Flechtwerkskulptur
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Flechtwerkskulptur gehört zu den wenigen Relikten frühmittelalterlicher Bauplastik in Bayern. Der ornamentale Reliefschmuck in Kirchen des 8. und 9. Jahrhunderts ist bislang an sechzehn Orten in Altbayern und Schwaben nachgewiesen. Motivschatz, Technisches und Handwerkliches weisen auf eine Verbindung mit dem Süden (Langobardenreich, Rom) hin, eindeutig fassbar bei einem Fundstück aus dem Kloster Frauenchiemsee aus der Zeit Herzog Tassilos III. (reg. 748-788). Bayern fügt sich hier in den karolingischen Kulturraum ein. Wo Flechtwerkskulptur im Reich Karls des Großen (reg. 768-814, ab 800 Kaiser) auftritt, knüpft sie an das Bildrepertoire Italiens an, das im Kern aus antikem Formempfinden erwachsen und seit der Spätantike Träger christlicher Bildsprache ist. Ausgeführt wurden die Arbeiten von Bildhauern, die, wohl meist aus Italien stammend, als Wandertruppen oder als Ad hoc-Verbände gearbeitet haben dürften.
Definition
Unter dem Begriff Flechtwerkskulptur werden frühmittelalterliche Werkstücke (einzelne bearbeitete Teile festen Materials, im Vorliegenden aus Stein) mit spezifischem Reliefschmuck zusammengefasst. Kennzeichnend sind Flechtbandornamente und stilisierte Ranken (Übersicht in der Online-Plattform RDKLabor), selten bereichert mit zoomorphen und anthropomorphen Motiven. Viele Muster gehören zu einem während Jahrhunderten gebräuchlichen Repertoire; Zusammenstellungen und zeichenartige Abstraktionen lassen jedoch römisches Erbe spätantiker Prägung erkennen.
Die Dekorweise wird im Frühmittelalter im Osten wie im Westen zu einer eigenständigen Kunstform. Im Westen erlebt sie in den langobardischen Kunstzentren des 8. Jahrhunderts eine erste Hochblüte, im Karolingerreich wird das Motivrepertoire weitgehend standardisiert und mündet im Laufe des 9. Jahrhunderts oft in Verhärtung und Schematismus. Ein Teil des Motivschatzes behält in den folgenden Epochen seinen Stellenwert unter verändertem stilistischem Aspekt.
Flechtwerkskulptur diente in erster Linie dem Schmuck sakraler Räume und ihrer liturgischen Einrichtung.
Forschungsgeschichte
Planmäßige Ausgrabungen zur Erforschung frühmittelalterlicher Kirchen mitsamt ihrer Ausstattung setzten in Bayern wie andernorts erst nach dem 2. Weltkrieg in größerem Ausmaß ein. Einzelne skulpierte Zeugnisse aus dem späteren ersten Jahrtausend wurden hingegen auch in Bayern seit je wertschätzend beachtet: sie fanden einen Platz an Fassaden wie in Herrenchiemsee und Ilmmünster, wurden umgenutzt wie in Tegernsee und Gstadt am Chiemsee oder gelangten gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Museen (Einzelfunde in Ilmmünster oder Sandau). Einige dieser Stücke kommen in frühen Arbeiten zur Flechtwerkkunst zur Sprache, u. a. bei Thomas von Bogyay (1909-1994), Herbert Paulus (1913-1993) und Erika Doberer (1917-1999).
Es ist das Verdienst von Hermann Dannheimer (1929-2020), Konservator (1960–1984), später Direktor (1984–1994) der Prähistorischen, heute: Archäologischen Staatssammlung München, der frühmittelalterlichen Flechtwerkskulptur Bayerns den ihr zugehörigen Platz in der Kulturgeschichte des Landes zugewiesen zu haben. Als Ausgräber der Klosteranlagen von Sandau, Frauenwörth (in der Nachfolge von V. Milojčič [1918-1978]) und Herrenchiemsee konnte er den Materialbestand entscheidend vergrößern. Seine Rekonstruktionen prägten lange Zeit das Bild der Gattung im östlichen Randgebiet des Karolingerreiches und seine zahlreichen Publikationen befruchteten die Forschung über die Landesgrenzen hinaus.
