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Münchner Lach- und Schießgesellschaft

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Judith Kemp

Die 1956 gegründete „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ zählt zu den bekanntesten deutschen Kabarettensembles. Unter der Leitung des Sportreporters und Regisseurs Sammy Drechsel (1925–1986) avancierte die Gruppe aus Ursula Noack (1918–1988), Hans Jürgen Diedrich (1923–2012), Klaus Havenstein (1922–1998), Dieter Hildebrandt (1927–2013) und dem später dazu gestoßenen Jürgen Scheller (1922–1996) zum für viele Jahre deutschlandweit führenden Kabarett, das v. a. das bundesdeutsche Zeitgeschehen mit satirischer Schärfe und komödiantischer Spielfreude sezierte und kommentierte und unzähligen Kabarettisten im deutschsprachigen Raum als Inspiration und Vorbild diente. Der 1972 aufgelösten Urtruppe folgten ab 1976 bei gleichbleibendem Namen weitere Gruppierungen mit wechselnden Mitgliedern, die trotz großer Erfolge nicht mehr den Ruhm des ersten Ensembles erlangten. Seit 2001 fungiert das in Schwabing gelegene Theater der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ überwiegend als Gastspielbühne für wechselnde (Solo-)Künstlerinnen und Künstler, bildet aber weiterhin auch die Heimstätte eines sich personell häufig wandelnden Hausensembles.

Vorgeschichte

Mit den Kabarettbühnen „Die kleine Freiheit“ (gegründet 1951), „Die kleinen Fische“ (gegründet 1952) und „Die Zwiebel“ (gegründet 1954) etablierte sich in den 1950er Jahren eine lebendige Kleinkunstszene in München. Daneben machten die beiden Studentenkabaretts „Die Seminarren“ (1952–1953), mitbegründet von Klaus Peter Schreiner (1930–2017), und vor allem „Die Namenlosen“ (1955–1956) bald von sich reden, bei denen neben Schreiner auch Dieter Hildebrandt (1927–2013) mitwirkte. Letzterer hatte eine Zeitlang als Kartenabreißer in der von Trude Kolman (1904–1969) geleiteten „Kleinen Freiheit“ gearbeitet und dort wesentliche künstlerische Impulse empfangen. Sammy Drechsel (eigtl. Heinz Waldemar Drechsel, 1925–1986), der seit 1949 als Sportreporter beim Bayerischen Rundfunk (BR) tätig war und regelmäßig in dem vom Komponisten und Pianisten Fred Kassen (1903–1972) geführten Schwabinger Lokal „Stachelschwein“, Ecke Haimhauser- und Ursulastraße, Kabarettabende mit wechselnden Künstlerinnen und Künstlern veranstaltete, holte Die Namenlosen mit ihrem dritten Programm dorthin. Als sich Die Namenlosen bereits im November 1956 auflösten, gründete Drechsel gemeinsam mit Hildebrandt die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, deren Name vom 1902 gegründeten Sicherheitsdienst „Münchner Wach- und Schließgesellschaft“ abgeleitet ist.

Sammy Drechsel (1925–1986) – Kabarettist, Regisseur, Journalist. Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003), 1966. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-03970)

Chronologie

Auf dem Weg zum Erfolg (1956–1964)

Mit „Denn sie müssen nicht was sie tun“ präsentierte die Münchner Lach- und Schießgesellschaft am 12. Dezember 1956 im „Stachelschwein“ ihr erstes Programm unter Drechsel, der bis zu seinem Tod 1986 in 27 von 29 Programmen der Lach- und Schießgesellschaft Regie führte. Auf der Bühne standen neben Hildebrandt, von Beginn an einem der wichtigsten Autoren des Kabaretts, Hans Jürgen Diedrich (1923–2012), der zuvor beim Tourneekabarett „Die Amnestierten“ engagiert gewesen war, der Schauspieler Klaus Havenstein (1922–1998) sowie Ursula Herking (1912–1974), eine der populärsten Kabarettistinnen jener Jahre, die das Ensemble jedoch bereits im Winter 1957 wieder verließ. An ihre Stelle trat Ursula Noack (1918–1988), ebenfalls ein ehemaliges Mitglied der Amnestierten, und komplettierte damit das charakteristische Schauspielerensemble der ersten Jahre.

