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Lehenbücher

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Pfalzgraf und Kurfürst Friedrich I. der Siegreiche von der Pfalz empfängt den Lehnseid eines Adeligen, assistiert von dem Kanzler und Bischof von Speyer, Matthias Ramung (rechts), und zwei Sekretären. Die Miniatur stammt aus einem Lehenbuch von 1471. Es diente nicht als reines Verwaltungshilfsmittel, sondern als Schaustück, auf das die pfälzischen Vasallen ihren Lehnseid zu schwören hatten. (aus: Volker Rödel [Hg.], Der Griff nach der Krone. Die Pfalzgrafschaft bei Rhein im Mittelalter. Begleitpublikation zur Ausstellung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und des Generallandesarchivs Karlsruhe [Schätze aus unseren Schlössern 4], Regensburg 2000, Kat. Nr. 85 a, S. 242; [Original: Generallandesarchiv Karlsruhe, 67/1057, fol. 41v])
Pfalzgraf und Kurfürst Friedrich I. der Siegreiche von der Pfalz huldigt, von Petrus geleitet, der Muttergottes mit dem Kind. Neben Petrus steht der Apostel Philippus, der Namenspatron von Friedrichs Mündel und Nachfolger. Die Miniatur stammt ebenfalls aus dem Lehenbuch von 1471. Aufgrund der Tatsache, dass Pfalzgraf Friedrich mit Hilfe der Adoption seines Neffen regierte und dies vom Kaiser nicht anerkannt wurde, erhält das Lehenbuch auch eine legitimatorische Funktion. (aus: Volker Rödel [Hg.], Der Griff nach der Krone. Die Pfalzgrafschaft bei Rhein im Mittelalter. Begleitpublikation zur Ausstellung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und des Generallandesarchivs Karlsruhe [Schätze aus unseren Schlössern 4], Regensburg 2000, Kat. Nr. 85 b, S. 242; [Original: Generallandesarchiv Karlsruhe, 67/1057, fol. 42r])
Lehenbuch Heinrichs des Reichen von Bayern-Landshut (reg. 1393-1450), um 1415. In diesem - neben einem ungefähr zeitgleich in Bayern-München entstandenen Exemplar - ältesten überlieferten Lehenbuch der bayerischen Herzöge sind zunächst von einer Hand die herzoglichen Aktivlehen eingetragen worden. Die flüchtiger ausgeführten Aktualisierungen des Amtbuches sind damit zu erklären, dass nach einem Mannfall die erbberechtigten Nachkommen neu belehnt werden mussten. (BayHStA, Oberster Lehenhof 6, fol. 4r)

von Joachim Wild

Zur Verwaltung des Lehenswesens wurden im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit eigene Amtsbücher, die Lehenbücher, geführt. Lehenbücher im engeren Sinne wurden in Bayern als Protokolle über die Belehnungsvorgänge angelegt. Ihre Überlieferung beginnt im 14. Jahrhundert und setzt sich bis ins 19. Jahrhundert, als das Lehenswesen völlig umgestaltet wurde, fort.

Definition

Lehenbuch ist ein Sammelbegriff und meint wenig spezifisch ein Amtsbuch aus dem Rechtsbereich des Lehenswesens, in dem ein Lehenherr die Belehnungsvorgänge über die von ihm ausgegebenen Lehen erfasst. Im engeren Sinne ist darunter ein Lehenprotokoll zu verstehen, weil die Vasallen verpflichtet waren, innerhalb einer bestimmten Frist (binnen Jahr und Tag) am Hof ihres Lehenherrn das Lehen erneuern zu lassen (zu muten).

Entwicklung im Spätmittelalter

Das Lehenswesen ist nach traditioneller Lehrmeinung schon in merowingischer Zeit entstanden. Am Beginn des Spätmittelalters hatte es seine ursprüngliche Bedeutung wohl zum Teil schon verloren und war gewohnheitsrechtlich und durch Erbfolge weitgehend erstarrt. Insbesondere bedurfte es über Jahrhunderte hinweg nicht der Schriftlichkeit, da die Belehnung in althergebrachten Rechtssymbolen vollzogen wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts setzte sich auch im Lehenswesen die Schriftlichkeit durch, indem die Belehnungsvorgänge in Form von Notizen aufgeschrieben wurden (bestes und frühestes Beispiel: Reichsstift St. Emmeram in Regensburg).

Nach Lehenrecht erlosch durch den Tod sowohl des Lehenherrn als auch des Vasallen (Lehenmann) das Lehenband und musste mit dem Nachfolger neu geknüpft werden. Die große Zahl von Belehnungsvorgängen vor allem bei Herrenfall, d. h. nach dem Tod des Lehenherrn, führte bald dazu, dass eigene Handschriften angelegt wurden. Ab dem 14. Jahrhundert dürfte sich die Führung von Lehenbüchern auch in Bayern, Franken und Schwaben überall eingebürgert haben. Gerade die ältesten Beispiele belegen, dass die Lehenbücher sich nicht aus den Urbarbüchern heraus entwickelt haben, sondern aus völlig eigenständigen Wurzeln entstanden sind. Die faktische Überlieferung in den Archiven setzt - von wenigen Ausnahmen wie dem Hochstift Würzburg abgesehen - allerdings erst später ein.

