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Dachauer Künstlerkolonie

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Titelblatt des Werkes "Neu-Dachau" von Arthur Roeßler, Bielefeld und Leipzig 1905.
Paul Keller-Reutlingen: Chronik der Dachauer Maler Colonie (1880). (Museumsverein Dachau e.V.)
Malerinnen auf dem Weg zum Motiv (vor 1914). (Zweckverband Dachauer Galerien und Museen)

von Norbert Göttler

Entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Dachau nordwestlich von München. Herausragende Vertreter der deutschen Freilichtmalerei wie Lovis Corinth, Adolf Hölzel, Max Liebermann, Max Slevogt, Otto Strützel und Fritz von Uhde malten in Dachau, das neben Worpswede und Willingshausen zwischen 1880 und 1905 zu den bedeutendsten Künstlerkolonien in Deutschland zählte.

Hintergrund: die Freilichtmalerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Die Künstlerkolonie Dachau war Ausdruck einer neuen Sichtweise in der Malerei, die – ausgehend von Barbizon bei Paris – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die europäische Kunstwelt prägte: Die Freilichtmalerei, auch plein-air-Malerei genannt, ließ Scharen von Künstlern und Kunststudenten in die Umgebung der großen Städte strömen, immer auf der Suche nach landschaftlichen Motiven. Sie entdeckten das Teufelsmoor bei Worpswede, die Insel Hiddensee oder Murnau und die Insel Frauenchiemsee im Voralpenland. Auch die einsame Landschaft des Dachauer Mooses, ein Niedermoorgebiet nordwestlich von München, das sich von Fürstenfeldbruck bis weit in das Freisinger Land hinein entlang der Amper hinzieht, inspirierte die Künstler. Neben Willingshausen und Worpswede wurde die Dachauer Künstlerkolonie um die Jahrhundertwende eine der bedeutendsten in Deutschland.

Entdeckung der Landschaft

Einer der ersten Künstler, der die Landschaft zwischen Amper und Würm im Norden Münchens entdeckte, war der Galeriedirektor und Professor für Landschaftsmalerei an der Münchner Akademie, Johann Georg von Dillis (1759-1841), der bereits 1834 Dachauer Landschaften aquarellierte. Ihm folgten ab der Jahrhundertmitte Eduard Schleich d. Ä. (1812-1874), Dietrich Langko (1819-1896) und Carl Spitzweg (1808-1885). Der zu dieser Zeit noch wenig bekannte Spitzweg, der mit Vorliebe das kleinbürgerlich-beschauliche Leben alter Märkte und Städte schilderte, erhielt in Dachau viele Anregungen für seine Arbeit. Nach 1870 lebte nur wenige Kilometer südwestlich von Dachau, in dem Amperort Graßlfing, zurückgezogen und weltabgeschieden einer der eigenwilligsten und bedeutendsten Künstler seiner Zeit: der Piloty-Schüler Wilhelm Leibl (1844-1900). Waren es in den Jahren zwischen 1840 und 1880 in erster Linie Landschafter, die der stimmungsvollen Motive wegen immer wieder das Dachauer Land besuchten, so änderte sich das in den 1880er Jahren. Nun fanden auch Bildhauer und Grafiker den Weg nach Dachau. Und das Wesentliche: Die ersten Künstler wurden sesshaft, allmählich entstand die Kolonie. Einige Dutzend Atelierhäuser und Künstlervillen zeugen heute noch von dieser Phase. Eine eigenständige, einheitliche Kunstform, sozusagen eine "Dachauer Schule", hat es aber nicht gegeben, zu prägend war die stilistische Nähe zur "Münchner Schule".

Höhepunkt und Ende

Nach langer Aufbauphase begann um 1880 die Glanzzeit der Künstlerkolonie Dachau. Zu den herausragenden Namen zählen Heinrich von Zügel (1850-1941), Robert von Haug (1857-1922), Bernhard Buttersack (1858-1925) und Otto Strützel (1855-1930) ebenso wie Lovis Corinth (1858-1925), Leopold von Kalckreuth (1855-1928), Eugen Kirchner (1865-1938), Max Liebermann (1847-1935), Ludwig von Herterich (1856-1932), Max Slevogt (1868-1932), Ignatius Taschner (1871-1913) und Fritz von Uhde (1848-1911). Auch in den umliegenden Orten wie Etzenhausen oder Haimhausen wurden Künstler sesshaft, außerdem folgten Schriftsteller ihren Malerfreunden nach: Ludwig Thoma (1867-1921), Heimito von Doderer (1896-1966), Theodor Heuss (1884-1963) u. a. 1887/88 kam Adolf Hölzel (1853-1934) nach Dachau und bildete zusammen mit seinen Freunden Ludwig Dill (1848-1940) und Arthur Langhammer (1855-1901) den Künstlerkreis "Neu-Dachau". Er gründete hier die erste private Malschule, die vornehmlich von Frauen, den sog. "Malweibern", besucht wurde, darunter Ida Kerkovius (1879-1970), Else Freytag-Loringhoven (1874-1927) und Paula Wimmer (1876-1971). Unter seinen Schülern befanden sich aber auch so bekannte Maler wie Emil Nolde (1867-1956). Mit dem Schaffen Hölzels deuteten sich Höhepunkt und Ende der großen Zeit der Landschaftsmaler in Dachau an. In Theorie und Praxis nach neuen Ausdrucksformen suchend, ging er erste, experimentelle Schritte hin zur abstrakten Malerei – mehrere Jahre vor Wassilij Kandinsky (1866-1944). Die Blütezeit der Künstlerkolonie war mit dem Ende der Freilichtmalerei und des Landschaftsimpressionismus vorüber, zumal Hölzel 1905 einem Ruf an die Akademie nach Stuttgart folgte. Auch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914, als viele Künstler zum Militärdienst einrücken mussten, schwächte die Kolonie erheblich. Die Stadt Dachau versteht sich jedoch bis zum heutigen Tag den Künsten in besonderer Weise verbunden und ist Wohnort zahlreicher Maler, Grafiker und Bildhauer.

Literatur

  • Elisabeth Boser, FreiLichtMalerei. Der Künstlerort Dachau um 1870-1914, Dachau 2001.
  • Norbert Göttler, Buidlmaler, Malweiber und Staffeleibuben. Eine kleine Geschichte der Dachauer Künstlerkolonie, in: Ders. (Hg.), Dachauer Impressionen: literarischer Spaziergang im Dachauer Land, Dachau 2003, 59-68.
  • Norbert Göttler, Das Moos und seine Maler. Dokumentarfilm des Bayerischen Fernsehens, München 2004.
  • Horst Heres, Dachauer Gemäldegalerie, Dachau 1985.
  • Kunst und Künstler in Dachau und im Amperland, 1890-1930, o.O. 1981.
  • Lorenz Josef Reitmeier, Dachau-Ansichten aus zwölf Jahrhunderten, Dachau 1976, 1982, 1986.
  • Lorenz Josef Reitmeier, Dachau. Ein Kunstbilderbuch, Dachau 1995.
  • Ottilie Thiemann-Stoedtner/Gerhard Hanke, Dachauer Maler. Die Kunstlandschaft von 1801-1946, hg. von Klaus Kiermeier, Dachau 1989.
  • Wolfgang Till, Künstlerkolonie vor den Toren der Stadt: die Dachauer Malschule, in: München, die Kunststadt, München 2002, 80-82.

Quellen

  • Arthur Roessler, Neu-Dachau, Berlin 1905.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Norbert Göttler, Dachauer Künstlerkolonie, publiziert am 31.12.2005; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Dachauer_Künstlerkolonie> (12.12.2024)