Germanenorden
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Völkisch-antisemitischer, logenartig aufgebauter Geheimbund, hervorgegangen 1912 aus dem Reichshammerbund. Der Germanenorden war der Vorläufer der Münchner Thule-Gesellschaft Rudolf von Sebottendorffs (1875-1945).
Gründung als Geheimbund
Der Germanenorden ging aus dem antisemitischen "Reichshammerbund" hervor, den der Mühleningenieur und Publizist Theodor Fritsch (1852-1934) zu Pfingsten 1912 (26. Mai) in Leipzig gegründet hatte. Da Fritsch eine geheime Kommandozentrale für die gesamte deutschvölkische Bewegung vorschwebte, wurde auf der konstituierenden Sitzung des Reichshammerbundes auch der Germanenorden ins Leben gerufen. Er sollte als logenartig aufgebauter Geheimbund eines Tages die Kommandogewalt übernehmen.
"Ariernachweis" als Aufnahmebedingung
In den Geheimbund wurden nur Kandidaten aufgenommen, die einen "Ariernachweis" vorlegen konnten. Der im Germanenorden propagierte Antisemitismus war integraler Bestandteil einer Weltanschauung auf biologisch-rassentheoretischer Grundlage. Starken Einfluss übte auch der Wiener Ariosoph Guido List (1848-1919) aus, der den zeitgenössischen Okkultismus mit der völkischen Ideologie verband und als Begründer der so genannten Runenesoterik gilt.
Spaltung während des Ersten Weltkriegs
Der vom Magdeburger Eichmeister Hermann Pohl geführte Germanenorden zählte im Mai 1913 nach eigenen Angaben 451 Mitglieder. Als Pohl nach Machtkämpfen im Jahr 1916 die Führung verlor, spaltete sich der wegen des Krieges bereits stark zerfallene Geheimbund. Nach der Spaltung leitete Pohl den "Germanenorden-Walvater", der den Vater aller germanischen Götter für sich in Anspruch nahm. Im Herbst 1916 traf Pohl Rudolf von Sebottendorff (1875-1945), der sich dazu bereit erklärte, die Schriften des Ordens zu finanzieren, und der im Dezember 1917 mit dem Wiederaufbau der "Ordensprovinz Bayern" beauftragt wurde. Im August 1918 gründete Sebottendorff in München die "Thule-Gesellschaft".
Rekrutierung politischer Attentäter
Der Germanenorden war auch Tarnorganisation für die Rekrutierung politischer Attentäter, wie der Mord an Matthias Erzberger (1875-1921) belegt. Die beiden Attentäter, die im August 1921 den ehemaligen Reichsfinanzminister und verhassten Unterzeichner des Waffenstillstands von 1918 erschossen, gehörten ebenso wie ihr Auftraggeber Manfred von Killinger (1886-1944) dem Germanenorden in Regensburg an.
Literatur
- Hermann Gilbhard, Die Thule-Gesellschaft. Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz, München 2. Auflage 2015.
- Nicholas Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Graz 1997.
- Uwe Lohalm, Völkischer Radikalismus. Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes, Hamburg 1970.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Hermann Gilbhard, Germanenorden, publiziert am 17.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Germanenorden> (15.10.2024)