• Versionsgeschichte

Bayerische Kriegsgefangene (Erster Weltkrieg und Weimarer Republik)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Zug mit heimkehrenden Kriegsgefangenen aus italienischer Gefangenschaft. (© Stadtarchiv München - WKI-Stl-0111)
Deutsche Soldaten, die aus italienischer Gefangenschaft heimkehren. Hier beim Ausstieg aus einem Zug am Münchner Hauptbahnhof. Foto um 1920. (© Stadtarchiv München - WKI-Stl-0112)

von Lothar Saupe

Die Kriegsgefangenschaft ist ein völkerrechtlicher Status, der Kriegsteilnehmer daran hindern soll, weiterhin an Kampfhandlungen teilzunehmen. Im Laufe des Ersten Weltkrieges gerieten von den 1.432.000 bayerischen Soldaten etwa 68.500 zu verschiedenen Zeiten in Kriegsgefangenschaft. Die Gefangenen wurden in allen beteiligten Staaten bald zu einem Problem, dessen Größenordnung man anfangs unterschätzt hatte.

Internationale Vereinbarungen über die Kriegsgefangenschaft

In den auf internationalen Konferenzen in Genf und Den Haag zwischen 1864 und 1907 verabschiedeten Vereinbarungen, u. a. der "Haager Landkriegsordnung", gab es zur Behandlung von Kriegsgefangenen feste Regeln. Mit Ausnahme der Offiziere durften sie als Arbeiter verwendet werden. Sie hatten Anspruch auf angemessene Verpflegung und Fürsorge. Unter anderem hatten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich-Ungarn und Russland diese Verträge akzeptiert, und bei ihnen war wiederholt die Bemühung erkennbar, sich an die Regeln zu halten.

Kriegsgefangenschaft während des Ersten Weltkriegs

Ansicht des Gefangenenlagers von Knockaloe, Isle of Man in England. Erstellt von einem deutschen Architekten, der im Lager interniert war. Abb. aus: Das Bayerland, Jahrgang 27 vom 22.04.1916, 204. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 198 ta-27)

Im Laufe des Ersten Weltkrieges gerieten von den 1.432.000 bayerischen Soldaten insgesamt etwa 68.500 zu verschiedenen Zeitpunkten in Kriegsgefangenschaft. Genaue Statistiken über die tatsächliche Anzahl deutscher und bayerischer Kriegsgefangener gab es erst zu Kriegsende. Es herrschte jedoch Unsicherheit darüber, in welchen Feindstaaten sich wie viele Gefangene befanden, und bis 1921 wurden die offiziellen Zahlen mehrfach korrigiert.

In beschränktem Maße wurden bereits 1915 Schwerverwundete und Invaliden aus Russland ausgetauscht. Ein Abkommen vom Februar 1916 zur Internierung von verwundeten oder kranken Gefangenen aus Frankreich und England in der Schweiz während des Krieges wurde teilweise vollzogen. Gefangenenaustausch und Inspektion der Lager erfolgten unter Mitwirkung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Seit Spätsommer 1916 fanden Verhandlungen der Kriegsparteien in Bern statt. Ab 1920 setzte sich auch der neu gegründete Völkerbund für die Rückführung von Kriegsgefangenen ein.

Ende 1917 gab die erste zuverlässige Statistik insgesamt ca. 39.000 bayerische Soldaten als Kriegsgefangene an. Ende 1918 waren es rund 42.000. Im Jahr 1919 gerieten nochmals ca. 8.000 Bayern in Gefangenschaft. Nach dem Ende der eigentlichen Kampfhandlungen war 1919 trotz gelegentlichen Austauschs mit ungefähr 50.400 bayerischen Soldaten in Gefangenschaft ein Höchststand erreicht.