Gruppenbild des ersten Ensembles der Münchner Lach- und Schießgesellschaft (im Uhrzeigersinn): Dieter Hildebrandt (1927–2013), Klaus Havenstein (1922–1998), Hans-Jürgen Diedrich (1923–2012), Ursula Herking (1912–1974). Reproduktion einer Fotografie von 1956. Reportage zur Münchner Lach- und Schießgesellschaft und Ursula Herking, 17. Juli 1966. Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-03982)

Nach dem Weggang von Fred Kassen, dem bisherigen Musikalischen Leiter und Komponisten des Theaters, übernahm Drechsel 1958 als Pächter das „Stachelschwein“ und verlieh nun auch dem Spielort den Namen Münchner Lach- und Schießgesellschaft (vielfach nur „der Laden“ genannt). 1959 kam mit Walter Kabel (1927–1997), dem Ehemann von Ursula Noack und kabaretterfahrenen Pianisten und Komponisten, ein neuer Musikalischer Leiter, der dem „Laden“ bis 1985 treu blieb.

In dieser Besetzung brach die wohl erfolgreichste Zeit des Ensembles an, mit auf Wochen ausverkauften Vorstellungen und einer immensen Beliebtheit bei einer vollkommen neuartigen und stetig wachsenden Zielgruppe: dem Fernsehpublikum. Früher als viele andere witterte Drechsel die Chancen des neuen Mediums, das 1952 mit ersten Sendungen in der Bundesrepublik und der DDR seinen Siegeszug antrat, und brachte dank seiner Beziehungen zum BR bereits das erste Programm des Schwabinger Kabaretts 1957 ins Fernsehen.

Die Ensemblemitglieder hatten ihre Rollen gefunden: Havenstein brillierte als stimm- und dialektbegabter Parodist, Diedrich verkörperte den komisch-rührenden Typus des kleinen Mannes und lieferte sich furiose Improvisationsduelle mit Hildebrandt, dem stotternden Intellektuellen, dessen satirische Solonummern die Höhepunkte der Vorstellungen bildeten. Schwerer hatte es Noack, die sich aufgrund der ihr zugedachten Texte nicht gleichermaßen profilieren konnte. 1962 stieß der Kabarettist Jürgen Scheller (1922–1996) zum Ensemble, der den Part des Sonnyboys und forschen Draufgängers übernahm und bis zur Auflösung der ersten Truppe mitwirkte. Ab 1962 unternahm das Ensemble alljährlich ausgedehnte Herbsttourneen und spielte bundesweit in ausverkauften Häusern. Auch durch Schallplatten verbreitete sich die Bekanntheit des Kabaretts.

Mitglieder der Münchner Lach- und Schießgesellschaft bei der Preisvergabe Schwabinger Kunstpreis 1963 (v.l.n.r.): Hans-Jürgen Diedrich (1923–2012), Ursula Noack (1918–1988), Dieter Hildebrandt (1927–2013) und Jürgen Scheller (1922–1996). Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv timp-006800)

Die Krise und die Folgen (1964–1972)

Wie bei vielen anderen etablierten Kabarettensembles erwies sich auch bei der Lach- und Schießgesellschaft der wachsende Erfolg als Dilemma, denn Angriffsziele wie Kapitalismus, Marktwirtschaft und Konsumgesellschaft bildeten zugleich jene Faktoren, die ihren Aufstieg begünstigten. Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der geäußerten Kritik erwuchsen auch aus dem Umstand, dass in den Fernsehübertragungen immer wieder Politiker gezeigt wurden, die im Publikum saßen, die Vorführungen beklatschten und den gegen sie gerichteten Spott scheinbar vergnügt an sich abprallen ließen. Für große Irritation sorgten 1964 ein Besuch des Ensembles bei Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU, 1897–1977, Bundeskanzler 1963–1966) und eine missglückte Fernsehdiskussion mit Bundestagsabgeordneten, bei denen es den Kabarettisten nicht gelang, sich in gewohnter Schärfe zu profilieren. Besonders aus Fachkreisen und von jungen Zuschauern hagelte es Kritik, es handle sich bei der Lach- und Schießgesellschaft nur noch um „Hofnarren der Demokratie“, die lediglich als „Alibi für die angebliche Toleranz der Machthaber“ (Klaus Peter Schreiner, Die Zeit spielt mit, 249) fungierten.

