auf Gegenseitigkeit. Durch den Tod Ruperts III. (letzte urkundliche Erwähnung 11. August 1323) fiel die Herrschaft Forchtenberg dem Hohenlohe zu. Mit dem Erlöschen der Dürn war der "einzige Versuch gescheitert, in diesem Raum ein Territorium aufzubauen" (A. Schäfer).
Ihre Grablege fanden die Dürn im Hauskloster Seligental, dessen Krypta bislang nicht gefunden wurde.
Literatur
- Die Geschichte der Dürn darf als gut erforscht gelten. Desiderat bleibt eine detaillierte Darstellung des Besitzes.
- Werner Eichhorn, Die Herrschaft Dürn und ihre Entwicklung bis zum Ende der Hohenstaufen, Winterthur 1966.
- Wolfgang Hartmann, Die Zerstörung der Burg Frankenberg bei Amorbach durch Kaiser Friedrich Barbarossa. Wer waren die Vögte der Abtei Amorbach um 1168?, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 45 (1993), 76-91.
- Helmut Neumaier, Die Herren von Dürn. Möglichkeiten und Grenzen adliger Herrschaftsbildung, in: Ferdinand Kramer/Wilhelm Störmer (Hg.), Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben (Studien zur Bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 20), München 2006, 643-667.
- Alfons Schäfer, Untersuchungen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der Benediktinerabtei. Amorbach bis in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Diss. phil. Freiburg 1955.
- Wilhelm Störmer, Miltenberg. Die Ämter Amorbach und Miltenberg des Mainzer Oberstifts als Modelle geistlicher Territorialität und Herrschaftsintensivierung (Historischer Atlas von Bayern. Teil Franken I, 25), München 1979.
Quellen
Die Urkunden sind auf die staatlichen Archive im weiteren Umkreis verteilt. Mit ganz wenigen Ausnahmen sind die Quellen ediert.
- Karl Weller/Christian Belschner (Bearb.), Hohenlohisches Urkundenbuch. 3 Bände, Stuttgart 1899-1912.
- Wirtembergisches Urkundenbuch. 11 Bände, Stuttgart 1849-1913; ND als Württ. Urkundenbuch, Aalen 1972-1978.
Weiterführende Recherche
- Schlagwortsuche im Online-Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern
- Stichwortsuche in bavarikon
- Stichwortsuche in der Deutschen Biographie
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Helmut Neumaier, Dürn, Adelsfamilie, publiziert am 19.04.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Dürn,_Adelsfamilie> (4.11.2024)