Fränkischer Rechen
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Der Begriff "Fränkischer Rechen" für das Wappen des Hochstifts Würzburg (bzw. des von den Würzburger Bischöfen beanspruchten Herzogtums Franken) ist seit dem 15. Jahrhundert gebräuchlich. Seine älteste Überlieferung findet sich auf dem Grabmal Bischof Wolframs von Grumbach (reg. 1320-1333). Ab 1440 wurde er Bestandteil der Wappen, Münzen und Siegel aller Würzburger Bischöfe. Der Fränkische Rechen war Sinnbild der herzoglichen Würde der Würzburger Bischöfe. Ikonographisch wurde er immer verbunden mit dem Schwert als Symbol herzoglicher Gewalt, auf die die Würzburger Bischöfe insbesondere seit Johann II. von Brunn (reg. 1411-1440) auch durch den Titel "Herzog zu Franken" Anspruch erhoben. Ab dem 16. Jahrhundert wurde er von den Würzburger Bischöfen als Symbol für das Herzogtum Franken gebraucht. Mit der Säkularisation des Hochstifts Würzburg wurde der Fränkische Rechen kurzfristig in das bayerische Wappen aufgenommen. Seine Aufnahme als Symbol für Gesamtfranken fand der Fränkische Rechen in das 1835 geschaffene Bayerische Wappen König Ludwigs I. (reg. 1825-1848); dieselbe Funktion hatte er in den republikanischen Staatswappen von 1923 und 1946. Heute führen alle drei fränkischen Regierungsbezirke den Fränkischen Rechen im Wappen.
Der Fränkische Rechen als Wappen der Bischöfe von Würzburg bis 1804
Erstmals greifbar ist der Fränkische Rechen auf dem 1335/36 errichteten Grabmal des Würzburger Bischofs Wolfram von Grumbach (reg. 1322-1333). Seine heraldische Beschreibung lautet: Feld von Rot und Weiß (Silber) mit drei aus dem Weiß aufsteigenden Spitzen geteilt. Auf Münzen erscheint der Rechen erstmals unter Bischof Gerhard von Schwarzburg (reg. 1372-1400). Dessen Nachfolger Johann I. von Egloffstein (reg. 1400-1411) führte diese Münztradition nicht nur fort, sondern ließ auch sein Bischofssiegel mit dem Rechen versehen. Ab 1440 wurde der Fränkische Rechen dann fester Bestandteil der Wappen, Münzen und Siegel aller Würzburger Bischöfe.
Die Bedeutung der drei silbernen Spitzen auf rotem Grund liegt ebenso im Dunkeln wie die Ursprünge des Fränkischen Rechens als Symbol der von den Würzburger Bischöfen beanspruchten Herzogswürde. Da der besonders seit dem 14. Jahrhundert von den Würzburger Bischöfen erhobene Anspruch auf eine gesamtfränkische Herzogswürde insbesondere von den beiden anderen bedeutenden Landesherrn in Franken, den Bischöfen von Bamberg und den fränkischen Zollern, niemals akzeptiert wurde, war der Fränkische Rechen bis zur Säkularisation lediglich ein würzburgisches Anspruchswappen.
Da auf den bischöflichen Wappen neben dem Fränkischen Rechen stets auch das sog. Rennfähnlein (heraldisch: Schräg gelegte von Rot und Silber geviertelt und zweimal gekerbte Standarte an goldener Stange, auf blauem Grund stehend) erscheint, wurde diskutiert, welches der beiden Wappenbestandteile als Symbol für die Herzogswürde gedient habe; erwogen wurde dabei, dass das Rennfähnlein das eigentliche Wappen des Herzogtums und der Rechen das Wappen des Domkapitels gewesen sein könnte. Tatsächlich war der Rechen jedoch von Beginn an Sinnbild der herzoglichen Würde der Würzburger Bischöfe. Schon auf dem Grabmal Bischof Wolframs von Grumbach findet er sich auf der heraldisch rechten (für den Betrachter linken) Seite oberhalb des die richterliche Gewalt symbolisierenden Schwerts; das Rennfähnlein hingegen ist zur Linken über der die bischöfliche Würde symbolisierenden Krümme platziert. Diese Anordnung wurde auch von den nachfolgenden Bischöfen, etwa von Otto II. von Wolfskeel (reg. 1333-1345), Johann I. von Egloffstein (reg. 1400-1411), Johann II. von Brunn (reg. 1411-1444), Gottfried IV. Schenk von Limpurg (reg. 1443-1455), Johann III. von Grumbach (reg. 1455-1466) und Rudolf II. von Scherenberg (reg. 1466-1495), beibehalten. Ikonographisch wird der Fränkische Rechen stets verbunden mit dem Schwert als Symbol herzoglichen Gewalt, auf die die Würzburger Bischöfe besonders seit Johann II. von Brunn auch durch den Titel "Herzog zu Franken" Anspruch erhoben.