Reportage Münchner Lach- und Schießgesellschaft bzw. 13. Programm „Die Pharisäer proben den Notstand“, Mai 1966 (v.l.n.r.): Hans-Jürgen Diedrich (1923–2012), Dieter Hildebrandt (1927–2013), Ursula Noack (1918–1988), Klaus Havenstein (1922–1998), Jürgen Scheller (1922–1996). Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-03902)

Obgleich die Beliebtheit des Ensembles beim breiten Publikum ungebrochen war, bemühten sich die beiden Hauptautoren Hildebrandt und Schreiner um eine Hinwendung zu mehr Tiefe und Ernsthaftigkeit. Am überzeugendsten gelang dies im September 1968 mit dem 15. Programm, „Der Moor ist uns noch was schuldig“, einer satirischen Fortschreibung von Friedrich von Schillers (1759–1805) „Die Räuber“, bei deren Konzeption der Kabarettist Wolfgang Neuss (1923–1989) maßgeblich beteiligt war.

Nach einer über zehnjährigen Ensembletätigkeit wuchs bei den meisten Mitgliedern der Wunsch nach einer Neuorientierung und so verließen Havenstein und Diedrich 1969 und 1970 die Truppe, Horst Jüssen (1941–2008) und Achim Strietzel (1926–1989) kamen neu dazu. Am 23. November 1972 verabschiedete sich das bisherige Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft mit einer letzten Aufführung seines 19. Programms in Augsburg endgültig von seinem Publikum.

Übergangsjahre ohne festes Ensemble (1972–1976)

Trotz Auflösung des Ensembles bestand die Münchner Lach- und Schießgesellschaft jedoch weiterhin als Bühne für wechselnde Ensembles und Solokünstler, darunter Margot Werner (1937–2012), Fredl Fesl (geb. 1947), Mathias Richling (geb. 1953) und Konstantin Wecker (geb. 1947), für den der „Laden“ zum Karrieresprungbrett wurde. Auch Dieter Hildebrandt präsentierte sich dort ab 1974 mit seinem neuen Partner Werner Schneyder (1937–2019) in mehreren sehr erfolgreichen Programmen.

Ein weiteres populäres Format dieser Übergangsphase war die von dem Journalisten Joachim Soyka und dem ehemaligen Ensemblemitglied Horst Jüssen initiierte und später auch von Sammy Drechsel und Achim Krausz moderierte „Talkshow“, die ab Mai 1975 jeden Sonntagabend in der Lach- und Schießgesellschaft stattfand und prominente Gäste aus Politik, Showbusiness und Sport sowie Münchner Originale zusammenbrachte.

Neue Ensembles versuchen ihr Glück (1976–1984)

Mit „Rosa Pleiten“ feierte am 25. November 1976 das neue Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft mit Veronika Faber (geb. 1945), Rainer Basedow (geb. 1938), Bernd Stephan (geb. 1943) und Kurt Weinzierl (1931–2008) seinen Einstand. In den Bereichen Regie, Texte und Musik griff man auf die altbewährten Kräfte Drechsel, Hildebrandt, Schreiner und Kabel zurück. Aber erst das zweite Programm überzeugte 1977 die Kritiker von der anhaltenden Daseinsberechtigung des „Ladens“. Allerdings gelang es nicht, eine mit dem ersten Ensemble vergleichbare personelle Kontinuität zu erreichen. Unter den wechselnden Mitwirkenden dieser Jahre ist Bruno Jonas (geb. 1952) hervorzuheben, der von 1981 bis 1984 als Autor und Schauspieler maßgeblich das Gesicht der Lach- und Schießgesellschaft prägte.

Gruppenbild Münchner Lach- und Schießgesellschaft vor dem Haus Ursulastraße 9 (v.l.n.r.): Rainer Basedow (geb. 1938), Astrid Jacob (geb. 1945), Bruno Jonas (geb. 1952) und Jochen Busse (geb. 1941). Foto von Felicitas Timpe (1923-2006), 1980. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv timp-008397)

Mit Ludwig Eckmann (geb. 1959) kam 1984 auch ein neuer Musikalischer Leiter zum Ensemble, der bis Ende 1996 die meisten Kompositionen beisteuerte und die Vorführungen am Klavier begleitete.