Rückführung nach dem Krieg

Nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 vollzog sich die Rückführung in Schüben. Bereits 1918 kehrten Gefangene aus Rumänien nach Deutschland zurück. Aus Großbritannien wurden die Gefangenen nach Ende der Kampfhandlungen repatriiert. Im Herbst 1919 begann der Rücktransport auch aus den Lagern der USA (in Europa), aus Belgien und Italien. Etwas mehr als 2.000 Bayern kehrten den Statistiken zufolge bis Ende 1919 aus diesen Lagern heim.

In Frankreich wurden die deutschen Gefangenen zu schwerer Arbeit eingesetzt, auch in afrikanische Kolonien gebracht und in erweitertem Maße der Strafjustiz unterstellt. Insgesamt ca. 5 % der Gefangenen verstarben dort. Frankreich behielt die Deutschen nach Ende der Kampfhandlungen als Teil seiner Reparationsforderungen zurück und setzte sie in großem Umfang zu Aufräumarbeiten im ehemaligen Kampfgebiet ein, was auch in der französischen Öffentlichkeit schließlich auf Kritik stieß. Im Herbst 1919 wurden zuerst die Schwerverwundeten heimtransportiert. Nach Inkrafttreten des Versailler Friedensvertrages begann ab dem 20. Februar 1920 der Heimtransport der übrigen Deutschen, soweit sie nicht als Straftäter eingestuft waren. Alleine über 10.000 Bayern wurden so 1920 repatriiert.

Von den deutschen Gefangenen in Russland blieben etwa 15 % verschollen, verstarben, oder blieben in wenigen Fällen freiwillig. Sie waren über das gesamte Land verteilt, auch in Sibirien und Zentralasien. In Lagern untergebrachte oder etwa beim Eisenbahnbau eingesetzte Gefangene hatten erschwerte Bedingungen, während es jenen in der Landwirtschaft besser erging. Bis 1917 war die Versorgung insgesamt zufrieden stellend. Im Revolutionsjahr 1917 verschlechterte sich die Lage erheblich. Nach dem Vorrücken der Mittelmächte 1917 konnte ein Teil selbständig heimkehren. Ab Juni 1918 kehrten deutsche Gefangene aus dem europäischen Russland heim, während aufgrund der dortigen Bürgerkriegswirren denjenen in Sibirien und Zentralasien die Rückkehr versperrt war. Einige wurden zwangsweise von den rivalisierenden Bürgerkriegsparteien rekrutiert. Ende 1920 waren daher noch ca. 33.000 Bayern, wohl überwiegend in Sibirien und Zentralasien, in Gefangenschaft. Es dauerte bis Anfang 1922, ehe der Großteil zurückgeführt war.

Die Wiedereingliederung der Soldaten und heimgekehrten Kriegsgefangenen in die Arbeitswelt im Rahmen der Demobilmachung wurde in Bayern auch von staatlichen Stellen in großem Umfang unterstützt und gelang z. B. im landwirtschaftlichen Bereich zügig.

Literatur

  • Bayerisches Kriegsarchiv (Hg.), Die Bayern im Großen Kriege 1914-1918. Auf Grund der Kriegsakten dargestellt, München 1923.
  • Gerald H. Davis, Deutsche Kriegsgefangene im Ersten Weltkrieg in Russland, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 31 (1982), 37-49.
  • Jakob Reinhard, Die Rückführung der Gefangenen aus Frankreich, in: Süddeutsche Monatshefte 11 (1925), 1-27.
  • Benjamin Ziemann. Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914-23, Essen 1997.

Quellen

  • Ein Großteil der Archivunterlagen zum Ersten Weltkrieg auf Reichsebene ging verloren, darunter auch Statistiken zu Kriegsgefangenen.
  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. Kriegsarchiv [Es existieren zu Bayern allgemeine Akten, Berichte zu Einzelbereichen, Personalunterlagen und Erlebnisberichte von Kriegsgefangenen, ohne statistische Auswertung].

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Empfohlene Zitierweise

Lothar Saupe, Bayerische Kriegsgefangene (Erster Weltkrieg und Weimarer Republik), publiziert am 23.01.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerische_Kriegsgefangene_(Erster_Weltkrieg_und_Weimarer_Republik)> (25.04.2024)