Epitaph des Bischof Otto II. (gest. 1345, reg. 1333-1345) von Wolfskeel im Würzburger Kiliansdom. (Foto von Dörfler, CSvBibra lizensiert durch CC BY-NC-SA 3.0 DE via Würzburg Wiki)
Grabmal für Bischof Johann I. von Egloffstein (gest. 1411, reg. 1400 bis 1411). (Foto von Wolfgang lizensiert durch CC BY-NC-SA 3.0 DE via Würzburg Wiki)
Grabmal für Bischof Johann II. von Brunn (gest. 1440, reg. 1411-1440) im Würzburger Kiliansdom. (Foto von Wolfgang lizensiert durch CC BY-NC-SA 3.0 DE via Würzburg Wiki)
Grabmal von Bischof Gottfried IV. Schenk von Limpurg (1404-1455, reg. 1443-1455) im Würzburger Kiliansdom. (Foto von Wolfgang lizensiert durch CC BY-NC-SA 3.0 DE via Würzburg Wiki)
Grabmal für Bischof Johann III. von Grumbach (gest. 1466, reg. 1455-1466) im Würzburger Kiliansdom. (Foto von Wolfgang lizensiert durch CC BY-NC-SA 3.0 DE via Würzburg Wiki)
Grabmal für Bischof Rudolf II. von Scherenberg (ca. 1401-1495, reg. 1466-1495)) im Würzburger Kiliansdom. (Foto von Wolfgang lizensiert durch CC BY-NC-SA 3.0 DE via Würzburg Wiki)
Die Bedeutung des Fränkischen Rechens als Symbol für die von den Würzburger Bischöfen beanspruchte fränkische Herzogswürde verdeutlichen zudem die Bischofswappen: Seit Johann II. von Brunn befindet sich bei nahezu allen Bischöfen an heraldisch erster Stelle rechts oben der Rechen, das Rennfähnlein hingegen folgt nach dem Familienwappen in den Feldern zwei und drei erst an vierter Stelle unten links.
Das Wappen von Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg (1645-1698, reg. 1684-1698) über dem Hauptportal von Stift Haug. (Foto von Wolfgang lizensiert durch CC BY-SA 3.0 via WürzburgWiki)
Wappen von Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (1708-1779, reg. 1755-1779) an der Kirche St. Sebastian in Prölsdorf (Lk. Haßberge). (Foto von Ermell lizensiert durch CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)
Sinnfälligerweise schmückt auch das als "Herzogsschwert" bekannte, im 15. Jahrhundert entstandene Zeremonienschwert Bischof Johanns III. von Grumbach (reg. 1455-1466) auf dem querovalen Parierblatt das geviertelte Bischofswappen mit dem Rechen an heraldisch erster Stelle rechts oben. Als Anspruchszeichen für die Herzogswürde erscheint der Fränkische Rechen (und nicht das Rennfähnlein) zudem zusammen mit dem grumbachischen Mohren samt den Buchstaben F (für Franconiae) und D (für Dux) unter Johanns III. von Grumbach auf den bischöflichen Pfennigen. Die Bedeutung des Rechens wird schließlich auch anlässlich des Regalienempfangs durch den Würzburger Bischof Lorenz von Bibra (reg. 1495-1519) im Jahre 1496 deutlich, da als Lehensfahne für das Herzogtum Franken "ein weysser fanne mit roten zacken" diente; Überprüfungen des Bischofs ergaben, dass schon sein Vorgänger Rudolf von Scherenberg 1468 eine Lehensfahne mit dem Fränkischen Rechen als Symbol für das Herzogtum erhalten hatte. Ab dem 16. Jahrhundert wurde der Fränkische Rechen dann von Würzburgischer Seite konsequent als Symbol für das Herzogtum Franken gebraucht. Besonders deutlich ersichtlich ist dies in der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries (1489/91-1550), wo der Rechen verschiedenen weltlichen und geistlichen Akteuren sowie Ereignissen der Würzburger Geschichte beigegeben wird.
Darstellung von König Pippin II. (li. 714-768) und seinem Sohn Karl (747/748-814). Die Phantasiewappen im Vordergrund symbolisieren die Herrschaft der Karolinger: die französischen Lilien, ein evtl. für das karolingische "Mittelreich" stehender Löwe (eigentlich Holland), der fränkische Rechen, dazu der doppelköpfige Adler des Heiligen Römischen Reiches. (Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.f.760, fol. 12r)
Darstellung der Rückgabe des Landgerichts durch Kaiser Heinrich V. (reg. 1106-1125, seit 1111 Kaiser) im Jahr 1120. Die Verbindung von Fränkischer Herzogswürde und Bistum Würzburg kommt durch die beiden Fahnen mit dem Rechenschild zum Ausdruck. (Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.f.760, fol. 124r)
Der Fränkische Rechen als Teil des bayerischen Wappens ab 1804/06
Ein gesamtfränkisches Wappen war der Rechen bis zur Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts keineswegs. Dies sollte sich erst mit dem Übergang Frankens an Bayern ändern, als der Fränkische Rechen in das kurbayerische Wappen aufgenommen wurde. Erstmals findet er sich 1804 bei Kurfürst Max IV. Joseph (reg. 1799-1825, seit 1806 König), der mit dem Fränkischen Rechen seine neue Stellung als Herzog zu Franken zum Ausdruck brachte. Unter König Ludwig I. (reg. 1825-1848) wurde der Fränkische Rechen dann 1835 erstmals in das Wappen des Königreichs Bayern entsprechend der offiziellen Titulatur "König von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Franken und in Schwaben" an zweiter Stelle aufgenommen. Seitdem ist er fester Bestandteil des bayerischen Wappens: Im 1923 vom Bayerischen Landtag angenommenen Wappen des Freistaates Bayern rückte er an die vierte Stelle; seit 1950 steht der Rechen wieder an zweiter Stelle.