Ein zweites erfolgreiches Team (1985–1990)

1985 formierte sich schließlich mit Basedow, Jochen Busse (geb. 1941), Renate Küster (geb. 1936) und Henning Venske (geb. 1939) ein Ensemble, das mit mehr Erfolg an den Ruhm des ersten anknüpfen konnte. Die auf Theater- und Kabarettbühnen wie auch im Fernsehen erprobten Schauspieler überzeugten als Gruppe wie auch als individuelle starke Typen: Rainer Basedow, der von 1976 bis 1995 mitwirkte und damit das langjährigste Mitglied überhaupt verkörperte, avancierte zum Publikumsliebling, genau wie Renate Küster, der nach Noack populärsten Schauspielerin des „Ladens“. Die Rolle des undurchschaubaren Ironikers bekleidete der bieder wirkende Jochen Busse, zu dem der scharfzüngige Henning Venske den Gegenpart bildete. Venske, vormals Chefredakteur der Satirezeitschrift „pardon“, war nach Hildebrandt und Jonas nun derjenige, der mit dem noch immer maßgeblich als Textautor beteiligten Klaus Peter Schreiner den Ton des Kabaretts bestimmte. Das Ensemble bestand bis Ende 1990, als Küster und Busse ihm den Rücken kehrten.

Drechsels Tod im Januar 1986 stürzte die Lach- und Schießgesellschaft in eine neuerliche Existenzkrise, die jedoch durch den Entschluss aller Mitwirkenden, den „Laden“ in seinem Sinne fortzuführen, und unter der neuen Geschäftsführerin Cathérine Miville (geb. 1954), der langjährigen Mitarbeiterin Drechsels und Regisseurin des Duos Hildebrandt/Schneyder sowie der Fernsehformate „Notizen aus der Provinz“ und „Scheibenwischer“, abgewendet werden konnte. Die Regie übernahmen in den Jahren bis 1999 Hildebrandt, Werner Klein, Miville und Venske, als Regieassistentin wirkte für viele Jahre Ulrike Bundschuh (1954–2018) mit.

Das Ende einer Ära (1991–2001)

Bis zur Jahrtausendwende war das Ensemble immer wieder personellen Veränderungen unterworfen. Neben Venske und Basedow, die noch bis 1994 bzw. 1995 blieben, bildete der aus dem Leipziger Kabarett Pfeffermühle übernommene Hans-Jürgen Silbermann (geb. 1947), der von 1991 bis 2000 mitwirkte, eine wichtige Konstante. Unter den häufig wechselnden weiblichen Ensemblemitgliedern konnte sich Simone Solga (geb. 1963), ebenfalls ein ehemaliges Pfeffermühlen-Mitglied, fünf Jahre lang behaupten. Das Engagement von Silbermann und Solga im Schwabinger Kabarett war nicht zuletzt dem Wunsch geschuldet, einen aktiven Beitrag zur Wiedervereinigung zu leisten. Mit Andreas Rebers (geb. 1958) stieß 1997 noch einmal ein vielversprechender Autor, Komponist und Schauspieler zum Ensemble, der sich jedoch nach nur zwei Programmen wieder vom „Laden“ löste.

Die „Lach- und Schießgesellschaft“ als Gastspielbühne (2001–2020)

2001 übernahm der Passauer Kulturmanager Till Hofmann (geb. 1970) die Geschäftsführung der Lach- und Schießgesellschaft, die seitdem in erster Linie als Gastspielbühne fungiert. Um eine Fortführung der Ensembletradition bemühten sich seitdem verschiedene Künstler, darunter Michael Altinger (geb. 1970), Uli Bauer (geb. 1957), Holger Paetz (geb. 1952), Norbert Bürger (geb. 1967), Caroline Ebner (geb. 1970), Sebastian Rüger (geb. 1967) und Frank Smilgies (geb. 1967). Die neuerliche Etablierung eines festen Hausensembles gelang jedoch nicht.

Mitwirkende

Eine große Anzahl von Mitwirkenden, darunter mehr als 50 Ensemblemitglieder, hat über die Jahre die Geschichte der Lach- und Schießgesellschaft mitgeschrieben. Mehr als alle anderen haben jedoch drei Personen das Unternehmen geformt: Drechsel als organisatorischer Spiritus rector, Hildebrandt, der über Jahrzehnte den Stil des deutschen Kabaretts prägte und für Generationen von Nachwuchskabarettisten zum Vorbild wurde, und die graue Eminenz Klaus Peter Schreiner, der von 1956 bis 1999 einen Großteil der im „Laden“ vorgetragenen Texte schrieb.