Barbara Johannson-Meery stellte 1982 einen Katalog der Funde aus dem Herzogtum Bayern zusammen (publiziert 1993), ausgehend von Dannheimer 1980, und erweiterte diesen mit Objekten aus dem angrenzenden Siedlungsgebiet im Süden und Südosten (Kärnten, Oberösterreich, Steiermark). Ein Abriss zur allgemeinen Forschungsgeschichte der Flechtwerkkunst wird dem Katalog vorangestellt.
Was heute fehlt, ist eine eingehende Gegenüberstellung der bayerischen Fundstücke mit neueren Forschungsresultaten, die anhand der Editionen von umfangreichen Inventaren des historischen Rätien (Gebiete der Kantone St. Gallen und Graubünden sowie des Südtiroler Vinschgaus) und Italien (grundlegend Bände des Corpus della scultura altomedievale) erarbeitet werden konnten.
Materialbestand (Katalog als Grundlage und Übersicht siehe unten)
Der größte Teil der erhaltenen Flechtwerkskulptur Bayerns stammt von Schrankenanlagen (cancelli, pergulae) in der Art, wie sie im frühen Mittelalter im Dienste der Liturgie standen und sakrale Räume gliederten. Diese Ab- und Eingrenzungen in der Höhe einer Brustwehr (1–1,2 m) bestanden aus verankernden Ständern (Pfosten), Füllungen (Platten) und Brüstungsbalken; in der Regel trugen sie einen Aufbau, der Durchsicht gewährte, bestehend aus Säulchen, kleinen Kapitellen und Horizontalbalken (Architrav < lat. trabs "Balken"). Ein Beispiel einer Schranke in situ findet sich in Capena bei Rom.
Erhalten sind im bayerischen Gebiet (nur gesicherte Zuweisungen):
- Platten, oft monolithisch mit Brüstungsbalken verbunden: Augsburg, Bernried, Frauenwörth, Füssen, Großweil, Gstadt, Herrenchiemsee, Ilmmünster, Sandau, Weichs (Ohlstadt), Westendorf
- Pfosten: Benediktbeuern, Herrenchiemsee, Ilmmünster, Kempten, Sandau, Westendorf
- Balken: Frauenwörth, Ilmmünster
- Säulchen: Frauenwörth, Sandau
- Kleinkapitelle: Frauenwörth, Sandau, Tegernsee
- Architrave, Giebelbalken: Herrenchiemsee, Sandau
- Sockelsteine: Sandau.
Aus dem Dom von Augsburg stammt ein kleines Plattenfragment, das nach seiner Dekorgliederung zu einem Ziborium (Altarüberbau) gehörte.
Füllungsplatten sind in Bayern auffällig oft monolithisch mit den Brüstungsbalken verbunden. Der Zusammenschluss von konstruktiven Elementen, auch andernorts zu beobachten, ist noch nicht umfassend untersucht worden. Sind es handwerkliche, regionale oder zeitabhängige Usanzen, technische Vereinfachungen oder künstlerische Ausdrucksmittel?
Als Materialien werden im allgemeinen Kalksteine verwendet; sie variieren qualitativ und stammen, so weit ersichtlich, aus jeweils nahe gelegenen Steinbrüchen. Gelegentlich – nachweislich in Augsburg und Kempten – werden römische Werkstücke umgearbeitet. Der Import von Marmor aus dem Vinschgau für Frauenchiemsee (naturwissenschaftlich überprüft: Unterwurzacher/Roth-Rubi 2014) ist eine Ausnahmeerscheinung, wohl nur ermöglicht durch die besondere politische Situation zur Zeit Herzog Tassilos III. (reg. 748-788).
Stücke aus Ilmmünster und die Platte aus Großweil zeigen Reste einer weißen Tünche; Dannheimer nimmt an, dass damit Marmor imitiert werden sollte (Dannheimer/Dopsch 1988, 300). Die Frage der (Farb-)Fassung von Flechtwerkskulpturen wird oft gestellt, ist von Fall zu Fall abzuklären und kann kaum generell beantwortet werden. Weder für Ilmmünster noch für Großweil steht fest, dass der Überzug zum originalen Bestand gehört. Zudem sind die Wertvorstellungen, welche die frühmittelalterlichen Auftraggeber dem Herstellungsmaterial beimaßen, nicht bekannt; Inschriften auf Monumenten bezeugen, dass auch Kalkstein als Marmor bezeichnet werden kann (Roth-Rubi, 2019, 298 f.).