Großes Kurbayerisches Wappen von 1804. In der dazugehörigen Verlautbarung vom 7. November 1804 heißt es u. a.: "Wegen dem Herzogthum Franken: Rechts ober dem rechten Quartier des Mittelschilds sind drey silberne Spitzen im rothen Felde […]. Wegen dem Fürstenthum Würzburg: Am Ecke rechts sieht man ein schrägrechts gelegtes von Roth und Silber geviertheiltes und zweymal gekerbtes Fähnlein an einer goldenen Lanze." Abb. aus: Regierungsblatt für die Churpfalzbaierischen Fürstenthümer in Franken aus dem Jahre 1804, 232. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 3059 d-2)
Der Fränkische Rechen im Wappen des Königreichs Bayern. Wappenzeichnung des Reichsheroldenamtes für die auswärtigen bayerischen Vertretungen anlässlich der Neugestaltung des Wappens des Königreichs Bayern 1835. Dieses Wappen wurde bis 1918 verwendet. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Gesandtschaft Stuttgart 45)
Erst durch die Aufnahme in das Wappen des Königreichs Bayern durch König Ludwig I. wurde der Fränkische Rechen zum Symbol für Franken innerhalb des Königreichs. Ausdruck dessen ist, dass heute alle drei fränkischen Regierungsbezirke den Fränkischen Rechen als Teil ihrer Wappen führen.
Literatur
- Karl Borchardt, Die Wappen in der Chronik des Lorenz Fries, in: Lorenz Fries, Chronik der Bischöfe von Würzburg. 5. Band: Wappen und Register, hg. von Ulrich Wagner und Walter Ziegler, Würzburg 2004, 59-88.
- Roland Ehrwald, Die Mittelaltermünzen von Würzburg 899-1495, Nordheim vor der Rhön 1988, 113 Nr. 5704.
- Ludwig Hartinger, Münzgeschichte der Fürstbischöfe von Würzburg, Leonberg 1996, 188.
- Carl Heffner, Würzburgisch-Fränkische Siegel, in: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 21/3 (1872), 73-232.
- Michael Hofmann, Rennfähnlein oder rotweißer "Rechen"?, in: Frankenland 10 (1958), 165-167.
- Michael Hofmann, Welches Wappen führt das Frankenland, in: Heimatpflege in Unterfranken 1960, 8-10.
- Peter Kolb, Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe, Würzburg 1974, 31ff., 59ff., 89ff.
- Friedrich Merzbacher, Zum Regalienempfang der Würzburger Fürstbischöfe im Spätmittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Kanonistische Abteilung 39 (1953), 451-453.
- Heribert M. Reusch, "In Rot drei silberne Spitzen". Wie der Rechen zum gesamtfränkischen Symbol wurde, in: Fränkischer Hauskalender und Caritaskalender 2004, 62-65.
- Lorenz Michael Schneider, "Fränkischer Rechen" oder Fränkische Rennfahne?, in: Frankenland 51 (1999), 393f.
- Joseph M. Schneidt, Thesaurus Iuris Franconici, Würzburg 1787ff. (I,3, S. 470, Tab. IV Nr. 37; II,5, Tab. V Nrr. 44f.).
- Eugen Schöler, Fränkische Wappen erzählen Geschichte und Geschichten, Neustadt an der Aisch 1992.
- Dirk Steinhilber, Die Pfennige des Würzburger Schlages, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 10 (1959/60), 165-238.
- Dirk Steinhilber, Dux, Fahne und Schwert auf Würzburger Münzen des Mittelalters, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 7 (1955), 64-79.
Quellen
- Beschreibung des großen Wappens und geheimen Siegels, in: Regierungsblatt für die Churpfalzbaierischen Fürstenthümer in Franken, 36. Stück, Würzburg 7. November 1804
- Lorenz Fries, Chronik der Bischöfe von Würzburg. 6. Band: Die Miniaturen der Bischofschronik, hg. v. Ulrich Wagner und Walter Ziegler, Würzburg 1996, S. 31 Nr. 4, S. 46 Nr. 19, S. 53 Nr. 26, S. 59 Nr. 32, S. 70 Nr. 43, S. 81 Nr. 54, S. 184 Nr. 157, S. 196 Nr. 169.
Weiterführende Recherche
Empfohlene Zitierweise
Stefan Petersen, Fränkischer Rechen, publiziert am 20.12.2017; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Fränkischer_Rechen> (18.01.2025)