Als wichtigste Autoren sind neben Schreiner und Hildebrandt, Werner Schneyder, Bruno Jonas und Henning Venske zu nennen, viele weitere, darunter Martin Morlock (1918–1983), steuerten im Laufe der Jahre einzelne Texte bei.

Das musikalische Profil der Lach- und Schießgesellschaft prägten zunächst Fred Kassen, dann vor allem aber Walter Kabel und Ludwig Eckmann mit ihren Kompositionen. Ab 1983 erweiterte sich der Kreis der Komponisten u. a. um Jürgen Knieper (geb. 1941), Konstantin Wecker und Christoph Pauli (geb. 1954), der auch am Klavier begleitete.

Mitwirkende Musiker waren u. a. die Gitarristen Michael Goltz (1943–2006), Mischa Matejič (1929–1990) und Martin Spiegelberg (geb. 1955), der auch als Trompeter und Komponist hervortrat, sowie die Bassisten Heinz Briola und Helmut Wörsching (1930–1995). Bei größeren Veranstaltungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen und Schallplattenaufnahmen wurde das Ensemble in den 1960er Jahren vom Orchester Hugo Strasser begleitet.

Eng verbunden mit dem „Laden“ war außerdem für viele Jahre der Karikaturist Dieter Hanitzsch (geb. 1933), dessen Porträts der Protagonisten die Programmhefte und Theaterwände zierten.

Themen und Ziele

Die Lach- und Schießgesellschaft hat seit 1956 die Geschicke der Bundesrepublik in ihren Programmen komödiantisch und satirisch reflektiert und sich an den zentralen Themen der vergangenen sieben Jahrzehnte abgearbeitet: sog. Wirtschaftswunder, Kalter Krieg, (atomare) Aufrüstung, Aufarbeitung der NS-Verbrechen, Notstandsgesetze, Umweltschutz, Gentechnik, Wiedervereinigung und vieles mehr. Neben der Innenpolitik bildeten die Rolle und Unabhängigkeit der Medien immer wieder einen Schwerpunkt der im Schwabinger Kabarett behandelten Sujets.

Laut Dieter Hildebrandt verstanden sich die Kabarettisten als „Moralisten“ und „Aufklärer“, deren Absicht es sei, das Publikum zum Nachdenken anzuregen und seinen kritischen Geist zu wecken. An anderer Stelle bezeichnet er die Lach- und Schießgesellschaft als „singende und spielende Bürgerinitiative auf eigene Verantwortung.“

Dass das gesellschaftliche Engagement des Ensembles – zumal bis zur Jahrtausendwende – weit über die Theaterabende hinausreichte, zeigt sich etwa in seiner Unterstützung der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „David gegen Goliath“ und der „VIF Vereinigung Integrations-Förderung“ sowie in Benefizveranstaltungen, deren Erlöse etwa an Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte e.V. und die „Münchner Friedensrunde für Kroaten, Serben, Muslime und Deutsche“ gingen.

Konkreten parteipolitischen Einsatz zeigte das Ensemble, das dem bürgerlich-linken Lager nahestand, 1969, als es den Bundestagswahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten Willy Brandt (SPD, 1913–1992, Bundeskanzler 1969–1974) durch eine Kurztournee unterstützte, und sich 1986 und 1990 ebenfalls mit Gastspielen für Gerhard Schröders (SPD, geb. 1944, Bundeskanzler 1998–2005) Landtagswahlkämpfe in Niedersachsen engagierte.

Formen

Die Abende der Lach- und Schießgesellschaft bestanden aus einer Abfolge von Nummern, die von den Schauspielern solistisch, als Duo, Trio oder vom ganzen Ensemble gesprochen und gesungen wurden. Die musikalischen Nummern sowie jene, die von mehreren Mitgliedern gemeinsam vorgetragen wurden, bedurften einer gewissen Vorbereitungs- und Übungszeit und wurden daher in den laufenden Programmen kaum verändert. Die für die Relevanz einer Kabarettbühne essentielle Behandlung tagesaktueller Ereignisse erfolgte deshalb überwiegend in den Solonummern einzelner Ensemblemitglieder, die sich durch ihr improvisatorisches Geschick auszeichneten, allen voran Hildebrandt und Venske.