Einige frühmittelalterliche skulpierte Werkstücke in Bayern sind zwar weitgehend erhalten, aber isolierte Einzelobjekte, die keinem oder nur bedingt einem Kontext beizuordnen sind, so die Platten in Bernried, Großweil und Gstadt und der Pfosten in Kempten. Andererseits sind die bisherigen Funde aus Grabungen durch hohe Fragmentierung beeinträchtigt und/oder in der Anzahl beschränkt; sie erlauben kaum Rekonstruktionsvorstellungen.
Einzig das etwas reichere Inventar aus der Klosterkirche von Ilmmünster bietet gewisse Anhaltspunkte (Dannheimer 1989). Gesichert ist, dass die Anlage in Ilmmünster keinen pergula-Aufbau besaß; reine Hypothese ist hingegen die Gesamtform der Schranke mit Eckkonstruktionen. Ein Endpfosten mit konkaver Aushöhlung muss an einer Säule gestanden haben.
Säulchenreste, Kleinkapitelle und Architravteile in Frauenwörth, Herrenchiemsee, Sandau und Tegernsee belegen, dass die geläufige Form frühmittelalterlicher Schranken mit Aufbau in Bayern ebenfalls vertreten war; allerdings ist nicht auszuschließen, dass Kleinkapitelle und Säulchen von Ziborien stammen.
Nach Dannheimer (2003, 75–77) zeichnet sich in Sandau der Standort einer Schranke in einem rudimentären Gräbchen mittig im Schiff ab; Sockelsteine – größere Quader mit rechteckigen Ausnehmungen – fanden sich bei der Ausgrabung in sekundärer Lage. Weitere Befunde zur Position von Chorschranken sind u.a. aus Nassenfels (Lkr. Eichstätt) und Solnhofen (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) bekannt (Haberstroh 2009, 239 u. Abb. 21; Later 2011, 81-88).
Motivschatz
Der Dekor der Flechtwerkskulptur Bayerns rekrutiert sich aus dem allgemein gebräuchlichen Formenschatz der Epoche (Ausnahme Herrenchiemsee, vgl. unten).
Übersicht:
- Konchenfries (Brüstungsteile): Bernried, Frauenwörth, Großweil, Gstadt, Herrenchiemsee, Ilmmünster, Sandau
- Einfache Flechtmuster, s-förmige Schlaufen: Benediktbeuern, Frauenwörth, Herrenchiemsee, Ilmmünster, Sandau, Westendorf
- Knoten, auch flächenfüllend: Herrenchiemsee, Ilmmünster, Sandau, Westendorf
- Rankenstäbe und flächenfüllende Ranken: Bernried, Gstadt, Herrenchiemsee, Ilmmünster, Sandau
- Kreis-Raute-Kreuz: Augsburg, Herrenchiemsee, Ilmmünster
- Flächenfüllende Gittermuster mit Füllseln (Bänder- oder Kordelgitter): Frauenwörth, Großweil, Ilmmünster, Weichs, Westendorf
- Kreismuster: Ilmmünster, Kempten
- Andreaskreuz mit verschlauften Enden: Füssen, Weichs.
Die Muster besitzen mannigfache Parallelen in einem Gebiet, das sich von Bayern über Österreich (hier besonders Kärnten und südliche Steiermark), die östlichen und südlichen Schweizer Regionen, Nord- und Mittelitalien mit Rom als Zentrum erstreckt. Motivkombinationen wie Kreis-Raute-Kreuz-Kompositionen und Ranken, flächige Knotengebilde und Gittermuster usw. stimmen mit Abfolgen überein, die im 1. Viertel des 9. Jahrhunderts kanonisiert wurden und in weiten Teilen des Karolingerreiches aufscheinen. Es ist mit Mustervorlagen/Musterbüchern zu rechnen (klarer Hinweis: Roth-Rubi 2018, 253 f.), deren materielle Beschaffenheit allerdings völlig unbekannt ist, die aber offensichtlich auch in Bayern – an Handwerker gebunden? – zirkulierten.
Sonderformen – vorläufig Unikate – sind zwei Balkenstücke im Inventar von Herrenchiemsee; bei dem einen deuten Löchlein in einer Leiste vor den Krabben auf Einsätze (aus Metall oder Glas?), bei dem anderen entzieht sich eine à-jour (durchbrochen) gearbeitete liegende Halbpalmette einer überzeugenden Rekonstruktion (Roth-Rubi, in Vorbereitung).