Meist wurde bei Herrenfall ein neues Lehenbuch angelegt, weil alle Vasallen zur Neubelehnung erscheinen mussten. Dieses Herrenfallprotokoll wurde dann als Mannfallprotokoll (Mannfall = Tod des Vasallen) weitergeführt, um die nach dem Zufallsprinzip über die Jahre verstreuten einzelnen Neubelehnungen nach dem Tode eines Vasallen laufend aufzunehmen. Auf diese Weise entstand eine stattliche Reihe von Lehenbüchern, die man in chronologischer Folge aneinander reihte (Hochstift Würzburg: 90 Lehenbücher von 1303 bis 1754).

Es ist eine große Ausnahme, dass für die Pfalzgrafschaft am Rhein beim Regierungsantritt Kurfürst Ruprechts III. (reg. 1398-1410) ein Lehenbuch als Prunkhandschrift angelegt wurde, die den Protokollcharakter nicht mehr erkennen lässt, sondern die Vasallen nach der Heerschildordnung in ständischer Gliederung aufführt. Sie kann erst ab 1401 nach Abschluss aller Belehnungsvorgänge des Herrenfalls entstanden sein (Spieß, Lehnsbuch, 5).

Die Lehenbücher des Spätmittelalters sind entweder rein chronologisch in der Reihenfolge der Belehnungsvorgänge angelegt oder sie weisen eine geographische Struktur nach den (Verwaltungs-)Ämtern des Territoriums des Lehenherrn auf. Innerhalb dieser Ämterabschnitte greift dann die chronologische Führung. Eigenartigerweise gibt es im Mittelalter fast keine den Urbarbüchern vergleichbaren Lehenbücher, die den gesamten Lehenbesitz eines Lehenherrn unabhängig vom Belehnungsvorgang aufführen. Deshalb war es eine wichtige Pflicht des Vasallen, nach Aufforderung durch den Lehenherrn die empfangenen Lehen zu weisen (d. h. Zahl, Art und Lage zu nennen).

Im Laufe des Spätmittelalters entstanden bei den großen Territorien spezialisierte Ämter für die Lehengeschäfte, die den Namen Lehenhof oder Lehenstube trugen und unter der Leitung eines Lehenpropstes standen.

Ausblick auf die Frühe Neuzeit

Es scheint im Wesentlichen erst eine Entwicklung der Frühen Neuzeit zu sein, dass die Lehenbücher in solche für Lehen des Adels und solche für (nichtadelige) Beutellehen geschieden wurden. Im Herzogtum Bayern führte der landesherrliche Lehenhof in München die Lehenbücher für den Adel, die regionalen Lehenpropstämter bei den Regierungen in Landshut, Straubing und Burghausen diejenigen für die Beutellehen. Im 17./18. Jahrhundert spiegeln die Lehenbücher für den Adel immer mehr wortwörtlich den Belehnungsvorgang wieder. Die Lehenbücher reichen bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts und bis zur damals vorgenommenen völligen Umgestaltung des Lehenswesens.

Literatur

  • Julia Hörmann, Das älteste Tiroler Lehenbuch, in: Tiroler Heimat 59 (1995), 67-100.
  • Woldemar Lippert, Die deutschen Lehnbücher. Beitrag zum Registerwesen und Lehnrecht des Mittelalters, Leipzig 1903.
  • Freidrich Wilhelm Singer, Das älteste Nothaftische Lehenbuch ca. 1360 bis ca. 1410, in: Sechsämterland 11 (1960), Nr. 1-5.
  • Karl-Heinz Spieß, Art. Lehnbuch, Lehnregister, in: Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Band: Haustür - Lippe, Berlin 1978, Sp. 1686-1688.
  • Joachim Wild/Hermann Schweiger, Die Lehenkanzlei der Grafschaft Ortenburg, in: Archive in Bayern 2 (2005), 13-23.

Quellen

  • Elisabeth Grünenwald, Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen. 14. Jahrhundert bis 1477 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte 5/2), Augsburg 1976. (Die Einleitung separat erschienen Öttingen 1975)
  • Hermann Hoffmann, Das älteste Lehenbuch des Hochstifts Würzburg 1303-1345 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 25), Würzburg 1972-1973.
  • Eckard Lullies, Das Lehnbuch der Schenken von Reicheneck von 1331 (Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft 49), Neuhaus 2005.
  • Karl-Heinz Spieß, Das älteste Lehnsbuch der Pfalzgrafen bei Rhein vom Jahr 1401 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg A/30), Stuttgart 1981.
  • Gustav Voit, Das Wachstafelzinsbuch der Reichsveste zu Nürnberg von etwa 1425 und das Reichslehenbuch der Herren von Berg aus dem Jahre 1396 (Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 7), Nürnberg 1967.
  • Alfred Weitnauer, Das Lehenbuch des Fürstlichen Stifts Kempten von 1451 (Alte Allgäuer Geschlechter 3), Kempten 1938.

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Lehensbücher, Lehnsbücher, Lehenregister, Lehensregister, Mannbuch, Lehensverzeichnis, Lehenverzeichnis, Lehensbriefregister, Lehensaktregister, Lehenaktregister, Lehenbriefregister

Empfohlene Zitierweise

Joachim Wild, Lehenbücher, publiziert am 10.05.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Lehenbücher (29.03.2024)