In den meisten Fällen waren die Nummern nur lose durch das Hauptthema des jeweiligen Programms miteinander verbunden und standen für sich. Gelegentlich wurde diese Form des Nummernkabaretts aber auch erfolgreich durch eine geschlossene Form mit durchgehender Handlung ersetzt, so in den Programmen „Der Moor ist uns noch was schuldig“ (1968), „Wir werden weniger“ (1982) und „Abgehängt“ (2005).

Organisation und Spielbetrieb

Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft agierte als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Geschäftsführung bis 1986 Drechsel und von 1986 bis 2001 Miville oblag. Diese Organisationsform, in der die wichtigsten Mitwirkenden als Gesellschafter fungierten und Mitspracherecht besaßen, förderte deren Identifikation mit dem Unternehmen, das über viele Jahre den Charakter eines Familienbetriebs ausstrahlte. Dies geht etwa auch aus den 1986 eingeführten und ab dann alle zwei Monate erscheinenden Informationsbroschüren des Kabaretts hervor, in denen immer wieder auch das Personal hinter der Bühne gewürdigt oder familiäre Ereignisse wie Geburten und runde Geburtstage oder Betriebsausflüge thematisiert wurden. Mit der Umwandlung der Lach- und Schießgesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) 2001 unter der Leitung von Till Hofmann rückte die kommerzielle Ausrichtung des Theaters in den Vordergrund.

Zwischen 1956 und 2019 realisierten die verschiedenen Ensembles der Münchner Lach- und Schießgesellschaft 53 Programme, die bis 1999 im Jahresabstand und seitdem unregelmäßig Premiere hatten. Anfänglich spielte die Gruppe fast ausschließlich in München. Von 1962 bis 1999 war der Spielbetrieb dann aufgeteilt: Im Frühjahr gab das Ensemble gut 80 Vorstellungen im Münchner Stammhaus, im Herbst folgte traditionell eine ausgedehnte Tournee mit über 90 Gastspielen, überwiegend in Deutschland, aber auch in Österreich, Liechtenstein und der Schweiz sowie ab 1990 auch in der ehemaligen DDR. Finanziell waren die Tourneen mit Auftritten in Theatern mit bis zu 1.500 Zuschauern für das Unternehmen essenziell, da die Kosten des vielköpfigen Betriebs allein durch die Einnahmen im Münchner Haus mit seinen ca. 130 Plätzen nicht erwirtschaftet werden konnten. Seit 2001 finden die Heim- und Gastspiele der Ensembles der Lach- und Schießgesellschaft unregelmäßig statt.

Während sich das Ensemble auf Tournee befand, bespielten wechselnde Solokünstler und Ensembles das Münchner Haus. Hierzu zählten Kabarettgrößen wie Werner Finck (1902–1978), Helen Vita (1928–2001), Hanns Dieter Hüsch (1925–2005) und Georg Kreisler (1922–2011), aber auch Newcomer wie Lisa Fitz (geb. 1951), Josef Hader (geb. 1962) und Urban Priol (geb. 1961) sowie Gruppierungen wie die „Wellküren“ und das „Knobi-Bonbon-Kabarett“. Zudem gastierten immer wieder Ensembles anderer Kabarettbühnen, etwa vom Berliner „Bügelbrett“, von der Bonner „Springmaus“ oder der Dresdner „Herkuleskeule“. Häufig präsentierten sich die Gäste zwei bis drei Wochen im Münchner „Laden“. Seit der Jahrtausendwende dient die Lach- und Schießgesellschaft überwiegend als Gastspielbühne, die in schnellem Wechsel einer großen Anzahl an Künstlern ein Podium bietet. Die Vorstellungen der immer wieder neu zusammengestellten Hausensembles fügen sich in diese Struktur.