Auch wenn die Bildwelt der Flechtwerkkunst im Kern auf die heidnische Antike zurückgeht, so ist ihre christliche Ausrichtung im Frühmittelalter in Bayern wie andernorts eindeutig: Kreuz, Kreis und Raute, einzeln oder in Verbindung, stehen für Christus, Kosmos und Unendlichkeit; Ranke, Lebensbaum, Trauben und Vögel für Paradies und Ewigkeit. Ob reinen Flechtornamenten – wie etwa den Knotenfolgen auf dem Pfosten von Westendorf – tiefere Bedeutung zukommt, steht offen; das gleichförmig Wiederholende könnte Ausdruck einer besonderen Form von Andacht sein.
Datierung
Die zeitliche Bestimmung der Flechtwerkskulptur bietet generell große Schwierigkeiten: die Mehrzahl der Motive steht in einer langen Tradition, als Spätformen entwickeln sie sich kaum, jedenfalls nicht linear; die Dekorweise ist meist an Vorlagen gebunden, deren ungleiche Genese und Qualität sich in den Werken widerspiegeln und ihre zeitspezifischen Eigenheiten oft überdecken.
Seit jeher wurde die chronologische Einordnung frühmittelalterlicher Skulpturen an historische Quellen geknüpft, seien es Angaben zu Klostergründungen, Reliquientranslationen, Amtszeiten von herausragenden Persönlichkeiten etc., gegebenenfalls ergänzt durch archäologische Befunde. Allerdings ist ihre Aussagekraft bedingt, wenn die skulpierten Werke nicht unmittelbar mit der historischen Nachricht bzw. den baulichen Gegebenheiten verbunden sind. Deshalb ist es notwendig zu prüfen, ob die zeitabhängigen Eigenheiten der Skulptur mit den historisch überlieferten Vorgaben übereinstimmen.
Die Einsicht in die variierenden stilistischen Eigenheiten des 8. und 9. Jahrhunderts ist in den letzten Jahren wesentlich gewachsen, unter anderem auf Grund von Zusammenstellungen von Inventaren mit gesichertem Zeitrahmen und deren stilistischen Analysen (Roth-Rubi 2015, Roth-Rubi 2018). Das Ergebnis dieser Analysen erlaubt es heute, Skulpturen mit Flechtwerkdekor unter günstigen Gegebenheiten einem Zeitraum von einer bis zwei Generationen zuzuordnen.
Als mehr oder weniger gesicherte Gründungszeiten von Klöstern mit Skulpturen-Funden in Bayern gelten nach herkömmlicher, unter Historikern jedoch teilweise umstrittener Meinung: Benediktbeuern: um die Mitte des 8. Jahrhunderts, im Zusammenhang damit ähnlich für Sandau; Frauenwörth: Regierungszeit Tassilos III.; Herrenchiemsee: wohl ältere Agilolfingerzeit; Tegernsee: um 760; Ilmmünster: um 765.
Zur skulpierten Hinterlassenschaft aus diesen Orten:
- Sandau und Tegernsee: formale und stilistische Vergleiche mit Material aus den spät-langobardischen Zentren erlauben eine Zuordnung der betreffenden Werkstücke in die 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts; damit können sie in die Frühzeit dieser Kirchen gehören.
- Frauenwörth: Balken und Kapitelle entsprechen mit ihrem künstlerischen Anspruch weitgehend analogen Werkstücken in Müstair (Schweiz; Klostergründung 775 gesichert, Roth-Rubi 2015); die Zeit Herzog Tassilos als terminus ad dürfte unbestritten sein. Die stilistischen Merkmale der Platte hingegen verweisen auf jüngere Entstehung, möglicherweise in Zusammenhang mit einer zweiten Ausstattungsphase.