FC Schmiere

Gruppenbild des FC Schmiere bei einer Reportage über Maxl Graf, 8. Oktober 1967 (v.l.n.r.): Maxl Graf (1933–1996), Unbekannt (verdeckt von Graf), Hans-Jürgen Diedrich (1923–2012; kniend), Franz Muxeneder (1920–1988), Sammy Drechsel (1925–1986), Fred Kassen (liegend), Jürgen Scheller (1922–1996), Horst Jüssen (1941–2008), Dieter Hildebrandt (1927–2013), Unbekannt, Ludwig Maibohm (1914–1997; ganz rechts). Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-02793)

Fester Bestandteil der Lach- und Schießgesellschaft war für viele Jahre der „FC Schmiere“, der auf Initiative des Fußballenthusiasten Drechsel ins Leben gerufen und 1964 ins Vereinsregister eingetragen wurde. Neben Ensemblemitgliedern wie Drechsel, Hildebrandt, Scheller, Jonas, Basedow und Venske wirkten diverse Prominente in den Fußballspielen des Vereins mit, darunter Maximilian Schell (1930–2014), Fritz Wepper (geb. 1941), Gerhard Schröder und Eckart Witzigmann (geb. 1941), sowie viele Fußballprofis. Der FC Schmiere trat auch auf den Tourneen des Ensembles regelmäßig in Erscheinung. Die Erlöse der Spiele – in den erfolgreichsten Jahren vor bis zu 40.000 Zuschauern – kamen Wohltätigkeitszwecken zugute. Der FC Schmiere war bis 2014 aktiv und absolvierte bis zu diesem Zeitpunkt 2.161 Spiele, von denen er 1.577 gewann.

Rundfunk und Fernsehen

Ihre immense Popularität verdankte die Lach- und Schießgesellschaft in besonderem Maße der Ausstrahlung ihrer Programme im Rundfunk und vor allem im Fernsehen (anfänglich nur im BR, später auch in anderen Sendeanstalten der ARD), wo ein vollkommen neuer Publikumskreis erschlossen wurde, der bis dahin keinerlei oder kaum Berührung mit dem Genre Kabarett gehabt hatte.

Für die Fernsehaufnahmen wurde das winzige Theater mit seinen etwa 130 Plätzen in einem Studio auf dem Bavaria-Filmgelände in Geiselgasteig (Lkr. München) in vergrößertem Maßstab nachgebaut, wodurch die Illusion des Originalraumes gewahrt wurde, zugleich aber die notwendige Technik sowie mehr Zuschauer unterbracht werden konnten. Regelmäßig wurden prominente Gäste unter den Zuschauern im Programm auf die Schippe genommen. Im Unterschied zu den Vorstellungen im eigenen Haus, bei denen die Münchner Lach- und Schießgesellschaft als nicht-subventioniertes unabhängiges Unternehmen ganz frei in der Wahl und Behandlung ihrer Themen war, mussten sich die Kabarettisten bei den Übertragungen ihrer Programme im Fernsehen gewissen Vorgaben der Sendeanstalten anpassen. Was moniert wurde, hing stark von den unterschiedlichen Rundfunkanstalten bzw. den Programmdirektoren und der jeweiligen Zeit ab. So waren etwa im BR in den 1950er und 1960er Jahren Religion und Kirche sowie allzu freizügige Sujets tabu. Andererseits lehnten die Verantwortlichen im Rundfunk immer wieder Eingriffe in die Meinungsfreiheit der Künstler ab. Übereinstimmend berichten Klaus Peter Schreiner und Henning Venske von der kontinuierlichen Toleranz der Sendeanstalten über viele Jahrzehnte.

Ab Anfang der 1960er Jahre präsentierte sich die Lach- und Schießgesellschaft zusätzlich im Zweijahresrhythmus mit ihrer ungemein beliebten Silvesterfernsehsendung „Schimpf vor 12“, die 1989 anlässlich des Mauerfalls eine Neuauflage erlebte, als das Ensemble gemeinsam mit dem Leipziger Kabarett Die Pfeffermühle ein Zeichen zur Deutschen Einheit setzte. Eine letzte „Schimpf vor 12“-Sendung lief 1990. Mit den Berliner „Stachelschweinen“ erschien das Münchner Ensemble von 1961 bis 1964 und 1967 einmal jährlich in der Sendung „Berlin ist einen Freiplatz wert“ der NDR-Fernsehlotterie, die ihren Reinerlös dem Berliner Hilfswerk zur Verfügung stellte. Weitere Fernsehformate, die nicht mehr unmittelbar mit dem Münchner Kabarett zusammenhingen, wohl aber von dessen Mitwirkenden realisiert bzw. produziert wurden, waren die von 1973 bis 1979 ausgestrahlten, allerdings vorproduzierten „Notizen aus der Provinz“ sowie die überaus erfolgreiche Livesendung „Scheibenwischer“, die von 1980 bis 2009 lief, wobei Hildebrandt als Gründer und Gesicht der Sendung sich bereits 2003 daraus zurückzog.

Literatur

  • Klaus Budzinski/Reinhard Hippen, Metzler Kabarett Lexikon, Stuttgart und Weimar 1996.
  • Klaus Budzinski, Die öffentlichen Spaßmacher. Das Kabarett in der Ära Adenauer, München 1966.
  • Klaus Budzinski, Pfeffer ins Getriebe. So ist und wurde das Kabarett, München 1982.
  • Till Hofmann (Hg.), Verlängert. 50 Jahre Lach- und Schießgesellschaft. Aufgeschrieben von Matthias Kuhn, München 2006.
  • Rainer Otto/Walter Rösler, Kabarettgeschichte. Abriß des deutschsprachigen Kabaretts, Berlin 1977.
  • Manuela Schwab, Dieter Hildebrandt und sein politisches Kabarett bis 1972, München 2014.

Quellen

  • Archiv der Münchner Lach- und Schießgesellschaft 1956-2002, Münchner Stadtbibliothek Monacensia.
  • Bestand zur Münchner Lach- und Schießgesellschaft im Deutschen Kabarettarchiv Mainz.
  • Dieter Hildebrandt, Was bleibt mir übrig. Anmerkungen zu (meinen) 30 Jahren Kabarett, München 1986.
  • Nachlass Dieter Hildebrandt, Münchner Stadtbibliothek Monacensia.
  • Nachlass Jürgen Scheller, Deutsches Kabarettarchiv Mainz.
  • Nachlass Klaus Peter Schreiner.
  • Programmhefte und Infobroschüren der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, 1956–2020, befindlich in der Münchner Stadtbibliothek Monacensia (1956–2002) und der Bayerischen Staatsbibliothek (seit 1976).
  • Klaus Peter Schreiner, Die Zeit spielt mit. Die Geschichte der Lach- und Schießgesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1978.
  • Klaus Peter Schreiner, Ins Schwarze geschrieben. Streifzüge durch (meine) 30 Jahre Kabarett, München 1988.
  • Teilnachlass Walter Kabel, Deutsches Kabarettarchiv Mainz.
  • Henning Venkse, Es war mir ein Vergnügen, Frankfurt a. M. 2014.
  • Ton- und Filmdokumente:
    Seit dem zweiten Programm („Bette sich wer kann“, 1957) wurden alle Programme des ersten Lach- und Schießgesellschaftsensembles auf Schallplatte veröffentlicht. An späteren Programmen sind nur noch „Die Polka-Krise“ (1997), „Das vertanzt sich“ (1998), „Deutsch mit Schuss“ (1999) und „Verlängert“ (2006) auf Tonträgern dokumentiert. Darüber hinaus existieren einige Schallplatten und CDs mit Zusammenstellungen verschiedener Nummern. In den letzten Jahren erschienen beim Münchner Label Film 101 drei DVDs aus der Anfangszeit der Münchner Lach- und Schießgesellschaft: „Hoanzl – Best of Kabarett Nr. 75 – Schimpf vor 12“, „Berlin ist einen Freiplatz wert“ und „Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft. 3 komplette Programme, 1956–1972“, sowie die Gesamtdokumentation des Theaters „Hinter keinen Kulissen – Ausschnitte und Filmdokumente aus sechs Jahrzehnten“. Neben zahlreichen einzelnen Nummern sind auf diversen Plattformen im Internet auch vollständige Programme aufrufbar: „Schimpf vor 12“ (1965), „Auf Nummer sicher“ (1984), „Jugend raus“ (1985), „Mustermann“ (1986), „Wir setzen uns ab“ (1988), „Schuld sind immer wir anderen“ (1989), „Schimpf vor 12“ (1989), „Schimpf vor 12“ (1990), „Alle Ächtung“ (1991), „Requiem für einen Wurstel“ (1993) und „Als Verwählte grüßen“ (1994) (Stand: 2021).

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Judith Kemp, Münchner Lach- und Schießgesellschaft, publiziert am 19.05.2021; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Münchner_Lach-_und_Schießgesellschaft> (28.03.2024)