- Benediktbeuern, Herrenchiemsee und Ilmmünster: eine Diskrepanz zwischen Gründungsdaten und stilistischen Eigenheiten des Skulpturenbestandes manifestiert sich für alle drei Orte. - Benediktbeuern: stammte der Dekor aus dem 3. Viertel des 8. Jahrhunderts, so handelte es sich um eine Ausnahmeerscheinung nördlich der Alpen. Der Vergleich mit den Schänner Werken spricht für eine Entstehung im frühen 9. Jh. (so bereits Bogyay 1962 ohne Verweis auf Schänis [Schweiz]). - Herrenchiemsee: so weit das fragmentierte Material eine Beurteilung zulässt, scheint die Hinterlassenschaft einheitlich zu sein; Vergleiche mit stilistisch Verwandtem weisen in die Zeit um 820 (Roth-Rubi 2019). - Ilmmünster: Dannheimer 1989 geht bei seiner Datierung der Skulpturen in die Jahre „780–800“ von einem Umbau der Arsatius-Kirche im Zusammenhang mit der Reliquienbeschaffung aus. Diesem Ansatz widersprechen Vergleiche mit gesicherten Skulpturen aus dieser Zeit (z. B. Müstair, Roth-Rubi 2015, Hinweise auf weitere dort S. 11–44). Arbeiten aus den mittleren Vierteln des 9. Jahrhunderts (Como, Rom/SS. Quattro Coronati) lassen hingegen stilistische Eigenheiten erkennen, die ebenso für Ilmmünster zutreffen: Neigung zu Schematismus, Vernachlässigung von Details, stete Repetition, Fehlen von Improvisation und Lebendigkeit – Kennzeichen der Werke des reiferen 9. Jahrhunderts.
- Die enge Verwandtschaft der Platten von Bernried, Frauenwörth, Großweil, Weichs und der Werkstücke aus Westendorf mit dem Inventar von Ilmmünster dürfte bedeuten, dass diese Arbeiten ebenfalls in die Zeit kurz vor oder nach der Mitte des 9. Jahrhunderts zu setzen sind.
Der Abriss zur Datierung legt dar, dass Flechtwerkskulptur in Bayern seit dem ausgehenden 8. Jahrhundert bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts nachzuweisen ist. Für die Beurteilung der weiteren Entwicklung im späten 9. und im 10. Jahrhundert ist der heutige Wissensstand noch ungenügend.
Auftraggeber - Ausführende - Kultureller Hintergrund
Signaturen auf Arbeiten mit Flechtwerkdekor fehlen vorläufig in Bayern – sie sind ohnehin äußerst selten.
Die Auftraggeber dürften die Gestaltung des liturgischen Mobiliars wesentlich mitbestimmt haben; ihr Einfluss ist real jedoch nur selten zu fassen. Immerhin kennt Bayern einen deutlichen Hinweis für das Einwirken Tassilos III. auf den Schmuck seiner Klosterkirche auf der Fraueninsel im Chiemsee: der Import von Marmor aus dem Vinschgau wäre ohne die Verbindungen des Herzogs und seiner Frau Liutpirc kaum denkbar.
Der Motivschatz der Skulptur in Bayern zeigt eine Ausrichtung auf Gebiete südlich der Alpen, wo Reliefdekor im sakralen Ambiente seit der Spätantike Tradition besaß. Aus Italien übernommen wurden aber nicht nur die Bilder, sondern auch Technisches und Handwerkliches, allerdings oft bescheidener in der Qualität; Ursache dürfte zum Teil der verwendete Werkstoff, gröberer Kalkstein, sein. Es ist davon auszugehen, dass Bildhauer aus südlichen Gegenden beigezogen wurden. Sie wurden vielleicht als wandernde Truppen oder als Ad hoc-Verbände für anstehende Aufträge angeworben (zum Modell: Roth-Rubi 2015, Roth-Rubi 2018).
Mit seiner Fokussierung auf das Kunstschaffen Italiens steht Bayern nicht allein da. Wo immer Flechtwerkskulptur auftritt, verwendet sie ein in den Grundzügen gleichartiges Bildrepertoire. Auch in weit auseinander liegenden Orten folgt man ähnlichen Normen und Vorstellungen beim Schmuck der liturgischen Einrichtung. Diese Erscheinung setzt im späteren 8. Jahrhundert ein und dürfte mit den Bestrebungen des Kaiserhofes nach Einheitlichkeit in Kirche und Bildungswesen einhergehen. Sie wurde kaum gelenkt, sondern war eine zeitbedingte Strömung, die im Laufe des 9. Jahrhunderts abebbte.
Die Flechtwerkskulptur Bayerns gehört zum kulturellen Gefüge der karolingischen Zeit, das seine Wurzeln letztlich in der Antike hat.
Katalog
Literatur
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- Joachim Werner (Hg.), Die Ausgrabungen in St. Ulrich und Afra in Augsburg 1961–1968, München 1977.
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Katrin Roth-Rubi, Flechtwerkskulptur, publiziert am 05.03.2021; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Flechtwerkskulptur> (05.11.2024)